Gotthold Ephraim Lessing
Die alte Jungfer
Ein Lustspiel in drei Aufzügen

[733]

[Motto]

Non tu nunc hominum mores vides?

Dum dos sit, nullum vitium vitio vortitur.

Plautus

[733]

Personen

Personen.

    • Jungfer Ohldin.

    • Lelio.

    • Lisette.

    • Herr Oronte und seine Frau.

    • Herr von Schlag, Capitaine.

    • Peter.

    • Clitander, Lelios Freund.

    • Kräusel, ein Poet.

    • Herr Rehfuss.

1. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Jungfer Ohldin. Herr Oronte und seine Frau.

HERR ORONTE.

Ach! Grillen, dazu wird man nimmermehr zu alt! und wie alt sind Sie denn? Wie lange ist es, daß ich Sie noch habe auf dem Arme herum tragen sehn? Wenn es 50, ein, zwei – – je nu – – etliche funfzig Jahr – – –

JUNGFER OHLDIN.
Warum nicht achtzig gar? Wenn Sie mich für so alt halten, was reden Sie mir viel vom Heiraten vor?
HERR ORONTE.

Ei nicht doch! nicht zu alt! gar nicht zu alt! 54 Jahr ist just recht für eine mannbare Jungfer – – – Wenn die Dingergen so jung heiraten, so werden auch die Kinder darnach – – –

JUNGFER OHLDIN.
Mit Ihren 54 Jahren – – –
FRAU ORONTE.
Es ist wahr. Du irrest dich, mein Kind. Kannst du doch noch nicht einmal so alt sein.
HERR ORONTE.

Das stünde mir auch an. Ich, und das Säkulum, wir gehen mit einander. Darfst du dich etwan über mein Alter beschweren? Bin ich nicht noch – –

FRAU ORONTE.
Gut! gut! Also kannst du sie nicht, als ein Kind, gekannt haben.
HERR ORONTE.
Ach – – was, Kind – –
JUNGFER OHLDIN.

Wenn Sie mir nicht glauben wollen; mein Taufschein kann es ausweisen, daß ich erst auf Ostern fünfzig Jahr bin.

HERR ORONTE.

Was? Sie erst funfzig Jahr? Ich denke, wer weiß wie alt Sie sind. O! da ist ihre Zeit noch nicht verflossen. Sara war 90 Jahr alt. Und nach Ihrem Gesichte hätte ich Sie gewiß auch nicht für jünger – –

JUNGFER OHLDIN.
Ei! mein Gesicht – – mein Gesicht – – wem das nicht ansteht –
[735]
HERR ORONTE.

Wer sagt das? Ihr Gesichte hat noch seine Liebhaber. Würde denn sonst der Herr Capitaine von Schlag? – – –

JUNGFER OHLDIN.
Was? von? ist er gar ein Adlicher?
HERR ORONTE.

Ja freilich, und zwar aus einer der ältesten Familien. Er steht bei dem König vortrefflich angeschrieben, der ihm auch in Gnaden seinen Abschied erteilt hat, weil er das Unglück hatte, im letzten Feldzuge, zu fernern Diensten, untüchtig gemacht zu werden.

JUNGFER OHLDIN.

Untüchtig? – – – Nein, ich besinne mich alleweile. Ich mag ihn nicht. Wenden Sie sich an eine andre. Ich kann nichts tun, als ihn bedauren.

HERR ORONTE.

Er mag aber keine andre, als Sie. Und verlangen Sie denn einen Mann, der stets zu Felde liegt? und der um Sie des Jahrs kaum zwei Nächte sein kann? Die abgedankten Offizier sind die besten Ehemänner; wenn sie ihren Mut nicht mehr an den Feinden beweisen können, so sind sie desto mannhafter gegen ihre – – – Doch ich komme zu weit in Text. Sie verstehen mich doch nicht. – – –

JUNGFER OHLDIN.
Ach – denkt doch – –
HERR ORONTE.
So? verstehen Sies schon? Ich denke – – –
JUNGFER OHLDIN.
Ich denke, daß Sie mich nur zum besten haben wollen.
HERR ORONTE.

Oder Sie mich. Sage ich. Sie verstehens, so ist es nicht recht. Sage ich, Sie verstehens nicht, so ists wieder nicht recht. Ich sehe wohl, so alt Ihr Köpfchen ist, so eigensinnig ist es auch. Wollen Sie, oder wollen Sie nicht?

JUNGFER OHLDIN.
Behüts Gott! muß man sich denn gleich ärgern? Reden Sie ihm doch zu, Frau Oronte.
FRAU ORONTE.

Du mußt, mein lieber Mann, ein wenig gelinder mit ihr verfahren. Du wirst es ja wohl noch an meinem Beispiele wissen, wie es einem Frauenzimmer ist, wenn man ihr das erstemal dergleichen Sachen vorsagt.

JUNGFER OHLDIN.
Ach, das erstemal – – das erstemal – – Wenn ich hätte heiraten wollen – –
HERR ORONTE.
Sie wollen also nicht?
JUNGFER OHLDIN.

Daß Gott! Sie sind auch gar zu stürmisch[736] – – Kann man sich denn in solchen wichtigen Sachen gleich auf der Stelle entschließen?

HERR ORONTE.

Ja, ja. Man kann und muß. Gleich in der ersten Hitze. Wenn die verdammte Überlegung darzu kömmt, so ist es auf einmal aus. Gott sei Dank! die Überlegung ist mein Fehler nicht. Soll denn Ihr schönes Vermögen an lachende Erben kommen? In den Händen Ihres verschwendrischen Vetters wirds lange währen. Selbst Kinder gemacht, so weiß man doch, wem mans hinterläßt. Sie kommen durch die Heirat in ein altes adliches Geschlecht, Sie wissen nicht wie. Und wollen Sie denn in die Grube fahren, ohne das überirdische Vergnügen des Ehestands geschmeckt zu haben?

JUNGFER OHLDIN.
Je nu, so wäre mein Trost, daß ich auch seine Beschwerlichkeiten nicht hätte ertragen dürfen.
FRAU ORONTE.

O! die sind bei der Lust, die er uns schafft, zu dulden. Und kömmt ein Paar zusammen, wie ich und mein lieber Mann, so wird man wenig davon zu sagen haben. Nicht wahr, mein allerliebstes Kind? Wie – –

HERR ORONTE.

Ja. Das ist wahr, mein Schätzchen, wir haben einander das Leben so süße gemacht, so anmutig – – Wir sind auch in unserer Nachbarschaft ein Muster einer glücklichen Ehe.

FRAU ORONTE.
Wir sind ein Leib und eine Seele beständig gewesen – –
HERR ORONTE.

Wir wissen von keinem Zank noch Streit. Des einen Verlangen ist stets auch des andern Wille gewesen. Ja, mein englisches Weibchen – –

FRAU ORONTE.
Das ist wahr, mein goldnes Männchen.
JUNGFER OHLDIN.
Wahrlich, so ein Paar macht einem den Mund ganz wäßrig.
HERR ORONTE.
Und das nun schon in die 26 Jahr.
FRAU ORONTE.
So einig, so vertraut, wie die Täubchen – –
HERR ORONTE.
Schon 26 Jahr.
FRAU ORONTE.
Du irrst dich, mein Kind; erst 24.
HERR ORONTE.
Ei! wie so? Zähle doch nach.
FRAU ORONTE.
Je nu ja. Vier und zwanzig Jahr, und nicht mehr.
[737]
HERR ORONTE.

Warum auch nicht? Vom Jahr Christi, Anno 1724. Ich weiß es ganz eigentlich, ich habe es an meine Cabinettüre geschrieben.

FRAU ORONTE.

Cabinet – – Cabinet – – Vortreffliches Cabinetstückchen. Ich sehe wohl, dein einziges Vergnügen ist, mir zu widersprechen.

HERR ORONTE.

O sachte! Du schreibst deine närrische Gemütsart auf meine Rechnung. Das Widersprechen eben ist dein Fehler, und zu meinem Unglücke nicht der einzige.

FRAU ORONTE.
Mein Fehler? Der unbesonnene Mann!
HERR ORONTE.
Ich unbesonnen? unbesonnen? Was hält mich?
FRAU ORONTE.

Heirate Sie ja nicht, liebe Jungfer. So sind die Männer alle; und der beste ist nicht des Teufels wert.

HERR ORONTE.
Was? Nicht des Teufels wert? Frau, ich erschlage dich. Nicht des Teufels wert?
FRAU ORONTE.
Ja, ja. Er ist des Teufels wert.
HERR ORONTE.

Dein Glück, daß du widerrufst! Von 1724 bis 1748 sollen nicht mehr als 24 Jahr sein! bist du närrisch?

FRAU ORONTE.

Oder du? Zähle doch! 24 bis 34 sind zehn Jahr. 34 bis 44 sind zwanzig. 45. 46. 47. 48 sind vier Jahr; sind 24 Jahr.

HERR ORONTE.

Du gottloses Weib. Nur, daß du widersprechen willst. Laß mich einmal zählen. 24 bis 34 sind zehn, 34 bis 44 sind zwanzig Jahr. 45. 46. 47. 48 sind, sind – – halt, ich habe mich verzählt. 24 bis 34 sind zehn Jahr, 34 bis 44 sind auch zehn Jahr, das sind zwanzig Jahr. 45. 46. 47. 48 – – Je verflucht! – – Nu Jungfer Ohldin, entschließen Sie sich kurz. Was wollen Sie tun? damit ich nur von der verzweifelten Rechthaberin wegkomme.

FRAU ORONTE.
Sie machen sich unglücklich, wenn Sie ihm folgen. Sprechen Sie, um Gottes willen, nein.
JUNGFER OHLDIN.
Ach, meine liebe Frau Oronte, man merkt Ihren Unwillen gegenen Ihren Mann gar zu deutlich.
HERR ORONTE.

Du böses Weib! du willst mir auch meinen Rekompenz zu Wasser machen. Jungfer Ohldin, erklärt! erklärt!

JUNGFER OHLDIN.
Je nu – – Ja – – Wenn – –
[738]
HERR ORONTE.

Ach! was wenn? Sie können die Bedingungen alle mit Freuden annehmen. Ich habe also Ihr Wort, und meinen Zweck erlangt! Gut. Wieder 50 Rtlr. erworben!

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Jungfer Ohldin. Frau Oronte.

