Guillaume de Lorris
Das Gedicht von der Rose
(Le Roman de la Rose)

[3] 1.

Das ist von der Rose die Geschichte,

Wo Amor's Kunst ich ganz berichte.

Es sagen Manche, daß im Traum'
Durchaus Nichts sei als Lüg' und Schaum –
Doch wahrlich giebt es Träume wohl
Die mehr sind als nur Schäume hohl,
Die sich erfüll'n in Wirklichkeit. –
Auch ist berühmt in alter Zeit
Ein Mann, Makrobius genannt,
Der Träum' als eitel nicht erkannt.
Auch liest man von dem Traum, der schon
Erschienen König Cipio'n 1.
[3]
Und wer da denkt, und wer da schreit,
Daß Narrheit sei und Albernheit,
Zu glauben, daß der Traum nicht Lug; –
Sag', wenn er will: ich sei nicht klug.
Mir für mein Theil bleibt sicher sta'n,
Daß Zeichen oft im Traum' geschahn,
Von Aergerniß und Lust der Leut'.
Denn Vielen träumt bei nächt'ger Zeit
Manch' Ding' nur dunkel übergleist,
Das nachher deutlich sich erweist.
Ich war kaum zwanzig Jahre voll,
Wo Minne anhebt ihren Zoll
Von Jünglingen. Wie meist ich thu',
Lieg' ich da eine Nacht in Ruh'
Und schlafe ziemlich fest und schwer –
Kommt mir im Schlaf' ein Traum daher,
Der, gar sehr bunt, mir wohl gefällt –
Doch gab's im Traum Nichts in der Welt,
Das dann nicht ganz so wär' gescheh'n,
Als wie es mich der Traum ließ seh'n:
Nun will ich diesen Traum erzähl'n,
Recht Euern Herzen zu empfehl'n,
Wie Minn' im Traum mich hat ergötzt;
Und wollt ihr wissen nun zuletzt,
Wie ich will nennen das Gedicht,
Von dem der Anfang hier geschieht?
[4]
S' ist von der Rose die Geschichte, –
Wo Künst' der Minn' ich all' berichte.
Der Stoff ist neu und gut daran. –
Gott geb', daß dies nun leiden kann
Sie, der zu Lieb' ich es erdacht;
Sie hat so hohe Ehr' und Macht,
Hat sich der Lieb' so werth erweist,
Daß sie mit Recht die Rose heißt.
Mir scheint's, als wenn es länger wär',
Doch mind'stens ist's fünf Jahre her;
Im Wonnemond' war's, da träumte ich –
In jener Lustzeit, wonniglich,
Wo freudetrunken jeder Staub,
Wo neu sich decken will mit Laub
Ein jeder Busch, ein jeder Zaun –
Wo Nichts Du schmucklos magst erschau'n:
Die Bäume decken auf ihr Grün,
Das durch den Winter welk erschien;
Die Erd' erhebt sich selbst, ergötzt
Vom Thaue, der sie nun benetzt,
Wo bald die Armuth sie vergißt,
In der den Winter lang sie ist.
So eitel wird die alte Erd',
Daß sie ein neu Gewand be gehrt.
Sie putzt und schmückt ihr Kleid so sehr,
Daß hundert Farben d'rauf und mehr,
[5]
Und indisch' persisch Kraut und Blum' –
Von manch' verschied'nem Färbethum'.
Ich meine, dieses ist das Kleid,
Deß' sich die Erd' am meisten freut.
Und dem Gevögel, das nicht sang
Die herbe Winterkälte lang,
In jener Zeit so arg und trüb';
Dem wird der Wonnemond gar lieb!
Sie zeigen lustig im Gesang,
Wie ihnen Freud' das Herz durchdrang,
Daß nun mit Macht ertönt ihr Schall.
Dort singt gar schön die Nachtigall,
Hier hört man anderes Geräusch,
Und dorten quält sich mit Gekreisch'
Die Kopflerch' und der Papagei,
Dort übt jung Volk sich, wie es sei
Recht lustig und verliebt so weit
In dieser schönen süßen Zeit;
Sehr hart muß sein, wer da nicht liebt,
Wo Lieder jedes Zweiglein giebt,
Der Vögel süßer Lustgesang
Der Brust erregt den gleichen Klang,
Wo aller Gram und Harm vorbei! –
Da träumt mir eines Nachts: es sei
So weit gerade, daß der Tag
Sich dämmernd bald erheben mag.
Vom Bette sprang' ich da behend',
[6]
Zog schnell mich an, wusch mir die Händ',
Und eine Silberangel fein
Nahm ich aus schmuckem Angelschrein,
Und fädelte die Angel ein. –
Da treibt mich's aus der Stadt, im Frei'n
Zu hören auf den Vogelsang,
Der durch die Büsche rings erklang
In dieser neuen Frühlingszeit. –
Ich klappe auf die Aermel beid'
Und schlendre fort so ganz allein
Und lausche auf die Vögelein,
Indem sich jed's zu singen müht,
Auf dem Gezweig', das rings erblüht –
Leichtmüthig, wonnevoll und froh.
Zu einem Bach gelang' ich so,
Den ich allda nun rauschen hör' –
Und schöner wüßt' ich's nirgends mehr
Als hier an dieses Baches Rand'
Von einem Hügel, der da stand,
Kam viel des Wassers mit Gewalt
Hell, rauschend und so kühlich kalt,
Wie'n Springquell oder Born zu seh'n,
Viel kleiner wohl nicht als die Seine –
Jedoch viel breiter noch ist die: –
Gesehen hab' ich nun noch nie,
Ein Wasser, das so herrlich floß.
So reizt' es mich und ich genoß
[7]
Noch länger diesen schönen Platz.
Des Wassers leuchtend heller Schatz
Mir meinen Muth erfrischt, erweckt; –
Und wohl beschützt und wohl bedeckt
Rinnt fort der Wasserquell im Gries.
Die Wiese schön und räumig, ließ
Nicht ab von dieses Baches Rand.
Gar schön und hell und heiter stand
Der Morgen sanft gemäßigt da.
Ich geh' nun, jener Wiese nah,
Die um die Ufer rings sich zieht
Zu der das schöne Wasser flieht.

Fußnoten

1 Scipio, den Cicero zum Träger und Helden seiner philosophischen Phantasie gemacht hat, die unter dem Titel: somnium Scipionis (Traum des Scipio) bekannt ist.

[8] 2.

Der Liebende spricht und redet da

Von sieben Bildern, die er sah:

Gemäld' an eines Haines Wand,

Die er für gut zu deuten fand,

Wie jed's gestaltet, wem es gleich',

Die Namen hört Ihr alsogleich:

Das erste Bild, das da man fand,

Dasselbe war der Hass benannt.

Ich war gegangen noch nicht weit,
Sah einen Hain ich, groß und breit,
Rings um ging einer Mauer Lauf –
Ein Bildniß war davor, und drauf
Gegraben auch viel manche Zeil':
Gemäld' und Bilder eine Weil'
Bewundr' ich gern da nach Gebühr.
Und Euch erzähl' und schreib' ich hier
Die Deutung dieser Bilder hin,
Wie sie mir kommen in den Sinn.

[9] Haß.

In ihrer Mitte stand der Haß,
Der jedem Zorn' und Aerger was
Ein Gründer allem Anschein' nach:
Ingrimmig und gar zänkisch jach. –
Von arger Falschheit und Verrath
Dies Bildniß mir den Anschein hat.
Es war nicht allzuwohl geschmückt
Auch schien es etwas wild verrückt,
Und wild und rauh war sein Gesicht,
Die Nase grimm' emporgericht't.
Von großem Graus' ward es bedeckt,
Und war auch eben so versteckt
Von einem Schleier grausig wild.
Verrätherei.

Von gleicher Art ein ander Bild
Sah' ich zur Linken neben ihm,
Am Haupte stand der Name ihm:
Es war benannt: Verrätherei.
Schurkerei.

Ein Bildniß, welches Schurkerei
Von Namen hieß – stand rechter Hand,
Das ich von gleichem Wesen fand
Und an Gestalt auch glich es ihm:
Schien gar ein übeles Gethüm.
[10]
Voll Hochmuth war's und Zanksucht schon
Und übelredend und voll Hohn:
Zum Malen schickt es leicht sich an
Für den, der Bilder machen kann.
Es schien dies gar ein übel Ding
Voll Leid's und Streitens nicht gering.
Ein Weib, geneigt nicht allzusehr
Zu leisten die gebühr'nde Ehr.
Habsucht.

Dann war die Habsucht aufgehängt:
Das ist die, die uns Leute drängt,
Daß Jed's gern nimmt, doch Kein's gern giebt,
Die jeden Schatz zu sammeln liebt.
Das ist die, die zu Zinsen schier
Die Hände streckt aus großer Gier,
Zu sammeln was da gilt und gleißt:
Das ist die, die da stehlen heißt
Die Räuber und das Diebgesind'. –
Zu großem Jammer, großer Sünd'
Streckt sie die Hand am Ende aus.
Es ist die, die des Andern Haus
Bestiehlt, beraubet und betrügt,
Und ihn beschummelt und belügt.
Es ist dieselbe, die gar sehr
Mehrt der Betrüger großes Heer,
Daß oft wohl ihrer Kniffe Brauch
[11]
Den Wittwen und den Waisen auch
Ihr gutes Erbe ganz benimmt.
Verzwicket waren und gekrümmt
An selbem Bilde auch die Händ' –
Gar recht: weil Habsucht immer brennt,
Zu nehmen, wo sie Fremdes kriegt.
Habsucht gedenkt an Andres nicht,
Als zu ergattern fremdes Gut:
Habsucht ist Fremdem gar zu gut.
Geiz.

Ein andres Bildniß saß zur Zeit
Da mit der Habsucht Seit' an Seit':
Und Geiz war dieses zubenannt:
Gar schmutzig, widerwärtig stand
Dies Bild und mager und gar übel,
Und grünlich gelb wie eine Zwiebel.
Es war so gänzlich farbebar,
Daß mir es schien, als siech' es gar.
Es schien ein ganz verhungert Ding,
Das stets sich nur an Brod verfing',
Aus Sauerteig geknetet fest. –
Und außer dieser Dürrheit läßt
Ganz dürft'ge Tracht es sehen jetzt:
Ein Wamms, zerrissen und zerfetzt,
Als wie zerzerrt von Hunden gar –
So abgetragen schlecht es war.
[12]
Dran hing gar manches alte Stück.
Ein Umwurf hing ihm in's Genick
An einem Stab', gar klein zu schau'n.
Der Kutte Farbe, die war braun –
Am Umwurf' war kein' gute Falt',
Von schlechtem Zeuge arm und alt
Von schwarzen Lämmern, schlecht und krank:
Er dient' wohl zwanzig Jahre lang.
Es drängt sich eben nicht der Geiz
Zu Ankauf eines neuen Kleid's.
Denn wißt: das Kleid gar hoch ihm daucht,
So daß er's keineswegs gebraucht;
Denn würde vom Gebrauch es schlecht,
Dem Geize großen Kummer brächt'
Bedürfniß einer neuen Tracht,
Die nur für Geld würd' ihm gemacht.
Geiz hält 'nen Beutel in der Hand,
Den er jedoch gar sorglich band,
Und so verborgen bei sich hält,
Daß es lang' währt und schwer ihm fällt,
Eh' denn daraus er Etwas kriegt –
Doch wird ihm dies auch nöthig nicht.
Er ging ja von dem Sinn' nicht aus,
Zu nehmen Etwas je heraus.
Neid.

Dann gab es da das Bildnis Neid,
[13]
Der nie gelacht sein' Lebenszeit –
Den Nichts niemalen hat erfreut,
Als wo er Schaden oder Leid
Gesehn hat oder hat gehört;
Und Nichts Gefallen ihm gewährt
Als fehlgeschlagnes, übles Glück –
Und wenn er sieht groß' Mißgeschick
Einbrechen auf den braven Mann,
Das macht ihm großen Spaß alsdann.
Zu froh nur ist sein arger Muth,
Sieht ein Geschlecht von hohem Blut'
Er fallen und zu Schanden geh'n.
Doch sieht er Wen zu Ehr' ersteh'n
Durch hohen Geist und hohe Kraft –
Das ist was größtes Leid ihm schafft.
Denn wisset, daß ihm's schlecht gefällt,
Wenn Etwas gut geht auf der Welt.
Neid ist von solcher Grausamkeit,
Daß er nicht hegen kann Mitleid
Nicht für Genossen, noch Gefährt'.
Und kein Verwandter ihm gehört,
Dem er nicht stets verfeindet blieb';
Denn sicherlich ist's ihm nicht lieb,
Glückt's wem – und wenn's sein Vater wär'.
Doch wisset, daß nur allzuschwer
Und stark er führt die Bosheit aus.
Es macht ihm gar zu großes Graus
[14]
Und Leid, wenn wer was Gutes hat,
Was Kleines nur, das er nicht hat.
Sein schlecht' Herz zwickt und quält ihn recht,
So daß es Gott und Menschen rächt.
Der Neid versäumet keine Stund',
Der Welt zu bringen eine Wund'.
Ich wähne, daß er selbst nicht schätzt
Den Klügsten, den es giebt alljetzt
Diesseits der See, jenseits der See –
Dem er nicht Flecken anersäh'; –
Und wäre der auch noch so weis',
Daß er ihm könnt' um keinen Preis
Was Abbruch thun – doch sicherlich
Thät' er alsdann Genüge sich,
Zu schmälern seine Würdigung
Doch mindestens mit seiner Zung'.
Ich sah dem Neid auf dem Gemäld'
Gar schlechten Anblick auch gewählt:
Er blickte gar nicht anders mehr
Als gänzlich schielend schief und quer.
Die üble Sitte ließ ihn nicht,
Daß er hätt' können sein Gesicht
Auf Etwas lenken grader Weis' –
Stets schloß ein Auge er mit Fleiß,
Das er vor Groll und Gall' verzwickt,
Sobald er Einen wo erblickt,
[15]
Der schön und würdig ist bestellt;
Geliebt, gelobet von der Welt.
Trübsinn.

Und ganz dem Neide nahe stand
Trübsinn gemalet an die Wand.
Man sah's an seiner Farb' genug,
Daß er im Herzen Trauer trug,
Gelbsucht schien er zu haben gar,
Dagegen selbst der Geiz nichts war
An Blässe und an Magerkeit;
Denn Kummer, Sorge und viel Leid
Und Qual und Aergerniß dazu
Ließ ihn nicht Tag noch Nacht in Ruh.
Das hatte Gelbsucht ihm gebracht
Und bleich und mager ihn gemacht.
Fürwahr in solcher Peinigung
In solcher Herzens-Aufregung
Scheint mir es, war noch nie ein Mann.
Ich wähn' auch, daß nie Einer kann
Das minder thun, was ihm behagt,
Daß er zu flieh'n nicht mal mehr wagt,
Zu widersteh'n auf keine Art
Dem Kampf, der ihm im Herzen ward.
Zu sehr schon war sein Herz gerührt,
Der Kampf zu lang' schon fortgeführt.
Gar leidend schien er da zu sein,
[16]
Als wär's ihm nie gefallen ein,
Je aufzuheitern sein Gesicht.
Auch war sein Rock zum Besten nicht,
Am Aermel hatt' er Löcher gar,
Wie Ein's, das viel in Jammer war.
Sein Haar das war verworren viel,
Wie's auf den Nacken niederfiel,
So wie es Ingrimm, leidbewegt,
Und übel Loos zu haben pflegt.
Auch wiss't wohl und wahrhaftiglich,
Daß er geweint hat bitterlich:
Wär' Keiner, der ihn hätt' geseh'n,
Dem er nicht thät' zu Herzen geh'n,
Wie er sich selber rauft' und krallt'
Und seine Fäust' zusammenballt',
Wohl war zum Streite aufgeregt
Er jammervoll und leidbewegt.
Nichts ist, das ihm zur Freude dien',
Nicht trösten, stimmen kann man ihn.
Denn wem es trüb' um's Herze ist,
Der hat nicht, sehet zu und wißt,
Zu Tanze Lust und Narrethei'n;
Auch lässet nimmermehr sich ein,
Wer steht im Kampf' – mit Lust und Freud';
Zuwider sind sich Lust und Streit.
Alter.

Dann war das Alter aufgestellt,
[17]
Das etwas sich dahinter hält,
So wie es thut gemeiniglich:
Kaum aufrecht halten konnt' es sich
So was gebrechlich es und alt.
Ganz war verkommen die Gestalt,
Und häßlich, allen Schmucks beraubt.
'Ne Glatze war sein ganzes Haupt
Und weiß, als stünd's in Blüthe grad'; –
Es wär' darum nicht allzu Schad',
Sein Tod wär' grad' kein schlimmer Fall:
Verdorret sind die Sehnen all'
Vor Alter und Kraftlosigkeit,
Und seine Stärke, – vor der Zeit
Wohl voll und gut – ist jetzt zunicht.
Von Runzeln voll ist sein Gesicht.
Die Augen sind bedeckt mit Moos,
Der Mund ist längst der Zähne blos.
Da ist kein einz'ger mehr darin;
So sehr ist es vor Alter hin,
Daß schon es nicht mal mehr die Spann'
Von vieren Klaftern gehen kann.
Die Zeit, die fortgeht Tag und Nacht,
Und nimmer Aufenthalt sich macht,
Und die da von uns geht und schleicht,
So unvermerkt, daß leicht es däucht,
Sie bliebe steh'n auf einem Fleck' –
[18]
Und bleibt doch nie auf einem Fleck',
Und die nie aufhört fortzugeh'n,
So daß doch nimmer Einer wähn' –
Daß dies die gegenwärt'ge Zeit;
Fragt Ihr die Schriftgelehrsamkeit,
So ist die Zeit, indem ihr's denkt
Dreimal bereits davon gedrängt –
Die Zeit, die nimmer mehr einspricht,
Geht allsofort und kehret nicht,
Wie Wasser, welches ewig fließt
Und keinen Tropfen rückwärts gießt.
Die Zeit, vor der Nichts dauernd harrt,
Sei's Stahl auch oder noch so hart –
Die Alles aufzehrt und besiegt,
Die Zeit, die Alles weiter fügt,
Die Alles wachsen läßt und nährt –
Und Alles aufbraucht und verzehrt;
Die unsre Väter altern ließ. –
Und selbst die Kön'ge altern hieß,
Und die uns All' in's Alter zwingt,
Bis wo der Tod uns weiter bringt; –
Die Zeit hat Völker in Gewalt
Und macht das Alter selber alt
Und hart, daß auch an Hülfe gar
Mit keinem Wort zu denken war;
Zur Kindheit kehrt es so zurück,
Denn sicher hatt's nicht mehr Geschick –
[19]
So wähn' ich – noch Sinn und Gewalt,
Als wie ein Kind, zween Jahre alt.
Indeß nach meinem Sinn' und Fug'
War edel einst es wohl und klug –
Als es in besten Jahren stand –
Jetzt, wähn' ich, war es ohn' Verstand
Und ganz verkommen war es jetzt.
Ein Kragenmantel wohlbesetzt
Bedeckte enge ihm den Leib,
Wenn ich's noch richtig weiß und schreib':
Es war bekleidet warm und gut –
Dieweil es sonst zu kalt ihm thut.
Denn warm sind Alte wenig nur:
Das, wisset wohl, ist die Natur.
Heuchelei.

Gemalt war noch ein Bild dabei,
Es schien, daß dies voll Tücke sei,
Die Heuchelei, das ist sein Nam',
Die ist's, die in verstecktem Kram' –
Wenn Niemand sein kann auf der Hut,
Nicht zaudert, und gar Arges thut –
Dehmüthig-einfach, frömmelnd gar
Thut sie, sobald es offenbar –
Und scheint ein Wesen herrlich recht;
Doch unter'm Mond' ist Nichts so schlecht
Das sie nicht leicht in Anschlag nähm',
[20]
Das Bild hier gleichet gänzlich dem,
Und ist nach Aehnlichkeit gemacht,
Die niedre Haltung ist bedacht –
Ganz so bekleidet und beschmuzt,
Als wie die Sage selbst es putzt.
Ein Psalmbuch hielt sie in der Hand,
Und wißt, daß sie sich unterwand,
Zu thun, als wenn zu Gott sie fleh'
Und allen Heil'gen in der Höh'.
Sie kann nicht froh noch heiter sein,
Giebt sich gedankenvollen Schein,
Als denk' sie nur an Frömmigkeit. –
So trug sie auch ein hären Kleid;
Und wißt, sie war nicht eben dick;
Vom Fasten, schien's, kam sie zurück,
Von Farbe war sie bleich und todt; –
Des Himmelsgartens Eingang bot
Sich ihr und all' den Ihren nie;
Denn ganz mit Fleiß entstell'n sich die, –
So sagt die Heils-Urkund' uns schon –
Zu haben vor der Welt den Lohn
Und vor der Welt den guten Schein;
Doch Gott läßt dieses nimmer sein.
Dürftigkeit.

Zuletzt war da ein Bild gestellt:
[21]
Armuth, die keinen Pfennig Geld
Besitzt, – und gält's das Hängen ihr –
Ihr Kleid sogar verkauft sie schier;
Daß sie so nackt war als ihr Glück.
Wär' etwas noch die Zeit zurück,
Ich wähn', sie wär' erfror'n fürwahr,
Nur eine alte Hülle war,
Mit alten Lumpen Fleck an Fleck,
Ihr einz'ger Rock und ihre Deck'.
Kaum konnte sie verhüllen sich.
Da gab's zu zittern sicherlich.
Sie stand von Jenen etwas weit –
So steht ein schäbiger Hund zur Seit', –
Und so verkroch sie sich dabei.
Ein armes Ding, wo es auch sei
Trägt immer der Verachtung Wucht,
Und jede Stunde sei verflucht,
Die einen Armen mehr gebährt,
Denn solcher wird nie recht ernährt,
Nie gut gekleidet, wohl verseh'n,
Geliebt, gestützt durch irgend wen.
Die Bilder sah gar wohl ich an,
Die, wie ich wohl gemerket ha'n,
Von Gold und blauem Edelstein',
Die ganze Mauer nahmen ein.
Viereckig war die Mau'r, und groß
[22]
Und wohl verwahrt mit festem Schloß;
Anstatt der Hecken war ein Hain,
Da kam kein Schäfer je hinein.
Der Hain, der stand gar schön und hold,
So daß ich hätt' hinein gewollt
Durch Leitern oder Steiggerüst' –
Hinein trug ich gar groß Gelüst'.
Denn solche Wonne zu erseh'n
Gelang noch Keinem, wie ich wähn',
Als es in diesem Haine hat.
Da ist den Vöglein ihre Statt,
Ganz ohne Scheu und ohne Schreck.
Es gab auch niemals reichern Fleck
An Bäumen und an Vogelsang,
Der noch dreimal so viel erklang,
Als sonst im ganzen Frankenland;
Den Einklang gar sehr lieblich fand
Von ihren Lauten jedes Ohr –
Die Hügel lauschten selbst empor; –
Ich lauschte auch von Freud' empor
So lange sie vernahm mein Ohr.
Ich nähm' fürwahr nicht vieles Geld, –
Wenn mir der Eingang offenständ, –
Und ich nicht sollte sehen hie,
Wer drinnen war (Gott segne sie!):
Die Vogelschaar, die drinnen sprang,
[23]
Und da wohl wechselweise sang –
Die Liebetänz' und Deutelei'n,
Gefällig, artig, zierlich, fein.
Wie ich die Vöglein singen hör',
Fass't mich wohl mächtig das Begehr,
Durch welche Kunst und welche List
Der Garten zu betreten ist? –
Und wisset, daß ich nirgend da
Mir Zugang wußte oder sah,
Und keine Stell' des Eintritts hier. –
Kein Sterbens Mensch auch war, der mir
Was zeigte – ich war ganz allein –
Und litt gar viele Sorg' und Pein.
Zu diesem End' auch kam mir bei,
Daß niemals noch gewesen sei
So schöner Garten ohne Thür
Ohn' Leitern oder Trepp' dafür.
Und Ungeduld erfaßt mich gleich –
Ich ging herum um den Bereich
Des ganzen Vierecks, um die Wand,
Bis ich ein kleines Thürlein fand,
Gar wohl verwahrt und eng' und klein –
Wo anders kam man nicht hinein –
Dagegen richt' ich nun die Schläg',
Denn nimmer war ein andrer Weg.

[24] 3.

Wie jetzt Frau Musse so viel that,

Dass sie die Thür geöffnet hat.

