Der goldene Hahn

Ich hatte einen schönen Traum
Von einem grünen Buchenbaum;
Der Traum, der war so lang und breit,
Wie eine kleine Ewigkeit.
Ich ging allein im grünen Wald,
Viel Brommelbeeren fand ich bald;
Ich hab' mich auf und ab gebückt,
Die Brommelbeeren abgepflückt.
Mein Herz auf einmal stille stand,
Das Körblein fiel mir aus der Hand;
Ich hörte singen den gold'nen Hahn,
Der kündet junges Sterben an.
Was fang' ich an in meiner Not?
Ich höre meinen eig'nen Tod;
Wer den gold'nen Hahn hört ganz allein,
Sein Grab wird bald gegraben sein.
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Du junges, junges Jägerblut,
Nimm mich in deine treue Hut;
Die Brommelbeeren im Körbelein,
Die soll'n dir nicht verwehret sein.
Die Brommelbeeren will ich nicht,
Du allerliebstes Angesicht;
Will küssen deinen roten Mund
Im grünen Wald eine Viertelstund'.
Eine Viertelstund' ist nicht lang noch breit,
Es ist ja keine Ewigkeit;
Küß ihn ein Stündlein oder zwei,
Und wenn du willst, noch lieber drei.
Da stand ein grüner Buchenbaum,
Da hatt' ich einen schönen Traum;
Drei Stündlein lang, drei Stündlein breit,
Und durch und durch voll Süßigkeit.
Im grünen Wald der goldne Hahn,
Der singt und singt, soviel er kann;
Sing' du nur hin, sing' du nur her,
Ich fürchte mich kein bißchen mehr.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Der goldene Hahn. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-2215-B