JUNGFER OHLDIN.
Er geht fort, und eine halbe Antwort – –
FRAU ORONTE.

Gefangen waren Sie! So ein unvernünftiger Mann; wenn man ihm einen Finger gibt, nimmt er die ganze Hand!

JUNGFER OHLDIN.
Je nu – – Wie Gott will.
FRAU ORONTE.
Behüts Gott! Sie werden doch das nicht tun! Ich will dem Flegel nachlaufen, ich will ihm nachlaufen.
JUNGFER OHLDIN.

Nehmen Sie mirs nicht übel. Sie suchen doch alle Gelegenheiten, sich mit Ihrem Manne zu zanken, vor. Das ist gar nicht hübsch.

FRAU ORONTE.

Ach, ich sehe wohl, der Narr ist Ihnen auch in den Kopf gekommen. Sie denken wer weiß was für Zuckerlecken bei einem Manne ist. Das Unglück hat Sie so lange verschont – –

JUNGFER OHLDIN.
Ach! pap! pap! pap! Wenn man sich das Unglück nicht selber zuzieht. Der Mann ist einmal Herr – –
FRAU ORONTE.
Und der muß Ihnen sehr not tun. Leben Sie wohl. Machen Sie, was Sie wollen.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Jungfer Ohldin, hernach Lisette.

JUNGFER OHLDIN.

Die Neidische! Nu, so will mich doch der Himmel auch einmal erlösen. Ich zittre ganz vor Freuden. Ach wie sauer wurde mir das Ja. Gott sei Dank, daß es heraus ist!

LISETTE.
Was war denn das wieder für ein Besuch? Nicht wahr, Herr Oronte wollte Geld borgen?
[739]
JUNGFER OHLDIN.
Die Närrin denkt, bei mir sei sonst nichts, als nur das leidige Geld zu suchen.
LISETTE.

Nu, einen Freier hat er Ihnen doch wohl nicht gebracht? Obgleich jetziger Zeit die Freier auch zu einer Art von Geldborgern geworden sind. Über dergleichen Sachen sind Sie weg. Es ist auch wahr, der Ehestand ist eine rechte Hölle – –

JUNGFER OHLDIN.
Gott behüte uns! Lisette bedenkst du auch, was du sagst?
LISETTE.

Nichts, als was Sie unzähligmal gesagt haben. Ach, daß mich doch niemand will in die Hölle holen! So lange hätte ich nimmermehr Gedult, als Sie. Und wenn Sie nicht bald darzu tun, so wirds zu spät.

JUNGFER OHLDIN.
Zu spät – – unvernünftiges Mensch! Wie alt bin ich denn?
LISETTE.
Für mich ist das keine Rechnung. Ich kann nicht bis fünfzig zählen.
JUNGFER OHLDIN.

Bloß deine dumme Spötterei könnte mich zu was bringen, was dir und meinem Vetter nicht lieb sein würde.

LISETTE.
Sachte also! Sachte! Ich könnte sie vollens desperat machen.
JUNGFER OHLDIN.

Kurz, ich heirate. Der Herr Capitaine von Schlag hat sich alleweile durch Herr Oronten bei mir antragen lassen. Ich habe ihm mein Jawort gegeben, und ich hoffe, die Sache soll heute noch richtig werden.

LISETTE.

Unvergleichlicher Traum! Er muß Ihnen die vorige Nacht sehr anmutig gemacht haben. Wie legen Sie sich, wenn Sie so träumen wollen? Auf den Rücken? auf den Bauch? oder – – –

JUNGFER OHLDIN.

Narrenspossen bei Seite! Was ich gesagt, ist wahr. Und ich gehe itzo den Augenblick, meine Wechsel und Dokumente in Ordnung zu bringen.

LISETTE.
Daran tun Sie sehr wohl. Denn die geht die Heirat doch wohl mehr an, als Sie – –
JUNGFER OHLDIN.
Schweig! grobes Ding!
[740]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Lisette, und hernach Lelio.

LISETTE.

O! allerliebste Post für ihren Vetter! Ob er denn in seiner Stube ist? Herr Lelio! Herr Lelio! Die Männersucht ist doch eine recht wesentliche Krankheit des Frauenzimmers. Es mag so jung, oder so alt sein als es will. Ach – – ich befinde mich in der Tat auch nicht gesund. Herr Lelio!

LELIO.

Was gibts? Ei, Mademoiselle Lisette! Ich dächte, mein Närrchen, du hättest dich können zu mir in meine Stube bemühen.

LISETTE.

Ergebene Dienerin! Das hieße sich zu weit in des Feindes Länder wagen. Der Platz hier ist neutral. Hier kann ich Ihren Anfällen trotzen.

LELIO.
Ach! Wer nur den Angriff wagen will, gewinnt dich aller Orten.
LISETTE.

Schade, daß es niemand hört. Sonst würde ich Ihnen für gütige Rekommendation danken. Doch zur Sache! Ich habe Ihnen eine recht besondre neue Neuigkeit zu sagen.

LELIO.

Gut! daß du auf das Kapitel von Neuigkeiten kömmst. Ich habe dir auch was sehr Drolligtes daraus mitzuteilen.

LISETTE.
Meines ist doch wohl noch drollichter.
LELIO.
Unmöglich! Was wetten wir?
LISETTE.
Schade auf das Wetten! ich bekomme doch nichts von Ihnen.
LELIO.
Ei. Du bist närrisch. Warte nur, bis meine Muhme stirbt. Denn – –
LISETTE.
O, die hat noch viel vor ihrem Tode in willens.
LELIO.
Du redst, als wenn du schon wüßtest, was ich dir sagen wollte.
LISETTE.
Nu? Nur heraus! was ist es denn?
LELIO.
Laß nur erst deine Neuigkeit hören.
LISETTE.
Nu so hören Sie. Ihre Muhme – –
LELIO.
Meine Muhme – –
LISETTE.
Will heiraten.
LELIO.

Will heiraten. Das wollte ich dir auch sagen. Wo, Henker, hast du es schon her? Nur den Augenblick hat [741] mir es die Frau Oronte gesagt, die mir auch allen möglichen Beistand, es zu hintertreiben, versprach.

LISETTE.
O! in dergleichen Entschließungen sind die alten Jungfern zu hartnäckig.
LELIO.

Aber was, Henker, werden meine Creditores darzu sagen? die mir mit 12 Prozent so christlich ausgeholfen, in Hoffnung, daß ich einst ihr Universalerbe werden würde.

LISETTE.
Das ist der Creditoren Sorge. Was bekümmern Sie sich darum?
LELIO.

Um die, die es schon sind, ist mir nicht sehr leid. Sondern um die, die es etwan noch werden sollten. Auf was werde ich die vertrösten können?

LISETTE.

Nur auf nichts Gewissers, als Ihre Erbschaft; sonst laufen Sie Gefahr, daß Sie sie einmal bezahlen müssen.

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Lelio. Lisette. Peter, mit einem Korbe Gebackens.

PETER.
Holla, ihr Leutchen! kauft ihr heute nichts?
LISETTE.
Nichts, das mal, Peter.
PETER.
Makronen, Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen; nichts?
LISETTE.
Nichts. Nein.
PETER.
Gar nichts? Herr Lelio, für das Naschmaul. Makronen, Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen.
LELIO.
Pack dich! Ich habe heute kein Geld!
PETER.
Kaufen Sie immer. Makronen, Krafttörtchen, Zuckerbretzeln, Spritzkuchen.
LELIO.

Ich werde bald eine Erbschaft tun. Willst du mir so lange borgen, so nehme ich dir deinen ganzen Korb ab.

PETER.

Ha! Ha! Sie kommen auf des Herren Capitains Sprünge. Der kaufte mir gewiß auch alle Tage ab, wenn ich nur bis nach seiner Heirat mit dem Gelde warten wollte. Aber, ihr Herren, so was frißt sich wohl gut, doch läßt sichs schwer bezahlen, wenn man es nicht mehr schmeckt.

[742]
LELIO.
Was ist das für ein Capitaine?
PETER.
Je der, er wohnt drei Treppen hoch, hintenraus.
LELIO.
Wo denn?
PETER.
Da, oben in der breiten Straße. Es ist eine kleine Stube, nur mit einem Fenster.
LISETTE.

Nu, wissen Sie denn noch nicht genug? Der Capitaine, in der breiten Straße, drei Treppen hoch, hintenraus, in einer kleinen Stube mit zwei Fenstern.

PETER.
Ja, ja. Ganz recht. Eben der.
LELIO.
Wie heißt er aber denn? Narre.
PETER.

Je, wie er heißt – – Er heißt – – warten Sie – – ich werde mich wohl besinnen. Sein Hund heißt Judas. Es ist so ein großer gelber Fleischerhund – – das weiß ich. Aber er – – er heißt – – von Prügel – – nein – von Stoß – – nein – ha ha – – Schlag, von Schlag. Der Herr Capitaine von Schlag.

LELIO.
So kennst du den?
PETER.

Warum nicht? Auch seinen Bedienten habe die Ehre zu kennen. Denn der ist meiner Mutter Tochter Mann. Und wo ich mich nicht irre, so sind wir gar Schwäger.

LISETTE.
Je Peter, so könntest du uns einen großen Dienst tun.
PETER.
Topp! Wenn er mir was einbringt, so ist er so gut als getan. Laß hören! Er setzt seinen Korb weg.
LISETTE.
Weißt du, wen der Herr von Schlag heiraten will?
PETER.
Die erste, die beste; wenn sie nur Geld hat. Ich glaube, er nähme dich. Aber – –
LISETTE.

O! Ich will schon sehen, daß ich mich anderwärts ohne das Aber unterbringe. Kurz er will unsre alte Jungfer heiraten.

PETER.
Ja er will – –
LISETTE.
O! sie will auch.
PETER.
Desto besser. Die Sache ist also richtig. Und ich habe künftig einen Kundmann mehr.
LISETTE.
Ja, Narre, aber wir wollen nicht. Sie macht sich über den Korb.
PETER.
Nu gut, so wird nichts draus.
[743]
LELIO.
Zu wünschen wäre es, und ich verlöre meine Erbschaft nicht.
PETER.
Ha! ha! ha!
LELIO.
Was lachst du?
PETER.