Ich schlug und stieß und im Verlauf'
Horcht' ich wohl manchmal wieder auf,
Ob denn gar Niemand hier zur Hand?`
Das Thürlein, das gar lockend stand,
Thät' auf ein edel' Mägdelein,
Das gar sehr lieblich war und fein.
Das Haar so gelb, wie Goldlack schaut,
So zart wie'n Küchlein war die Haut,
Stirn hell – gewölbt die Lider fein,
Die Augenwimpern war'n nicht klein,
Auch war sie ziemlich groß von Maß,
Und wohl gefallen mag die Nas' –
Ihr glänzt das Aug' wie keinem Falken
Zum Neid' und Aerger jedem Schalken.
Ihr Athem würzig war und süß,
[25]
Das Antlitz schön gefärbt sich wieß.
Der Mund, der war gar zierlich fein,
Sie hatt' am Kinn' ein Grübchen klein;
Am Hals von gutem Ebenmaß',
Den voll und üppig sie besaß,
Kein Bläschen, keine Warze war –
Und bis Jerusalem fürwahr,
Hatt' einen schöner'n Nacken Kein',
Der so sich zeigte glatt und rein.
Und ihre Haut war glänzend weiß,
Als unterm Zweig' gereiftes Eis,
Das erst gefallen frisch und neu:
Die Brust war wohlgestalt't und frei –
So schönen Weibes Busen fand
Wohl Keiner je in keinem Land'.
Ein schmuckreich Mützchen deckt die Stirn –
So hat es nirgends eine Dirn',
So hübsch und gar so wohl gemacht,
Auch war so schön es angebracht,
Wie all' mein' Lebtag nie ich's schaut'.
Der Rock lag wohl geschnürt und traut.
Ein Kranz von frischen Rosen hing
Auf des gestickten Mützchens Ring',
Ein'n Spiegel hielt sie in der Hand,
Indem das Haar ein Kamm verband,
Der war auf ihrem Haupt gar weit,
Gar passend und gar schön und breit.
[26]
Gestickt war'n beide Aermel reich,
Und daß die Hand blieb weiß und weich,
In weißen Handschuh'n sie erschien,
Das Kleid, das war von reichem Grün'
Mit Stickereien schön vollbracht,
Es schien aus ihrer ganzen Tracht,
Daß sie wohl litte wenig Noth;
So war sie anzuschauen roth
Und wohlgeschmückt; und gut gekleid't
Hatt' sie verlebt die Lebenszeit.
In Wonnezeit und Wonnemond
Hat keine Sorg' ihr beigewohnt
Um irgend was, als ganz allein:
Wie sie recht wohl geschmückt erschein'.
Nachdem die schmucke Magd mir hier
Geöffnet alsobald die Thür,
Bedankt ich mich gar süß alhie,
Und fragte sie alsbald auch, wie
Ihr Namen hieß', und wer sie wär'?
Auch war nicht spröd' sie dem Begehr'
Und gönnte Antwort meinem Gruße:
Genennet werd' alhier ich Muße
Sprach sie, von Jedem, der mich nennt;
Reich, mächtig bin ich, wohl bekennt;
Ich nehm' zu Allem gute Zeit –
Denn an Nichts denk' ich weit und breit,
[27]
Als wie ich mich erfreu' und pflege
Und Kamm und Haar zurechte lege,
Wenn ich gekämmt und schon gemacht,
So ist mein Tagwerk auch vollbracht.
Ich bin vertraut und hold und gut
Dem lieblich hübschen Wohlgemuth.
Denn dieser Hain wird sein genannt,
Und aus dem Sarazenenland',
Hat die Gewächs' er holen la'n,
Und sie im Hain' gepflanzet an.
Und als die Bäume er gesetzt,
Ließ er die Mauer, die Ihr jetzt
Erblickt, errichten rings umher
Und ließ bemalen sie nachher
Mit Bildern, die nun an ihr steh'n,
Nicht lieblich freilich oder schön,
Vielmehr trübselig in der That,
Wie Ihr sie vorher selber saht. –
Oft kommt zu Schattens Hochgenuss'
An diesen Ort in den Verschluß
Herr Wohlgemuth und seine Leut',
Die sind voll Lust und Fröhlichkeit.
Auch jetzt ist sicherlich darin
Herr Wohlgemuth und horchet hin
Auf Wettgesang der Nachtigall'n
Mit Lerchen und den Vögeln all'n.
Erholung pflegt und Lust er dort
[28]
Mit dem Gefolg', denn schönrer Ort,
Und schönren Stelle sich zu freu'n,
Die könnte nirgend mehr wohl sein.
Die schönsten Leut', das wisset nur,
Die je Ihr seht auf einer Flur,
Sind zur Gesellschaft ihm erkürt,
Bei der er weilet und sie führt.
Als Muße dessen mich belehrt,
Und Alles ich gar wohl gehört,
Da sagte ich: Frau Muße seid
Mir schwierig darum nicht zur Zeit:
Wenn Wohlgemuth auch frohbegnügt
Mit seinem Troß sich hier vergnügt
Im Hain, sei die Gesellschaft schier
Wenn's möglich, nicht entzogen mir,
Daß ich sie mag vor Nacht noch seh'n,
Mich drängt's danach, dieweil ich wähn',
Daß die Genossenschaft gar fein
Und schön und höflich werde sein.
Ich trat ein, und sprach Nichts zuvor,
Wo Muße aufgemacht das Thor.
Und kaum daß ich am Haine war
So war ich froh und lustig gar.
Und wißt, ich wähnt', mir sei bescheert
Der Himmelgarten auf der Erd':
[29]
Der Ort, so trefflich fand ich ihn,
Daß er mir himmlisch gar erschien;
Denn so viel jetzt ich Kunde hab':
In keinem Himmelgarten gab
Es solche Lust, als im Gewühl'
Des Haines, der mir so gefiel.
Genug gab's da von Vogelsang
Den ganzen großen Hain entlang;
Der dort voll Nachtigallen war
Und hier voll Elstern oder Staar' –
Da gab es ganze Schul'n und Spiel',
Zaunkön'ge, Turteltauben viel',
Stieglitze, Schwalben allzumal,
Kopflerchen, Meisen ohne Zahl,
Feldlerchen waren da gemein,
Die mit den andren sich erfreu'n,
Nach Lust zu singen und Gebühr,
Und Amseln, Haidelerchen schier,
Wettstreitend da zu überschrei'n
Den Sang der andern Vögelein,
Auch Papageien gab es dort,
Und viele noch die an dem Ort,
In dem Gehölze, wo sie weil'n,
Gar schön zu singen sich beeil'n.
Sie machten trefflich ihre Sach',
Wie ich's Euch zeige allgemach.
Die Vögel sangen all' so schön,
[30]
Als wär'n sie aus des Himmels Höhn.
Wißt, daß der Anblick, wie ichs hörte,
Mir lange Zeit viel Lust gewährte,
Wohl war so schön die Weise, wie
Kein Sterblicher sie hörte nie.
So schön und süß war dieser Klang,
Daß er nicht schien nur Vogelsang.
Man könnte achten ihn für wahr
Als wie von der Seereinenschaar 1
Die nach dem reinen Sang' zur Hand
Seereinen man hat zu genannt.
Die Vögel war'n mit Fleiß gekehrt
Zum Singen, d'rin sie wohl gelehrt,
Und wahrlich nicht ohn' Kunst im Sang',
Und wißt, als ich gehört den Klang,
Geseh'n das Grüne in dem Hain',
Da mocht ich wohl gar fröhlich sein;
Nie hatt' ich noch so große Freud'
Im Leben, als zu dieser Zeit,
Und von der Lust so hoch ergötzt
[31]
War ich gar voll von Wonne jetzt.
Da seh' ich wohl und weiß es gut
Was mir Frau Muße Liebes thut.
Daß, ihrer Freunde Göttin, sie
Versetzt mich in die Wonne hie,
Indem sie aufgeschlossen mir
Des laub'gen Haines enge Thür.
Und was gethan ich da sogleich,
Weiß ich's noch wohl, so sag' ich's Euch.
Zuerst, was Wohlgemuth wohl that,
Und was für Dienerschaft er hatt',
Sag' ich Euch jetzt ohn' viel Geschrei.
Und all' die Gärten nach der Reih',
Und ihre Bildung künd' ich dann.
Da nicht zugleich ich Alles kann,
Will nach der Reihe ich's erzähl'n,
Daß Niemand wisse, drum zu schmähl'n.
Gar großen Dienst, und süß und lieb
Zuvörderst dies Gevögel trieb.
Denn Lieb'- und Minnesänge stets
Sang seinem Schnabel nach ein Jed's,
Das Eine hoch, das And're tief,
Was nur die Lust zu Tage rief. –
Die süße Weise und die Lust
Gab keine kleine Wund' der Brust,
[32]
Doch als ein Weilchen ich gehört
Den Saug hab ich mich weggekehrt,
Den Herren selber sehn zu gehn.
Denn gut zu kennen wünscht' ich den,
Sein ganz Betragen, seinen Sinn;
Da ging ich denn zur Rechten hin,
Auf einem Nebengange jetzt,
Mit Münz' und Fenchel dicht besetzt.
Auch traf Herrn Wohlgemuth ich da
In einer Laub', und ziemlich nah
Ging ich zur Stelle, wo er saß,
Daselbst ergötzte er sich baß;
Es war'n bei ihm gar schöne Leut',
Sie sehend, wüßt' ich nicht bescheid,
Wo doch so schöne Leute her
Gekommen, denn es schien, als wär'
Das eine Flügelengelschaar,
So schön sah's Keiner, der je war.

Fußnoten

1 Nur so wüßte ich mir das seltsame Wortspiel des alten Dichters mit seraines und Seraines (wie er die Sirenen nennt) wieder zu geben, indem ich auch im Deutschen nach Beispiel älterer Dichter (z.B. Fischarts Don Kühschote) das griechische Wort zu deutschem Anklang entstelle.

Fährmann.

[33] 4.

Hier nennt der Liebende Fröhlichkeit,

Das ist 'ne Frau, die führt ohn' Leid

Den Reigen, ausgelassen ganz. –

Und diese führte nun den Tanz.

Die Leute, die ich jetzt genannt,
Die war'n zum Reigen grad' gewandt.
Und eine Frau sang ihnen heut –
Dieselbige hieß Freudigkeit –
Gar süß und schön sie das verstand,
Und wohl wie Keine so gewandt,
Wie Keine mit so schönem Klang' –
Es war ein Wunder, wie sie sang!
Wie hell die Stimm' und laut so recht,
Und nicht im Allermind'sten schlecht.
Zu schlagen wußte sie das Maß
Mit ihrem Fuße, wo sie saß –
Sie war gewohnt, zu sein schon lang
An jedem Ort' die Erst' im Sang'
[34]
Denn Singen das war so ihr Fach,
Das trieb sie gerne und gemach.
Dann sah den Reigen ziehen ich,
Die Leute schwenken wonniglich,
Und ziehen manches schöne Rund,
Manch schönen Gang auf grünem Grund'.
Dann sah ich Pfeifenbläser, ja,
Auch Harfner, Tausendkünstler da.
Die Einen sangen Rundgesäng',
Die Andren lotharing'sche Kläng' –
Auch gab es Tänzerinnen und
Auch Beckenschlägerinnen rund,
Die wußten gar zu spielen schön,
Und ließen gar nicht das Getön
Der Becken, daß es stimmte gar
Zugleich, und fehlt' auch nie ein Haar.
Zwei Mädchen, niedlich und gewandt,
In bloßem einfachen Gewand' –
Die führten einen Reigen an
Und ließen den Herrn artig dann
Den Kegel in dem Reigen sein –
Doch davon spricht es sich nicht fein.
Wie sie da schwenkten fügsam sich;
Die Eine kam gar wonniglich
Zur And'ren vor, und war'n sie nah,
Da drückten sie sich beide da
[35]
Wohl Mund an Mund, – wie ich bericht',
So küßten sie sich in's Gesicht.
Sie wußten's zu entwirr'n so wohl –
Ich weiß nicht, wie ich's malen soll
Doch nie wohl wollt' ich fort von da,
So lang' ich diese Leute sah.
Die so sich übeten mit Glanz'
In kunstvoll'm Reigen und im Tanz!

[36] 5.

Hier gibt der Liebende Bescheid,

Was dieser Reigen wohl bedeut',

Und wie die Adlichkeit er sieht,

Die ihn aus Freundschaft zu sich zieht,

Und die die Weise ganz ihm zeigt,

In welcher sich der Reigen neigt.

Den Reigen dort nun, wie er war,
Beschaut' ich mir, so lang' bis gar
Ein Fräulein, schön und wohl gemeit,
Mich aufgeweckt – die Adlichkeit –
Die stark und zierlich auch. Bewahr'
Dich Gott vor Schaden immerdar! –
Sprach Adlichkeit, wie sie mich sah:
»Nun, guter Freund, was macht Ihr da?«
Spricht Adlichkeit – »so kommt doch näh'r
Und in den Reigen mit hierher,
Hier neben uns, wenn's Euch gefällt.«
Und ohne Zaudern unverstellt
[37]
Trat in den Reigen ich nun ein,
Und thät mich dessen sehr erfreun.
Doch wißt, wie ich mich sehr ergetzt,
Daß Adlichkeit mir zugesetzt,
Auffordernd mich zum Tanz mit ihr;
Doch trug zum Tanz ich nicht Begier,
Um keinen Preis nur wagt' ich mich;
Doch macht' ich flugs an's Ansehn mich
Der Reigen, Runde, Gäng' und Kreis',
Des ganzen Tanzes Art und Weis'.
Und aller dieser Tänzer Schaaren,
Die nenn' ich jetzt Euch, wer sie waren:
Herr Wohlgemuth war schön und werth,
Nie möcht' ich schau'n mehr auf der Erd' –
Und nirgends fändet Schöner'n Ihr:
Das Antlitz war wie'n Apfel schier,
So roth und weiß in schönem Bund',
Gar zierlich war es, schön und rund.
Die Augen licht – Mund süß – davon
Stieg hoch und frei die Nas' empor. –
Blond war das Haar und lockig viel
Von Schultern auf die Knie' es fiel,
Und um den Gurt geringelt mild,
Es schien das Ganz' als wie ein Bild;
So war er schön und wohl gefügt,
An allen Gliedern wohl geschmiegt,
[38]
Sie waren schwellend, leicht und schnell,
Es lebt kein schönerer Gesell.
Er hat nicht Schnauz- – noch Backenbart,
Kein Zwickelbärtchen keiner Art
Wie's wohl so jungem Burschen ließe,
Mit Stickerei in Sammetfrieße,
Mit Vöglein drauf in Gold gemalt
Sein ganz Gewand gar köstlich stralt.
Es war sein Umrock, wohl umhüllt,
Mit reichlichem Besatz' erfüllt;
Mit Schmuck besetzet drüberhin –
Die Schuh' von einer Meisterin,
Sie war'n mit Schnüren wohl verseh'n,
Aus Gunst und Freundschaft war's gescheh'n,
Daß eine Traut' ihm wand zum Glanz
Von Rosen einen schönen Kranz.
Mißt Ihr, von welcher Traut' es kam?
Frau Heiter, die ihm gar nicht gram –
Sie tanzte heut so froh gerad,
Wie sie vor sieben Jahren that,
Als ihre Lieb' sie ihm gewährt –
Die Hand hält er ihr, lieb und werth
Die liebreich sie im Tanz ihm beut;
Sie liebten sehr sich wechselseit.
Ein Schöner war's und eine Schön',
Der jungen Rose gleich zu sehn
[39]
Und all' so zart war ihre Haut,
Daß ich sie leicht zu ritzen traut'
Mit einem ganz, ganz kleinen Dorn' –
Glatt, weiß und rein die Stirne vorn,
Gewölbt und braun die Augenbrau'n,
Die Augen groß, und so zu schaun,
Daß stets sie lachten, ehe noch
Der Mund es that – der's wollte doch.
Und von der Nas', was sag ich jetzt,
Daß sie kein Wachs so fein ersetzt!
Ganz, ganz klein war ihr Mund, es scheint,
Zum Kuss' gemacht für ihren Freund.
Das Haupt stieg blond und licht empor.
Was schwatz' ich Euch noch lange vor?
Sie war gar schön und wohl geschmückt,
Die Kleider reich mit Gold gestickt. –
Sie hat 'nen Hut, 'nen schönen neu'n, 1
Ich sähe zwanzig wohl und neun, 2
Doch niemals hab' ich noch gesehn,
Ein'n Hut so schön von Seide stehn.
Und eine Kante, gülden ganz,
Erhöh'te ihres Kleides Glanz,
Vom selben Stoff' wie Sein's, jedoch
War's wohl viel malen schöner noch!

Fußnoten

1 Nuef, neu und nuef, neun.

2 Nuef, neu und nuef, neun.

[40] 6.

Hier sagt der Liebende geschickt,

Mit was der Gott der Lieb' geschmückt.

An sie schloß sich auf einer Seit'
Der Gott der Lieb' – der da gebeut
Den Minnegöttern, wenn er spricht.
Der hält den Liebenden Gericht,
Der dämpft der Leute Stolz fürwahr,
Und Herren werden Knechte gar,
Und Mägdlein werden Mägde dann,
Trifft zu hoffärtig er sie an.
Der Gott der Lieb' von Ansehn glich
Nicht einem Büblein sicherlich.
An Schönheit war er wohl gemeit,
Jedoch zu schließen nach dem Kleid',
Fürcht' ich, daß Manches ihm gebricht.
Sein Kleid, das war von Seiden nicht, –
Ein Kleid von Blumen ihn umschwebt,
[41]
Von Minnegöttern schön gewebt,
Mit zierem Schmuck', mit Wappenschild'
Mit Wappenvögeln, Löwenbild'
Und Pardel und noch viel' Gethier,
Das war ringsum des Rockes Zier,
Gemalt mit Blumen jeder Farb',
Mit denen er sich Schmuck erwarb.
Denn aller Blumen Weis' und Art
'Ne Auswahl hier vereinet ward;
Da wuchs wohl eine Blume kaum,
Die hier nicht wär' von Strauch und Baum' –
Nicht veilchen- und nicht himmel-blau,
Nicht roth, nicht weiß, nicht gelb, noch grau.
Manch' Rosen- und manch' Lilien-Blatt
Man auch wohl eingewebet hat.
Von Rosen deckte ihm ein Kranz
Das Haupt. Und Nachtigall'n im Tanz'
Sich flatternd um den Kopf ihm drehn,
Die Blätter zittern von dem Weh'n –
Denn Vögel waren überall –
So Papagei wie Nachtigall,
Ein Lerchen- und ein Meisen-Heer –
Es war, als wenn er 'n Engel wär',
Als kam' er aus des Himmels Mitt'.
Lieb' hatte einen Jüngling mit,
Den hatt' er immer bei der Hand,
Und Süßblick ward er zu benannt.
[42]
Er schaute zu, wie da man spielt
Und singt. Zwei türk'sche Bogen hielt
Er aber dar dem Liebegott'.
Von einem Holze war der ein',
Dess' Frucht mag wenig heilsam sein.
Und oben und auch unten schwoll
Der Bogen ganz von Buckeln voll.
Der and're war von Weidenholz',
Gar wohl geschwungen, schön und stolz,
Geglättet war er fein und licht,
Mit Gold beleget reich und dicht.
Da gab's Fraunbilder zier genug,
Und Ritter fein und schön und schmuck.
Die Bogen hielt Süßblick allda,
Der gar nicht wie ein Bub' aussah;
Mit zehen Pfeil'n beim Herrn er stand –
Fünf hielt er in der rechten Hand.
Die Feder und die Kerbe war
An den fünf Pfeilen herrlich gar –
Sie waren all' mit Gold' bespitzt,
Und haarscharf war'n sie zugespitzt,
Um durch und durch zu dringen ein;
Dran thät nicht Stahl noch Eisen sein;
Da hatt' es Nichts, als Gold daran,
Nur grad' die Federn und die Spann':
Da war'n die bärt'gen Pfeil' von Gold'
Hineingefügt und eingerollt.
[43]
Der best' und schnellste zum Gebrauch
Von diesen Pfeil'n – der schönste auch –
Und welchem auch am schönsten ließ
Der Schmuck der Feder – Schönheit hieß. –
Der zweit' – am Mindsten macht er wund,
Hieß Einfachheit, das ward mir kund,
Und Unbefangenheit genannt
War einer noch, um den sich wand
Als Feder Frisch' und Adlichkeit.
Ein vierter hieß Geselligkeit.
Und das war ein gesenkter Pfeil,
Nicht weit zu fliegen war sein Theil –
Doch wer nur nah ihn in sich trug,
Dem that er immer an genug.
Der fünfte – Artigkeit hieß der,
Der traf von all'n am Mindsten schwer:
Nicht, daß er groß viel Gutes macht,
Doch hat er allso huldvoll Acht –
Daß der, den dieser Pfeil verletzt
Am eignen Weh sich fast ergetzt –
Er lässt beinahe völlig heil,
Drum macht am Mind'sten Schmerz der Pfeil.
Fünf and're Pfeile trug die Link' –
Die hatten Deutung schlechter Ding' –
Und schwärzer war ihr Holz und Stahl
Als wie der Höllenteufel Zahl.
[44]
Der erste – Hoffarth nennt sich der,
Der zweite taugte nicht viel mehr,
Es war sein Name Schurkerei
Und der war von Verrätherei
Durchzogen und mit Gift gebannt,
Der dritte aber hieß nun Schand',
Der vierte hieß Verzweiflung jetzt.
Der fünfte aber und der letzt';
Der war wohl Wahnwitz ohne Frag'.
Die fünfte war'n von einem Schlag'
Und glichen all' sich gänzlich fast.
Und ihnen auch war angepaßt,
Der eine Bogen, der war krumm,
Von Knoten voll und schief rundum;
Der mußte tragen diese Pfeil',
Denn sie war'n ganz das Gegentheil
Ohn' Zweifel von dem andren Bund'.
Ich kann nun thun nicht Alles kund
Von ihrer Stärke, ihrer Macht,
Es wird mit Wahrheit und Bedacht'
Noch Jed's erzählt – was es bedeut'
Geräth nicht in Vergessenheit.
Bevor ich meine Kunde schließ'
Bedeut' ich Euch noch alles dies.
Doch jetzt beschäftigt mich noch ganz
[45]
Jene Gesellschaft in dem Tanz'
Daß ich die Wendungen beschreibe
Und all' das Wesen und Getreibe:
Der Gott der Lieb' hat sich gekehrt
Zu einer Fraue hold und werth
Gar traulich hin zu ihr er kam,
Und Schönheit war der Frauen Nam'.
Und wider einen jeden Pfeil
Hatt' sie ein gutes Tugendtheil.
Sie war nicht dunkel, war nicht braun,
Licht war sie, wie der Mond zu schaun,
Dagegen auch die Sternelein
Erscheinen nur als Lichter klein.
Die Haut die war so fein wie Thau
Und einfach war sie wie 'ne Frau,
Die schon verlobt – wie Lilien rein –
Und ihr Gesicht war weiß und fein.
Und wie sie fein und lieblich blinkt,
War sie gesalbt nicht, noch geschminkt,
Auch hatt nicht Grund sie sicherlich,
Zu putzen, zu verstellen sich.
Das Haar war blond und war so lang,
Daß tief es zu den Fersen drang –
Schön war die Nas' und Aug' und Mund.
Mich faßte Wonn' in Herzens Grund',
So Gott mir helf' – so oft ich denk',
[46]
Wie schön jed' Glied' und jed' Gelenk;
So Schöne gab's nicht unter'm Mond.
Kurzum sie war ganz jung, ganz blond,
Herzlieblich, offen, frei und zier,
Und voll und niedlich – edel schier.

[47] 7.

Der Liebende nennt Reichthum jetzt,

Der war gar adlich hoch gesetzt,

Doch war von solchem Hochmuth er,

Dass sich kein Armer waget her,

Weil er zurück sie scheuchen thut,

So ist auch Keiner ihm recht gut.

