Zigeunertod

Sie führten ihn hinaus zum Tor
Beim ersten Sonnenstrahle;
»Nun sieh' dich um, du junges Blut,
Zum allerletzten Male!
Mit deinen beiden Augen schau'
So weit du nur kannst schauen,
Den blauen Fluß, den grünen Wald,
Die blumenbunten Auen.
Und wenn du eine Bitte hast,
Sprich aus sie ohne Zagen,
Den letzten, allerletzten Wunsch
Darf dir kein Mensch versagen.«
Er schlug die Augen langsam auf
Und sah nach allen vier Winden:
»Was lebt und blüht von Süd nach Nord,
Muß welken und verschwinden.«
Er sah hinauf zum Sonnenlicht
Und sah hinab zur Erde:
»Und was auch lebt, es ist nur wert,
Daß wieder Staub es werde.
Und wenn ich einmal hängen soll,
So schenk' ich euch die Gnaden,
Werft meinen Leib den Hunden hin,
Den Käfern und den Maden.
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Wein, Weib und Pfeife, Kinderei!
Ich hab' damit geschlossen;
Ihr Knechte, ich hab' von alledem mehr
Als ihr zusammen genossen.
Und wenn ich heute sterben soll,
Gilt alles mir geringe.«
Er spuckte nach dem Galgen hin
Und bot sein Haupt der Schlinge.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Gedichte. Mein blaues Buch. Zigeunertod. Zigeunertod. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-214F-4