Ha! ha! Steht Ihre Erbschaft auf Freiers Füßen? Gut, daß ich meine Makronen noch habe! Aber, was wolltest du mir sagen, Lisette? Er sieht, daß sie nascht. O! mein Blut, du wärst mir die Rechte! Kätz weg! Ich werde ankommen bei meiner Frau. Sie hat mir alle Stückgen zugezählt. Er setzt den Korb auf die andre Seite.

LISETTE.

Narre, ich will kosten. Vielleicht kaufe ich was, wenn mirs schmeckt. Nu, höre nur. Mache dir doch einen Weg mit deinem Krame – – Sie geht auf die andre Seite. zu ihm.

PETER.

Wärst du nur stehn geblieben, Lisette. Ich kann auf jenem Ohre so gut hören, als auf dem. Er setzt den Korb wieder auf die andre Seite. Nu, was soll ich denn bei ihm, er kauft mir ja nichts ab.

LISETTE.
Könntest du nicht etwan mit einer gescheiten Art auf seine Heirat zu reden kommen – –
PETER.

Auf eine gescheite Art? Zweifelst du daran? Der Henker, ich weiß solche schöne Übergänge – – zum Exempel – – er spräche: ich brauche nichts von deiner Ware, Peter. So würde ich etwan sagen – – Ja, was wollte ich sagen? – – Je nu, ich würde sagen: nichts? gar nichts? Behüte Sie Gott – – und ginge wieder meiner Wege.

LISETTE.

Narre, was hättest du denn also von der Heirat mit ihm geredet? Und nicht allein das sollst du tun, sondern du sollst auch sehen, wie du ihm unsre Jungfer aus dem Sinne bringst. Wir wollen dir auch deswegen die dazu gehörige Freiheit geben, ihr alle Schande und Laster nachzusagen, wenn es nur was hilft.

LELIO.
Der Einfall wäre nicht dumm, aber der, der ihn ausführen soll, ist desto dümmer.
PETER.

O, nein. Sie irren sich, Herr Lelio. In solchen Sachen habe ich was getan. Nur eine kleine Probe zu machen. Gesetzt, Sie wären der Herr Capitaine. Was, würde ich sagen, Sie wollen heiraten? wer hätte sich das sollen träumen [744] lassen? Sie, der sonst ein solcher Verächter des Ehestands – – zwar, nein, das wäre nichts. Es ist nicht wahr. Er hätte lange gern geheiratet. – – – Aber so – – Was? die alte Jungfer wollen Sie heiraten? – – Nu, nu es ist nicht übel, sie hat wacker viel Geld.

LISETTE.
Ei, du wärst uns der Rechte! Geh, geh, ich sehe schon, es ist mit dir nichts anzufangen.
PETER.

Ei, wie so? Hast du mich doch noch nicht probiert. Aber glaubst du, daß es was helfen würde, wenn ich sagte: das alte Affengesichte wollen Sie heiraten? Sie sieht ja aus, als wenn sie schon drei Jahr im Grabe gelegen hätte. Die wird Ihr hochadliches Geschlecht weit fortpflanzen. Und, im Vertrauen gesagt, man spricht gar, sie wäre eine Hexe. Ihr Reichtum, von dem man so viel Redens macht, sind lauter glühende Kohlen, die sie in großen Töpfen hinter der Kellertür stehn hat, und wobei ein großer schwarzer Hund Wache liegt. Einer mit feurigen Augen, mit sechs Reihen Zähne, mit einem dreifachen Schwanze – –

LISETTE.

Ach, behüte uns Gott. Mit einem dreifachen – – Kerl! du machst einem mit deinen Reden zu fürchten, daß man des Todes sein könnte. Sie macht sich wieder über den Korb.

PETER.

Ho! Ho! Und bei ihm würde das alles nichts helfen. Laß dich unbekümmert, würde er sagen. Ich will schon sehn, daß ich mich des Schatzes bemächtige. So gut ich in Schlesien oder Böhmen, wenn der Bauer sein bißgen Habseligkeit noch so tief vergraben hatte – –

LISETTE.
Mir fällt noch was Bessers ein. Das wird gewiß gehn.
PETER.
Nu was? hat dich der Teufel schon wieder übern Korbe? Ich muß ihn nur wieder umhängen.
LISETTE.
Sei kein Narre, er wird dir ja zu schwer.
PETER.
Nein. Nein. Wenn ich ihn zu lange stehn ließe, möchte er gar zu leichte werden.
LISETTE.

Ich weiß, daß unsre Jungfer den Herrn von Schlag noch nie gesehen hat. Ich dächte, wenn du dich für ihn ausgäbst – – –

[745]
LELIO.
Ich versteh dich, Lisette. Das ist vortrefflich ausgesonnen.
PETER.
Ich versteh noch nichts.
LISETTE.

Kommt fort, wir wollen die Sache an einem sichern Orte überlegen. Hier möchten wir überrascht werden.


Ende des ersten Aufzugs.

[746]

2. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Lisette. Lelio.

LISETTE.
Sorgen Sie nicht. Ich glaube gewiß, daß unsre List gut ablaufen wird.
LELIO.
Ich will es wünschen. Gewiß, ich würde dich es genießen lassen. Und vielleicht heirate ich dich gar.
LISETTE.

Davon zu einer andern Zeit. Aber wie fest ihr schon das Heiraten im Kopfe stecken muß, das können Sie daraus sehn. Sie hat den Augenblick nach einem Schneider, nach einem Spitzenmanne, nach einer Aufsetzerin, und nach einem Poeten geschickt.

LELIO.
Was soll der Poete?
LISETTE.

Als wenn eine Hochzeit ohne ein Carmen vor sich gehen könnte? Er soll es in seinem oder eines andern Namen machen. Und sie hat schon einen alten Gulden parat gelegt.

2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Clitander. Lelio. Lisette.

CLITANDER.

Dein Diener, Herr Lelio! Wie befindest du dich? Ist dir die gestrige Motion wohl bekommen? Hast du ausgeschlafen? Wirst du heute wieder in der Gesellschaft sein? Bist du heute noch nicht auf dem Kaffeehause gewesen? Wie schmeckte dir der Wein? Hatte sich Valer nicht eine artige Brunette ausgelesen?

LELIO.
Sind das nicht eine Menge Fragen, und du hast mich das Kompliment noch nicht beantworten lassen.
CLITANDER.

Zum Henker, ich treffe euch schon wieder beisammen alleine an? Lelio! Lisette! daraus kann nichts [747] Gutes kommen. Aber was fehlt dir, Lelio? Du siehst mir ganz, ganz, ich weiß nicht wie, aus. Du brauchst eine Ermunterung. Komm mit. Ach, bei Gelegenheit, es ist gut, daß ich daran gedenke; weißt du, wer das Frauenzimmer war, das uns gestern im Garten begegnete? Gefiel sie dir nicht? Wollen wir nicht wieder dahin gehn? Vielleicht treffen wir sie.

LELIO.

Willst du mir nicht sagen, auf welche Frage ich dir zu erst antworten soll? oder soll ich lieber gar keine beantworten?

LISETTE.
O, mein Herr, wir haben jetzo gar nicht Zeit, Ihrem Geplaudre zuzuhören.
CLITANDER.

So? Sollte sich diese Wahrheit nicht etwas höflicher ausdrücken lassen? Sind eure Verrichtungen sehr dringend? Hast du mir nichts Neues zu erzählen, Herr Lelio?

LELIO.
Ach ja. Und zwar etwas Neues, das mich sehr nahe angeht.
CLITANDER.

So? Aber weißt du schon, daß unsre Freundin, Clarice, eine Braut ist? Gestern ist es richtig geworden.

LELIO.
Willst du also meine Neuigkeit nicht hören?
CLITANDER.
Erzähle, erzähle. Ich höre ungemein gern was Neues. Nur gestern –
LELIO.

Du fängst schon wieder von was anderm an. Kann ich doch nicht einmal die vier Worte vor dir aufbringen: Meine Muhme will heiraten?

CLITANDER.
Ha! ha! ha!
LELIO.
O! wenn du an meiner Stelle wärest, du würdest gewiß nicht lachen.
CLITANDER.

Ha! ha! ha! Du beschwerst dich, daß ich so viel rede, und neulich war ich in einer Gesellschaft, wo man mir Schuld gab, ich rede zu wenig. Ha! ha! ha! Wenn redet man denn weder zu viel, noch zu wenig? Das ist lächerlich! ha! ha! ha! – – Aber wolltest du mir nicht was Neues sagen? Was war es denn?

LISETTE.

Wenn Sie nur nicht so gar sehr mit sich selbst beschäftiget wären, so hätten Sies längst gehört. Seine Muhme will heiraten.

[748]
CLITANDER.

Ist es schon gewiß? Lelio, du machst doch auch, daß ich auf die Hochzeit komme? Hat sie den Wein schon dazu gekauft? Ist er gut?

LELIO.

Wenn du als ein Freund an mir handeln wolltest, so würdest du mir lieber einen Rat geben, wie ich etwan diese unglückliche Heirat hintertreiben könnte.

CLITANDER.
Wie so?
LELIO.
Je meine Erbschaft geht damit zum Teufel.
CLITANDER.

O! dem ist bald abzuhelfen. Laß dir die Erbschaft voraus geben. Die Muhme mag alsdann machen, was sie will.

LISETTE.

Herr Lelio! müssen wir nicht dumm sein. Es ist wahr. Das ist das beste Mittel; und wir sind nicht drauf gefallen! O es lebe ein hurtiger Verstand!

CLITANDER.
O mein Kind, du bist nicht die erste, die mir es sagt, daß ich sehr glücklich in Ratschlägen bin.
LISETTE.
Gewiß! Ihr Rat hat nicht mehr, als den einzigen Fehler, daß er sehr abgeschmackt ist.
CLITANDER.

So? Wenigstens sollte ich denken, daß er doch den Stoff zu einem bessern geben könnte. Aber wo ist deine Muhme? Ich muß ihr notwendig zu der wohlgetroffenen Wahl Glück wünschen. Wen will sie nehmen?

LISETTE.

Sie können sie selbst fragen. Ich höre jemanden kommen. Sie wird es ohne Zweifel sein. Kommen Sie, Herr Lelio, Peter möchte unsrer Anweisung nötig haben.

LELIO.
Wenn du mit meiner Muhme sprechen willst, so tu mir den Gefallen, und nimm sie recht herum.
CLITANDER.