Bei Schönheit schritt Reichthum einher –
Das war ein Mann gar stolz und hehr,
Von großer Geltung, Macht und Werth,
Ihm und den Seinen widerfährt
Es nie, daß Wer ihm Unrecht thut;
Er war gar stolz und hochgemuth –
Und schaden, nutzen kann er weit.
Es ist von gestern nicht und heut',
Daß Reiche haben viel Gewalt
Zu Druck' und Hilfe dergestalt.
Da gibt es Nichts – hoch noch gering,
Das nicht dem Reichthum Ehre bring'.
[48]
Und Alles drängt zum Dienst sich hin,
Daß seine Neigung es gewinn'.
Und jeder nennt ihn seinen Herrn,
Denn alle Welt ja schaut ihn gern,
Die ganze Welt gewährt ihm Zoll.
Sein Tisch macht manchen Schmeichler voll,
Verräther viel, und Neider mehr,
Die da begierig hinterher,
Herabzusetzen und zu schmäh'n,
All', die sich's lassen besser gehn.
Sie trügen ihn durch Schmeichelei
Und täuschen ihn durch Heuchelei.
So streu'n sie Weihrauch mit dem Wort,
Doch all' ihr Schmeicheln sticht sofort
Von hinten bis auf's Mark geführt.
Und so ihr Lob den Werth verliert.
Denn sie entehren, die geehrt,
Und ehren wieder, die entehrt.
Manch' Wackren haben sie verklagt
Und seine Ehre abgesagt –
Die Heuchler durch die Heuchelei.
Den sie erhoben hoch und frei,
Der sollt' bescheiden abseits gehn. –
So wär'n wohl lieber nicht gesehn,
Die Schmeichler hier mit ihrem Neid',
Kein Biedermann liebt solche Leut'.
[49]
Ein Scharlachkleid hatt' Reichthum an,
Da sehet ja nicht Spott daran,
Wenn ich Euch kurz und gut bericht',
Es geb' so schön und reiches nicht
In aller Welt und das so paßt.
Mit Scharlach war's ganz überfaßt.
Geschichten hatt' es im Verlauf, –
Von Fürsten, Kön'gen Bilder drauf.
Am Halse war es zugesetzt
Mit einem Band mit Gold besetzt
Gar schön und reich – das wißt für wahr
Und an dem Gurte ringsum war
Von reichen Steinen große Zahl,
Die gaben manchen lichten Strahl.
Reichthum hatt' einen Gürtel reich
Um dieses Scharlachkleid's Bereich.
Von Steinen hatt' er eine Schnall',
Gar tugendlich und stark zumal.
Denn wer da hat den Gürtel an,
Den auch kein Gift befangen kann,
Der konnte nie vergiftet sein,
Und liebenswürdig macht der Stein.
Der ist dem Wackern mehr wohl werth
Als selbst die ganze röm'sche Erd'.
Ein Heft von andren Steinen klar
Half wohl vor aller Zahngefahr.
Und wer besitzet solchen Schatz,
[50]
Bei dem hat nie mehr Unglück Platz,
An keinem seiner Lebenstag',
Was immer ihm begegnen mag.
Mit Gold' war Alles ausgelegt,
Und all' Gewebe, gold belegt.
Sie waren groß und reich beschwert
Und allzumal viel Goldes werth.
Reichthum hatt' unter'm Kleid 'nen Ring
Von Gold' – es ward kein schöner Ding
Jemals gesehn – so viel' ich wähn',
Denn er war ganz in Gold' zu sehn.
Der müßt' ein guter Zähler sein,
Der Euch mit Namen all' die Stein', –
Wie viel' da war'n, zu zählen weiß;
Denn Niemand wüßte da den Preiß,
Den haben möchten die Gestein',
Die dort das Gold gefasset ein.
Granat, Rubin und Saphir schwer,
Perlmutter, als zehn Unzen mehr.
Doch vorn hatt' als der größte Schatz
Noch ein Karfunkel seinen Platz.
Und dieser Stein so helle macht,
Daß man zu jeder Zeit der Nacht,
Ihn völlig sieht und brauchen kann
Wohl eine ganze Meile dann.
Der Stein, der gab so reichen Schein,
Daß Reichthum stralt in Glanze fein
[51]
Im ganzen Antlitz' und Gesicht',
In Allem auch, was unten liegt.
Reichthum an seinen Händen führt
Gar schöne Fraue, huldgeziert,
Die ist sein ächtes Lieb fürwahr.
In schönem Hause immerdar
Hat diese ihren Aufenthalt
Die hält gar zierlich die Gestalt –
Auch hatte sie gar schöne Pferd',
Und hielt sie sich gewißlich werth; –
Heißt mich 'nen Mörder oder Dieb,
Wenn ihr im Stall 'ne Mähre blieb.
Drum liebt sie auch die Gunst vor all'n
Des Reichthums und sein Wohlgefall'n,
Damit sie stets 'ne sich're Statt
Für ihren großen Aufwand hat –
Auch kann er tragen wohl am Ende,
Was sie auch immerhin verschwende,
Die Thaler giebt er immer her.
Als schöpf' aus einem Speicher er.
Freigebigkeit saß hinter ihr,
Die war flink und gelehrig hier,
Daß Ehr' und Gunst sie gerne gab.
Sie stammt von Alexander ab;
Und Freude sie an nichts ersah,
[52]
Als, wenn sie sagen konnte: da!
Und Geiz, der filzige sogar
So gierig nicht um Nehmen war,
Als zum Verschenken die; es trennte
Von allem Gut' sie leicht sich, könnte
Sie nicht verschenken sich recht satt,
So lang' sie irgend Mehr noch hat.
Freigebigkeit hat Lob und Werth;
Die Narr'n und Weisen dieser Erd',
Wohl jeder sich zu ihr bekennt,
Denn keinen läßt sie unbeschenkt.
So kommt es, daß sie Keiner haßt;
So wähn' ich, daß auch Alle fast
Um ihre guten Dienst' ihr freund.
Und darum hat sie auch vereint
Die volle Gunst von Arm' und Reich'.
Wer knickert ist dem Narren gleich.
Kein Laster kennt ein großer Mann,
Das so wie Geiz ihn schänden kann.
Ein Knicker nie sich unterwand
Zu nehmen Herrschaft oder Land.
Denn er hat nie zur G'nüge Freund',
Die da vollführten, was ihm scheint,
Wer wünschet, daß er Freunde habe,
Der hab' zu lieb nicht seine Habe,
Durch schöne Gab' erwirbt man Freund',
So daß es eben so erscheint,
[53]
Wie der Magnet der gleicher Weise,
Das Eisen anzieht flink und leise;
So zieht der Leute Herzen an
Gold, Silber, das man geben kann.
Es hatte die Freigebigkeit
Von sarazen'schem Zeug' ein Kleid.
Sie war gar schön und wohlerweckt,
Doch war ihr Nacken unbedeckt,
Da sie das Heft an wen verschenkt –
Mit dem das Kleid zusamm' gehenkt –
Sie hatt's verschenket eben recht,
Und dieses stand ihr gar nicht schlecht,
Daß da ihr Nacken ohne Hehl
Und unverborgen ihre Kehl' –
Denn weiß und schön hervor nun schaut
Das Hemd auf ihrer weichen Haut.
Freigebigkeit, gar klug und groß
Hatt' einen Ritter, der entsproß
Vom König Artus von Britann' –
Das war der, der da trug die Fahn'
Der Tapferkeit und die Standart.
Er war von solcher Ehr' und Art,
Daß man erzählt von ihm die Mähr'n,
Vor Kön'gen, Grafen und vor Herrn.
Der Ritter war erst jüngst auf's Neu
Hierher gekommen vom Turnei',
[54]
Wo er bestand für seine Frau'n
Manch' Ringelstechen und manch Hau'n,
Wo er gebrochen manchen Schild
Und manchen lieben Helm zerspillt,
Und manchen guten Rittersmann
Durch Kraft und Tugend abgethan.
Freimüthigkeit ging hinterher,
Die weder braun noch grau, vielmehr
So weiß von Haut, wie Schnee. Die Nas'
Auch wahrlich nicht von Orleans was,
Sie war gar schlank und zart zu schau'n,
Das Auge lacht; die Augenbrau'n
Gewölbt, die Haare blond und lang,
Einfach wie eine Taub' ihr Gang.
Ihr Herz, das war gar sanft und gut.
Und was sie spricht und was sie thut,
Das ist durchaus nur, daß sich's schickt,
Und wenn sie einen Mann erblickt,
Der trübe war aus Lieb' zu ihr,
Dem schenkt sie Mitleid gleich allhier,
Ihr Herz ist Mitleid zugekehrt,
Sie ist so süß und liebewerth,
Daß Kein's um sie betrübet noch,
Dem sie nicht hilft, und fürchtet doch,
Sie hab' ein heillos Arg' gethan.
Ein linnen Kleid nur hatt' sie an,
[55]
Kein Fädchen Woll' war dran zu sehn,
Bis Arras gibt's keins mehr so schön.
Es war so schmuck und hübsch und knapp,
Daß dran es auch kein Spitzlein gab,
Das nicht an seinem Flecke saß.
Also nun die bekleidet was.
Denn kein Gewand steht einer Meid
So schön, als wie ein linnen' Kleid.
Im Unterkleide sind die Frau'n
Weit schöner als im Rock zu schau'n.
Das linnen' Unterkleid, so weiß,
Bezeichnete gar zart und leis',
Wie so auch wäre, die es trug.
Ein Knabe aber jung genug
Freimüthigkeit zur Seite stand –
Ich weiß nicht, wie er war genannt,
Doch war er schön, als wär' er schon
Dem Herrn von Gundesor 1 sein Sohn.

Fußnoten

1 Windsor.

[56] 8.

Hier nennt der Dichter Adlichkeit,

Die adlich ist und All'n gemeit –

Dass Jeder wohl sein Lob ihr gibt

Und Adlichkeit vor Allem liebt.

Nach diesen kam nun Adlichkeit,
Die war' auch Allen wohl gemeit,
Da sie nicht stolz und thöricht war.
Sie war's, die aus des Reigens Schaar.
Mit ihren Hulden mich empfing
Wie keine – als dahin ich ging.
Sie war nicht dumm und ungewandt,
Vielmehr gar weis' und ohne Schand,
Wohl sprechend, wohl erwidernd jetzt –
Und Niemand ward von ihr verletzt,
Mit Hader Keinem je sie lohnt,
Sie war so helle, als der Mond
Ist unter andern Sternelein,
Die Lichter scheinen nur zu sein.
[57]
Einnehmend war sie, schmuck und zier,
An Reiz' kein Weib vergleich' ich ihr.
So war sie werth in jedem Sinn,
Zu sein Kön'gin und Kaiserin
Ein Ritter schreitet bei ihr dicht
Der zierlich geht und zierlich spricht,
Weiß zu erzeigen Jedem Ehr' –
Der Ritter war ein feiner Herr.
Und in den Waffen wohl geübt,
In seine, Freundin baß verliebt.
Da kam Frau Muße wieder an,
Die trat zu mir ganz nah heran,
Von der ich Euch schon hab' gemalt
Das Wesen all' und die Gestalt
Sie ist's, von der ich Euch gesagt:
Wie mir durch ihre Gütigkeit
Die Huld kam, daß geöffnet mir
Desselben Blumengartens Thür.

[58] 9.

Von Jugend ist die Red' allhie

Wie plauderhaft und närrisch die.

Darnach kam Jugend, und mir däucht
Daß ihr das Antlitz glänzt und leucht't.
Ich wähn', daß sie nicht älter war,
Bei alle dem, als wie zwölf Jahr'.
Sie ist gar einfach und sie ist
Ganz ohne Arg' und ohne List,
Doch heiter war und lustig sie.
Ein junges Ding das grämt sich nie
Als um sein Spiel, das glaubet mir.
Ihr Freund war so vertraut mit ihr,
Daß er sie bei dem Führen küßt,
So oft es ihm gefällig ist,
Daß es der vorige Reigen sah,
Und Keinem war's zum Aerger da;
Denn da sie noch nicht reif zur Zeit,
Sah ohne Arg' mau alle Beid'
[59]
Sich küssen als ein Taubenpaar.
Gar schön und jung; der Bube war,
Von gleichem Alter immerhin,
Als die Geliebt', von gleichem Sinn.
Also nun tanzten hin und her
Die Leutchen da, und And're mehr;
Die ihnen folgeten zur Zeit,
Gar wohl gezog'ne hübsche Leut',
Und Leute fein, und wohl entstammt
War'n eben, auch sie insgesammt.

[60] 10.

Wie nun der Liebegott sich müh't,

Dass weit im Garten vor ihm flieht

Der Liebende, dass nicht verletzt

Er von den Pfeilen werde jetzt.

Wie ich geseh'n nun die Gestalt
Von Jedem, der im Tanze wallt,
Da fand ich Lust, mir diesen Hain
Zu nehmen noch in Augenschein,
Zu seh'n die schönen Maulbeerbäume,
Die Fichten, Nuß- und Lorbeerbäume,
Auch bog dahin der ganze Zug.
Da Jeglicher wohl Sorge trug,
Zu führ'n die Braut in Schatten's Kühl',
Zu kosen unter'm Baumgewühl'.
Gott, wie sie lebten da beglückt!
Ein Narr ist, wer's ohn' Neid erblickt.
Wem solches Leben wiederfährt,
Jed' ander Glück wohl gern entbehrt.
[61]
Kein Himmel ist so hoch von allen,
Als frei mit der Geliebten wallen.
Darnach ging abgesondert ich,
Lustwandelnd und allein für mich
In diesem Haine auf und ab. –
Der Liebegott die Weisung gab
Dem Süßblick, flugs zur Hand zu sein.
Er hat nur um die Pfeil' allein
Den Dienst. Jetzt spannen ohn' Verzug
Heißt er den Bogen, den er trug.
Und dieser ohne Säumen spannt
Den Boden schleunigst ihm zur Hand.
So legt er auf da die fünf Pfeile,
Die stark und weit gehn manche Meile.
Der Liebe Gott nahm da auf's Korn
Von ferne mich, die Hand am Horn.
So wahr' mich Gott vor Tod's Gefahr!
Uebt er Verrath an mir sogar,
Wird er verwunden mich gar heiß,
Mich, der so etwas gar nicht weiß.
So floh nach Rettung ich im Hain',
Doch dacht' er mich zu holen ein.
Und nirgend hielt ich da mich auf,
Und überall hin drang mein Lauf.
Der Garten nun im Durchschnitt war
Ein gleiches Viereck ganz und gar,
[62]
So lang wie breit auch angelegt.
Da war kein Baum, der Früchte trägt,
Kein Baum, wie seltsamlich er sei,
Von dem nicht einer oder zwei
Und mehr da war'n, so wie sich's thut:
Viel' Apfelbäum' – das weiß ich gut –
Mir reichlicher Granatenwucht.
Gar gut für Kranke ist die Frucht –
Nußbäum' auch gab's da, groß und breit,
Die tragen auch zu ihrer Zeit,
Als wie Muskatnüss' solche Nüss',
Die sind nicht herb' noch schlecht gewiß.
Auch Mandelbäum' war'n da gepflanzt.
So war auch in dem Hain' gepflanzt,
Ein Feigen und ein Dattelbaum.
Man sah, da hatte Pflege Raum.
Manch schöne Würze war dabei
Und faßt sie ein – Süßholz, Levkoi,
Vom Himmelgarten Sämerei'n,
Würz', Anis und Kamillen fein,
Und manches treffliche' Gemüs',
Das auf dem Tisch' gar gut und süß.
Im Haine war'n auch Bäum' zu sehn,
Mit Quitten, Pfirschen wohl versehn, –
Kastanie, Nuß-, Birn-, Apfel-Baum,
Und Mispel, weiß' und schwarze Pflaum',
Und rothe Kirschen, frisch und schwer,
[63]
Spierling', Wallnüsse und Elsbeer',
Und hoher Lorber, hoher Tann',
Die füllten all' den Garten an.
Oelbäume und Zypressen auch,
Die sonst doch gar nicht hier in Brauch'.
Und Ulmen, stark und wohl verzweigt,
Und Buchen, eben so erzeugt,
Und Haselsträucher, grad' und krumm,
Und Ahorn, Tann' und Esch' ringsum.
Wie nennt' ich ihrer all' Gewühl'? –
Der Bäume gab es hier so viel',
Daß, eh' ich sie gezählet, schon
Wär'n eingegangen viel' davon.
Das wißt, die Bäume war'n geführt
Im Zwischenraum, der sich gebührt.
Der eine stand vom andern gern
Wohl fünf, ja auch sechs Klaftern fern.
Breit ging und lang das Baumwerk fort,
Die Hitz' zu wehren von dem Ort',
Es war ringsum so stark und dicht,
Daß wohl niemals kein Sonnenlicht
Durchdringen konnte auf den Grund,
Zu machen da ein Gräslein wund.
Dammhirsch' und Rehe gab's zumal,
Eichhörnchen eine große Zahl,
Die hüpften da von Ast zu Ast,
[64]
Und die Kaninchen liefen fast
Fortwährend außer ihren Höhlen,
Wohl dreißig Arten könnt' ich zählen,
Auf die sie bockten rings und rund
Und weideten auf grünem Grund'.
Da gab's auch Springquelln, frisch und rein,
Ohn' Frösch' und Schnecken insgemein,
Von Laub beschattet allzumal,
Doch weiß ich nicht mehr ihre Zahl.
In Wasserröhr'n, die Wohlgemuth,
Erbau'n ließ, floß gar schön und gut
Ein reicher Wasserguß zu Thal,
Und machte süßen lieben Schall,
Und zwischen Bächen da und Quell'n,
Und Springquell'n, reinlichen und schnell'n,
Schwoll'n rings die Gräser grün und frisch,
Sie konnten all' in dieser Frisch'
Sich pflegen als in einem Bette,
Die Erde bot gar weiche Stätte
Rings um den Springquell, und es ragte
Das Gras hervor, wie ihm behagte.
So kam es, daß auf diese Art
Der Platz gar sehr verschönert ward,
Und reich und schön ward da geschaut
Des Winters wie des Sommers Kraut.
Da gab es Veilchen, schön und fein,
Und Eppich, frischen und immer neu'n,
[65]
Da gab es Blumen, roth und weiß
Und gelb zu Wunder und zu Preis',
Die Erde war fast zu beengt,
Da sie gestickt war und besprengt
Von Blumen, die gar bunt zu sehn,
Und duften ringsum herrlich schön;
Ich sag' Euch nicht mehr lange Mähr'
Von dieses Platzes Schönheit her.
Es ist wohl besser, daß ich schweige,
Dieweil ja doch ich nimmer zeige
Des Haines ganze Herrlichkeit
Und seine große Lieblichkeit.
Bald war ich hier, bald war ich dort,
So daß im Garten jeden Ort
Gesehn ich hab' und durchgemacht, –
Der Gott der Liebe hatt's gemacht,
Herum mich treibend grad' und krumm,
So jagt ein Jäger wohl herum
Ein Thier, das dann an schöner Stelle
Erwarten muß des Pfeiles Schnelle. –
Da kam ich auf ein schönes Land,
An dessen letztem End' ich fand
'Nen Springquell unter einer Föhr'.
Seit Karl, Pepins Sohn, ward nicht mehr
So schöne Fichte wo gesehn,
Noch wächst je eine mehr so schön,
[66]
So schön war kein Baum mehr im Hain'. –
In einem Born' von Marmelstein
Hatt' da Natur mit Meisterschaft
Den Springquell unter'm Baum geschafft.
Gegraben auf dem Becken stand
Auch eine kleine Schrift am Rand' –
Die lautete so: Allhier bot
Sich schön' Narzissus selbst dem Tod'.

[67] 11.

Der Dichter von Narzissus lehrt,

Der überrascht ward und bethört,

Verliebt in's eig'ne Spiegelbild,

Das sich im Wasser ihm enthüllt,

Als er an diesen Springquell kam.

Die Liebe macht' ihm vielen Gram,

So dass er auch noch starb nachher

Am Springquell' unter dieser Föhr'.

Narzissus war ein Jüngling weich,
Den Amor hielt in seinem Reich',
Dann macht' ihn Amor toll zum Spiel',
Und ließ ihn schrei'n und klagen viel,
Daß er ihn an sein Ende treib',
Denn Echo, gar ein hohes Weib,
Liebt ihn, wie Kein' auf Erden mehr.
Sie hatte er betrübet schwer,
Als sie ihm sagte, daß sie werbe
Um seine Liebe, oder sterbe,
Doch in dem Eigendünkel hegt
[68]
Er Stolz zu viel, ganz unbewegt;
So gab er nimmer ihr Gehör,
Wie sie auch fleh' und schmeichle sehr.
Wie sie sich so verschmähet sieht,
Sie so von Zorn' und Rache glüht,
Und in Verzweiflung so verdirbt,
Daß sie da ohne Weit'res stirbt.
Doch wie's mit ihr zum Tode geht,
Die Götter sie ersucht und fleht,
Daß man Narzissus Herz bethör',
Den sie von Liebe fand so leer,
Daß er auch fall' an einem Tage,
Erschöpft von einer Liebe Plage,
Die ihn verderbe sicherlich,
Daß er's empfinde auch an sich,
Wie heft'ger Kampf ein Herz zerwühlt,
Von solcher Liebegluth erfüllt.
Vernünftig war ja wohl ihr Fleh'n,
Drum ließ es Gott ihr auch geschehn.
So kommt Narzissus ungefähr
Zum reinen, hellen Springquell' her,
Wo er sich in den Schatten legt,
Nachdem er erst der Jagd gepflegt,
Und große Müh' gehabt zumal
Im Laufe über Berg und Thal.
Auch hatte Durst er zu der Zeit
Von Hitze und von Müdigkeit,
[69]
Die ihm den Athem fast benahm.
Und als er zu der Quelle kam,
Die von der Fichte Laub' bedacht,
Da hatte er zu trinken Acht.
Und über'm Quelle tief genung
Beugt' er sich nieder zu dem Trunk'.

[70] 12.

Wie da Narzissus sich verzückt

Am Brunnen und verzweifelt blickt

Aus Liebe – bis er seinen Geist

Ganz unverweilet scheiden heisst.

Auf hellen Wassers lauterm Grund'
Sieht er sein Antlitz, Nas' und Mund.
Von Staunen ward er da erfüllt,
Denn so verhext hatt' ihn das Bild,
Daß es ihm war, als wenn er finde
Ein Bild von einem schönen Kinde.
Da nahm nun Amor große Rach'
Für jenen Hochmuth und die Schmach,
Die ihm Narzissus zugefügt!
Das ward vergeltend arg gerügt
Daß er nun weilte an der Stelle,
Und liebt' sein Schattenbild im Quelle.
So starb allhie er allgemach,
Das ist das Ende von der Sach'.
[71]
Denn da er sah, er könne nicht
Vollbringen, was ihn so anficht,
Da das Geschick ihn so umtost,
Daß er nicht findet Rast noch Trost
In keiner Art, in keinem Sinn,
Verliert aus Grimm er seinen Sinn.
Und stirbt allda in kurzer Weil' –
So hatt' er sein vergeltend' Theil
Für seine Bosheit, die der Thor
Dem Amor zugefügt zuvor.
Frau'n, nehmt dies Beispiel wohl in Acht
Wo die Verehrer ihr veracht't,
Wo ihr sie überlaßt dem Tod;
Wird schlimm es Euch vergelten Gott.

