Goldammer und Ortolan

1.
Wenn die Goldammer singt,
Im Herzen mir klingt
Süßzitternd ein Wörtchen noch nach –
O du seliger Tag
In dem Jungkiefernschlag,
Wo vor Wonne dein Grauauge brach;
Und die Goldammer sang,
O wie innig es klang:
»Wie, wie hab' ich dich lieb!«
2.
Es girrten die Tauben, die Goldammer sang,
Der Pfingstvogel flötete drein,
Und über uns rauschend und säuselnd erklang
Des Föhrichtes dumpf Melodei'n,
Wie Opfergerüche durchtränkte die Luft
Des Kienes erquickender, frischender Duft –
Du Bild jenes Tages, entweich, entflieh! ...
Ich glaub', ich vergesse es nie.
[125] 3.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.
Die Luft ist heiß, ich schleppe mühsam
Die Füße durch der Landstraße Staub,
Kein Hoffen im Herzen, keine Angst zu sterben,
Und alles bedeckt weißgrauer Staub.
Vom trocknen Ebereschenzweig
Stimmt müde, matt und schmerzensreich
Der Ortolan
Sein Liedchen an...
Fort mit dem Liede:
»Ich bin müde –«...

Münster, 13. Dezember 1889

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Löns, Hermann. Goldammer und Ortolan. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-1F69-4