Das würde ich ohne dein Erinnern getan haben. Ich bin ein Meister in beißenden und feinen Satiren. Und wenn du willst, ich will es so toll machen, daß sie zerplatzen soll.

LELIO.
Desto besser.
[749]
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Clitander. Jungfer Ohldin.

CLITANDER.

Mademoiselle, Jungfer Braut, Madam – – wie Teufel soll man Sie nennen? Ist es wahr, oder ist es nicht wahr, daß Sie heiraten wollen.

JUNGFER OHLDIN.

Ja. Es ist allerdings wahr. Wer kann wider sein Schicksal? Ich versichre Sie, Herr Clitander, es ist eine ganz besondre Vorsehung dabei gewesen. Ich hatte an nichts weniger, als an einen Mann, gedacht, und plötzlich – –

CLITANDER.
Und plötzlich ist Ihnen der Appetit angekommen?
JUNGFER OHLDIN.

Sie können gewiß glauben, daß es mein Betrieb gar nicht gewesen ist. Die Heiraten werden im Himmel gestiftet, und wer wollte so gottlos sein, sich hier zu widersetzen?

CLITANDER.

Da haben Sie recht. Die ganze Stadt lacht zwar über Sie; aber das ist das Schicksal der Frommen. Kehren Sie sich nicht daran. Ein Mann ist doch ein ganz nützlicher Hausrat.

JUNGFER OHLDIN.

Ich weiß nicht, worüber die Stadt lachen sollte. Ist denn eine Heirat so was Lächerliches? die gottlose böse Stadt!

CLITANDER.

Sie tun der Stadt unrecht. Sie lacht nicht darüber, daß Sie heiraten, sondern, daß Sie nicht schon vor 30 Jahren geheiratet haben.

JUNGFER OHLDIN.
Ist das nicht närrisch. Vor dreißig Jahren! Vor dreißig Jahren war ich noch ein Kind.
CLITANDER.

Aber doch schon ein ziemlich mannbares. Denn Ihr Geschlecht hat das Vorrecht, daß man ihm diese Benennung sehr lange läßt. Zum Henker, wenn ich in Sie verliebt wäre, würde ich Sie doch wohl noch itzo mein Kind heißen. Aber, Mademoiselle, das will ich ohne meinen Schaden gesagt haben. Glauben Sie nicht etwan, daß ich es bin.

[750]
JUNGFER OHLDIN.
Ich würde mir auch wenig darauf einbilden. So ein wilder, leichtsinniger, unverständiger – –
CLITANDER.

O der Verstand kömmt nicht vor den Jahren. Danken Sie es Ihren Runzeln, wenn er schon bei Ihnen sollte eingezogen sein.

JUNGFER OHLDIN.

Meinen Runzeln? Sagen Sie mir nur, durch was für ein Unglück ich heute in Ihre Hände komme? Meinen Runzeln? – – Ich soll Ihnen vielleicht mehr glauben, als meinem Spiegel? Ich bin gewiß die erste Braut, der man so eine niederträchtige Grobheit sagt!

CLITANDER.

Es würde sonst keine kleine Beschimpfung für mich sein, wenn ich nicht wüßte mit einer Braut umzugehen. Aber bei Ihnen hat es eine Ausnahme. Und ich wäre höchst strafbar, wenn ich Ihnen das geringste artige Wörtchen, die geringste galante Tändelei vorsagte. Doch ich will ein übriges an Ihnen tun. Wenn Sie mich auf Ihre Hochzeit bitten wollen, so verspreche ich Ihnen einige neue Tänze, etliche Dutzend verliebte Ausdrückungen, gegen Ihren Bräutigam, und unterschiedene neumodische zärtliche Blicke zu lehren. Denn in allen dreien können Sie nicht anders als sehr schlecht, beschlagen sein. Ich will Sie auch zum Überflusse mit einigen artigen Frauenzimmern, die meine guten Freundinnen sind, bekannt machen, von denen Sie das Gesellschaftliche gar bald lernen können.

JUNGFER OHLDIN.

Das mögen auch die Rechten sein, die sich mit Ihnen bekannt machen. Die müssen gewiß den Männern nachlaufen.

CLITANDER.

Je nun, die zehnte hat die Gabe nicht, so lange zu warten, wie Sie. Ein Mann geht seine Straße fort. Er stößt bei jedem Schritte an ein Frauenzimmer an, das er bekommen kann. Die sich von ihnen nun nicht ein wenig hervortut, die bleibt dahinten. Und so ist es Ihnen gegangen. Doch, mit der Moral beiseite. Ich will mich um Sie und Ihren Bräutigam verdient machen. Lassen Sie sehen, ob Sie ein Menuet tanzen können.

JUNGFER OHLDIN.
Wie weit wollen Sie Ihre Possen noch treiben?
[751]
CLITANDER.
Machen Sie keine Umstände. Sie sollten mir es noch Dank wissen.
JUNGFER OHLDIN.
Daß Sie neue Gelegenheit zur Spötterei hätten.
CLITANDER.

Zum Henker, Sie haben ja einen rechten artigen Fuß zum Tanzen. Er hebt ihr den Rock ein wenig in die Höh.

JUNGFER OHLDIN.
Schämen Sie sich. Ich bitte Sie.
CLITANDER.

Was brauchen Sie für alte abgesetzte Wörter? Schämen ist nun schon über hundert Jahr nicht mehr im Gange. Frisch! Wir wollen nur erstlich stückweise gehen. Wie machen Sie das Kompliment?

JUNGFER OHLDIN.
O Ihre Dienerin! so weit lasse ich mich nicht zum besten haben. Hier macht sie eine Verbeugung.
CLITANDER.

Ich sehe wohl, ich muß mich an Ihre Tat, nicht an Ihre Worte kehren. Das Kompliment war nicht uneben. Aber, nehmen Sie doch den Rock ein wenig in die Höh. Ich kann ja nicht sehen, was da unten vorgeht.

JUNGFER OHLDIN.

Es ist wahr, der Rock ist mir ohnedem ein wenig zu lang. Ich muß wenigstens so viel lassen wegnehmen. Sie zieht ihn ein wenig in die Höh.

CLITANDER.

Der Teufel, was für ein Fuß! Schade, daß er nicht an einem jungen Körper ist! Machen Sie nun einmal ein Pas.

JUNGFER OHLDIN.

Mein Herr Clitander, ich muß es Ihnen gestehen. Das Tanzen ist mein Werk gar nicht, und mein Abscheu davor ist nicht geringe. Anstatt ein Paar natürliche und feste Schritte zu machen Sie geht ein Paar Schritte. ziert man sich, und macht ein unsinniges Pas. Sie macht wirklich ein Pas. Was für eine Torheit!

CLITANDER.

Aber, bei meiner Seele, die Torheit läßt Ihnen nicht schlecht. Und also können Sie schon tanzen. Und eben so viel, wie ich. O! da hats gute Sache. Sie können den Hochzeitabend schon mit herumspringen.

JUNGFER OHLDIN.

Das möchte wohl nicht geschehen, und der Herr Capitaine von Schlag wird das auch wohl nicht von mir verlangen.

CLITANDER.

Was haben Sie mit dem Hundsfott zu tun? Was [752] soll der Capitaine von Schlag? Bekomme ich den einmal unter meine Hände – – Ich will dich mit ehrlichen Leuten spielen lehren, und sie nicht bezahlen – –

JUNGFER OHLDIN.

Sachte! sachte! Sie wissen vielleicht noch nicht, daß eben der Herr Capitaine von Schlag mein Bräutigam ist.

CLITANDER.

Was? Die nackigte Maus? Ihr Bräutigam? Der Lumpenhund, ist mir nun schon seit drei Monaten 25 Stück Dukaten schuldig, die ich ihm auf dem Billard abgewonnen habe. Wie kommen Sie zu dem?

JUNGFER OHLDIN.

Herr Oronte, bei dem er im Hause wohnt, ist der Freiersmann gewesen. Und ich bitte, reden Sie ein wenig bescheidener von ihm.

CLITANDER.

Ei, was? Hören Sie, Mademoiselle, ich lege auf Ihre Person Arrest. Und der Teufel soll mich holen, wo er Sie eher ehlichen darf, bis ich mein Geld habe.

JUNGFER OHLDIN.
Das wird er Ihnen nicht vorenthalten – –
CLITANDER.

Ei ja. Wenn ich sein einziger Schuldmann wäre. Aber, ich will wenig sagen, es sind ihrer gewiß so viel, als ich, er und Sie Haare auf dem Kopfe haben.

JUNGFER OHLDIN.
Behüte mich Gott! das hat mir Herr Oronte nicht gesagt.
CLITANDER.

Ich will itzo den Augenblick hingehen. Ich will ihm die Hölle so heiß machen. Er soll sich wohl unterstehen, ein ehrliches Frauenzimmer hinters Licht zu führen.

JUNGFER OHLDIN.

Sein Sie nicht so hitzig. Verziehen Sie. Ich bitte. Ich will selbst, wenn es nicht anders ist, die 25 Dukaten – – –

CLITANDER.

Lassen Sie mich. Eh der verfluchte Kerl Sie heiraten, und sich mit Ihrem Gelde breit machen soll – – eher – ja eher will ich selbst in einen sauren Apfel beißen, lieber will ich selbst die Mühe über mich nehmen, und Sie heiraten. Leben Sie wohl unterdessen.

[753]
4. Auftritt
Vierter Auftritt
JUNGFER OHLDIN.

Ach daß Gott! wie geschieht mir! Müssen denn alle Vorschläge, die mir zum Heiraten getan werden, vergebens sein! Das ist nun schon über das zwölfte mal! Aber der Herr Capitaine soll doch so ein artiger Mann sein. – – Je was schadet es? wenn er auch was schuldig ist. Man kann das Geld doch nicht mit ins Grab nehmen – – Und wer weiß, ob es so arg ist, als es Clitander macht. Ach der liebe Herr Capitaine von Schlag! Es bleibt dabei, ich behalte ihn. Und ist es nicht einerlei, ob ich ihm, oder meinem lüderlichen Vetter, das Vermögen gebe? Er läßt michs vielleicht wieder genießen, aber mein Vetter – – –

5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Jungfer Ohldin, Lisette, Herr Kräusel und der Schneider.

LISETTE.

Jungfer, hier bringe ich Ihnen zwei Leute, nach denen Sie geschickt haben. Der Herr Schneider, und der Herr Poete.