Als so die Schrift mich unterwies,
Daß schön' Narzissus Brunnen dies,
Der hier an diesem Ort zu sehn,
Mocht ich ein wenig weiter gehn,
Und schaute nicht die Quelle an,
Da ich zu scheuen mich begann,
Weil ich an den Narzissus dachte,
Und wie sie dem viel Unheil brachte.
Doch wollt ich auch gewissern mich
Ohn Furcht vor Unheil sicherlich
Daß ich gewiß zum Brunnen kehrte,
Ohn' daß mich Narrheit da bethörte.
[72]
So naht' ich wieder mich dem Quell';
Und als ich nah, bückt' ich mich schnell,
Und sahe, wie das Wasser lief,
Und wie der Gries da lang und tief
Im Grund wie reines Silber rennt.
So nimmt der Brunnen nun ein End'.
So schönen hat nicht mehr die Welt,
Wo's Naß so frisch und munter fällt,
Wo Tag und Nacht das Wasser fließt
Und sich zwei Finger breit ergießt,
Das Gras wird rings umher benetzt,
Das um den Born den Blick ergötzt.
Und auch im Winter stirbt es nicht,
Da nie des Wassers Kraft gebricht.
Und auf dem Grund des Quells zu Thal,
Da hatt's zwei Steine, ganz Kristall,
Und die bestaunte ich sogleich.
Und eine Sache sag' ich Euch,
Daß Ihr's für'n Wunder, wähn' ich, acht't,
Wenn Ihr es zu Gehör' gebracht
Denn wenn die Sonn', die Alles regt,
Die Strahlen in den Springquell trägt,
Und dann ihr Licht hernieder steigt,
Sind Farben, hundertfach verzweigt,
In reinem Stein der in dem Strahl'
Wird blau und gelb und roth zumal.
[73]
Und hat der Stein gar wunderhaft
Für alle Weite solche Kraft,
Daß Baum und Blum', und was nur hier
Im Hain, verlieret alle Zier; –
Und daß Ihr recht begreift das Ding,
Ein Beispiel schnell ich vor Euch bring':
So wie der Spiegel Alles zeigt,
Was irgend sich nur um ihn neigt,
Und wie man schaut da ohn' Rückhalt
Der Dinge Farbe und Gestalt,
So sag' ich Euch, als säht Ihr's gar:
Der Stein ohn' allen Trug für wahr
Zeigt Alles im Garten unverweilt
Dem, der da an dem Wasser weilt.
Denn stets, wohin man sich mag drehn,
Wird eine Hälft' des Hains gesehn,
Und wenn man wieder um sich kehrt
Schaut man die and're unverwehrt.
Da ist auch nicht der kleinste Fleck,
In solcher Kleinheit und Versteck',
Von welchem da nicht Kunde strahlt,
Als wär' an Stein' er abgemalt.
Dies ist der Spiegel fährdevoll,
In dem Narzissus, stolz und toll
Sah sein Gesicht und schönen Blick,
[74]
Von dem gewann er Tod's Geschick.
Und wer in diesen Spiegel schaut,
Den rettet auch kein heilend' Kraut,
Daß er im Aug' nicht was erblickt,
Davon er gleich zu Lieb' berückt.
Manch' starkem Mann' hat Leid gebracht
Der Spiegel – denn der rauhsten Macht
Dem höchsten und dem feinsten Mann'
Ward da es völlig angethan.
Hier steigt den Leuten neue Wuth,
Hier ändert sich der ganze Muth,
Ist sich nicht Sinn's noch Maß's bewußt,
Hier herrscht die reine Liebelust.
Hier spricht man jedem Rathe Hohn,
Dieweil Kupido, Venus Sohn,
Gesä't allhier der Liebe Korn,
Das ganz umflochten hat den Born,
Und sich verbreitet rings daran
Und sich verzweiget, um zu fah'n,
Jungfrauen und auch Junggesell'n,
Denn Amor liebt solch' Vogelstell'n,
Und von dem da gesäten Korn'
War zubenamet auch der Born
Der Born der Liebe ganz mit Fug',
Von dem erzählt ist schon genug
[75]
In Büchern und Geschichten; doch
Ward nie geschildert besser noch
Die Wahrheit an dem ganzen Ding',
Als ich es hier mich unterfing.
Und mir behagt' es lange traun
Am Brunnen staunend zu beschau'n
Die Stein' darauf gemalet ab
Die tausend Dinge, die es gab.
Doch staunt' ich da zur üblen Stunde.
Weh', wie ich nachher seufzt' im Grunde!
Der Spiegel hatte mich gebannt.
Wenn ich nur hätte gleich gekannt,
Was seine Kraft und Eigenschaft,
Ich hätte flugs mich dem entrafft.
Doch so ich in die Fall' gerieth,
Die Manchen schon fing und verrieth.
Und unter tausend Andrem gleich
Sah Rosenstöck' ich, rosenreich.
Die waren da in einem Schlag'
In einem ganz verschloss'nen Hag',
Daß mir's gar groß Gelüsten gab.
Da hielt mich nicht Pavia ab,
Noch ganz Paris, daß ich nicht ginge,
Wo ich ersah die Wunderdinge.
[76]
Da mich die Wuth alsbald gewinnt,
Von der schon mehr gewonnen sind,
Stürz' ich mich nach der Rosenschaar.
Und wisset, als ich nahe war,
Da drang der Duft, so würzig fein,
Gar tief mir in mein Inn'res ein.
Und allso ganz vom Duft entzückt; –
Und so in Taumel und entrückt
Fürcht' ich nichts Labendes, und pflücke
Mir eine mit der Hand, und drücke
Sie in der Hand, den Ruch zu spüren,
Doch mußt' ich Furcht vor Reu' erküren,
Dieweil es konnte Groll gewähr'n
Gar leichtlich bei des Haines Herrn.
Von Rosen gab's hier manchen Strauß,
Wie nirgends unter'm Himmelhaus'.
Und Knospen giebt's verschlossen lind,
Und andre, die schon off'ner sind.
So gab es deren eng und weit;
Gemäß verschiedner Jahreszeit.
Und wo sie sich erschließen schön
Da wird's zum Uebel nicht geschehn!
Die Rosen, die schon ganz erschlossen,
Die sind an einem Tag' entsprossen.
Die Knospen bleiben aber neu
Zum Wenigsten zwei Tag', auch drei.
[77]
Die Knospen nun gefiel'n mir sehr,
Auch wachsen schön're nirgend mehr.
Und wem da eine wird gewährt,
Der mag sie halten lieb und werth.
Könnt ich bekommen einen Strauß,
Kein ander Ding bät' ich mir aus.
Von diesen Knospen war die Eine
So gar sehr schön, daß sonsten keine
Ich mehr sehr hohes Werthes schätzt',
Da all' ich doch gesehen jetzt.
Denn eine Farbe gibt ihr Schein,
Die ist so roth und schön und fein,
Wie's der Natur nicht mehr gelingt,
Ein vierfach Paar von Blättern blinkt,
Die meisterlich Natur da hatte
Zusammgereihet Blatt am Blatte.
Und Griff und Hals war wohl gefügt,
Darauf die Knospe schön sich wiegt,
Daß sie nicht wankt, noch niederhängt
Und rings umher der Duft sich drängt.
Der Wohlgeruch von diesem Duft
Erfüllt der ganzen Gegend Luft.
Als ich sie sähe also blühn,
Hatt' ich nicht Lust zurück zu fliehn,
So naht' ich mich, daß ich sie brach,
Und streckte schon die Hand danach,
[78]
Doch stechend gar verräthrisch gern
Hielt mich es noch recht artig fern,
Da war manch stachlich spitzer Dorn,
Und Stacheln hinten und auch vorn,
Nicht nahen ließen sie mich nun
Weil ich in Furcht, mir weh zu thun.

[79] 13.

Hier wird erzählt, wie Amor thut

Dem Liebenden, der wohlgemuth

Sich an der Blumen-Pracht entzückt,

Wo er die Knospe hat erblickt,

Und wie er so zu nahen tracht't,

Dass er sie ganz sein eigen macht,

Wagt er nicht vorzuthun den Fuss,

Weil Amor droht mit seinem Schuss'.

Der Gott der Lieb', der ungespart
Gespanntes Bogens immer harrt,
Zu schießen sich geduldet kaum,
Schleicht hinter einem Feigenbaum'
Herzu, und wie er mich da sieht,
Daß ich erwählet diese Blüth',
Die allso mächtig mir gefällt,
Wie keine andre in der Welt,
Nimmt rasch er einen Pfeil zur Hand,
Und wie die Senne nur gespannt,
Zieht er den Bogen wunder stark
Schier bis an's Ohr so weit und arg,
[80]
Und zielt auf mich mit dem Bedacht,
Daß er durch's Aug' ins Herz mit Macht
Mir schieße und mit viel' Gewalt.
Da aber überlief mich's kalt,
Daß unter meinem warmen Kleid'
Mich Schauder schüttelte zur Zeit.
Nachdem mich so der Pfeil zerstach,
Fiel ich zur Erd' der Länge nach;
Mir fehlt das Herz, mir liegt der Muth –
Da lag ich lang ohn' Sinn und Blut
Und wie ich mich zusammennahm
Und zu Verstande wiederkam,
Da war ich matt und wähnt', es deck'
Die Erde da gar blut'ger Fleck,
Jedoch der Pfeil, der mich durchflog,
Aus mir durchaus kein Blut nicht zog,
Ganz trocken mir die Wunde schien.
Mit beiden Händen faßt ich kühn
Den Pfeil und begann ihn auszuzieh'n
Und aufzuseufzen beim Bemüh'n.
Und zog so lang, bis allgemach
Das Holz ich von dem Pfeile brach.
Jedoch des bärt'gen Pfeiles End',
Der Schönheit wurde zubenannt,
Wir also in mein Herz gedrückt,
Daß Nichts ihn von der Stelle rückt,
[81]
So blieb darinnen denn der Stahl,
Und fiel kein Tropfen Bluts zu Thal.
Da war in Schreck und Angst ich gar
Um die verdoppelte Gefahr,
Wußt' Nichts zu sagen, noch zu thun,
Für meine Wund' kein Mittel nun,
Und keiner Wurzel, keinem Kraute,
Ich da als Heilung mehr vertraute.
So nach der Knospe ward geregt
Mein Herz, daß es nicht anders schlägt.
Hätt' ich nur sie in meiner Macht,
Mein Leben wär' zurück gebracht.
Das Ansehn schon und der Geruch
Erleichterten den Schmerz genug.
Und ich begann mich hinzuziehn,
Wo noch ich sah die Knospe blühn,
Doch Amor hatt' schon, aufgeregt,
Ein'n neuen Pfeil darauf gelegt:
Natürlichkeit benannt; der zweit',
Der manchen Mann und manche Maid
Schon in der Welt zur Lieb' geschaart.
Als Amor mich im Nahn gewahrt,
Drückt er auf mich ohn' Ziel und Wahl
Den Pfeil, der ohne Spitz' und Stahl,
Daß in den Leib durch's Auge drang
Der Pfeil, der nie zurücke sprang,
Wähn' ich, von einem Sterblichen.
[82]
Vergeblich mit unendlichen
Versuchen wollt' ich aus ihn ziehn –
Jedoch der Pfeil der blieb darin.
Nun, wisset mit Wahrhaftigkeit,
Wenn mich's bereits vor dieser Zeit
Gelüstet nach der Knospe sehr,
So wuchs die Gier nur noch weit mehr.
Jemehr der Schmerz mich nun behext,
Um so viel mehr die Lust auch wächst,
Die stets der Rose nach sich schmiegt,
Die schöner als ein Veilchen riecht;
Und wenn mich auch noch mehr anficht,
Doch widerstehen kann ich nicht;
Denn was mein Herze mir gebeut,
Stets diesem nach mit Kräftigkeit
Gefällt' es mir, zu begeben mich.
Jedoch der Schütz' bemühet sich
Wie er zu rechter Qual mir wär',
Und läßt mich ohne Leid nicht mehr.
So läßt er, ganz mich zu verdrehn
Den dritten Pfeil in's Herz mir gehn.
Und Adlichkeit war der benannt.
Tief war die Wund' und breit von Rand',
So daß ich fiel ganz ohne Sinn
An einem laub'gen Oelbaum hin.
Reglos lag ich 'ne gute Weil',
Als ich mich nun erhol't, so eil'
[83]
Ich, ob den Pfeil ich etwa mag
Herausziehn, der im Herzen stak.
Doch nimmer kann den Pfeil ich ziehn,
Wie ich mich immer mag bemühn.
So setzt' ich mich mit meiner Schmach,
Und sorgte viel, und dachte nach;
Gar mächtig reizte mich die Wunde,
Und trieb mich an, daß ich begunnte,
Zur Knosp' zu woll'n, die mir gelüst't.
Da zeigt der Schütz zu dieser Frist
Ein neu Geschoß mir, wohl bereit –
Das vierte war's, Freiherzigkeit.
Der mir nicht minder schrect't den Muth,
Als einen Erhitzten kalte Fluth.
Doch große Macht hat große Roth
Ich sähe wie mir Regen droht.
Durch Stein und Werkstück', bunt und kraus,
Als fiel' ein Hagel da heraus,
Sah' ich beim Gehen mich umringt.
Und Amor, der jed' Ding durchdringt,
Mir Herz und Kühnheit dorten bot,
Wohl zu erfüllen sein Gebot.
Und in den Trümmern fass' ich Grund,
Wohl schwach und matt, dieweil ich wund,
Und streng' mich an, ob durch ich dränge,
(Indem ich nicht den Schütz bedenke)
[84]
Zum Rosenstock, wie's Herz nur will –
Doch war von Dornen solche Füll',
Und Stacheln, Spitzen, daß den Hag
Ich nimmer zu bestehn vermag,
So daß die Knosp' ich nimmer pflücke
Es hielt der Hag mich da zurücke,
Der dicht am Rosenstocke sitzt,
Mit vielen Dornen wohl bespitzt.
Jedoch sehr wohl mir da schon war,
Daß ich so nah', und nun gewahr'
Den süßen Duft den aus sie schickt.
Und mächtiglich ward ich entzückt,
Daß ich sie sah, so nah gestellt,
Und so gewann ich g'nug Entgelt,
Daß meine Leiden ich vergaß
Für Freud' und Lust, die ich besaß.
Ich war gar freudig, war gar froh,
Denn nirgends was behagt' mir so,
Als eben dieser selbe Ort –
Ich könnte nimmermehr da fort.
Nachdem 'ne Weil' ich so gestellt,
Der Liebegott mir gänzlich fällt
Das Herz, das er schon so beschoß,
Und gibt mir einen neuen Stoß,
Und sendete nun zum argen Theil'
Zur Hilfe einen andren Pfeil,
[85]
Der auf der Brust mir und in's Herz
Nun brachte einen neuen Schmerz.
Geselligkeit hieß dies Geschoß –
Er ging wohl noch einmalen los –
Zu Mädchen- oder Knaben-Freude.
Mein großes Weh sich da erneute
Von meinen Wunden auf dem Fleck –
Ohnmacht dreimal in Einem weg.
Es wird geseufzet und geächzt,
Der Schmerz bewältigend nur wächst,
So daß ich keine Hoffnung je
Auf Rettung und auf Heilung seh',
Wollt' lieber todt als lebend sein,
Denn doch zuletzt – so fällt mir ein –
Stellt Amor ein Quälfest mit mir an,
Aus dem ich nicht entrinnen kann.
Er hat nun auch schon mitlerweil'
Genommen andren starken Pfeil,
Den ich mit großem Leid' empfing
Schön Ansehn ist's, der Keinen fing
Zur Liebe noch, der nicht in Pein
Beklagt, in Amor's Dienst zu sein.
Gar spitz, daß wohl er schneiden darf,
War er, und wie'n Scheermesser scharf,
Doch Amor ihn zuvor noch taucht,
In eine Salb', die duftvoll raucht;
[86]
Daß desto mehr er mich verderbe,
Will Amor auch nicht daß ich sterbe,
Er wünscht mich nur erschlafft deshalb
Von dem Geruche dieser Salb',
Die ganz ein Wohlgeruch umwand.
Amor hielt sie in seiner Hand
Zum Trost der feinen Liebenden,
Das Leid mehr zu besänftigen.
Den Pfeil hielt er auf mich gezückt,
Der mir gar sehr mein Herz zerstückt,
Jedoch die Salb', auslaufend hier
In jene Wund', gab wieder mir
Das Herz, das vorher mir gefehlt,
Denn ich war todt und ganz entseelt,
Wenn nicht die schöne Salbe war.
Der Schaft von diesem Pfeil fürwahr
War stark, jedoch der Pfeil blieb drin,
Der eben erst geflogen hin.
So waren fünfe eingesenkt,
Die nun Nichts mehr von daunen lenkt.
Die Salbe freilich half mir sehr –
Jedoch bei alldem schmerzet schwer
Die Wunde – so, daß mir die Farb'
Des Todes auch der Schmerz erwarb.
Der Pfeil den man gar wohlgemeit,
Er hatte Süß' und Bitterkeit.
Ich hab's gewußt und wohl gemerkt,
[87]
Daß er mich schmäht, indem er stärkt;
Im Busen gar ein Weh mir tos't,
Jedoch die Salbe gab mir Trost.
Hier heilt sie während dort sie ritzt
So schadet sie, indem sie nützt.

[88] 14.

Wie Amor nicht mehr zaudernd steht,

Den Liebenden zu fangen geht,

Ihm sagt, dass er sich ihm ergebe,

Und dass er nun von Nichts mehr lebe.

Indessen nahte sich nun ganz
Der Gott der Liebe wie im Tanz',
Und wie er kam, rief er mir zu:
Lehnsmann, nimm Gnad', Nichts hast ja Du
Einwand mehr, noch Vertheid'gung gar,
Vergröß're nicht Dir die Gefahr;
Je williger man sich ergibt,
Um desto eh'r wird Gnad' geübt.
Ein Narr ist, der Gefahr erhöht
Bei dem, dem er bezwungen steht,
Wenn es ihm ziemt, um Gnad' zu flehn;
Du kannst nicht gegen mich mehr stehn,
So siehst Du ein zu dieser Feist,
Daß Nichts mehr zu gewinnen ist,
[89]
In stolzer thörigter Unbill.
Gib Dich gefangen, weil ichs will,
In Frieden und Ergebenheit. –
Versetzt' ich mit Bescheidenheit;
Herr, ich ergeb' mich gern und gleich –
Vertheid'ge mich nicht gegen Euch,
Das wolle Gott nicht, daß zur Wehr'
Ich gegen Euch gewillet wär'.
Das wär' nicht klug noch recht bestellt. –
Ihr könnet thun was Euch gefällt
Mit mir – mich sahen, tödten dann –
Seh' wohl, daß ichs nicht hindern kann,
In Eurer Hand mein Leben steht,
So daß es nicht bis morgen geht,
Es würde dann durch Euch mein Theil –
Von Euch erwart' ich Freud' und Heil,
Wie ich's von keinem Andern kriegte –
Wenn Eure Hand, die mich besiegte,
Mir etwa jetzo Gnade gibt.
Wenn's zum Gefang'nen Euch beliebt
Zu machen mich – verachtet's nicht.
Auf Trug leist' ich durchaus Verzicht
Und wißt, daß ich nicht hege Groll,
Es ist Eu'r Ruf so ruhmesvoll,
Daß ich durchaus ergeb' mit Wahl
Zu Dienst Euch Herz und Muth zumal.
[90]
Denn wenn ich thue Euren Will'n
Kann Nichts mich mehr mit Leid' erfüll'n.
Und dann, wähn' ich, es findet statt
Wohl stets mir die gehoffte Gnad'.
Mit dem Beding' ergeb' ich mich.
Den Fuß nun wollte küssen ich
Doch er am Arm' empor mich hob' –
Und sprach: ich bin Dir hold, ich lob'
Was Du erwidert eben jetzt –
Denn Solches nimmermehr versetzt
Ein nied'rer Mann, der wenig weiß.
Und so gewannest Du den Preis,
So daß ich will Dir zum Gewinnst',
Daß Du besorgest meinen Dienst.
Und küsse auf den Mund mich dann,
Den noch berührt kein schlechter Mann.
Berühren lasse ich ihn nicht
Von jedem Schuft', und jedem Wicht'.
Es muß gar artig sein und hold,
Wem ich gewähre diesen Sold.
Zwar drücket wohl mein Dienst und müht
Nicht wenig traun, jedoch ich biet'
Viel Ehr' Dir an, so mußt Du gern
Es sehn, zu dienen solchem Herr'n,
'Nem Herrn, der solche Ehre hegt,
Als Amor in der Fahne trägt
[91]
Voll Adlichkeit sein Wappenschild –
Sein Wesen ist dabei so mild,
So frei und adlich von Gemüth,
Daß Jedermann sich gar bemüht
Zu lieben ihn und ihn zu ehren.
In seiner Nähe kann nicht währen
Verrätherei und Aftergunst,
Und keine and're böse Kunst.

[92] 15.

Wie, gleich nachdem er dies gesagt,

Der Liebende zum Dienst sich wagt

Und wie die Jugend hin ihn lenkt

Zu Amor, der ihn wohl empfängt.

Da waren länger wir allein,
Und wißt, ich mocht' ergetzet sein,
Da sein Mund lag auf meinem Mund';
Da ward mir große Freude kund.
Deß fordert' er nachher ein Pfand.

Spricht Amor:

Freund, sagt' er, ich viel Ehr' empfand
Von Dem und Jenem, gut genug,
Der nachher doch mir bot Betrug,
Von Schurken mit Betrügersinn'
Gar oft ich schon getäuschet bin.
Davon ich manches Leid erfahren,
Doch soll'n sie meinen Groll gewahren,
[93]
Betreff' ich sie in meinem Bann'
So kommen sie wohl übel an.
Auf Dir jedoch, ich bin Dir gut,
Ganz sicher mein Vertrauen ruht,
Ich will Dich binden so an mich,
Daß Du nicht weigerst sicherlich,
Mir zu versprechen, was sich ziemt
Und nie zu handeln ungerühmt.
Wenn Du mich täuschtest, wär's 'ne Sünde,
Weil ich Dich jetzt so rechtlich finde.
Versetzt der Liebende:

Herr, sagt' ich – daß ihr's wissen sollt:
Ich weiß es gar nicht, was Ihr wollt
Von mir für Sicherheit und Pfand.
Die Wahrheit ist Euch wohlbekannt,
Daß Ihr mir so in's Herze drangt
Und so mich traft – daß, wenn's auch wankt,
Beim besten Willen es Nichts mehr
Thut als blos Eueren Begehr.
Das Herz ist Eu'r und nicht mehr mein –
Es muß – mag's gut, mag's übel sein,
Doch thun nur Euren Willen itzt
Nichts nimmt Euch mehr, was Ihr besitzt,
Ihr habt Besatzung drein gelegt,
Die gänzlich es beherrscht und trägt,
Doch könnt Ihr wo noch Zweifel sehn
[94]
Macht einen Schlüssel, traget den.
Der Schlüssel gelt' Euch für ein Pfand.
Amor.

Bei meinem Haupt'! ganz ohne Schand' –
Versetzt Amor – ich geh' es ein;
Der wird des Herzens Herr wohl sein,
Wer solche Macht darin erlangt –
Beleid'gend wird, wer mehr verlangt.

[95] 16.

Wie Amor gar sehr wohlgemuth

Mit einem Schlüsslein schliessen thut

Das Herz des Liebenden, der Art,

Dass nicht mal's Hemd verletzet ward.

Dann zieht er aus 'nem Beutelein
Ein Schlüßlein gut gemacht und fein,
Das war von Gold' fein ausgelegt –
Nun ist – so sagt' er, wohlgehegt
Dein Herz – ich will kein ander Pfand,
Denn dieser Schlüssel gnügt zur Hand;
Bei meiner Seel', er ist zwar klein,
Doch schließet er mein Schmuckkästlein,
Und ist von großer Brauchbarkeit.

Spricht der Liebende.

Dann fasset er mich in die Seit',
Und schließt mein Herz so sänftlich gar,
Daß ich den Schlüssel kaum gewahr'.
[96]
So war gethan sein Wille jetzt,
Und außer Zweifel er gesetzt.
Herr, sprach ich, ich hab' ganz den Willen
Wohl Eure Heischung zu erfüllen;
Doch meinen Dienst nehmt an in Gnad'
Und Glauben, wie's mir wohl anstat.
Aus Prahlerei nicht sprach ich das,
Denn um den Dienst ist mir's nicht Spaß;
Vergebens müht ein Diener sich,
Zu thun den Dienst recht wirksamlich,
Wenn nicht nach Neigung und Gemüth'
Der Dienst dem, welcher ihn versieht.
Spricht Amor.

Spricht Amor; O da gräm' Dich nicht,
Daß Du bei mir in Dienst und Pflicht;
Dein Dienst soll mir befohlen sein,
Ich setz' in hohes Amt Dich ein;
Vertreibt Dich nicht die eigne List.
Doch Hoffnung füllt in kurzer Frist
Sich auch nicht; große Lust und Freud',
Die will dann auch Geduld und Zeit.
Wart' ab und dulde jetzt den Gram,
Der eben auf Dich drang und kam,
Denn ich weiß wohl, durch welches Kraut
Du gänzlich wieder wirst erbaut.
Und hast Du nachher Gut's gethan,
[97]
Geb' ich Dir solch' Geheimniß an,
Das Dich vor Klage wohl bewahre,
Und dies erscheint, bei meinem Haare!
Wenn Du mir dienst mit gutem Will'n,
Und je nachdem Du wirst erfüll'n
Die Heißungen bei Nacht und Tage,
Die feinen Liebenden ich sage.
Spricht der Liebende.

Herr, sagte ich – um Gottes Gnad',
Bevor Ihr nun von dannen ga't,
Beauftragt mich noch und befehlt,
Ich bin zu dienen ganz beseelt.
Denn Hoffnung deß, das man nicht weiß –
Kann leichtlich bringen aus dem Gleis'.
Drum bin ich eilig es zu sehn,
Und will gewiß Nichts mißverstehn.
Amor.

Amor versetzt: Du sprichst nicht schlecht,
So nimm den Spruch und wahr' ihn recht:
Des Lehrers Müh' ist ganz verkehrt,
Wenn nicht der Schüler, der ihn hört,
Recht Achtung gibt, daß er's behält,
Damit es wieder ein ihm fällt.
Der Liebende.

Der Gott der Lieb' gab nun Befehl
[98]
Ganz so wie ich's Euch flugs erzähl'.
Von jeglichem Befehl' Bericht
Gibt ganz ausführlich dies Gedicht:
Wer lieben will, der habe Acht,
Wie dies Gedicht es vorgemacht.
Man höret gern zu und mit Fleiß,
Wenn Einer zu erzählen weiß. –
Des Traumes End' ist schön dabei,
Der Stoff daran ist völlig neu.
Und wer den Traum zu Ende las,
Der hat gewiß – ich sag' Euch das –
Der Liebe Spiel, gar wohl durchdacht,
Drum wolle Jeder geben Acht,
Wie ich im Sänge aufgezählt,
Was Alles dieser Traum enthält;
Die Wahrheit, die jetzt liegt versteckt,
Die wird dann offen aufgedeckt,
Wenn Ihr den Traum zu Ende hört –
Wo nichts Unwahres ich gelehrt.

[99] 17.

Wie Amor nunmehr redet zu

Dem Liebenden, dass er halt' und thu'

Die Lehren, die er jetzt ihm biete

Verzeichnet in dem schönen Liede.