JUNGFER OHLDIN
zum Poeten.

Willkommen Meister Schneider! Zum Schneider. Gedulden Sie sich einen Augenblick, mein lieber Herr Poete, ich will nur erstlich ihn abfertigen.

HERR KRÄUSEL.

Was? mich einen Schneider zu heißen? Was denken Sie? Himmel, welcher Schimpf! Einen gekrönten Poeten für einen Schneider anzusehn?

DER SCHNEIDER.

Und was? Einen ehrlichen Bürger und Meister für einen Poeten anzusehn? Für so einen Müßiggänger? Halten Sie das für keine Injurie?

LISETTE.
Sachte, ihr Leutgen, sachte. Sie kennt euch noch nicht.
HERR KRÄUSEL.
Ei was? Ich ein Schneider?
DER SCHNEIDER.
Was, ich ein Poete?
HERR KRÄUSEL.
Lassen Sie sich das Gedicht von ihm machen, wenn er kann. Adieu.
[754]
DER SCHNEIDER.
Lassen Sie sich die Kleider von ihm machen, wenn er kann. Adieu.
LISETTE.

Warten Sie doch. Wer wird sich um ein Versehn gleich so ärgern. Sie sind beide ehrliche rechtschaffene Leute, die man nicht entbehren kann.

HERR KRÄUSEL.

Einen Mann, der Tag und Nacht mit den göttlichen Musen umgeht, einen Schneider zu heißen? Das ist unerträglich! Lassen Sie mich fort. Geht ab.

DER SCHNEIDER.

Ein Mann, der wohl fürstliche Personen gekleidet hat, soll sich einen Poeten schimpfen lassen? Ich versteh meine Profession. Es wird mir niemand was Übels nachzusagen haben. Und ich will den Schimpf gewiß auch nicht leiden. Wir wollens schon sehen; wir wollens schon sehn.Geht ab.

6. Auftritt
Sechster Auftritt
Jungfer Ohldin, Lisette und Herr Kräusel.

JUNGFER OHLDIN.
Sind das nicht Narren! Ich kann es bei Gott beteuren, daß ich sie nicht gekannt habe.
LISETTE.
O der Poete ist nach Brote gewöhnt, der kömmt wieder. Da haben wir ihn!
HERR KRÄUSEL.
Der Klügste gibt nach! Und dieses bin ich. Ich habe es im Herausgehen überlegt, daß – –
LISETTE.
Daß ein Schneider freilich eher trotzen kann, als ein Poete – –
HERR KRÄUSEL.

Daß der Zorn einem Weisen nicht anstehet. Ich verzeihe Ihnen also Ihren Irrtum. Lernen Sie nur daraus, daß in manchem Menschen mehr steckt, als man ihm ansieht. Doch was befehlen Sie? Worinne kann Ihnen meine Geschicklichkeit dienen?

JUNGFER OHLDIN.

Ich habe mich mit Gott entschlossen, zu heiraten. Und weil ich gehört habe, daß Sie einen guten Vers machen sollen, und weil doch mein Bräutigam einer von Adel ist, und weil ich doch auch gern ein Hochzeitcarmen haben möchte, und weil ich nicht weiß, ob sonst jemand so höflich sein möchte – –

[755]
HERR KRÄUSEL.

Sapienti sat! Sie haben sich deutlich genug erklärt. Das übrige besorge ich. Ich werde Ihnen schon eins machen, daß Sie damit sollen zufrieden sein. Wollen Sie eines per Thesin et Hypothesin?

JUNGFER OHLDIN.
Ja. Ja.
HERR KRÄUSEL.
Oder eines nur per Antecedens et Consequens?
JUNGFER OHLDIN.
Ja. Ja.
HERR KRÄUSEL.

Wählen Sie. Wählen Sie. Mir gilt alles gleich. Nur will ich vorläufig erinnern, daß Sie für eines per Thesin et Hypothesin etwas mehr zu geben belieben werden. Die Zeiten sind teuer. Das Nachdenken ist auch aufgeschlagen, und – –

JUNGFER OHLDIN.
Darauf werde ich es nicht lassen ankommen. Nur daß es fein artig wird.
HERR KRÄUSEL.

So wahr ich ein ehrlicher Poete bin, es soll mein Meisterstück werden. Soll es etwan von erbaulichem Inhalte sein?

JUNGFER OHLDIN.
Erbaulich – – erbaulich. Bei einer Hochzeit dächte ich – –
HERR KRÄUSEL.
Von historischem? von mythologischem? von scherzhaftem? von satyrischem? von schalkhaftem Inhalte?
JUNGFER OHLDIN.
Von schalkhaftem, dächte ich sollte wohl – –
HERR KRÄUSEL.

O vortrefflich! In dem Schalkhaften eben besitze ich meine Stärke. Und dazu wird wohl am besten ein unschuldiges Quodlibet sein? Nicht?

JUNGFER OHLDIN.
Wie Sie denken.
HERR KRÄUSEL.

Ja. Ja. Ein unschuldiges Quodlibet wird sich vortrefflich schicken. Zum Schlusse kann ich alsdann eine lebhafte Beschreibung des Bräutigams und der Braut mit anhängen. Zum Exempel den Bräutigam würde ich beschreiben, als einen wohlgewachsenen ansehnlichen Mann, dessen majestätischer Gang, dessen feurige und reizende Augen, dessen kaiserliche Nase, dessen vorteilhafte Bildung – –

JUNGFER OHLDIN.

O Lisette, was muß der Herr Capitaine für [756] ein allerliebster Mann sein! Haben Sie ihn schon gesehn, mein Herr Poete?

HERR KRÄUSEL.
Sieht er wirklich so aus? Wie heißt er denn?
JUNGFER OHLDIN.
Ich denke. Sie kennen ihn schon. Es ist der Herr Capitaine von Schlag.
HERR KRÄUSEL.
Von Schlag. Und Dero werter Name ist?
JUNGFER OHLDIN.
Ohldin.
HERR KRÄUSEL.
Ohldin? Mit Erlaubnis, der wievielste Mann ist es, den Sie itzo nehmen?
JUNGFER OHLDIN.
Was für eine närrische Frage! Der erste.
HERR KRÄUSEL.

O, verzeihen Sie. Das hätte ich Ihnen gleich ansehen können. Es ist wahr, Sie sind ja noch in Ihrer blühenden Jugend.

JUNGFER OHLDIN.
Hörest du, Lisette!
HERR KRÄUSEL.

Ohldin, Mademoiselle Ohldin, und Schlag, Herr von Schlag. O glückliche Namen! Die werden zu vortrefflichen Gedanken Anlaß geben! Ohldin, Schlag. Was werde ich nicht vor eine vortreffliche Allusion auf die Münzen von altem Schlage, machen können! Die alten Jungfern, werde ich sagen können, sind wie die Münzen von altem Schlage – –

LISETTE.
Hören Sie Jungfer!
JUNGFER OHLDIN.

Ach, mein lieber Mann, Sie denken sehr abgeschmackt. Alte Jungfern, alte Münzen. Ich verspreche mir nichts Besonders von Ihnen.

HERR KRÄUSEL.

Gut, so lassen wir den Einfall weg, wenn er Ihnen nicht ansteht. Wenn verlangen Sie das Gedicht fertig zu sehn?

JUNGFER OHLDIN.
Je nun, so bald als möglich.
HERR KRÄUSEL.
Gut. Gut. Aufs höchste in einer Stunde bin ich damit da.
JUNGFER OHLDIN.

In einer Stunde? Ach bleiben Sie immer ein wenig länger. Ich besorge, es möchte sonst allzu schlecht werden.

HERR KRÄUSEL.

Ja, wenn Sie erlauben wollen, so mache ich es gleich hier. Lassen Sie mich nur ein wenig in einem Zimmer alleine sein. Zu Hause lärmen mir Frau und Kinder die Ohren allzusehr voll.

[757]
JUNGFER OHLDIN.
Frau, und Kinder?
LISETTE.
Ein Poete hat Weib und Kinder?
HERR KRÄUSEL.

Eben die Corinna, die ich durch meine Lieder in meiner Jugend verewiget habe, eben die Corinna ist itzo mein Weib. Ich habe mir das Übel an den Hals gesungen, und gehöre also in der Tat mit unter diejenigen großen Dichter, die durch ihre Kunst unglücklich geworden sind. Das böse Weib! Sie liegt zwar zu Hause auf den Tod krank, aber sie liegt schon über acht Tage, und will sich noch nicht entschließen, zu sterben. Ach, meine lieben Jungfern, das ist gewiß, die Weiber sind zum Unglücke der ganzen Welt erschaffen! Ach das verdammte Geschlecht!

LISETTE.
Je du verdammter Hundsfott von einem Poeten.
HERR KRÄUSEL.

O verzeihen Sie! verzeihen Sie! Ich war in meiner Entzückung. Wo wollen Sie, daß ich mich hinbegeben soll? Nam Musae secessum scribentis et otia quaerunt.

JUNGFER OHLDIN.
Können Sie doch allenfalls hier in das Nebenzimmer gehen.
LISETTE.
Aber fürchten Sie sich nicht. Sie werden in dem Zimmer eitel Narren antreffen.
HERR KRÄUSEL.
Wie so?
LISETTE.
Weil viel Spiegel darinne sind. Gehn Sie nur.
HERR KRÄUSEL.
Das begreife ich nicht. Geht ab.
7. Auftritt
Siebenter Auftritt
Jungfer Ohldin. Lisette.

JUNGFER OHLDIN.

Glaubst du nun bald, Lisette, daß es mein Ernst ist? Aber daß Gott! was wird mein Vetter dazu sprechen? Der reißt sich die Haare aus dem Kopfe, wenn er es hört.

LISETTE.
Sie betriegen sich. Ich habe es ihm schon gesagt – –
JUNGFER OHLDIN.
Nun?
LISETTE.

So bald er hörte, daß Sie der Herr Capitaine von Schlag bekommen sollte, so faßte er sich. Der Herr Capitaine [758] von Schlag, sprach er, ist einer von meinen besten Freunden. Ich gönne es ihm. Und meiner Muhme kann ich es auch nicht verdenken; ich habe schon viel von ihr genossen – –

JUNGFER OHLDIN.