Zu allererst Verrätherei,
Spricht Amor, will und heisch' ich, sei
Von Dir vermieden ohn' Bedacht,
Willst nicht, daß ich gering Dich acht'.
Verfluchet und verbannet sei,
Wer irgend liebt Verrätherei.
Verrätherei erzeugt Verrath,
Für den mein Bann kein Mittel hat.
Verrätherei ist mitleidslos
Und treuebar und freundschaftslos.
Nachher hab' Acht nicht auszuschrei'n
Ein Ding, das soll verborgen sein;
Nachreden ist nicht wohlgethan.
[100]
Herrn Keus 1, den Seneschal, sieh an.
Der stets durch seinen üblen Mund
In argem Ruf' und Hasse stund.
Denn so wie Gowin lobesam
An Artigkeit den Paris gewann,
So hatt' dagegen Keus die Schand',
Weil grausam er und falsch bestand,
Ein Spötter und Verläumder war
An all' der andren Ritterschar.
Sei weise und behutsam klug
In Worten sanft und fein genug,
Bei Hoch und Niedrig thue das,
Und wenn Du gehest auf der Straß',
Gewöhne ja Dir dieses an,
Zuerst zu grüßen Jedermann,
Und kommt man Dir zuvor im Gruß'
So halt' die Zung' nicht im Verschluss',
Den Gruß erwiedre Du in Eil'
Ganz ohn' Verzug und sonder Weil'.
Dann schaue, daß Du sagest nicht
Ein übel Wort, als wie ein Wicht;
Zu thun 'ne schlechte Sache kund
Eröffne nimmer sich Dein Mund.
Ich halt' für keinen adlichen Mann,
Der All' und Jedes schwatzen kann.
[101]
Den Frauen allen dien' in Ehr',
Für sie trag' Mühe und Beschwer,
Und hörst Du Einen wo, der hetzt
Und eine Frau geringe schätzt, –
Dämpf' ihn, so daß den Mund er hält;
Thu', wo Du kannst, was wohlgefällt
Den Frauen und den Mägdelein,
So daß man Leumund gut und fein
Von Dir sich zu erzählen weiß –
So kommst Du wohl zu Ruhm' und Preis'.
Nach alldem wahr' vor Stolze Dich,
Denn der, das wiss' absonderlich,
Ist Albernheit und Sünd' zugleich,
Und wer da kam in Stolzes Reich,
Dem ist das Herz niemehr bereit
Zu Wohlwoll'n und Gefälligkeit;
Denn Stolz gerad' entgegen geht
Dem, was da rechter Lieb' ansteht.
Wer aber sich mit Lieb' abgiebt,
Thut wohl, wenn Artigkeit er übt.
In Liebeangelegenheit
Gelingt Nichts ohne Artigkeit,
Und die ist stolz wohl nimmermehr;
Wer artig ist, schafft immer mehr,
Weil er des Stolzes gar gebrist,
Weil er kein Thor und Laffe ist.
[102]
Und richt' in Kleid' und Aufzug fein
Nach Deinem Jahrgehalt Dich ein.
Denn schönes Kleid und feiner Schmuck
Empfehl'n die Leute wohl genug.
Zu machen gib den Rock mit Fleiß
An einen, der'n zu machen weiß,
So daß die Schöß' anständig stehn,
Die Aermel schmuck zusammengehn.
Auch hab' oft neu und zierlich Du
Schnürstiefeln und geschnürte Schuh',
Und daß sie passen, habe Acht. 2
So sei der Neid zu Schand gebracht,
Wo du auch gehst, an welchen Ort,
Und wo du denn auch scheidest fort.
Handschuh' und Beutel Hab' von Seide,
Ein Gürtel sei an deinem Kleide.
Und bist du nicht von reicher Art, 3
Wie du wohl könnt'st, so sei gespart.
Doch mußt du kleiden dich so schön,
Als Du es kannst, um zu bestehn.
Ein Blumenkranz, der wenig gilt,
[103]
Pfingströfelein auch schön und wild
Kann haben hier ein Jeder gut,
Ohn' daß er hätte großes Gut.
Lass' keinen Schmuz auf dir bestehn,
Wasch' deine Hände, spül' die Zahn',
Die Nägel sei'n nie schwarz von Quarg'
Und lass' sie wachsen nicht zu arg.
Und bind die Aermel, kämm' das Haar
Und schmink' dich nicht, noch schiele gar.
Denn nicht geziemt's bei Frauen ja, 4
Als bei anrüchigen etwa,
Wo Liebe nur durch schlimme List,
Nicht durch Natur gegeben ist.
Und nachher muß'st du immer schau'n
Dir zu erhalten gute Laun',
An Lust und Freude halt dich dicht –
Denn Amor achtet Trübe nicht:
Da gibt es artig Leid allein, 5
Mit Lachen, Jauchzen und mit Schrei'n,
[104]
Das eben ist's, daß Lieb' zumal
Behaftet ist mit Lust und Qual.
Wer liebt, der hat nach Liebeskunde
Leicht eine – und schlimm die andre Stunde,
Da Liebegram viel Leid verübt.
Und jetzt ist fröhliche wer da liebt,
Und jetzt von Lust, von Leiden schwer,
Und weinet jetzt und jauchzt nachher;
Wenn dir sich ein Vergnügen weis't,
Damit du zu ergetzen weißt,
So heiß ich dich es thun sofort.
Denn Jeder muß an jedem Ort'
Das thun, was eben ihm zukommt,
Dieweil es nützet auch und frommt.
Und fühlst du leicht und frisch dich ganz –
Mach' kein Gewissen dir aus Tanz' –
Weißt du bescheidt mit Pferdes Lauf,
So reite flugs bergab, bergauf.
Und wenn du Lanzen brechen kannst,
Gar Viel' du leicht damit gewannst.
Und bist in Waffen du geübt,
So heiß'st du dreimal mehr geliebt.
Und hast du gut' und reine Stimm',
Dich spröd' nicht, noch verschämt benimm,
Zu singen, wirst du so bestellt,
Denn schöner Sang ergetzt die Welt.
[105]
Auch ziemt es einem Freiersmann, 6
Daß er hübsch Geige spielen kann,
Und Pfeife auch und Tanz und Sprung.
Durch dieses kommt man weit genung.
Lass' halten nimmer dich für karg,
Denn dieses kümmert dich noch arg:
Denn so ist's recht, daß, wer da liebt,
Auch reichlicher durchgängig gibt,
Als solch ein filz'ger Narr und Thor.
Nichts bringt auch Amor dem hervor,
Wer nicht durch Gabe es verschönt.
Wer Liebe zu durchdringen wähnt,
Zieht sich von Geiz mit Fleiß' zurück. 7
Denn wer da nun für einen Blick,
Ein Lächeln freundlich süß – dahin
Gegeben hat sein Herz und Sinn,
[106]
Der muß, nach dieser reichen Gabe
Gern fahren lassen and're Habe.
Nun zur Erinnrung wiederhol'
Ich noch einmal, was ich befohl,
Denn minder sich ein Wort vergißt,
So bald es kurz und bündig ist.
Wer Liebe zum Geschäft' sich macht,
Hab' ohne Stolz auf Sitte acht,
Und halte schmuck sich und gesetzt,
Und werde nicht für karg geschätzt.
Danach leg dies Gebot Dir auf:
In Tages und in Nachts Verlauf'
Daß nur auf Lieb' Dein Sinn sich wende
Daran gedenke ohne Ende.
Und denke stets der süßen Zeit,
Davon Dir bleib die Freudigkeit.
Damit Du 'nrechter Liebster bist,
Will ich und heisch' ich, daß da ist
Dein Herz aneinen Ort gebannt
Und nicht zu Hälften ausgesandt,
Daß ganz und ohne Trug es sei,
Ich liebe nicht Zweiträgerei. 8
Dem, dessen Herz nicht stätig weilt
[107]
Wird nirgend was Rechtes zugetheilt.
Doch nie mein Zweifeln auf sich lenkt,
Wer all sein Herz an Eines hängt.
Drum will ich, daß Du's so besorgst
Doch hüte Dich, daß Du's verborg'st,
Denn hätt'st Du es verborget, dann
Säh' ich es flugs als Beute an.
So gib's nur ganz zu eigen gleich,
Daß Dir's zu mehr Verdienst gereich';
Bei Borgen hat Gefälligkeit
Gelöscht schon, und bezahlt, wer leiht;
Doch wer Geschenk zu eigen stellt,
Bei dem muß groß sein der Vergelt
Und gib die Gabe kurz und gut.
Und gib sie auch mit güt'gem Muth'.
Denn theuer wird erst recht ein Ding,
Das man mit rechter Huld empfing,
Die Gab' jedoch man werthlos denkt,
Die widerwillig ward geschenkt.
Wenn Du verschenkt Dein Herze dann,
Wie ich Dich's jetzt gelehret han,
Dann nahn die Abenteuer sich,
Die Liebsten drücken fürchterlich.
Oftmals, wenn Du gedenkest schön,
An Deine Lieb', wird Dir's geschehn,
Daß Leuten Du begegnen muß'st,
[108]
Denen ganz fremd und unbewußt
Das Weh, daran Du leidest Pein,
Bei Vielen stehst Du ganz allein;
Dann kommt Dir Leid, und anderwärts 9
Auch Klag' und Jammer, Weh' und Schmerz,
Daß Du zerstreut auch oftmals bist
Jetzt warm, und kalt in nächster Frist.
Jetzt roth, und nachher gleich erbleicht,
So schlimm ist ja kein Schauer leicht,
Viertägig oder täglich. Gleich
So bald Du gehst, bist im Bereich' 10
Der Schmerzen Du, die Liebe bringt,
So daß es oftmals Dich bezwingt
Bei dem Gedanken schon mit Pein,
So wirst Du wohl beinahe sein,
Als wie ein stummes Bildniß pflegt,
Das sich nicht rüttelt und nicht regt,
Und keinen Fuß noch Finger beugt,
[109]
Kein Auge regt und immer schweigt.
Am Ende kehret Dir ein Stück
Gedächtniß wiederum zurück,
Jedoch befällt Dich Beben dann
Wie einen furchtgeplagten Mann,
Aus tiefster Seele seufz'st Du auf,
Und wisse, dies ist der Verlauf
Bei denen die das Leid verspürt,
In das Du jetzt wirst eingeführt.
Dann muß'st Du sorgen unverweilt,
Wenn Deine Liebste fern geeilt
Dann sagst Du: Gott, was für ein Schmerz, 11
Daß ich nicht bin, allwo mein Herz!
Warum that nur mein Herze gehn?
An das denk' ich, mag sonst Nichts sehn.
Könnt' meinen Fuß ich schicken hin,
Um auf mein Herz zu blicken hin!
Wenn's Aug' nicht's Herz beschicken kann
Grämt Nichts mich was es blicken kann.
Und darf man nun noch weilen hier?
[110]
Nein, nein, ich geh' zu suchen schier
Des hohen Heiligthumes Hut,
Nach dem mein Herz so eifrig thut.
Und sichert so mein Herze sich, 12
So mach' ich auf die Füße mich –
Wenn mich mein Herz so fern entbot:
Halt' mich für'n Thor'n, doch hilf mir Gott!
So geh' ich, nimmer lass' ich's so,
Denn nimmer werd' ich wieder froh,
Bis sich davon ein Zeichenweise –
So machst Du dann Dich auf die Reise.
So wirst Du gehn in solcher Art
Wie Dir's nach Deinem Willen ward,
Umsonst behüt'st Du Deinen Schritt,
Denn was Du suchest, siehst Du nit,
So trifft sich's, daß Du kamst zurück
Ganz abgespannt mit trübem Blick',
Dann fällst Du wieder in groß' Leid,
Und Seufzer kommen tief und weit,
Durchschüttern und durchschauern Dich
Und stechen mehr, denn Igelstich.
Wer weiß es nicht, daß Brauch dies ist
Bei rechter Lieb' zu dieser Frist?
Doch läßt Dich nicht Dein Herz in Fried',
[111]
Das wider Dich von dannen zieht,
Ob Du durch Zufall wo erspähst,
Worüber Du in Gram vergehst.
Und wenn Du's so weit bringen kannst,
Daß Du den Anblick doch gewannst,
So bist gewiß Du sehr bestrebt,
Daß stets er Dir vor Augen schwebt,
Daß Du viel Lust ins Herz Dir zieh'st
Von dieser Schönheit, die Du siehst.
Und wisse, daß vom Ansehn doch,
Du Beben spürst und Herzgepoch',
Und ganz belebt indem Du's siehst 13
Wirst Du vom Feuer und erglühst. –
Je mehr man sieht was lieb man hält,
So mehr sich's Herz erwärmt, erhellt.
Und hell in lichte Lohen bläst
Das Feuer, das da lieben läßt.
Wer liebt, der wird stets zugesellt,
Dem Feu'r, das ihn erwärmt, erhellt.
Je mehr dem Feu'r er nah sich merkt,
So mehr auch fühlt er sich gestärkt.
Das Feu'r ist's, das ihm spiegelnd zeigt,
Die Liebste, der er scheu sich neigt.
[112]
Je näher er dahin sich zieht,
So mehr in Liebe er erglüht.
Denn dieses Thor und Weiser kennt;
Daß wer dem Feu'r zu nah, sich brennt.
Wenn Du gesehn die Freundin hie
Wirst Du Dich trennen wollen nie,
Und kommt es doch zum Scheiden dann,
Den ganzen Tag lang denk'st du dran,
An das, was du gesehen hast.
Dann legst Du Etwas Dir zur Last,
Und dieses drücket dich gar sehr,
Daß nicht dein Herz so kühn vorher,
Sie anzureden da sofort –
So stand'st du da und sprachst kein Wort
Bei ihr, wie albern oder blöd'.
Du wähnst, daß dir's gar übel steht,
Daß du nicht angered't die Schön',
So daß sie mochte von dir gehn.
Das sei ganz anders nun gemacht;
Denn hätt'st du nur herausgebracht
Ein'n einz'gen schönen Gruß allein,
Bracht' es viel' hundert Mark dir ein.
Dann mußt'st du wieder um dich drehn
Und such'st Gelegenheit zu gehn,
Zu gehn von Neuem jene Wege,
Wo sie sich sehen lassen möge,
[113]
Wagst doch nicht sie zur Red' zu stellen –
In ihrem Haus' hast zu bestellen
Gar viel – und suchst Gelegenheit.
Es muß dein Wandern weit und breit
Und all' dein Laufen und dein Geh'n
Sich immer so im Kreise drehn.
Jedoch den Leuten zeig' dich nie,
Such' and're Mittel als wie die,
Wo man durch diese gar nicht kommt –
Denn sich nicht ganz zu zeigen frommt.
Geschieht's nun, daß erscheinet dir
Die Liebste, wo du kannst zu ihr
Fein reden und sie grüßen schön,
Da wird die Farbe dir vergehn,
Und beben wird dir all' dein Blut,
Und dich verlassen Wort und Muth,
Sobald du nun beginnen willst.
Und kommt's so weit, daß du's erfüll'st,
Daß deinen Spruch beginnst sofort –
Und hast zu sprechen nur drei Wort' –
So bringst du zweie kaum heraus,
So fasst dich Schüchternheit und Graus.
Da ist dir Keiner so bedacht,
Der da nicht viel' Vergessen macht.
Da hilft auch keine List heraus.
Doch falsche Liebste zähl'n sich aus
[114]
Den Vortheil und ganz ohne Scheu
Verüben sie Betrügerei,
Es denket anders, als er spricht, 14
Ein abgefeimter arger Wicht.
Nachdem du jetzt ohn' all'n Verrath
Zu ihr gesprochen deinen Rath,
Wirst du dir's legen nicht zur Last,
Wenn da du nichts vergessen hast,
Was nützlich noch zu sagen wär',
In großer Angst bleibst du nachher –
Das ist der Streit, das ist das Feu'r,
Das ist der stete Kampf geheu'r.
Nie wird dem Liebsten ganz sein Lohn,
Stets fehlt' ihm, Nichts hat er davon
So lange dieser Krieg auch währt,
So lang' er irgend noch begehrt.
Und kommt die Nacht nun wieder dar,
So wirst du haben Plagen gar,
Wirst legen in dein Bett dich hin,
Doch haben wenig Freude drin.
Wenn du zu schlafen nun gedenkst,
Zu schaudern du gewiß anfängst.
Mit Springen und mit Singen beide
Du eine Stund' liegst auf der Seite,
[115]
Die and're auf dem Zähnen dann,
Wie Einer den da schmerzt ein Zahn,
Dann kommt dir in Gedanken ein.
Wie ihre Gestalt und all' ihr Schein
Wohl Keiner zu vergleichen mehr;
So sag' ich dir viel Wunder's her.
Manchmal wird dir's vor Augen sein,
Als hielt'st du sie in rechtem Schein'
Ganz nackend in dem Arme hie,
Als wäre nun geworden sie
So recht dir Freundinn und Genoss' –
So baust du dir manch' luftig' Schloß,
So kann ein Nichts dir Lust gewähren,
Und also kannst du dich bethören,
Und am ergetzlich schönen Bild',
Von Lüg und Mährlein gar erfüllt,
Doch kurze Zeit nur bleibst du froh.
Zu klagen dann beginnst du so
Und sprichst: Gott, träumt' ich nur so gut,
Wo ist sie, bei der ich geruht?
Und dieses Bild – wo kam es her? –
Des Tag's wohl zwanzig Mal und mehr,
Wünscht' ich, käm' wieder dieses Bild,
Das mich gefangen und erfüllt,
Mit Freude und mit gutem Muth',
Nur schlimm, daß es nicht weilen thut.
Gott! seh' ich's je dahin gebracht,
[116]
Daß ich da bin, wo ich's gedacht?
Ich wünschte wahrlich und fürwahr,
Daß ich indessen stürbe gar.
Der Tod, der brächt' mir wenig Harm',
Stürb' ich, die Liebste mein im Arm'.
Oft grämt mich Lieb' und täuschet mich,
Bringt Leid und Trug gar bitterlich,
Doch kommt's dahin, daß ich gewinne
Von meiner Liebsten wahre Minne,
Wär' Alles mir vergolten reich.
Ach, allzuviel verlang' ich gleich.
Ich glaub', ich bin nicht klug zur Hand,
Daß ich mir wünsche solche Schand,
Denn wer da Thorheit sich erdachte,
Verdienet, daß man ihn verachte.
Weiß nicht, wie ich's zu sagen wag',
Denn Mancher, der wohl Mehr vermag,
Der schätzte sich's wohl schon zur Ehre,
Wenn er ein Theil so glücklich wäre.
Doch wollt' mit einem Kuss' allein
Beglücken mich die Schönste mein,
Hätt' ich schon mächtigen Vergelt,
Für's Leid, das mich gefangen hält.
Doch möcht' es schwerlich wohl gescheh'n,
Ich mag mich nur für'n Narr'n ansehn,
Daß ich mein Herz an was gesetzt,
[117]
Davon ich werde nie ergetzt.
So sag' ich als ein Narr und Thor,
Ein Blick von ihr, der gehet vor
Den ganzen Freuden allzumal,
Gar gern säh' ich sie überall,
Wenn Gott mir hilft dazu; denn Heil
Wird, wem ihr Anblick ward zu Theil'.
Gott, wie's schon hell geworden ist,
Ich blieb dabei zu lange Feist;
Doch nimmermehr gewinn' ich Ruh',
Bevor ich nicht gelangt dazu.
Denn Liegen ist 'ne üble Sach',
Wenn man nicht schläft und ruht gemach.
Und Gram hab' ich und Langweil schnöd',
Daß schneller nicht der Morgen geht.
Und daß die Nacht nicht weichen mag,
Denn ich erheb' mich, wenn es Tag.
Ha Sonn', um Gott, so komm' in Eile,
Und zaud're nicht, komm' sonder Weile!
Lass' schwinden nun die finst're Nacht,
Die gar so lange Langweil macht!
So ziehest du die Nacht dich hin
Und findest wenig Ruh' im Sinn'.
So fühlst du stets der Liebe Leid,
Und kannst du dann nicht läng're Zeit,
Erdulden wachend in dem Bette,
[118]
So mußt du auf, an selber Stätte
Dich putzen, waschen, kleiden an,
Sobald den Tag du siehest nah'n.
Dann stiehlst hinweg du heimlich dich,
Ob's regn', ob's hagle fürchterlich;
G'radweges nach der Liebsten Haus,
Und eben schläft vielleicht sie aus
Und denket gar an dich nicht sehr.
'Ne Stunde drauf kommst wieder her,
Zu kunden, ob's noch zu dort ist.
So stehst du da zu dieser Feist
Allein im Regen und im Winde;
Und mach' die Runde nun geschwinde,
Und wenn du Nichts wo offen siehst,
Daß Fenster sich und Schloß verschließt,
So horch' und lausche unten doch,
Ob drin die Leute schlafen noch.
Und wenn die Schöne drinnen wacht,
So geb' ich dir zu Rath' und Acht,
Daß sie dein Leid und Trauern hör',
Und daß du nicht kannst ruhen mehr,
Noch schlafen auch aus Lieb zu ihr;
Ziemt's wohl, daß sie auch Mitleid spür'
Mit dem, dem so viel Arges ward
Um sie – ist sie nicht gar zu hart.
So sag' ich dir, was du mußt thun
[119]
Für diese holde Liebste nun,
Von der dir mag kein Glück geschehn.
Die Thüre küsse du bei'm Gehn.
Und damit, daß man dich nicht sehe
Vor diesem Hause, mach' und gehe;
Doch sieh, daß wieder du zur Stell',
Sobald der Tag herauf und hell.
So wird gekommen und entfernt,
Und so gewachet und gelernt,
Denn unter Amor seiner Fahn'
Wird mager jeglicher Dienstmann.
Du wirst es an dir selbst gewahren,
Und muß'st es selber auch erfahren,
Denn wiss', daß Amor'n nicht gefällt,
Daß'n Liebster Farb' und Fett behält.
Darin nun mag man leicht erschau'n,
Wer nur betrügen will die Frau'n;
Die nur zum Luge sagen hin,
Daß sie sich Trank und Speis' entziehn,
Die kündet schon als Schelm' ihr Blick,
Daß Aebt' und Prior's kaum so dick.
Darnach sag' und befehl' ich dir,
Daß du dich zeigst freigebig schier
Der Dienerinn in diesem Haus' –
Und eine Löhnung zahl' ihr aus,
Daß hoch dich preise ihre Lippe,
[120]
Der Liebsten und der ganzen Sippe,
Die muß'st du halten lieb und werth,
Gar leicht es dir viel Glück gewährt,
Denn wer da ist mit ihr vertraut,
Erzählt ihr, wie er dich geschaut,
Ob adlich, sittig, recht gemuth,
Sie ist dir noch einmal so gut. –
Entferne dich nicht aus dem Land',
Und hast du mal so üblen Stand,
Daß die Entfernung gut man fand,
Hab' Acht, daß doch dein Herz zur Hand,
Und denk' auf schnelle Wiederkehr,
Verweilen darfst du nicht zu sehr:
Zeig' daß gar sehr dich Sehnen rafft
Nach ihr, die hält dein Herz in Haft.
So sagt' ich dir die Art mit Lust,
Wie lieben du mir dienen mußt.
So thu' danach nun, wenn du willt
Nach ihr dein Sehnen sehn erfüllt.

Spricht der Liebende.

Wie Amor dieses mir gesagt,
So hab' ich ihn nachher gefragt:
Herr, und in welcher Weis' und Art
Dem Liebsten wohl zu tragen ward
Das Uebel, das Ihr habt erzählt?
[121]
Ich bin darauf gar sehr gestählt;
Doch wie man dau'rn und leben thut
In so viel Pein und solcher Gluth? –
In Kampf', in Seufzern und in Zähren,
In Leiden, die da immer währen,
Ist man in Sorge und in Huth.
Gewißlich mich es wundern thut,
Wie ein nicht eiserner Geselle
Trägt einen Mond lang solche Hölle.
Der Gott der Liebe sagt mir jetzt,
Und auf mein Fragen so versetzt:
Spricht Amor.

Mein Freund, bei meines Vaters Geist,
Nichts hat, wer sich's nicht schwer erschweiß't,
Und um so lieber man verschnaufft,
Je theurer man es hat erkauft;
Das Gut ist noch einmal so werth,
Das einem Mühe hat gewährt.
Wahr ist's, daß keinem Leid entgeht,
Wer in dem Lieben selber steht.
So wenig als die tiefe See
Mag man erschöpfen Liebeweh
In Büchern und Geschichten schön.
Und All' das siehest du geschehn
Den Liebenden, weil's ihr Geschick;
[122]
Gern flieh'n vor'm Tode sie zurück.
Der, wer in dunklem Thurme bebt,
Bei Nattern und bei Molchen lebt
Und hat kaum Gerst- und Haferbrod,
Hat doch vor Jammer nie den Tod.
Hoffnung erhält das Leben schön,
Weil es Befreiung noch zu sehn
Durch irgend einen Zufall meint:
Und ganz derselbe Trost erscheint
Dem, der in Amors Haft verweilt,
Er hofft noch immer sich geheilt.
Und diese Hoffnung tröstet ihn,
Und bringet Muth in Herz und Sinn,
Daß er das Herz der Pein hinträgt,
Hoffnung zu dulden ihn bewegt
Ein Leid, das Keiner zählt und wägt
Für Freud', die's hundertfach austrägt,
Hoffnung den Sieg durch Dulden gibt;
Durch sie nur lebet wer da liebt.
Drum sei der Hoffnung Ehr' und Preis,
Die Liebenden zu helfen weiß.
Wie wacker endlich Hoffnung ist!
Denn sie verläßt zu keiner Feist
Den Wackern bis an's Ende gar,
Im Unglück' nicht, nicht in Gefahr.
Dem Räuber selbst, der fast schon hängt.
Sie Aussicht noch auf Gnade schenkt.
[123]
Die nimmt dich wohl in ihre Hut
Und nimmer von dir weichen thut,
Und tröstet dich so bald es Noth.
Drei andre Güter noch ich bot
Mit dieser dir, die laben sehr,
Wenn dich mein Dienst bedrückt zu schwer.
Das erste Gut, das Trost gewährt
Dem, den der Liebe Leid beschwert,
Das ist Süß-denken, das gedenkt
An das, darauf sich Hoffnung lenkt,
Wenn wer vor Liebe seufzt und klagt
Und ist mit Kampf und Pein geplagt. –
Süß-denken wird zuerst dess' Theil
Der ganz von Zorn und Jachsinn heil.
Den Liebenden, den läßt sein Nah'n
Erinnerung der Freud' empfah'n,
Die Hoffnung ihm verhieß zuvor,
Führt ihm die edle Nase vor
Die nicht zu groß und nicht zu klein,
(Das Auge lächelnd vorn hinein)
Das Mündlein mit der Farbe mild,
Deß Odem ganz von Düften schwillt –
Und so behagt's ihm wohl, im Sinn'
Ein jedes Glied zu stellen hin.
Und doppelt wird der Trost erweckt,
Wird ihm ein holder Zug entdeckt,
[124]
Wie sie gelächelt, süß geblickt,
Was ihn an seiner Lieb' entzückt.
Süß-denken sänftigt allsogut
Der Liebe ihre Pein und Wuth.
Dies sollst du haben nun zumeist;
Doch wenn das Zweite ab du weis'st,
Das doch nicht minder lieblich ist,
Du wahrlich sehr gefährdet bist.
Das zweite Gut, das ist Süß-Red',
Die manchem Jüngling gut und stät
Und mancher Maid schon Trost gewann.
Denn wer nur irgend reden kann
Von seiner Lieb' – sich leicht behagt.
Ich meine, daß darum wohl sagt
Ein liebekundig Mägdelein
Im Lied' ein Wörtlein lieb und fein:
Ich bin, sagt sie, in schönen Schulen,
Hör' Etwas ich von meinem Buhlen.
So helf' mir Gott, wer irgend was
Von ihm mir sagt, ergetzt mich baß. –
Und von Süß'-Rede hört sie an,
Was auch es sei, denn Kund' gewann
Sie schon davon in mancher Art.
So sieh nur zu, daß Dir auch ward
Bald ein Gesell verschwiegen schlau.
Und diesem deinen Muth vertrau'
[125]
Und sag' ihm allen deinen Sinn,
Das wird dir bringen viel Gewinn.
Wenn Liebeangst dich sehr bedrückt
Wird er zum Trost von dir beschickt,
So redet beide Ihr zumal,
Von ihr, die dir dein Herze stahl,
Von ihrer Schönheit und Unschuld,
Von ihrer einfach hohen Huld.
Dem sagst du's ganz wie's mit dir stat,
Und bittest ihn um seinen Rath,
Wie Etwas werde angestellt,
Das deiner Liebsten wohlgefällt.
Wenn der, dem ward ein solcher Freund,
Sein Herz der Lieb' auch hat vereint,
So wird noch kräftiger sein Bund.
So thu' ich dir das Rechte kund:
Wen er auch liebt, wer sie auch ist,
Ob Jungfer oder nicht zur Frist,
Fürcht' nicht, daß er Verrath verübe
Und dich verklein're bei der Liebe;
Einander ja vertrauet ihr,
Du aber ihm, er aber Dir.
Und wisse, daß es wohl behagt,
Hat Einen man dem kühn man sagt,
Was meinen man und denken mag.
Das kommt dir sicher zu Geschmack,
[126]
Hast den Versuch du nur gethan,
Glaubst an den Lohn du sicher dann.
Das Dritt' ist in das Aug' gelegt
Süß-blick ist's, der zu hausen pflegt,
Bei dem, den Liebe ferne hält,
Dir rath' ich, bleib' ihm ja gesellt
Und halt' am Süßblick dich mit Kraft,
Daß dir sein Trost hübsch Hilfe schafft,
Denn Liebende gar hold und mild
Er mit Ergetz' und Freud' erfüllt.
Früh hat gar lieblich Stelldichein
Das Aug', zeigt unser Herrgott fein
Das Heiligthum so süß und lind,
Nach dem die Blicke gierig sind.
Denn nimmer Herbes bringt der Tag
Der jetzt alsbald erscheinen mag.
Nicht Regen wird, nicht Wind gescheut,
Noch was nur irgend Andres dräut,
Und wenn den Augen Lieb's geschicht,
Sind sie gelehrt und abgericht't
Daß sie sich laben nicht allein,
Das Herz auch lassen fröhlich sein,
Und sänft'gen alle üble Noth.
Das Auge wie ein treuer Bot'
Schickt in das Herz die Neuigkeit,
Die es geseh'n in jüngster Zeit,
[127]
Und so geschieht's durch ihre Freude,
Daß auch das Herz vergißt die Leide,
Und all' die Nacht, darin es wohnt
Denn ebenso, als wie der Mond
Das Dunkel von sich ferne treibt,
So auch vor Süßblick nimmer bleibt
Die Finsterniß, darin das Herz
Liegt Tag und Nacht in Liebeschmerz:
Das Herz sich nie im Grame müht,
Wenn's Auge, was es wünschet, sieht.
Nun, scheint's mir, hab' ich dir geseit,
Von dem ich dich will sehn befreit.
Denn sonder Lug thät' ich erzähl'n
Die Mittel, die da sollen stähl'n
Die Liebenden, vor Tod' sie wahren;
Nun weiß'st, wo du magst Trost erfahren:
Du hast die Hoffnung stets zur Hand,
Süßdenken auch ist dir bekannt,
Süßrede und Süßblick zuletzt.
Ein Jedes mög' Dich wahren jetzt:
Bis du auf mehr gewärtig bist,
Deß' Trefflichkeit nicht kleiner ist.
Noch Größeres bekommst du dann,
Doch dieses biet' ichgleich dir an.

Fußnoten

1 Der bekannte Seneschal des König Artus.

2 Und lass' sie schön und festlich sein,

Und nicht zu groß und nicht zu klein.

Edit. de Laut. d. Damerey.

3 Und wenn solch' Gut du nicht gewannst,

Daß du viel' Aufwand machen kannst.

Lenglet du Fresnoy.

4 Denn solches ziemet einzig ja

Anrüchigen und Thor'n etwa,

Die Lieb' durch arge Ränke nur

Gefunden nimmer die Natur.

L. d. F.

5 Die Weise ist gar hübsch und neu,

Da gibt es Lust ohn' Lärm dabei.

6 Auch in dem Saitenspiel so weit

Geziemt dir ein'ge Fertigkeit,

Und ebenso in Tanz und Sprung,

Dies wird dich fördern weit genung.

L. d. F.

7 Wer haben will von jenem Lohn

Zieht sich zurück von diesem schon.

L. d. F.

8 Ohn' Falsch und ohne Täuscherei.

L. d. F.

9 So leid'st Du Weh auf viele Art,

Und fühlest Jammer herb und hart

Jetzt warm und jetzo kalt zu sehn,

Mußt Du durch diesen Jammer gehn.

L. d. F.

10 – – – – – – – – – – – – – Und

Sobald Du gehest wird Dir kund

Das Leiden, das die Liebe bringt

Und alle Deine Kräfte zwingt.

11 Dann achtest Du Dich unglückreich,

Wann sie nicht nahe bei Dir gleich.

Dann kommt es, daß Dein Herze zieht

Mit dem, das nicht Dein Aug' mehr sieht

Sprichst Du: Ich wollte blicken hin,

Das Aug' zum Herzen schicken hin.

12 Muß so vom Herzen fern ich fahr'n,

Mag ich mich halten für 'nen Narr'n.

13 Das Feuer brennt den, der da sicht

Die Liebste, hütet er sich nicht.

L. d. F.

14 Wenn's scheint, als wein' er, lacht der Wicht.

L. d. F.

[128] 18.

Wie hier der Liebende sagt, dass ihn

Amor verliess in grossen Müh'n.

Als Amor mir erzählt so fort
Von seiner Freud', wußt ich kein Wort,
Bis daß er gänzlich hatt' geendet,
So lange war ich ganz geblendet.
Doch als ich ihn nicht mehr bei mir sah,
Gar sehr beklagte ich mich da.
Ich weiß, daß Nichts mich heilen mag,
Als nur die Knosp', an der nun lag
Mein Heil und all' mein Herze schwer.
Vertrau'n setzt' ich in Keinen mehr,
Als in den Liebegott allein.
So mocht' ich denn recht sehen ein,
Daß mit dem Wollen Nichts gethan,
Macht sich nicht Amor selbst daran.
Die Rosenstöcke war'n verwahrt
[129]
Mit einer Hecke stark und hart,
Doch durch den Hag dräng' ich heran
Gar leicht und gern, um mich zu nahn
Der Knospe, – kein Balsam riecht so süße –
Wenn's mich nicht Tadel fürchten ließe,
Doch leichtlich könnt' es scheinen wohl,
Daß ich die Ros' mir eignen woll'.

[130] 19.

Wie Gutempfang gar kein bedacht

Dem Liebenden den Vorschlag macht,

Dass er sich zu den Rosen kehrt,

Die er vor Allem so begehst.

Indem ich so Gedanken pflag,
Ob ich durchbräche wohl den Hag –
Da sah ich kommen grad' auf mich
Ein'n Knappen fein und hofelich,
An dem man Nichts zu tadeln fand.
Derselb' war Gutempfang genannt,
Ein Sohn der weisen Adlichkeit.
Der gab mir frei den Weg zur Zeit
Zur Hecke freundlich und gemuth,
Und sagte zu mir lieb und gut:

Spricht Gutempfang.

Lieb' Freund, wenn's Euch gefallen mag,
Geht unverzüglich durch den Hag,
[131]
Zu fühlen da der Rosen Ruch.
Ich bin Euch Bürg' für den Versuch,
Daß Leid nicht noch Verrath da harrt,
Wenn Ihr vor Thorheit Euch bewahrt.
Wenn ich in was Euch helfen kann,
So steht nicht lang mit Bitten an:
Denn ich bin Euch zu Dienst bereit
Und thu' es ohne Arg' und Neid.
Spricht der Siebende.

Herr, fing' ich an zu Gutempfang,
Gar gern den Antrag ich, empfang'.
So sage ich Euch Dank sofort.
Für Euer all' so gütig Wort,
Aus gar so großer Gütigkeit.
Weil Ihr's so wollt, nehm' ich zur Zeit
Gar gern Eu't Anerbieten an.
Durch Dornen und durch Ranken dann, 1
Wovon der Hag gewaltig strotzt
Hab' ich den Eingang da ertrotzt,
Und zu der Knospe mich geschmiegt.
[132]
Die schöner als die andern riecht.
Und Gutempfang gab mir Geleit.
So sag' ich Euch, wie mich's erfreut, 2
Daß ich sonach nicht mochte spüren,
Wie ich die Knospe konnt' berühren.
Und Gutempfang war werth mir da,
Als ich so nah die Knospe sah. –
Jedoch der schlimmste, ärmste Wicht
An diesem Orte fehlte nicht:
Er hieß Gefahr; so war er Schutz
Und Schirm dem ganzen Rosenputz:
Ihm war die Wache anvertraut,
Er deckte da wohl Blatt und Kraut,
Daß er abwehre da, und fahe,
Wen er nach Rosen langen sahe
Doch war nicht er blos aufgestellt
Vielmehr war ihm dazugesellt,
Der Lästermaul, der üble Gauch
Und Scham und Furcht daneben auch.
Die mächtigste davon war Scham,
Und wisset nun, woher sie kam
In richt'gen Stamm- und Ahnenreih'n.
Vernunft, der weisen, Töchterlein
Hatt' sie zum Vater Frevel, der
So häßlich war ohn' Sitt' und Ehr',
Daß nie Vernunft auch zu ihm ging,
[133]
Vom Ansehn nur sie Scham empfing, 3
Als Gott nun Scham entstehen ließ,
Ward Keuschheit, die da Frau gewiß
Von Ros' und Knospe dürfte sein,
Bekämpft von ganzen Schelmereih'n,
So daß ihr Hilfe thät' gar Noth,
Dieweil sie Venus arg bedroht,
Die Tag und Nacht zusammen ist
Mit Ros' und Knosp' zu dieser Frist.
Da bat Vernunft ihr' Tochter hie,
Zu retten vor der Venus sie,
Und weil sie so verzweifelt sta't,
Wollt' thun Vernunft, um was sie bat;
So ward auf ihr Gesuch geschafft
Die Schaar, gar einfach, ehrehaft.
Und zu der Rosen bessrer Hut
Sie Eifersucht entbieten thut,
Und Scheu, die auch gar mächtig strebt,
Daß man vor ihrer Herrschaft bebt.
Sie Dreie sind der Rosen Wacht, 4
Daß Keiner, der nicht sie bedacht,
[134]
Nicht Ros', noch Knospe nehmen kann.
Ich kam dabei gar trefflich an,
Daß ich von ihn'n nicht ward beacht't,
Denn artig und auf Huld bedacht
War Gutempfang gar eifrig drin,
Zu thun mir ganz nach meinem Sinn'.
Oft litt er's, daß ich näher kam
Zur Knospe, und den Rosenstamm
Berührte, der sie selber trug.
Dazu gab er mir Recht und Fug.
Und da er ahnt', wie gern ich's hatt',
Hatt' er gepflückt ein grünes Blatt
Noch von der Knosp', und schenkt' es mir,
Weil es entstanden doch bei ihr.
Das Blatt, das macht' mir große Lust,
Und da ich mich befreundet wußt',
Und so vertraut mit Gutempfang,
Wähnt ich, daß mir es schon gelang.
Da faßte Herz und Muth ich hie,
Dem Gutempfang' zu sagen, wie
Mich Amor traf und fing zur Zeit.
Herr, fing ich an – nie hätt' ich Freud',
Als wie nur um ein einzig Ding;
Dieweil mir ganz das Herz befing
Ein Uebel, das mich drückt gar schwer.
Ich weiß nicht, wie ich Euch belehr',
Dieweil ich fürcht', Ihr zürnt darum.
[135]
Und lieber wollt' ich um und um,
Von Messern gänzlich sein zerstückt,
Als daß es Euch zu Zorn' entrückt.
Gutempfang.

Sprecht, sagte er, nur was Ihr wollt,
Und nimmer Ihr gewahren sollt,
Daß mich's erzürnt, was es auch wär'.
Der Liebende.

Da sagt' ich: Wisset, lieber Herr,
Mir schicket Amor harte Plage –
Und glaubt nicht, daß ich Lüge sage,
Er macht in's Herz fünf Wunden mir,
Daß ich die Schmerzen noch verspür', –
Doch nicht mehr, wird die Knospe mein,
Die vor den andren schön mag sein.
Sie ist mein Leben, ist mein Tod,
Daß Nichts, als sie mir Lust mehr bot.
In Gutempfang ein Schrecken fährt –
Gutempfang.

Und sagt mir: Bruder, Ihr begehrt,
Dem nimmer, werden kann Gewähr.
Wie! Bringt Ihr so mich in Unehr?
Ihr thätet an mir argen Fleck,
Wenn Ihr die Knospe brächet weg
[136]
Vom Rosenstock'. Es geht nicht an,
Daß man von hier sie nehmen kann.
Ihr seid nicht klug, es zu begehren,
Laßt hier sie wachsen und sich nähren
Ich möcht' sie trennen nimmermehr
Vom Stocke, der sie trug bisher,
Um Nichts, das lebt – so schätz' ich sie.
Der Schreiber.

Flugs sprang Gefahr, der schlimme, hie
Herzu vom Platz, darauf er stund,
Gar groß und schwarz – ein übler Kund',
Roth war das Aug', wie Feuerlicht,
Und runzlich Nase und Gesicht.
Darauf nun schrie er mächtig sehr:
Gefahr.

Nun Gutempfang, was bringt Ihr her
Den Burschen zu den Rosen hier?
Ihr thatet schlimm, Gott helfe mir!
Daß sich's zu Eurem Schaden kehrt'.
Schlimm ging' es, wenn nicht Ihr es wär't,
Dem, der ihn führt' in dies Bereich.
Wer Schelmen dient, gilt ihnen gleich.
Ihr meintet Liebes ihm zu thun,
Und er dagegen schmäht Euch nun.

Fußnoten

1 Reim geht bei Dufresnoir die Rede.

2 So ging ich dann ohn' alle Stich',

Wie nie ich's hoffte sicherlich.

L. d. F.

3 Die Keuschheit wiederum gebar,

Die Leutlein wechselvolles Jahr.

L. d. F.

4 So sind der Rosenwächter vier

Die wehren gar gewaltig hier u.s.w.

L. d. F.

[137] 20.

Wie nun Gefahr gar schlechtiglich

Vertrieb und niederträchtiglich

Den Liebenden und Gutempfang;

Davon in's Herz gross Leid ihm drang

Flieht, Bursche, fliehet aus dem Hage,
Damit ich Euch nicht flugs erschlage,
Denn Gutempfang erkennt Euch jetzt,
Der Euch zu dienen sich ergetzt.
Zu täuschen suchetet Ihr ihn,
Bei mir jedoch seid nicht so kühn
Denn völlig ist zur Stund' entlarvt,
Was für Verrath Ihr hier entwarft.

[138] 21.

Hier liest sich, wie der schlimm Gefahr

Den Liebsten trieb vom Garten gar

Durch seines Wächterstabes Streich',

So schien er Narr und starr 1 zugleich.

Da hielt ich es nicht länger aus
Bei diesem Menschen, schwarz und graus
Der mich bedroht mit schlimmem Schlag'.
Es läßt mich springen über'n Hag
Von großer Furcht und Eil' erfüllt.
Er schüttelt nun sein Haupt gar wild,
Und sagt, wenn wieder ein ich drang,
Soll mir bekommen schlecht der Gang.
Die Flucht ergriff nun Gutempfang,
Daß ich allein blieb scheu und bang,
Voll Scham und Unmuth, und mich reut,
Daß ich, was ich gedacht, geseit,
[139]
Denk' meiner Thorheit zu der Frist,
Seh', daß mein Herz geliefert ist
Dem Zwist', dem Aerger und der Plag',
Und dies mich recht erzürnen mag,
Daß ich nicht in die Hecke kam. –
Wer nicht geliebt, nie Leid gewann;
Und glaubet nicht, daß Qual so heiß,
Wer nicht geliebt hat, richtig weiß.
Amor hielt nur zu gut das Wort,
Das er mir gab an diesem Ort'.
Daß keinem Herzen irgend kund,
Und daß verkünden mag kein Mund
Den vierten Theil von meinem Schmerz,
Es schwindet mir beinah das Herz,
So oft der Rose es gedenkt,
Von der es nun hinweg gedrängt.

Fußnoten

1 Fel et fol.

[140] 22.

Wie hier Vernunft, die gottgemeit'

Gerade kommt zu dieser Zeit,

Den Liebenden zurücke führt,

Wo tolle Liebe ihn berührt.

So stand 'ne gute Weil' ich da,
Bis daß mich so verlegen sah
Die Fraue von der hohen Schar,
Die grad' herabgestiegen war.
Vernunft war dieser Frauen Nam'.
Und wie sie so hernieder kam,
Kam sie zu mir in gradem Gleis'.
Sie war nicht jung, sie war nicht greis;
Und nicht zu groß und nicht zu klein
Und nicht zu dick und nicht zu fein,
Die Augen, die im Kopf' sie hatt',
Die war'n an zweier Sterne statt.
Und auf dem Haupt' trug sie 'nen Kranz,
Und glich 'ner hohen Fraue ganz.
[141]
An Blick und Anseh'n thät sich dar,
Daß sie vom Himmelgarten war,
Denn die Natur vermöchte nicht
Zu machen je ein solch' Gesicht,
Und wiss't, daß wenn die Schrift nicht lügt,
Hat 's Gott recht eigentlich gefügt
Nach seinem Bild' gar sonderlich
Und gab ihr Heil so mächtiglich,
Daß Macht und Mittel bei ihr leit,
Zu wahr'n vor Thorheit alle Leut',
Vorausgesetzt, man glaubet ihr.
Indem ich steh' verlegen hier,
Zu mir Vernunft also beginnt:

Spricht Vernunft zum Liebenden.


Mein guter Freund, Thorheit wie'n Kind'
Hat dich geführt in Sorg' und Leid.
Schlecht sah'st die schöne Wonn'mondzeit,
Denn ausgelassen ward dein Sinn.
Zum Unglück kamst zum Hain du hin,
Denn Muße trägt den Schlüssel hier,
Womit sie öffnete die Thür'.
Thor ist, wer sich der Muß' gesellt –
Denn die Gesellschaft Leid enthält.
Trug that sie und Verrath an Dir,
Denn Amor fing dich nimmer hier,
Wenn Muße dich nicht zu führ'n gewußt
[142]
Zum Hain', wo Freudmuth weilt in Lust. –
Hast Du zur Thorheit dich gekehrt,
So mache, daß du wirst bekehrt,
Und glaube nimmermehr dem Rath',
Der also dich verführet hat.
Schön hat geirrt, wer's bessert dann.
Und hat geirrt ein junger Mann,
Sich Niemand zu verwundern hat.
So sag' ich dir und geb' den Rath:
Die Liebe sollt du gänzlich la'n,
Davon wir so vernarrt dich sah'n,
Und so versessen und betrübt;
Denn anders weiß ich nicht, ob's gibt
Ein Mittel oder Heil für dich;
Denn auch Gefahr strebt grausamlich,
Befehdet jetzo dich zu sehn.
Du magst ihn nimmermehr bestehn.
Und gegen meine Tochter Scham,
Doch selbst Gefahr noch nie aufkam,
Die auch die Rosen wahrt und schützt
Und nicht allein zum Maulaff' nützt.
Vor der mußt du dich fürchten sehr,
Denn Mitleid kennt sie nimmermehr.
Und Argmund außer diesen Zwein
Leid't nicht, daß Jemand kommt hinein,
So daß, wenn's fast zu Stande kam,
Es wieder rasch ein Ende nahm.
[143]
Mit schlimmen Leuten hast's zu thun;
Sieh zu, was da das beste nun,
Ob zu verfolgen, oder nicht
Was dir ein wehvoll Sein verspricht;
Und Liebe ist des Wahnes Nam',
Die nimmer ohne Thorheit kam.
Thorheit – so stärk' mir Gott den Blick,
Wer liebt, kann nimmer haben Glück,
Hat nimmer von der Welt Gewinn
Und seine Hoffnung geht dahin,
Und fängt er auch was Andres an,
Doch Nichts er je ausrichten kann.
Mehr Qual hat er auf diese Weise
Als Mönche und Einsiedlergreise.
Sein Leid geht über Maß und Ziel
Und seine Lust bedeut't nicht viel.
Die Freude hält nicht lang' ihm Stand,
Und Zufall ist's, wenn er sie fand.
Ich seh', daß Mancher sich bemüht,
Dem doch zuletzt es nicht gerieth.
Auf meinen Rath gabst nicht Gehör,
Als du zum Liebegott kamst her.
Dein Herz mit allzuleichtem Sinn'
Ließ dich in solche Thorheit zieh'n.
'Ne Thorheit ist gar leicht begonnen,
Jedoch die Umkehr schwer gewonnen.
Nun setz' die Minne du bei Seite,
[144]
Die dich ließ leben, doch ohn' Freude,
Denn alle Thorheit wächst und treibt,
Auch wenn sie nur ganz ruhig bleibt.
Fass' stark den Zügel mit dem Zahn,
Und führ' dein Herz die rechte Bahn.
Es sei verwehrt und abgelenkt,
Was immer auch dein Herze denkt.
Wer stets dem Herzen leiht sein Ohr,
Wird unvermeidlich doch ein Thor.

[145] 23.

Hier widerspricht der Liebste bald,

Da ihm Vernunft die Minne schalt.

Als diesen Tadel ich gehört,
Versetzte ich, in Zorn verkehrt:
Frau, bitten wollt' ich Euch doch fast,
Den Tadel unterweges lasst.
Ihr rathet mir, daß ich bezwinge
Mein Herz, daß nicht die Lieb' eindringe:
Meint Ihr, daß Amor wohl zuläßt,
Daß ich mein Herz so halte fest
Im Zaum', da ihm es ganz gehört?
Es kann nicht sein, was Ihr da lehrt.
Denn Lieb' hält so mein Herz in Huth,
Daß meinen Willen nicht es thut.
Er hält es so in seinem Bann',
Daß er gemacht ein Schloß daran.
[146]
Drum lasset mich nur gänzlich sein,
Denn Eure Sprache braucht ihr fein
In Muße besser anderswo.
Denn wahrlich sterben will ich so,
Wenn Amor Falschheit und Verrath
An mir alljetzt verübet hat.
Ich lass' bei Tadel oder Lob'
Doch walten stets die Liebe ob.
So sind mir Tadler sehr gehaß.
So schritt Vernunft alsbald fürbaß,
Einsehend, daß mit frommem Wort'
Sie nimmer doch mich brächte fort.
Ich blieb von Zorn und Unmuth voll,
Bald weint', bald klagte ich im Groll',
Daß ich mir keinen Ausweg sah.
Nun kam mir's ins Gedächtniß da,
Daß Amor mir gesagt, ich solle
Mir Einen suchen, dem ich wolle
Vertrauen an mein ganzes Herz,
Ob er mir helfe von dem Schmerz';
Da kam mir's in den Sinn – mir war
Da ein Gesell, den kannt' ich gar
Als rechtlich – besseren Gesellen,
Freund oder nicht – giebt's nicht zu stellen.