Was? das sagte mein Vetter? O der allerliebste Vetter! Komm, ich muß ihn gleich sprechen. Dafür soll er auf der Stelle einen Wechsel von 500 Rtlr. von mir haben.

LISETTE.
Nur geben Sie es ihm mit einer Art, die ihn nicht schamrot macht.

Ende des zweiten Aufzugs.

[759]

3. Akt

1. Auftritt
Erster Auftritt
Lisette, und Peter, in einer alten Montierung, mit einem Stelzfuße und einem Knebelbart.

PETER.
Lauf doch nicht so, Lisette. Ich kann nicht nachkommen. Ich bin das Bein noch nicht gewohnt.
LISETTE.
Ach! was für ein unvergleichlicher Capitaine! So einen Mann möchte ich haben.
PETER.

Du bist kein Narre. Ich glaube, es werden mehr Frauenzimmer von deinem Geschmacke sein. Und ich fürchte, ich fürchte, so sehr ich mich verstellt habe, deine Jungfer wird in das Wesentliche eines Mannes tiefer eindringen, und mich, trotz eurer List, behalten wollen.

LISETTE.
Sie müßte rasend sein.
PETER.

Wenigstens wäre die Raserei von der Art bei alten Jungfern nichts Besonders, und nichts Neues. Machts klug, so viel sage ich euch, daß ihr mir sie nicht auf dem Halse laßt. Einen Teufel habe ich schon zu Hause. Wenn der andre dazu käme, so wäre meine Hölle fertig.

LISETTE.

Sorge nicht. Lelio wird zwar tun, als wenn ihm diese Verbindung ganz lieb wäre, sie desto sicherer zu machen. Doch wenn du tust und redest, wie wir dir befohlen haben, und ich hier und da meine Beredsamkeit anwende, so müßte der Eheteufel lebendig in sie gefahren sein, wenn sie nicht einen rechten Abscheu vor dir bekommen sollte. Ich habe den Herrn von Schlag in deiner Person schon bei ihr angemeldet, und sie wird sich bald hier einfinden.

PETER.

Aber Lisette, Lisette. Es geht mir gewaltig im Kopfe herum. Daß ich nur nicht zur andern Frau komme, wie jener zur Ohrfeige.

LISETTE.

Ach! wenn du es nur arg genug machst. Laß einmal [760] sehen. Wie willst du deine Rolle spielen? Stelle dir einmal vor, ich wäre meine Jungfer – –

PETER.
Du bist es aber nicht.
LISETTE.
Nun stelle dirs nur vor.
PETER.
Wenns mit dem Vorstellen genug ist, so stelle dirs nur auch vor, wie ichs etwan machen würde.
2. Auftritt
Zweiter Auftritt
Herr Kräusel, mit einem beschriebenen Bogen Papier. Lisette. Peter.

LISETTE.
Ach da kömmt der verwünschte Kerl uns gleich die Quere. Daß doch der Henker die Poeten holte!
HERR KRÄUSEL.
Bene! In Gedanken, und liest sein Gedicht.
PETER.
Das ist Kräusel! Nicht? Gut, daß mir der Hundsfott in die Hände kömmt.
HERR KRÄUSEL.
Wohl gegeben!
LISETTE.
Was ist? Was ists? Peter. Wo willst du hin?
PETER.

Der Schlingel hat mir schon vor einem halben Jahre Gebackens abgekauft, und ich habe noch keinen Pfennig dafür bekommen. Und was das Ärgste ist, er hat meinen Namen so gar in ein Gassenlied gebracht. Einen ehrlichen Gebackensherumträger in ein Gassenlied zu bringen? Laß mich! itzo habe ich den Schelm.

HERR KRÄUSEL.
Das ist poetisch! Immer noch in Gedanken.
PETER.
Ja, spitzbübisch ist es –
LISETTE.
Peter! Peter! besinne dich, itzo bist du der Herr Capitaine von Schlag.
PETER.
Ich bin aber auch der Gebackensherumträger, Peter.
LISETTE.

Du verderbst den ganzen Plunder. Tu ihm nichts, laß ihn gehn! Du kannst den Narren noch Zeit genug kriegen.

HERR KRÄUSEL.
Das heißt sich schön ausdrücken, Noch in Gedanken.
LISETTE.
Komm fort. Ich will dich deine Partie anderswo überhören.
PETER.
Nu. Nu. Geborgt ist nicht geschenkt!
[761]
3. Auftritt
Dritter Auftritt
HERR KRÄUSEL
geht sein Gedichte durch.
Die Henne pflegt dem muntern Hahn
Vor sein Bemühen zu danken.
Das nenne ich schalkhaft! Dahinter steckt was.
Die faulen Käse stinken stark,
Die Laus hat sechzehn Füße.
Appetitliche Stelle!
Ein Bräutigam muß sich tummeln.
Ha! in der Zeile herrscht eine recht anakreontische Feinheit.
Ein Reifrock braucht wohl manchen Stich.
Loser Vogel! Die Poeten sind doch verzweifelte Köpfe!
Ein floh hat breite Tatzen.
Ich versteh auch die Naturlehre.
Der Schafbock schreit aus lautem Ton,
Mich dünkt er wird bald lammen.
Hier ziele ich auf die Freigeister. Man wirds schon verstehn.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
Lelio. Jungfer Ohldin. Herr Kräusel.

HERR KRÄUSEL.

Kommen Sie! Kommen Sie! Ich bin fertig. Ich bin fertig. O! ein ganz wunderbar schönes Gedichte habe ich gemacht. Ich habe mich hier so zu sagen selbst übertroffen. Ich hätte nimmermehr geglaubt, daß ich so eine Gabe zu scherzen hätte. Sonst habe ich meine Stärke im Ernsthaften. Sonderlich die theologisch-polemisch-poetischen Sachen laufen mir gut von Händen. Sie haben doch wohl die erbauliche Komödie gelesen, die ich wider Edelmannen gemacht habe? O! das ist ein Stück, als schwerlich jemals auf das Theater wird gekommen sein. Doch wieder auf mein Carmen zu kommen. Hier ist es, [762] meine liebe Jungfer Ohldin. Sie können es nun drucken lassen, unter was für einem Namen Sie wollen.

JUNGFER OHLDIN.

Ganz gut. Ich muß es aber nur vorher dem Herrn von Schlag zeigen. Die Adlichen sind sehr ekel in dergleichen Sachen. Er möchte doch wohl hier und da was zu ändern finden.

HERR KRÄUSEL.

Das steht Ihnen frei. Nur werden Sie so gütig sein, und beiderseits den Vers, den ich nicht ohne Ursache habe mit einfließen lassen, in Erwägung ziehn. Er ist allen christlichen Herzen zum Nachdenken geschrieben.

JUNGFER OHLDIN.
Welchen?
HERR KRÄUSEL.
Hier auf der andern Seite:

Ich schmelze itzt Miseriam.
JUNGFER OHLDIN.
Was ist das? Miseriam?
HERR KRÄUSEL.

Ja, die Poeten sind sehr schamhaft. Sie sagen es nicht gern allzu deutsch, wo sie der Schuh drückt. Doch ich habe das gute Vertrauen, daß Ihre milde Großmut Ihrer Unwissenheit hierinnen schon abhelfen wird.

LELIO.
Sollten Sie es nun nicht bald verstehn, Jungfer Muhme?
JUNGFER OHLDIN.
Nein, in der Tat.
HERR KRÄUSEL.

O, ich bitte, mein Herr, haben Sie die Gutheit für mich, und überheben Sie mich einer deutlichen Erklärung, die mir allzuviel Schamröte kosten würde. Er hält den Hut vors Gesichte.

LELIO.
Sorgen Sie nicht. Meine Muhme wird sich schon erkenntlich gegen Sie bezeigen.
JUNGFER OHLDIN.
War es das? Ja, ja, mein Herr Poete, ich will mich schon bei Ihnen abfinden.
HERR KRÄUSEL.

Ach! es hat gar nichts zu bedeuten. Glauben Sie nicht, daß ich so eigennützig bin. Die Ehre, nichts als die Ehre, ist es, was ich durch meine Poesie suche. Denn unsre Arbeit kann uns so nicht bezahlt werden. Aber was dächten Sie, daß ich oft für so ein Carmen genommen habe?

LELIO.

Sonst haben die Herren Poeten in Gewohnheit, daß sie nehmen, was sie kriegen. Ich weiß nicht, wie Sies halten.

[763]
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Lisette. Lelio. Jungfer Ohldin. Herr Kräusel.

LISETTE.

Freuen Sie sich, meine liebe Jungfer! Ihr werter Herr Bräutigam, der Herr Capitaine von Schlag, wird den Augenblick bei Ihnen sein. Er ist schon mit allen seinen Annehmlichkeiten auf der Treppe. Der gute Mann muß sie auf allen vieren herankriechen. Das hölzerne Bein, die zerlappte Montierung, der kriegerische Knebelbart, sind die deutlichsten Kennzeichen eines Helden, der sich es um sein Vaterland sehr viel hat kosten lassen. O wie beneidenswert sind Sie! In der Tat, Sie haben nicht umsonst gewartet. Was lange wird, wird gut.

JUNGFER OHLDIN.
Bist du närrisch? Weise ihn ab. Es wird ein Bettler sein.
LISETTE.
Nein. Nein. Nach Ihrer Beschreibung wird er es wohl selbst sein.
HERR KRÄUSEL.

Wie können Sie sich so an das Äußere stoßen? Mich sahen Sie auch für einen Schneider an. Und ich muß Ihnen die Lehre noch einmal geben: Es steckt oft mehr in einem Menschen, als man ihm ansieht.

LISETTE.

Er seufzet schon recht herzlich nach Ihnen, und flucht, daß das Haus einfallen möchte, weil man ihm nicht entgegen kömmt.

JUNGFER OHLDIN.
Und das soll der Herr Capitaine sein?
LISETTE.
Ja. Ja. Nun da sehn Sie ihn selbst mit Leib und Seele.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Peter. Lisette. Jungfer Ohldin. Lelio. Herr Kräusel.

PETER
in seinem vorigen Aufzuge.

Was, zum Teufel! Begegnet man einem Bräutigam hier so? Es kömmt mir ja weder Hund noch Katze entgegen. Für was zum Henker sieht man mich an? Weiß man auch, wer ich bin?