[147] 24.

Wie nun nach Amors gutem Rath'

Der Liebste sich beklagen gat

Zu einem Freund, auf den er zählt,

Der ihn auch schön mit Troste stählt.

Zu diesem ging ohn' Zaudern ich,
Und ihm erschloß ich gänzlich mich,
Worin ich mich beängstigt fand,
Wie's Amor mir gab an die Hand,
Auch Herrn Gefahr ich ihm da wieß,
Wie der mich kaum genesen ließ.
Wie Gutempfang entsetzte sich
Als er da von der Knospe mich
Hört' reden, daß ich sie begehrt,
Und sagte, daß ich ihn entehrt.
[148]
Und daß ich nimmer mehr nun mag
Je übersteigen diesen Hag.
Als wahrhaft ich's dem Freund gesagt,
Hat er mich nimmermehr geplagt.

[149] 25.

Wie hier der Freund gar lieb und werth,

Dem Liebenden viel Trost gewährt.

So sagt' er mir: Gesell, jetzt seid
Getrost nur, zehrt Euch nicht in Leid'.
Ich kenne Gefahr', der auf Unglimpf
Ward abgerichtet und auf Schimpf,
Daß er bedroh'n, verletzen kann,
Wer erst zu lieben hebet an.
Nicht lang' ist's, da ich ihn bestand
Und ihn Euch auch als schlimm erfand.
Ganz anders wird er Euch zuletzt.
Ich kenn ihn wie ein'n Pfennig jetzt.
Er läßt besänft'gen sich gar fein,
Durch Schmeicheln und durch Klag' und Schrei'n.
Ich sag' Euch, wie man ihn gewinn',
Jetzt aber müßt Ihr wieder hin,
[150]
Daß Ihr sein Ungestüm verzeiht
Um Liebe und Gefälligkeit.
Und gebet das Versprechen schier,
Daß nimmer Ihr, nicht dort noch hier
Wollt, thun, was etwa ihm mißfällt;
Das ist's was ihm zumeist gefällt,
Dies sänftigt und gewinnt ihn sehr.

Der Liebende.


Dies sprach der Freund, so sagte er,
Und tröstete mich sehr zur Zeit
Und gab mir Muth und Freudigkeit,
Daß den Versuch ich machen ginge,
Ob ich Gefahr mit Güte zwinge. –

[151] 26.

Hier kam der Liebste zu Gefahr,

Und bat, dass er ihn nicht anfahr'

Und nicht verletze. Und so bat

Er ihn dehmüthiglich um Gnad'.

Mit Scheu ging zu Gefahr ich dann,
Und bot ihm artig Frieden an.
Doch überschritt ich nicht den Hag,
Weil er mir da im Wege lag.
Ich fand ihn grade aufgestellt,
Er hatte sich zu Zorn verstellt,
'Nen Dornstock hielt er in der Hand.
Ich bückte tief mich wo ich stand,
Und sagte ihm: Herr ich bin hier,
Von Euch Genad' zu bitten mir,
Ich ärg're mich, so viel ich kann,
Daß ich den Zorn Euch fachte an,
[152]
Doch bin bereit ich zum Entgelt',
Wenn's zu befehlen Euch gefällt.
Gewiß trug Amor Schuld dabei,
Der läßt mein Herze mir nicht frei;
Doch will ich nimmer selig sein,
Thu' ja ich mehr, was Euch wird reu'n –
Ich würde lieber selbst geplagt,
Eh' ich thu', was nicht Euch behagt.
So bitt' ich Euch, daß Ihr nun schenkt
Genade mir, zu Milde lenkt
Den Zorn, der mich erschreckt zur Zeit.
Und dafür geb' ich Schwur und Eid,
Daß immer ich mich so behab',
Wie nimmer es Euch Aerger gab.
So sei mir denn von Euch vergönnt,
Was Ihr doch nie versagen könnt.
Wollt nur, daß stets in Lieb' ich bleibe,
Denn Andres nimmer ich betreibe;
Ich thu' Euch allen andren Will'n,
Wenn Ihr mir Dieses wollt erfüll'n.
Legt Ihr mir keine Hindrung hin,
So täusch' ich nimmer Euch darin
Denn eher meinen Dienst genießt,
Wer gern es hat, als wen's verdrießt,
Doch wollt' ich nicht um alles Geld
Jemalen thun, was Euch mißfällt.
[153]
Gefahr war hart und zäh zu schaun,
Zu sühnen seine üble Laun'.
Und als er mirs gewährt zuletzt,
Hat noch die Rede er gesetzt,
Und sprach in Kürze so zu mir.

Gefahr.

Du bittest nicht so übel hier:
Und ich Dir's wohl gewähren mag.
Wiß' daß ich keinen Zorn Dir trag':
Dein Lieben macht mir wenig Harm,
Werd' ich davon kalt oder warm?
So liebe nur, doch halte Dich
Von meinen Rosen stätiglich.
Denn nimmer wirst Du Gnade schaun,
Wenn je Du übertrittst den Zaun.
Der Liebende.

So ward mir mein Gesuch zu Theil,
Und ich ging und erzählt's in Eil'
Dem Freunde, dem es Freud' gewährt,
Da er's als guter Geselle hört.
Der Freund.

Nun, sagt er, geht ja gut Eur' Sach',
Nun wird Euch hold sein und gemach
Gefahr, der Manchem Gutes thut,
[154]
Nachdem er zeigte seine Wuth.
Nun wird er Euch gar gütig sein
Und Mitleid schenken Eurer Pein.
Und nun beachtet nur und seht,
Daß ihr auch recht mit ihm umgeht.
Ich hab's versucht, daß man besiegt
Bosheit und Grimm, wenn man sich fügt.
Der Liebende.

So red'te zu mir sanft und froh
Der Freund der meinen Vortheil so
Bedenkt, wie ich nur selber kann.
Von diesem nahm ich Urlaub dann.
Zur Hecke, die Gefahr umengt
Kehr' ich zurück, weil's sehr mich drängt,
Daß ich die Rose seh' zur Zeit,
Denn nimmer wüßt' ich andre Freud';
Gefahr nun gab gar häufig Acht,
Ob ich auch den Vertrag bedacht.
Jedoch sein Drohn mich schrecken mußt',
Daß ich zu reizen ihn nicht Lust.
So hielt ich mich da lang in Noth
Ihm auszurichten sein Gebot,
Ihn mir zu machen mild und hold,
Doch trug mein Dienst mir schlechten Sold,
Denn sehr verweilet wurde ich.
[155]
Und oft wohl weinen sah er mich,
Und daß ich seufzt' und klagte sehr,
Weil er mich quälte gar zu schwer
Dort vor dem Hag', nicht wagt' ich da
Zu kommen mehr der Rose nah.
Da ward's zuletzt denn doch vollführt,
Daß er's an meinem Wesen spürt
Daß Amor gar so hart mir ist,
Und daß in mir nicht Arg' noch List,
Und keine Ungesetzlichkeit,
Doch hegt er solche Grausamkeit,
Daß er sich nicht bemüht zu fragen,
Wenn er mich weinen hört und klagen.

[156] 27.

Wie Mitleid mit Gefälligkeit

Hin kommt in trefflichem Geleit',

Spricht für den Liebsten bei Gefahr,

Der so in Liebenöthen war.

Indem mich dieses Leid nun rührt,
Wiss't, daß da Gott zur Stelle führt
Mitleid und auch Gefälligkeit.
Es ward mir nimmer größ're Freud'.
Sie kamen Beide zu Gefahr,
Bereit die Ein' und And're war,
Zu helfen mir so gut es geht,
Zu sehen, wo recht Noth es thät'. –
Das Wort nach ihrer Gütigkeit
Nahm da zuerst Gefälligkeit,
Und sprach:

[157] Gefälligkeit.

Gefahr, Gott helfe mir,
Ihr thut nicht Recht dem Liebsten hier,
Den Ihr jetzt haltet gar so schlecht.
Wisst, daß Ihr Euch erniedrigt recht,
Denn nimmer hab' ich noch gehört,
Daß gegen Euch er Unbill kehrt.
Wenn Amor ihn zur Liebe drängt,
Ihr darum ihn zu quälen denkt?
Ihm schadet's mehr, als Ihr gewinnt –
Dieweil er nichts als Jammer find't.
Doch Amor kann nicht Willens sein,
Daß Jenen es soll gar gereu'n;
Denn wer so brennet ganz und gar,
Der weiß nicht, wie er sich bewahr'.
Doch guter Mann, was frommt's Euch mehr,
Zu machen Leid ihm und Beschwer?
Ward darum Obmacht Euch gewährt,
Weil er Euch also liebt und ehrt,
Und weil er Euch sich dienstbar stellt?
Wenn Amor ihn in Fesseln hält,
Und Euch ihn zu Gehorsam paßt,
Ist's darum, daß Ihr ihn so haßt?
Ihr solltet halten ihn so gut,
Als irgend kühnen Thunichtgut.
Denn adlig ist's, wenn mild man hält,
Den, über den man ist gestellt.
[158]
Hartherzig ist, wer nicht gewährt,
Wenn Hilfe von ihm wird begehrt.
Mitleid.

Mitleid versetzt: So ist's auch wahr:
Bosheit bezwingt die Niedern gar;
Wenn Bosheit allzulange währt
Wird sie in Schlechtigkeit verkehrt.
Gefahr, darum bitt' ich Euch sehr,
Daß Ihr ihn nun nicht haltet mehr
Den Armen, der hier elend liegt,
Und den doch Amor immer trügt.
Mir ward es kund, daß Ihr ihn quält
Mehr, als wozu Ihr seid bestellt,
Und daß er thut zu arge Sühn',
Seitdem daß ihn ließ von sich ziehn
Der Gutempfang aus seiner Huld,
Denn seitdem trägt er keine Schuld.
Er war im Anfang sehr erregt,
Doch ist er doppelt nun bewegt,
Fast todt ist er in übler Lag',
Seitdem Verrath ihm Jener pflag.
Was quälet Ihr ihn nun so stark?
Schon Amor trieb's mit ihm gar arg,
Es geht ihm jetzt bereits so schlecht,
Daß er nicht Mehr braucht, wenn's Euch recht.
So quälet ihn denn nicht noch mehr,
[159]
Fürwahr, es nützet Euch nicht sehr.
Und duldet, daß ihm Gutempfang
Nun Etwas thue recht zu Dank'.
Dem Sünder werd' Barmherzigkeit,
Wenn darein einstimmt Gütigkeit,
Nun bitt' ich Euch und mahn' Euch sehr,
Verweigert ihr nicht ihr Begehr.
Der muß sehr hart und häßlich sein,
Der Nichts nachgeben will uns Zwei'n.
Der Liebende.

Gefahr' da nicht mehr kräftig was,
Und hielt sofort ein besser Maß.
Gefahr.

Frau'n, sagte er, ich kann's nicht wagen,
Euch diese Sache zu versagen;
Das hieße Schlimmes gar verübt.
Ich will, daß ihm Gesellschaft giebt
Der Gutempfang; wenn's Euch genehm,
Ich nimmer ihn in Anspruch nehm'.
Der Dichter.

Und Gutempfang, der nahte dann,
Und Gütigkeit, die red't ihn an,
Und sagte artig dieses Wort:
[160] Gütigkeit.

Ihr seid vom Liebenden nun fort
Schon lange Zeit, Herr Gutempfang,
Daß ihn zu sehn Euch nicht gelang.
Es that ihm trüb und schlimm ergeh'u
Die Zeit, daß Ihr ihn nicht geseh'n.
Doch sollt Ihr nunmehr bei ihm sein,
Wollt meiner Huld Ihr Euch erfreu'n,
Und sollt ihm seinen Willen thun.
Und wisst, daß wir besänftigt nun,
Ich und Mitleid, den Herrn Gefahr',
Durch den von dir er ferne war.
Gutempfang.

Ich thue, was Ihr heischt ohn' Bang',
Denn es ist Recht, sprach Gutempfang,
Dieweil es auch Gefahr zuläßt.
Der Liebende.

So einte Güte ihn mir fest.
Und Gutempfang nach dem Geheiße
Bot mir den Gruß in lieber Weise.
Denn wenn er zürnte auch vorher,
Doch dacht' er nun daran nicht mehr,
So macht' ein solch Gesicht er mir,
[161]
Wie ich's noch nie gesehen schier.
Und an der Hand gar sänftiglich
Führt' er nun in den Garten mich,
Daraus Gefahr mich trieb vorhin.
Und überall nun durft' ich hin.

[162] 28.

Wie Gutempfang nun mildiglich

Den Liebsten führt gar sänftiglich,

Zum Garten um die Ros' zu seh'n,

Die ihm gebracht so arge Weh'n.

Das ward mir kund, nun ging ich schnell
Zum Himmelgarten aus der Höll'.
Und Gutempfang stets mit mir zieht,
Der mich zu laben sehr sich müht.
Und als der Ros' ich wieder nah',
Ich Etwas sie gewachsen sah,
Und sahe sie nun voller stehn,
Wie ich zuvor sie nicht gesehn.
Die Rose in die Breite schwoll,
Darüber ward ich freudevoll,
Doch stand noch nicht so breit sie da,
Daß man darin den Zapfen sah;
Er war verborgen noch im Schoße
Tief in den Blätterchen der Rose,
[163]
Die schwollen da noch weit und breit
Und füllten ganz den Platz zur Zeit.
Sie war nun – Gott gesegne sie,
Gerade schön und recht allhie,
Und röther auch als vorher, jetzt.
Das Wunder mich gar sehr ergetzt,
Wie sie sich nun verschönt so sehr;
And Amor fesselt stets mich mehr,
Und zog stets enger seine Schling',
Jemehr ich Lust dabei empfing.
'Ne gute Weil' ich dorten blieb.
Und Gutempfang ward mir gar lieb,
Ward mir ein trefflicher Geselle,
Und da ich sah, daß er bestelle
Jedweden Dienst und jede Lust –
Um Etwas ich ihn bitten mußt',
Das gar sehr wohl zu nennen geht.
Herr, sagt' ich – wisset doch und seht,
Wie ich so sehr begehren muß,
Zu haben einen würz'gen Kuß
Von dieser Rose, die hier blüht.
Gefällt es Euch nun im Gemüth',
So bitt' ich um dies Geschenk Euch hoch.
Um Gott, Herr, allso sagt mir doch,
Ob Ihr wollt, daß ich küssen mag
So lang nur als es Euch behag'?

[164] Gutempfang.

Freund, sagte er, das glaubet mir
Wenn mich nicht Keuschheit abhielt' hier,
Wollt' ich Euch's nicht verwehret ha'n
Doch wegen Keuschheit geht's nicht an,
Mit der ich's nicht verderben mag,
Denn sie verbeut mir's alle Tag',
Daß ich das Küssen nicht gewähre
Auf keines Liebenden Begehre.
Denn wer nur einmal küssen kann,
Begnügt damit sich schwerlich dann.
Und wisst, daß wem es erst erlaubt
Zu küssen, sich dann leichtlich raubt
Das Beste, was noch liegt zur Hand,
Denn dessen hat er nun ein Pfand.
Der Liebende.

Wie ich nun diese Antwort hör',
Will ich ihn drängen auch nicht mehr,
Aus Furcht, den Zorn zu fachen an:
Man muß nicht drängen einen Mann
Mit Bitten bis zum Ueberdrusse.
Ihr wißt wohl, daß in einem Guße
Man sprenget nimmer Ketten auch,
Und daß der Wein nicht gleich im Schlauch',
So bald er sich der Presse fügt.
So hatt' ich meine Lust besiegt
[165]
Zum Kuß, der so im Sinn mir liegt,
Doch Venus die da stets bekriegt
Die Keuschheit, kam zu Hilfe mir.
Des Amor Mutter ist sie schier,
Die Schutz schon manchem Liebsten gab.
Sie hielt gar einen lichten Stab
In ihrer Rechten, dessen Brand
Schon manche Fraue hat entbrannt.
Sie war so lieblich und so schön,
Als wie Göttinnen oder Fee'n.
Aus ihrem allzu prächt'gen Schmuck'
Da konnte sehen man genug,
Daß sie nicht mit den Frommen ging.
Ich kann erwähnen hier gering
Ihr Kleid und ihre Stickerei'n,
Und ihr vergoldet Mützelein,
Ihr Halsband und den Gürtel reich,
Denn es verweilet mich zugleich.
Doch dieses wisset nun fürwahr,
Daß sie gar schön und freundlich war,
Und ohne allen stolzen Hang.
Sie wandte sich an Gutempfang,
Zu welchem sie nun so begann.
Venus.

Warum doch thut Ihr, guter Mann,
[166]
Jetzt so gefährlich gegen den?
Zu nehmen sich ein Küßlein schön,
Das darf ihm nicht gewehret sein.
Denn selber wißt Ihr gut und fein,
Er liebt und dient in Sitt' und Fug,
Auch ist er ja noch schön genug,
Daß er des Liebens wahrlich werth.
So seht doch, wie er wohlbewährt,
Wie schön und artig ist er dann,
Und höflich gegen Jedermann.
Und auch zu alt nicht ist er doch,
Ist ja so jung, was besser noch.
Da sind nicht Fräulein, sind nicht Frau'n,
Die mich nicht thäten schlecht erbau'n,
Wenn sie nicht würdigten ohn' Muß'
Zu reichen ihm gar süßen Kuß.
Es darf ihm werden nicht verwehrt,
Ein Kuß wird ihm mit Recht gewährt.
Er hat, das glaubt, gar süßen Hauch,
Und sind nicht schlecht die Lippen auch.
So scheint er ganz dazu ersehn,
Zu trösten und zu laben schön.
Die Lippen tragen rothen Schein,
Es sind die Zähne weiß und fein,
Und hat nicht Tadel, hat nicht Fehl.
Und Recht ist's, dies ist mein Befehl,
[167]
Daß ihm ein Kuß nun sei gewährt,
Gestattet's ihm, wenn Ihr mich hört.
Denn wisst, jemehr ihr noch ansteht,
Um so mehr Zeit verloren geht.

[168] 29.

Wie Venus mit dem Feuerstab'

Dem Liebsten beste Hilfe gab,

Dass er die Ros' zu küssen eilt,

Die Lieb' zu sänft'gen unverweilt.

Als Gutempfang das Feuer sieht
Des Stabes, er nicht mehr verzieht,
Daß er den Kuß gestatten thut,
Dies machte Venus und die Gluth.
Da nahm ich mir nicht lange Muß',
Und einen würzig süßen Kuß
Nahm von der Ros' ich unversehrt.
So hatt' ich Wonne unverwehrt,
Da drang ein Duft mir in das Herz,
Der draus verjagte allen Schmerz,
Und süß macht alles Liebeleid,
Das nicht mehr bitter schien zur Zeit.
So wohl war mir zu keiner Feist,
Beglückt ist, wer die Blume küßt,
[169]
Die riecht so würzig und so fein.
Ich leide nimmer wieder Pein,
Denn denk' ich dran, füllt mir die Brust
Alsbald auch Trost und Freud' und Lust;
Und dennoch hab' seit jener Zeit
Erduldet ich so manches Leid;
Seitdem die Rose ich geküßt.
Wie nie die See so ruhig ist,
Daß sie nicht trübte bald ein Wind.
So wechselt Amor auch geschwind.
Jetzt einiget, jetzt trennet er –
Die Liebe fähret hin und her.
Nun ist es Recht, daß ich Euch sag'
Den Strauß, den mit der Scham ich pflag,
Von der ich ward gar sehr gequält,
Und wie die Burg dann ward bestellt,
Und all' das Schloß gar stark und reich,
Das Amor fing durch seinen Streich.
Die ganze Mähr' ich vor Euch lege,
Und bin zum Schreiben nicht zu träge.
Ich wähn' zu freuen dergestalt
Die Schöne, die mir Gott erhalt',
Und sie auch gibt mir den Entgelt
Wie Niemand sonst, wann's Ihr gefällt.
Argmund, der manchem Liebsten leicht
Den Anschlag und den Sinn beschleicht,
[170]
Und alles Arge wohl bewahrt,
Der hat es gar zu wohl gewahrt,
Wie Gutempfang mich ließ heran;
Und ferner nicht mehr schweigen kann,
Denn wie der Sohn vom alten Grimm
So hatt' ein Maul er arg und schlimm,
Das scharf und bitterlich verwund't.
Thät Alles schnell dem Vater kund.
Argmund von ferne und von nah
Begann mich zu befehden da,
Und sagte, daß er's wohl durchdrang,
Wie zwischen mir und Gutempfang'
'Ne üble Uebereinkunft wär'.
So sprach er denn gar ohne Ehr',
Von mir und von des Adels Frucht.
Und so erweckt er Eifersucht,
Sie sich alsbald voll Furcht erhob,
Da sie vernommen sein Getob'.
Und als sie aufgerichtet stand,
Kam sie wie toll herzugerannt
Auf Gutempfang, der wäre froh, 1
Wär' er zu Estampes oder Meaus.

Fußnoten

1 Auf Gutempfang, der gern entrückt

Zum Himmel wär' und Lust beglückt.

L. d. F.

[171] 30.

Hier schreiet mächtiglich Argmund,

Der oft von Guten Schlecht's thut kund,

Und Eifersucht bestürmt im Drang'

Da um den Liebsten Gutempfang.

Und diese sagte ihm gar mild,
Schau, welche Tollheit dich erfüllt,
Daß dich jetzt reizen mag der Knabe,
An dem ich viel Verdächtiges habe?
Gar schlimm, daß Schmeichelei so leicht
Von fremden Burschen Dich beschleicht.
Auf dich verlass' ich nimmer mich.
Gewiß, ich lasse fesseln Dich
Und werfen Dich in feste Thürme,
Denn anders seh ich keine Schirme.
Scham hat von Dir sich fern gemacht.
So hat sie nicht mehr auf dich Acht,
Daß sie dich kurz und strenge hält,
So ist es mir nun festgestellt,
[172]
Daß Keuschheit schlechte Hilfe habe,
Wenn gleich so ein geputzter Knabe,
Darf hier in unsre Stätte gehn,
Um sie und mich zuletzt zu schmäh'n.

Der Liebende.

Nicht Antwort wußte Gutempfang,
Und so verbarg er sich gar lang,
Daß man ihn nicht betreffe hier
Und finde so vertraut mit mir.
Doch da ich nun das Uebel sah
Das gegen uns sich wandte da,
Da wandt' ich rasch mich in die Flucht,
Bestürzt von ihres Grimmes Wucht.
Darauf nun trat hervor die Scham,
Die sich gar sehr beleidigt nahm.
Einfach sie und bescheiden stat,
Mit einem Schlei'r an Kopfputz's Statt.
Wie ein' Aebtissin oder Nonn'.
Und jetzt beleidigt von dem Drohn,
Mit sanfter Rede so sie spricht:
Hier spricht Scham zu Eifersucht.

Um Gott, o Fraue, glaubt doch nicht
Argmund, dem lügevollen Herrn,
Das ist ein Mensch, der trüget gern,
Und trog schon manchen Biedermann.
[173]
So klagt er Gutempfang jetzt an,
Doch ist das nicht das erste Mal,
Denn Argmund pfleget überall
Gerüchte fälschlich auszustreu'n
Von jungen Herren und Fräulein.
Doch freilich Wahrheit ist dabei,
Denn Gutempfang ist allzufrei.
Er hat gezogen Leut' heran,
Bei denen er's konnt' bleiben la'n.
Doch dieses glaubet nie mein Muth
Daß wirklich er begünst'gen thut
Thorheit und Lasterhaftigkeit.
Doch ist es wahr, daß Adligkeit,
Die seine Mutter, ihn gelehrt,
Daß er die Leut' nicht von sich wehrt.
Nie thät' er einem Schuft zu Dank'.
Kein ander Fehl hat Gutempfang,
Und andren Tadel nicht, das wißt,
Als daß er zu gefällig ist,
Und daß er liebet Weib und Mann.
Gewißlich ging ich oft daran,
Zu tadeln und zu hüthen ihn;
Drum wollt' ich, daß er Gnad' verdien;
Ich war zu langsam wohl zur Zeit
Hierbei, und dieses thut mir Leid.
Und mein Versehen reut mich sehr:
Doch wend' ich alle Sorg' nunmehr
[174]
Darauf, zu hüthen Gutempfang,
Und hör' nicht auf, mein Leben lang.
Spricht Eifersucht zu Scham.

Da sagte Eifersucht: Scham, Scham,
Gar große Angst mich überkam,
Denn so hoch stieg die Sünd' schon an,
Daß Alles jetzt geschehen kann.
Was Wunder, wenn in Furcht ich falle,
Denn Ueppigkeit herrscht überalle,
Und immer wächst die Macht auf's Neu'.
Da ist nicht Kloster, noch Abtei,
Darin Keuschheit gesichert ist.
'Ne Mauer bau' ich auf zur Frist,
Zu wahren Ros' und Rosenstöcke,
Nicht lass' ich sie mehr ohn' Verstecke,
Denn wenig trau' ich Eurer Macht,
Da in Erfahrung ich gebracht,
Daß selbst die beste Wacht nicht frommt,
Ich sehe, eh' das Jahr umkommt,
Daß man für albern mich ansieht,
Wenn ich mich nicht bei Zeiten hüt'.
Ich muß bei Zeiten um mich schau'n.
Ich will die Aussicht schon verbau'n,
Für alle die, die mich zu schmäh'n
Herkommen, meine Rosen sehn.
Ich werde sein nicht faul noch träge,
[175]
Daß ich 'ne Feste mir anlege,
Für meine Rosen all' zum Schirm,
Und in der Mitte ein Gethürm',
Zu legen Gutempfang hinein,
Denn vor Verrath muß ich mich scheu'n.
Den Leib leg' ich ihm so in Haft,
Daß er sich schwerlich mir entrafft,
Und soll auch nicht Gesellschaft ha'n
Mit Burschen, und mich schmähen la'n,
Die ihn bethör'n mit Schmeichelei'n;
Denn dieses spüren sie gar fein,
Wie leicht er zu betrügen geht,
Doch wenn ich lebe, wisst und seht,
Schmerzt sie der schöne Schein noch schwer.
Der Dichter.

Da kommet Furcht mit Zittern her,
Doch hat sie gar so arg versehrt,
Was sie von Eifersucht gehört,
Daß sie kein Wort kann sagen da,
Weil so in Zorn sie Jene sah.
So ziehet sie sich auf die Seit'.
Und Eifersucht nun geht zur Zeit,
Von Furcht und Scham in gleicher Weis'.
Und ihnen bebt der ganze Steiß.
Und Furcht gesenktes Hauptes saß,
Und sprach zu Scham nun, ihrer Bas':
[176] Furcht.

Scham, sagte sie, es grämt mich sehr,
Daß uns es schaden soll so schwer,
Und können gar Nichts doch dafür.
Schon oft war Lenz- und Wonnmond hier,
Ohn' daß geworden uns Unglimpf;
Und jetzo beut uns Schand' und Schimpf
Die Eifersucht und arg' Mißtrau'n.
Komm', laß uns nach Gefahr jetzt schau'n,
Und sagen ihm und zeigen gleich,
Was er verübt für schlimmen Streich,
Daß er der Wacht nicht besser pflag,
Um wohl zu hüten diesen Hag.
Er hat erlaubt dem Gutempfang
Für seine Lust zu offenen Gang.
So ziemts ihm auch, daß er es sühn'.
Sonst wahrlich lasset wissen ihn,
Daß er muß flieh'n aus diesem Land',
Denn nimmer hält im Krieg' er Stand
Der Eifersucht, wenn sie ihn haßt,
Und ihn mit ihrem Zorn' erfaßt.

[177] 31.

Wie' Scham nun ging und Furcht sogar

Aus grosser Sorge zur Gefahr,

Der bei den Rosen hielt die Wacht,

Und nahm nicht recht den Hain in Acht.

Nach diesem Rathe thäten sie,
Und kamen zu Gefahr allhie,
Und da nun fanden sie ihn auch
Gestreckt bei einem Weißdornstrauch'
Und unter'm Haupt an Kissens Statt
Er darin groß' Stück Rasen hat.
So fing er grad' zu schlummern an
Doch Scham erweckte ihn sodann,
Indem sie ihn mit Schimpf' bedreut.

Scham.

Wie schlaft Ihr doch zu dieser Zeit,
Sprach sie, in dieser üblen Lag'?
Ein Thor ist, wer Euch trauen mag
[178]
Und Wacht bei Rosen Euch empfahl –
Bei einem Schöpsschwanz' nicht einmal!
Ihr seid ja viel zu faul und träge,
Und solltet rüstig sein und rege
Und lassen keinem Menschen Ruh'.
Inzwischen laßt Ihr Thorheit zu,
Daß Gutempfang einführen darf,
Was Schand' uns bringet arg und scharf.
Indem Ihr schlafet, haben wir
Die Noth, und können Nichts dafür.
Hat Eure Ruh genug gewährt?
Steht auf sogleich nun, und versperrt,
Die Ausgäng' all' an diesem Zaun,
Und Keinem sollt Ihr Gunst vertraun.
Denn dieses geht nicht Euch nur an,
Was Ihr so albern habt gethan,
Wenn Gutempfang ist mild und frei,
Seid Ihr ein Thor und Narr dabei,
Und blos von Schimpf und Schmähung voll.
Ein höflicher Wächter sein, ist toll;
So hört' ich's schon im Sprichwort' an,
Daß man nicht Sperber machen kann
Aus Bußarten auf eine Weise.
Die hielten Euch wohl kaum für weise,
Die Euch so gütig fanden hier.
Denn, wollt gefall'n den Leuten Ihr,
Und ihnen Liebe thun und Dienst,
[179]
Das kommt Euch wahrlich, zum Gewinnst:
So wird am Ende Euch das Loos,
Daß Ihr Euch findet matt und bloß,
Und daß Ihr Schelmen habt genützt.
Und Furcht begann zu Jenem itzt:
Furcht.

Gewiß Gefahr, mich wundert's sehr,
Daß Ihr nicht gebet Achtung mehr,
Zu hüten, wie's Euch mag zustehn.
Drob kann's Euch übel noch ergehn,
Wenn Eifersucht es merkt zur Frist,
Die gar sehr grimm und griesgram ist,
Und zu dem Hader gern bereit:
Sie zankte mit der Scham erst heut,
Und hat gescheuchet durch ihr Drohn
Den guten Gutempfang davon,
Und schwört, sie woll' nicht ruhig sein,
Bis daß sie ihn gemauert ein.
Dies Alles ist nun Eu'r Vergehn,
Weil Ihr nicht besser vorgesehn.
Ich mein' das Herz entfiel Euch wohl;
Doch dies Euch schlecht bekommen soll,
Daß Gram und Noth Euch widerfährt,
Wenn Eifersucht es je erfährt.
[180] Der Dichter.

Da hub der Bursche auf den Kopf
Und drehete so Aug' wie Zopf,
Die Nas' verschrumpft', das Auge schwoll,
Und ward von Wuth und Ingrimm voll;
Da es so übel ihm erginge.
Gefahr.

Leicht, sprach er, Euch ich noch bezwinge,
Indem Ihr schon besiegt mich gebt,
Dann hätt' ich doch zu lang' gelebt,
Wenn ich nicht diesen Weg bewahr';
Man mög' mich braten lebend gar,
Tritt hier ein lebend Wesen her;
Mit Herz und Magen tobt' ich sehr,
Wenn Jemand trat an diese Stätte,
Daß lieber er zween Schwerter hätte
Gerannt durch seinen Leib in Pein.
Doch red' ich thöricht, fällt mir ein,
Warum fang' ich nicht an mit Euch?
Und zeige meinen Eifer gleich,
Stets zu vertheid'gen diesen Hag;
Denn wen ich hier ertappen mag,
Wär' in Pavia 1 besser dran.
[181]
Niemalen all' mein Lebtag' dann,
Sollt Ihr für schlöfrig halten mich,
Das schwöre und verfluche ich!
Der Liebende.

Dann hat Gefahr sich aufgericht't.
Gemacht ein grimmiges Gesicht.
Und einen Stock nahm er zur Hand,
Und sucht' im Hag, ob wo er fand
'Nen Zugang oder auch ein Loch,
Nur auf's Versperren sieht er noch,
So daß nun Alles anders war,
Denn gänzlich anders ward, Gefahr,
Viel wilder, als er je vorher.
Mich tödtet's, daß er zürnt so schwer.
Denn nimmer fürder hab' ich Muß',
Zu sehn, wonach ich trachten muß,
Er zürnt, in Herz und Galle lang;
Und so verdarb nun Gutempfang.
Und wisset, daß mir jedes Glied
Erzittert, kommt mir ins Gemüth
Die Rose, die ich also sehre
Von Nahem anzusehn begehre;
Und vollends, denk' ich an den Kuß,
Der mir in's Herz trug Dufterguß,
So süß wie ihn kein Balsam macht,
Nur wenig fehlt, so käm' Ohnmacht.
[182]
Denn noch liegt mir im Herzensschoße,
Die süße Wärze dieser Rose.
Und wiss't, daß wenn ich mich besinn',
Daß so von ihr getrennt ich bin,
Ich lieber todt als lebend wär'.
Die Rose traf mich all zu schwer
In Augen und in Lippen fest.
Daß Amor sie nicht nehmen läßt,
Verdoppelt nun der Leiden Wucht.
Nun hab' die Wonne ich versucht,
Und um so stärker ist der Zug
Der zieht mein Herz mit Macht und Fug.
Und Klag' und Seufzen mich betraf,
Und langes Träumen ohne Schlaf;
Und Sehnen grausam, jämmerlich,
Und Schmerzen zahllos habe ich.
Denn jetzt trag' ich der Hölle Wucht.
Argmund, Du seist darum verflucht.
Durch seiner falschen Zunge Macht,
Hat er mir solche Brüh' gemacht!

Fußnoten

1 Schon zum zweiten Male wird Pavia in dieser Verbindung angeführt; es scheint also ein Sprichwort gewesen zu sein.

H. F.

[183] 32.

Wie wieder einmal voll Verdacht

Wie Eifersucht die Runde macht

Gerade mitten durch den Hag,

Ob sie dabei ergreifen mag

Das süsse Kind, den Gutempfang,

Weil ihm den Kuss der Liebst' abdrang.

Nachher zu sagen mir's gezahm,
Wie Eifersucht sich jetzt benahm,
Die sich mit üblem Argwohn' wand.
Da bleibt kein Maurer mehr im Land',
Kein Zimmermann, den sie läßt ruhn.
Und zum Beginne läßt sie nun
'Nen Graben machen um den Hag,
Der manchen Thaler kosten mag.
Der Graben ist gar tief und breit,
Die Maurer baun darauf zur Zweit'
'Ne Mauer von geviertem Stein,
Der auf dem Sumpf nicht sinket ein;
[184]
So liegt auf festem Fels der Grund,
Er steigt verhältnißmäßig rund
Bis zu des Grabens Gleiche auf,
Dann nimmt er wieder breit den Lauf.
So wurdens ziemlich feste Werke,
Die Mauern haben große Stärke.
Ein richtig Viereck also stand,
Von hundert Klaftern jede Wand.
Es ist gerad' so lang als breit.
Darauf sind Thürmchen schön gereiht,
Die sind verzieret reich und fein,
Und sind von zugehan'nem Stein.
An den vier Seiten standen vier,
Die schwerlich zu erobern hier.
Auch sind daran gerad' vier Thor' –
Dran ragen hoch die Mauern vor.
Das ein' der Stirnwand ist bestimmt,
Gar wohl befestigt, wie sich ziemt,
Und hinten ein's, zwei an der Seit',
Der'n jedes keinen Angriff scheut.
Schiebthore gab es auch daran,
Zu thun Leid den Belagrern an.
So daß versperrt, gefangen wird,
Wer sich darin zu weit verirrt.
Und mitten in dem Hage was
Ein Thurm von gar gewalt'gem Maß'
Von seinen Meistern auferbaut,
[185]
Daß nirgends man was Schön'res schaut,
So war er groß und hoch und breit.
Die Mauer keines Fehls man zeiht.
Es ward gar meisterlich gethan,
Den Mörtel, den befeuchtet man
Nach guter Art mit saurem Wein',
Vom selben Felsen ist der Stein,
Von dem errichtet schon der Grund,
Daß Schönheit ist mit Dau'r im Bund'.
Der Thurm der ward ganz rund bestellt,
So reichen hat nicht mehr die Welt;
Und gar schön war es in ihm drin.
Von Außen da umringte ihn
Von allen Seiten her ein Schirm,
Und zwischen ihn und das Gethürm'
Da war'n die Stöcke eingesetzt,
An denen g'nug der Rosen jetzt.
Im Hof' war'n Wurfböck' aufgestellt
Und Zeug von aller Art der Welt.
Und sonst Geschosse mancher Art
Bedecket jegliche Schießschart'.
Und auf der Zinnen weitem Rund'
Der Armbrüst' eine Menge stund,
Die gar kein Schütz' handhaben kann.
Wer da zur Mauer will heran
Nähm' eben so gut Nichts sich vor.
Und eine Schanze stand am Thor',
[186]
Mit Lücken eine Mauer fest,
Die keinen Stoß sich nahen läßt
Bis zu dem Graben selber vor,
Bestund er nicht die Schanz' zuvor.
Und Eifersucht hatt' auch besetzt
Ihr Schloß, wie ich's Euch sage jetzt.
So weiß ich, daß für's erste Thor
Gefahr zum Schließer sie erkor,
Am Thore, das gen Morgen blickt;
Mit ihm zum selben Zweck' beschickt
Sind dreißig Söldner, wie's gezam.
Das andre Thor behütet Scham,
Daß gegen Mittag sie verschließ'.
Sie war gar weis', ich sag' Euch dies,
Daß Sie Soldaten hatt' in Füll',
Zu thun was sie nur irgend will.
Auch Furcht ein großes Amt einnimmt,
Zur Hüterinn ist sie bestimmt
An's dritte Thor, das ward erbaut
Links, wo nach Mitternacht man schaut.
Furcht sicher nie sich irgend hält,
Wenn sie nicht weiß das Schloß bestellt.
Und offen ist's nicht oft zu sehn,
Denn wenn sie hört des Windes Weh'n,
[187]
Und wenn sie Grillen springen hört,
Wird sie in Schau'r und Angst verkehrt.
Argmund, den Gott verdammen woll',
Der immer nur von Tücke voll,
Der steht am Thor', rechts in der Reih'. –
Und wißt, oft vor die andren Drei
Läuft er. Hat er heraus gebracht
Daß er des Nachts wird halten Wacht,
So steigt er Abends auf die Zinn',
Und bläst von da sein Stückchen hin,
Mit Pfeifen und mit Hörnerschall.
Bald bläst er'n Siegerlied zu Thal,
Und läß erklingen schönen Hall
Vom lauten Horne von Cornoaille.
Und auf der Pfeife bläst er dann,
Daß man kein Weib gut finden kann:
Daß Keine sich es nicht belacht,
Wird wo der Liebelust gedacht.
Die ist geschminkt, die eine Hur',
Und die da stellt sich sittsam nur,
Die ist 'ne Thörin, jene schlecht,
Und diese weiß zu schwatzen recht.
Argmund läßt nicht 'ne Einz'ge rein,
Und tadelhaft muß Jede sein.
Und Eifersucht, – Gott treff' sie jetzt! –
[188]
Die hält den runden Thurm besetzt
Und wißt, daß sie an dieser Statt
All' ihre ganz Vertrauten hat.
So hat sie da gar große Kraft.
Und Gutempfang der liegt in Haft,
Ganz unten in dem Burgverließ,
Wo sie ihn fest verwahren ließ,
Daß er sich mag befreien nie.
Und eine Alt' – Gott, schände sie! –
Die gab sie einzig ihm als Wart',
Der keine andre Weisung ward,
Als zuzuseh'n stets ungestört,
Daß er nicht thörigt sich geberd'.
Und ihr entgehen kann kein Ding,
Kein Zeichen irgend, noch ein Wink.
Da ist kein Trug, den sie nicht weiß,
Da von dem Uebel und dem Preis',
Den Amor seinem Dienst' gewährt,
Auch ihr die Jugend einst beschert.
Und Gutempfang gehorcht und schweigt,
Da er der Alten bang sich neigt,
Und waget sich zu regen nicht,
Daß nicht die Alte drin ersicht
'Ne falsche Haltung, da sie ganz
Genau versteht den alten Tanz.
Als Eifersucht die Zeit entlang
[189]
Sich sicherte den Gutempfang,
Daß sie ihn warf in das Verließ,
Sie auch sich's wohl behagen ließ,
Daß nun ihr Schloß so sicher stand,
Darin sie großen Trost erfand.
Nun sorgt sie nicht mehr, daß ein Gauch
Sich stiehlt zu Ros' und Knospe auch.
Die Stöcke steh'n in sichrer Acht.
Und wenn sie schläft und wenn sie wacht,
Sie jetzo sich gesichert fand.

Der Liebende.


Doch ich, der vor der Mauer stand,
War voll von inner'm Zwist' und Streit,
Wer wüßt', wie ich gelebt zur Zeit
Der hegte Mitleid wohl mit mir.
Amor verkauft mir theuer schier
Das Wohl, das er mir vorgemalt;
Mein' ich, ich hab' es schon bezahlt,
Verkaufet er's von Neuem dann,
Und größer' Leiden hebt sich an
Für Freude, die gar schnell entschwand,
Daß ich sie besser gar nicht fand.
Was soll ich Euch nun sagen an?
Ich bin als wie der Bauermann,
Der auch in seine Erde sä't,
[190]
Und Freud' hat, wenn die Saat aufgeht;
Das Blatt ist schön und frisch zu seh'n,
Doch kommt es endlich dann zum Mäh'n,
So wird doch nimmer was daraus,
Und endlich wächst ihm Alles aus,
Und wenn es sollt' recht herrlich blüh'n
So schwindet weg der Kern darin,
Und Hoffnung jetzt dem Armen lügt,
Der ihr zu frühe sich gefügt.
So fürcht' ich, daß auch ich verlor,
Was ich gedacht, gehofft zuvor;
Denn so weit ließ mich Amor schon,
Daß ich bereits begann davon
Viel zu vertrau'n dem Gutempfang',
Der angewiesen war, zu Dank'
Zu handeln mir und meinem Thun.
Doch Amor ist so schwankend nun,
Daß er mir Alles wieder raubte,
Als ich mich schon geborgen glaubte,
So daß es wie beim Glücke kam,
Das auch das Herze füllt mit Gram
Dann wieder schmeichelt und ergetzt
In jeder Stunde sich umsetzt,
Jetzt lachend und jetzt weinend sta't,
Er drehte da ein kleines Rad,
Und wenn er will, so rollt und strebt
Nach oben, was erst unten schwebt,
[191]
Und wer da auf dem Rade stund
Der macht gar schnell das ganze Rund.
Ach, ich auch thät' herum mich dreh'n!
Die Maur'n und Gräben mußt' ich seh'n,
Die ich besteh'n nicht mag noch kann.
Doch nimmer kommt mir Freude an,
So lange Gutempfang in Haft,
Denn was mir Muth und Freude schafft,
Das ruht auf ihm und auf der Rose,
Die auch verborgen in dem Schlosse.
Und daraus muß hervor er gehn,
Will Amor jemals heil mich sehn.
Denn nirgends anders such' ich mir
Gesundheit, Wohlsein, Freud' und Zier.
Ach, süßer Freund, mein Gutempfang,
Wenn jetzt Gefängniß Euch bezwang
So bleibt mir doch Eu'r Herz bewahrt!
Und duldet nie auf keine Art,
Daß Eifersucht in ihrer Wuth
Euch auch das Herz entziehen thut,
Wie sie's dem Leibe hat gethan.
Und greift sie es mit Zücht'gung an,
So bleib' mir doch ein liebend Herz
Auch selber bei der Zücht'gung Schmerz'.
Und hält Gefangenschaft den Leib,
Seht zu, daß doch das Herz mir bleib'.
[192]
Ein fein' Herz läßt vom Lieben nicht,
Wenn ihm auch Weh und Harm geschicht.
Wenn Eifersucht gar hart verfährt,
Euch Noth und Kummer nur gewährt,
So bietet wiederum Bosheit.
Und die Gefahr, mit der sie dreut,
Rächt mindestens in Eurer Seel',
Schlägt alles Andere Euch fehl.
Und thut Ihr dieses treu und recht,
So acht' ich mich gar wohl gerächt.
Doch großer Kummer faßt mich nun,
Daß Ihr nicht werdet allso thun
Ich fürcht', Ihr grollt mit mir zur Zeit,
Dieweil Ihr nun gefangen seid
Um meinetwillen, und in Haft
Doch war es wahrlich nicht boshaft,
Wie gegen Euch ich hab' gethan,
So daß ich nimmer Was begann,
Das man verbergen müßte hier.
So kränket auch – Gott helfe mir! –
Die Bosheit mehr als Euch noch, mich,
Denn tiefe Reu' empfinde ich
Wie es noch Keiner sagt' noch sah.
Vor Ingrimm' rase ich beinah,
Wird mir einmal so recht bewußt
Mein großer offener Verlust.
[193]
Und Schrecken und Verzweiflung droht,
Wähn' ich, zu geben mir den Tod.
Ach freilich muß mich fassen Grau'n,
Wenn den Verräther ich muß schau'n,
Und wie die Bosheit und der Neid
Zu meinem Schaden sind bereit.
Ha, Gutempfang, ich sehe schon,
Mit welchem Trug' sie Euch bedroh'n,
Und machen vor Euch solche Mähren,
Daß sie das Herze Euch bethören.
So helf' mir Gott, wenn's schon gescheh'n,
So weiß ich nicht, wie's noch soll geh'n!
Doch sehr in Sorgen bin ich fast,
Ob Ihr mich wohl bereits vergaß't
Ich bin von Gram und Leid umtost,
Und Nichts gewährt mir einen Trost; –
Wenn Eure Neigung ich verlier',
Hab' ich Vertrauen nimmer hier.
Noch irgend, was mir Trost gewann.
Ha, schön' süß' Herz, wer Euch nur kann
In jeder Woche einmal sehn,
Schon minder ist die Pein für den,
Doch ich seh' nirgends Weg noch Stege,
Wie ich Euch jemals sehen möge.
Indem ich so betrübet war
[194]
Kam von des Werkes Spitze dar
Vom Thurm hernieder Frau Mitleid,
Die schon geheilt manch' Herz voll Leid;
Und sie begann zu trösten gleich,
Und sprach: Freund, zu erretten Euch
Und zu erleichtern Eure Pein,
Bin ich genahet diesem Hain'.
So führ' ich Euch Frau Schönheit her,
Und Recht und Gutempfang mit der,
Und Süßblick, und Natürlichkeit,
Denn wir sind All' in argem Leid'
An diesem Thurm' von solcher Höh'.
Kein rechtlich Herze sündigte,
Verlör's sein Leben auch in Leid'.
Die Eifersucht entschlief zur Zeit,
So sind wir jetzt vor ihr in Flucht.
Wir trugen großer Langweil' Wucht.
Denn Furcht die stets im Bangen steht,
Und fest schließt, wann sie kommt und geht
Die lauscht und horchet hin und her.
Der Argmund ist gar zweifelschwer,
Und weiß es nicht, was er soll thun,
Doch gute Minne wirket nun,
Die stets den Ihren Trost erkor.
So öffnet' ich im Leid' das Thor,
Obwohl die Furcht da Hüther ist.
Jedoch wenn Solches Argmund wüßt',
[195]
Wir gingen nicht um alle Welt.
Doch Venus schön und blond, bestellt'
Die Schlüssel und entließ uns hier.
Dann setzten sie sich hin zu mir
Da räumt' mein alter Schmerz den Platz.
Frau Schönheit bot mir zum Ersatz'
Die schöne Knospe selber dar,
Die nahm ich an mich willig gar,
So daß zu eigen ich sie hätte,
Ohn' daß mir Einer Einspruch thäte.
Da war nun großer Freude Stätte,
Von frischem Gras' war unser Bette,
Die Rosen schön der Rosenstöcke,
Und Sträuße waren uns're Decke,
Und großer Wonn' und großer Lust
War'n wir uns diese Nacht bewußt,
Die mir gar kurz und schnell erschien.
Des Morgens bei der Bäume Grün',
Erhoben wir uns von dem Pfühl',
Doch waren wir betrübet viel,
Daß es so schnell jetzt scheiden hieß.
Und Schönheit nun nicht unterließ,
Die süße Knosp' zu fordern sich;
Ich gab sie unfreiwilliglich,
Doch hatte nun die süße Ros'
[196]
Erschlossen da sie ging, den Schoß:
Doch wie sie nun so von mir kam,
Und nicht mal Abschied von mir nahm,
Da ließ die Schönheit sich herab,
Und lächelnd dieses Wort mir gab:
Mög' Eifersucht sie hüten doch
Erhöh'n die starken Mauern noch,
Drum ziehen einen großen Hag,
Anstellen viele Leut' am Schlag' –
So hat gewonnen sie recht viel –
Ist's Alles nicht vergeblich Spiel,
Das saget mir, so wie es scheint,
Hat den Verdienst der Dienst, mein Freund?
Gedenkt zu dienen ohn' Verrath,
Wenn fein und gut das Herz Euch stat,
Seid alle Zeit der Rose Herr,
So ist versteckt sie nimmermehr.
Und nach dem Thurm' im Augenblicke
Geht sie anmuthig leis' zurücke.
So geht sie und nimmt Abschied hier.
Dies ist der Traum, der träumte mir.
[197]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lorris, Guillaume de. Verserzählung. Das Gedicht von der Rose. Das Gedicht von der Rose. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-240E-F