LELIO.
O! mein wertester Herr Capitaine, fassen Sie sich – –
[764]
PETER.
Ach! was habe ich mit Ihnen zu schaffen? Ist das Ihre Muhme?
LELIO.
Ja.
LISETTE.
Mein Herr, Sie sind in einem fremden Hause sehr unhöflich.
PETER.

In einem fremden? Ich glaube man weiß noch nicht, daß ich den Augenblick Herr desselben werden kann? Mademoiselle, ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen die Ehre antragen zu lassen, meine Gemahlin zu werden. Sie müssen verruckt sein, wenn Sie nicht mit Händen und Füßen zugreifen wollten.

JUNGFER OHLDIN.
Ach daß Gott! Lelio.
HERR KRÄUSEL.

Erschrak ich nicht über den Kerl! Ich dachte, bei meiner Seelen, es wäre Peter. Wie doch die Menschen einander manchmal so gleich sehn.

LELIO.

Meine liebe Muhme, kehren Sie sich nicht an seine allzu natürlichen Ausdrückungen. Ein Kriegsmann ist dergleichen Reden gewohnt.

PETER.

Das ist wahr. Ich bin noch nach der alten deutschen Art. Und die Frau, die ich nehmen will, muß nicht ein Haar anders sein. Sind Sie so?

LISETTE.

Es ist Ihr Glück, daß sie nicht so ist; sonst würde sie Sie schon mit der artigsten Art zur Türe heraus gestoßen haben.

JUNGFER OHLDIN.
Pfui doch, Lisette. Erzürne ihn nicht.
LISETTE.

Was? Ich glaube. Sie treten ihm noch die Brücke. Herr Capitaine, Sie müssen doch närrisch im Kopfe sein, daß Sie glauben, meine Jungfer werde so einen tollen Ehekrüpel nehmen, wie Sie sind. Ich bin ein armes Mägdgen; aber, wenn Sie in Golde bis über die Ohren steckten, ich sähe Sie nicht über die Achsel an. Ha! ha! Was für eine reizende Figur! Einen Stelzfuß, einen Bart, vor dem man weder Nase noch Maul sehn kann – –

PETER.

Hört doch, Plappermaul, nehme ich Euch, oder Eure Jungfer? Wenn ich der anstehe – – Und ich stehe ihr an – – ich weiß. Nicht – –

JUNGFER OHLDIN.
Ja – – Aber – –
PETER.

Aber – – Aber – – Aber. Wäre Sie schon meine Frau, [765] ich wollte Ihr das dumme Wort aus dem Maule bringen. Wie hoch ist Ihr Vermögen? Wenn es nicht noch dreimal so groß ist, als meine Schulden – –

LISETTE.
Darinne besteht vielleicht Ihre Habseligkeit?
LELIO.

Ihre Schulden, mein Herr Capitaine, würden vielleicht das kleinste Hindernis bei der Sache sein. Aber ich seh, daß meine Muhme durch Ihr Betragen –

JUNGFER OHLDIN.
Stoßen Sie ihn nicht ganz vor den Kopf.
LISETTE
zu Petern sachte.
Mache es ja recht arg. Sie beißt wirklich sonst noch an – – Nun, was will Er, mein Herr?
7. Auftritt
Siebender Auftritt
Herr Rehfuß und die Vorigen.

HERR REHFUSS.
Sie werden es nicht übel nehmen, meine liebe Mademoiselle Ohldin – –
LISETTE.
Nein, nein, mein guter Freund, er kömmt an die Falsche. Hier ist die Mademoiselle Ohldin – –
HERR REHFUSS.
Sie werden es nicht übel nehmen, meine liebe Mademoiselle, daß ich – –
PETER.

Mein Freund, wenn Ihr was zu sagen habt, so macht es kurz. Gleich muß uns auch so ein Narr in unsern wichtigsten Traktaten stören.

HERR REHFUSS.
Meine liebe Mademoiselle, ich habe mir von dem Herrn von Schlag sagen lassen – –
PETER.
Von wem? von mir?
HERR REHFUSS.

Nein, nein. Verzeihen Sie, von dem Herrn von Schlag; daß er die Mademoiselle Ohldin in wenig Tagen heiraten werde.

LISETTE.
Verfluchter Streich!
PETER.
Was hätte ich Euch gesagt? – –
HERR REHFUSS.
Weil mir nun der Herr Capitaine einige hundert Taler auf einen Wechsel schuldig ist – –
PETER.
Was wäre ich Euch schuldig? Seid Ihr närrisch?
HERR REHFUSS.

Ich rede von dem Herrn Capitaine. Der Wechsel ist heute um, und es stünde bei mir, ihn in Verhaft nehmen zu lassen.

[766]
PETER.
Mich, in Verhaft nehmen zu lassen?
LISETTE.
Schweig, Peter, sonst sind wir verraten.
HERR REHFUSS.

Weil er mir aber gesagt, daß seine Jungfer Braut für ihn bezahlen wollte, so habe ich mich erkundigen wollen, ob die Mademoiselle Ohldin – –

JUNGFER OHLDIN.

Mein Herr Capitaine, ich weiß nicht wie Sie sich auf mein Wort so viele Rechnung im voraus haben machen können? Wenn Sie schuldig sind –

HERR REHFUSS.
Nein doch, Mademoiselle, die Rede ist von dem Herrn Capitaine von Schlag.
JUNGFER OHLDIN.
Je nu, das ist er ja – –
PETER.

Ja, ja, ich bins mein Freund. Laß Er sich um die Bezahlung nicht bange sein. Ich will mich als ein ehrlicher Kerl bei Ihm abfinden.

HERR REHFUSS.
Mein Herr, Sie sind allzu gütig. Ich besinne mich nicht, daß Sie mir etwas schuldig wären.
PETER.
Ja, ja. Ich bin Ihm etliche hundert Taler schuldig. Waren es nicht fünfhundert?
HERR REHFUSS.
Nein, nein. 900 ist mir der Herr Capitaine von Schlag schuldig. Aber Sie – –
PETER.

O das heißt auch gar zu viel für einen andern auf sich zu nehmen. Nu, nu. Ich bin 900 Taler schuldig. Und nicht wahr, meine liebe Frau, du willst es bezahlen?

HERR REHFUSS.
Ich weiß nicht, mein Herr, ob Sie mich für einen Narren ansehen.
LELIO.

Und ich weiß nicht, ob Er uns nicht alle für Narren ansieht. Er spricht, der Herr Capitaine ist Ihm so und so viel schuldig; und wenn es der Herr Capitaine eingeständig ist, so will Er es wieder leugnen? Was soll das heißen?

PETER.
Ja, ja. Ich bin Ihm 900 Taler schuldig.
HERR REHFUSS.
Nein, mein Herr, von Ihnen mag ich nicht einen Pfennig haben.
PETER.
Er soll es richtig bekommen.
HERR REHFUSS.
Sie sind mir nichts schuldig.
PETER.
Gedulde Er sich nur noch, aufs höchste, acht Tage.
HERR REHFUSS.
Sind Sie denn der Herr Capitaine?
PETER.

Zum Henker! was geht Ihm das an. Wenn ich Ihn bezahlen will? Ich mag es sein oder nicht. Und kurz, ich bins. [767] So gewiß ich 900 Taler von Ihm geborgt habe, so gewiß will ich sie Ihm, mit Intressen, wieder geben.

HERR REHFUSS.
Aber, mein Herr, warum bekennen Sie sich zu einer fremden Schuld?
PETER.
Ach. Ich bin ein rechtschaffner Kerl. Was ich schuldig bin, bezahle ich.
LISETTE.

Ohne Zweifel wird Er sich im Namen geirrt haben, mein lieber Mann. Ich glaube, es ist noch ein Capitaine dieses Namens hier – –

PETER.

Ja, ja. Ganz recht. Es ist noch einer hier, der so heißt. Er ist meines ältern Vaters Bruder Tochtermann, und wir sind Geschwister Kinder mit einander.

JUNGFER OHLDIN.

Mein Freund, Er wird wohl tun, wenn er Seine Forderungen ein andermal vorbringt. Wenn der, den ich heiraten werde, ihm in der Tat was schuldig ist, so soll schon zu der Bezahlung Rat werden. Ich kann aber wohl sagen, ich weiß nicht, was ich hierbei denken soll?

PETER.
Denken Sie was Sie wollen. Und Er, mein Freund, kann sich Seiner Wege packen, oder – –
HERR REHFUSS.
Ich bitte nur nicht übel zu nehmen – –
LISETTE.
Nein, nein. Wir nehmen es nicht übel, wenn Er geht. Geh Er nur. Geht ab.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Lelio. Lisette. Peter. Der Poet. Jungfer Ohldin.

PETER.

Der verfluchte Kerl! Nu wie weit wären wir denn richtig, mein Schatz? Nu ja, bis aufs Vermögen. Vorher aber habe ich doch noch unterschiedene Punkte, die Sie mir notwendig eingehen müssen. Ich habe sie ohngefähr ein wenig aufgesetzt.Er zieht einen Zettel aus der Tasche. Erstlich verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einem uralten adlichen Geschlechte entsprossen, ihrem künftigen Mann allezeit die gebührende Ehrfurcht zu leisten, und ihn nicht anders, als Ewr. Gnaden, zu benennen. Nu? Versprechen Sies?

[768]
JUNGFER OHLDIN.
Aber – –
PETER.

Sie sollen das verdammte Wort gegen mich nicht gebrauchen. Wer hat zu befehlen? Der Mann, oder das Weib? Ich, oder Sie?

JUNGFER OHLDIN.
Verzeihen Sie, wir sind aber noch nicht Mann und Weib.
PETER.

Ach! Was wir nicht sind, können wir werden. Anderns verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einem uralten adlichen Geschlechte entsprossen, ihm alle Gelder in Händen zu lassen, um damit nach Belieben zu schalten und zu walten. Nu? versprechen Sies?

LISETTE.
Ohne Zweifel wird das einer von den Hauptpunkten sein.
JUNGFER OHLDIN.
Das könnte man wohl einem vernünftigen Manne einräumen. Aber – –
PETER.

Genug. Das andere mag ich nicht wissen. Ich bin vernünftigen Mannes genug. Drittens verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes, und der Bräutigam, als der Hochwohlgeborne Herr, Herr Capitaine von Schlag, aus einer uralten adlichen Familie entsprossen, die zwei Kinder, welche er außer der Ehe erzeugt – – Nun, von dem Punkte wollen wir ins geheim reden. Den braucht niemand sonst zu wissen, als Sie. Viertens verspricht die Braut, weil sie bürgerlichen Standes – – –

HERR KRÄUSEL.

Verzeihen Sie, daß ich Ihnen in die Rede falle. Wollen Sie nicht so gütig sein, und sich von Ihrer zukünftigen wertesten Gemahlin das Carmen zeigen lassen, das ich auf Ihre, Gott gebe bald zu Stande kommende, Hochzeit verfertiget habe? Ich habe nicht wohl Zeit, länger zu verziehen – – und – –

PETER.
Wo ist es? Wo ist es?
JUNGFER OHLDIN.
Hier. Sie gibt es ihm.
PETER.

Was ist das für ein Quark? Ich sehe es gleich aus dem Titel, daß es nichts nütze ist. Weiß Er denn nicht, daß ich Erb- Lehn- und Gerichtsherr, auf Nichtswitz, Betteldorf, Schuldhausen und Armingen gewesen bin? Das muß alles [769] mit darauf kommen. Auch daß ich 16 Jahr unter den Franzosen, 12 Jahr unter den Österreichern, 19 Jahr unter den Holländern, 17 Jahr unter den Engländern, und ohngefähr 22 Jahr unter den Sachsen gedient habe – – – O zum Henker! nun bin ich verloren – –

9. Auftritt
Neunter Auftritt
Herr Oronte. Frau Oronte. von Schlag. Peter. Lelio. Lisette. Herr Kräusel. Jungfer Ohldin.

LELIO.
Ach verdammter Streich!
LISETTE.
Nun sitzen wir!
JUNGFER OHLDIN.

Sie kommen zu rechter Zeit, Herr Oronte! Ich weiß Ihnen bis itzo noch wenig Dank, daß Sie mir den Herrn von Schlag über den Hals geschickt.

VON SCHLAG.

Wie so, Mademoiselle, bin ich Ihnen schon verhaßt, ehe ich noch das Glück gehabt habe, mit Ihnen zu sprechen?

JUNGFER OHLDIN.

Sie? mein Herr? Sie treten ja den Augenblick erst, unbekannter Weise, in das Zimmer. Wie könnte ich mich über Sie zu beklagen haben? Nein, ich meine den Herrn Capitaine von Schlag.

PETER.
Sie meint mich. Sie meint mich. Es ist ein kleiner Irrtum in den Namen.
HERR ORONTE.
Was haben Sie mit dem Kerlen zu tun? Hier bringe ich Ihnen den Herrn Capitaine von Schlag.
JUNGFER OHLDIN.
Was? So hat man mich betrügen wollen? Ha! ha! mein lieber Vetter.
LELIO.
Verfluchter Zufall!
VON SCHLAG.
Ich glaube, es hat ein anderer meine Person hier gespielt. Wer bist du Nichtswürdiger?
PETER.

Der Herr Capitaine von Schlag bin ich – – nicht. Sondern, – – Er nimmt den Bart und den Stelzfuß ab. sondern – –

VON SCHLAG.
Ich glaube gar, es ist Peter.
HERR KRÄUSEL.
Ach daß Gott! Ja, ja, es ist Peter. Ich dachts wohl. Ich dachts wohl. Wie wird mirs gehn?
[770]
VON SCHLAG
zu Petern.
Halt, Galgenschwengel!
PETER
zu Kräuseln.
Halt, Galgenschwengel!
VON SCHLAG.
Was soll das heißen? Meinen Namen so zu mißbrauchen? Wem hat diese Betrügerei hier gelten sollen?
PETER
zu Kräuseln.
Was soll das heißen? Meine Gedult so zu mißbrauchen? Wenn wirst du mein Gebackens einmal bezahlen?
VON SCHLAG
zu Petern.
Antworte, Hund!
PETER
zu Kräuseln.
Antworte, Hund!
HERR KRÄUSEL.
Ach wer doch hier fort wäre!
PETER.
Ach wer doch hier fort wäre!
VON SCHLAG
zu Petern.
Kerl, ich erdroßle dich. Gleich gesteh. Zu was hat die Verkleidung sollen nutzen?
PETER
reißt sich los und zu Kräuseln.
Kerl, ich erdroßle dich. Gleich gesteh. Warum hast du mich noch dazu in ein Gassenlied gebracht?
HERR KRÄUSEL.
O hier ist nicht gut sein. Adieu! Adieu! Er läuft fort.
PETER
läuft ihm nach.
Ha! ha! Du sollst mir gewiß nicht entkommen.
VON SCHLAG.
Und du mir auch schwerlich.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Jungfer Ohldin. Lelio. Lisette. von Schlag. Herr Oronte und Frau Oronte.

LELIO.

Halten Sie, Herr Capitaine, es ist auf mein Anstiften geschehn. Sie machen mich durch Ihre Heirat unglücklich. Und können Sie mir es verdenken, daß ich alle Mittel angewandt habe, sie zu hintertreiben?

VON SCHLAG.

Das sollte mir leid sein, wenn ich Sie unglücklich machte. Nein, Lelio, wenn Sie mir in meinem Vorhaben nicht hinderlich sein wollen – –

HERR ORONTE.
Ach, was kann Ihnen der hinderlich sein, wenn sie nur will. Und sie will.
FRAU ORONTE.

Es ist wahr, Jungfer Ohldin, was werden Sie [771] sich an einen Menschen kehren, der Ihnen solche Streiche spielen kann.

LELIO.
So? Madame, wer war denn das, der mir vorhin allen möglichen Beistand dazu versprach?
FRAU ORONTE.
Ach vorhin war ich mit meinem Manne zerfallen.
LELIO.
Und itzo – –
FRAU ORONTE.

Sind wir wieder versöhnt. Ein Paar rechtschaffene Eheleute müssen sich des Tags hundertmal zanken, und hundertmal wieder versöhnen.

LELIO.

Jungfer Muhme, ehe ich in Ihre Heirat willigen kann, eher biete ich Ihnen selbst meine Hand an. Denn ich glaube das nächste Recht auf Sie zu haben.

JUNGFER OHLDIN.
Was?
LISETTE.
Was?
JUNGFER OHLDIN.
Diesen Einfall hätten Sie können eher haben. Wir sind nun schon über zehn Jahr im Hause beisammen.
VON SCHLAG
zieht den Lelio bei Seite.

Ein Wort im Vertrauen. Warum wollen Sie mich nicht an ihrem Vermögen Anteil nehmen lassen? Ich glaube, es wird für uns beide genug sein. Als Mann bekäme ich es in die Hände. Und ich versichere Sie, Sie sollens von mir besser genießen als von ihr. Ja, ich verspreche Ihnen so gar, an das, was übrig bleibt, wenn sie stirbt, keinen Anspruch zu machen. Meine Schulden nötigen mich itzo, diesen Schritt zu tun, den ich sonst gewiß würde unterlassen haben. Widerstehen Sie mir nicht länger, so können wir als beständige Freunde leben.

JUNGFER OHLDIN.
Darf man nicht hören, was Sie hier im Vertrauen reden?
LELIO.

O! Es war nichts. Der Herr Capitaine hat mir mein Unrecht vorgestellt, wenn ich Ihnen an Ihrem Glücke länger hinderlich sein wollte. Ich willige in alles.

JUNGFER OHLDIN.

O! Sie sind doch noch ein ehrliebender Mensch! Und ich versichre, daß Ihre Einwilligung nicht wenig dazu beigetragen, daß ich itzo, mit so vielem Vergnügen, dem Herrn Capitaine meine Hand darbiete.

VON SCHLAG.
Sie machen uns glücklich, Lelio.
[772]
LISETTE
sachte.
Aber Herr Lelio.
LELIO
sachte.
Laß es sein Lisette, nun soll es erst recht bunt über Ecke gehn.
JUNGFER OHLDIN.

Aber, Lisette, mit dir habe ich ein Wort noch zu reden. Wir sind geschiedene Leute. Du kannst hingehn, wo du hin willst. Denn ich weiß doch wohl, daß alle die Possen von dir herkommen, und daß du einzig und allein meinen Vetter verführst.

LISETTE.
Ich – –
VON SCHLAG.
O meine allerliebste Mademoiselle, ich bitte für das arme Mägdgen. Behalten Sie sie immer noch.
JUNGFER OHLDIN.
Nein. Nein. Sie muß weg. Sie muß weg.
VON SCHLAG.
Erzeigen Sie mir diese erste Gefälligkeit.
JUNGFER OHLDIN.
Nein. Nein. Es schickt sich nicht, es schickt sich nicht.
VON SCHLAG.
Ach. Es schickt sich allzuwohl. Zumal bei Leuten von adlichem Stande, wie wir sind.
11. Auftritt
Elfter Auftritt
Die Vorigen und Clitander.

CLITANDER.

O! finde ich euch hier beisammen, meine Kinder? Mein lieber Capitaine, ich komme, dir zu deiner Heirat Glück zu wünschen. Ich habe dich aller Orten aufgesucht.

VON SCHLAG.
Bringst du mir etwan auch meine 25 Dukaten mit?
CLITANDER.
O die kannst du nun schon vergessen, da du so ein Glück gefunden hast.
JUNGFER OHLDIN.
Die sind Sie ihm schuldig? Sie sagten mir es ja vorhin ganz anders.
CLITANDER.

Nein. Nein. Sie werden mich nicht recht verstanden haben. Er hat sie jüngst von mir auf dem Billard gewonnen.

HERR ORONTE.

Nun so sind wir richtig. Sie, Jungfer Braut, werden sichs gefallen lassen, uns heute Abend einen kleinen [773] Schmaus zu geben, und wo möglich noch diese Woche Anstalt zur Hochzeit zu machen.

CLITANDER.

O das ist vortrefflich. Ich hätte nicht zu gelegnerer Zeit kommen können. Kommen Sie! Kommen Sie! Zum Schmause, Lelio! Zum Schmause, Herr von Schlag! Lelio führe die Frau Oronte! Ich führe deine Muhme!

VON SCHLAG.
Und für mich bleibt also Lisette.
HERR ORONTE.
Ein böses Omen!

Ende des Stücks.

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TextGrid Repository (2012). Lessing, Gotthold Ephraim. Dramen. Die alte Jungfer. Die alte Jungfer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E4FD-F