43. Petrarch

Ein Gedicht aus seinen Liedern gezogen.

Vorbericht

Man wird hoffentlich nicht verlangen, daß ein Dichter den ängstlichgetreuen Geschichtschreiber machen, und den Faden der Geschichte nie verlassen soll. Sollte sich auch für diese Kleinigkeit ein Zoilus finden, so will ich, um ihm die Mühe zu erleichtern, meinen Lesern ins Ohr sagen, daß Colonna, der Freund des Dichters, Bischof und sein Bruder Cardinal war; daß wir aus dem Leben Petrarchs, welches seinen Wercken vorgesetzt ist, nicht haben erfahren können, ob Laura jemals sey verheirathet worden; daß er sie aber überlebt, und noch ein ganzes Buch Lieder nach ihrem Tode geschrieben, [131] unter denen die erste Canzonetta auf ihren Tod ohnstreitig sein Meisterstück ist. Wir wollen sie, wenn wir unsern Leserinnen einen Gefallen damit thun können, im Anhange beyfügen.

Noch ist um dererwillen, die unsern Dichter nicht kennen, zu erinnern, daß er von einem sehr guten Hause in Florenz, aber von der Parthey der Bianchi war, die von der Parthey der Neri aus dem Vaterlande vertrieben wurden. Laura war eine gebohrne von Cabrieres, in der Nachbarschaft von Vaucluse, wo Petrarchens Vater ein Landgut hatte. Er sah sie zuerst am Charfreytage, als sie mit einer Freundin nach Lilla gieng, um dort die Messe zu hören.

Erster Gesang

Glückseliger Petrarch! den itzt der Tod
Getraut mit Lauren hat; im Abendroth
O du mein bester Freund! komm, steig hernieder
Und hauche deinen Geist in meine Lieder.
Du Sänger aller Zeiten, jedes Herz,
Fühlt, wenn es glücklich ist, von deinem Schmerz.
Auch meines fühlt ihn ganz – mehr zu beklagen,
Fühlt tieffer ihn, und darf ihn nicht so sagen.
In diesem Thal, das deinem Thale gleicht,
Wo jede Leidenschaft der Brust entweicht;
Denn rund umher seh ich zufriedne Schnitter,
Unschädlich flammt das ferne Ungewitter
Vor ihnen hin, des Mondes Lilienschein
Ladt mit dem West zum Ruhgenuß sie ein,
Wo alles Liebe athmet, von der Linde
Die bis im Wipfel zittert, zu dem Kinde
Eins ihrer Blätter, zu der Raupe, die
Als Mücke sie umschwebt voll Sympathie:
[132]
In diesem Thal will ich der deutschen Flöte
Vertraun was du gelitten, mein Poete!
Du einziger, der fühlte was er sang,
Und sich dadurch den Märterkranz errang.
Ein junges ofnes Herz, ganz dem Vergnügen
Gestimmt, und dieses Herz in allen Zügen,
So seh ich ihn gefällig vor mir stehn,
Des Lebens sich erfreun, sich keiner Noth versehn.
Ganz unbewafnet vor der Liebe Pfeilen,
Die Munterkeit im Blick, selbst in den Locken, die sich theilen
Auf seinen schönen Schultern – welch ein Schlag
Stürtzt ihn dahin am grossen Leidenstag!
Stürtzt ihn dahin, den jungen Baum voll Blüthen;
Ein Blick, ein Blitz: und ewig wird es wüthen
Das unglückseelge Feur, sein ganzes Sein
Ward nun Verlängerung der höchsten Pein.
Sie gieng um Gottes Leiden anzubeten,
Und ahndte nicht, sie sei bestimmt zu tödten,
Zu peinigen, ach, ein ihr ähnlich Herz,
Sie aller Menschen Lust, sein ewger Schmertz.
Sie gieng, es war nichts Sterbliches ihr Gehen,
Man konnt' es nicht mit trocknen Augen sehen,
Sie flog, flammt' über Blumen, die ihr Tritt
Erschaffen hatte, Engel flammten mit,
Unzähliche in ihren goldnen Haaren,
Die, wie die Sonne, unanschaulich waren,
Unzähliche in ihres Schleiers Nacht
Um die darinn verheiligthumte Pracht,
Unzähliche bis in des Kleides Falten,
Die nach des Himmels Wink sie umgestalten.
[133]
Sie dacht itzt den Geliebten, den sie sich
Von dem erbitten wollte, dem sie glich.
Es sollte sein, wie sich – Petrarcha zeigte
Als sie zum erstenmal sich gegen ihn verneigte,
Schön wie Apoll, doch so verzückt im Schaun,
Als wärs sein Bild von Phidias gehaun.
Er sollte fühlen können wer sie wäre,
Denn Cypris selbst stieg dazu aus dem Meere.
Er stand erröthend und erblassend da,
Sprach immerfort mit ihr und hört' und sah
Sie sprechen, ohne daß doch sein Gefährte
Ein einig Wort aus beider Munde hörte.
Stumm sahen sie sich an.
»Wo eilt ihr hin,
Mein Ritter?« fragte die Begleiterinn
Den Freund Petrarchens, der galant versetzte
»Nach der Capelle Lilla,«
Als sie schnell die letzte
Verschleyerung allgütig sinken ließ,
Und nun ihr Antlitz ganz dem Liebestodten wies.
Itzt hub er an, derweil die innre Thräne
Sich in die Brust gebrannt, gebrochne halbe Töne
Zu stammeln, die sie besser als der Mund,
Aus dem die Todesangst sie ausgepreßt, verstund.
»Vollkommnes Fräulein! darf der Allerkühnste –«
Hier nahm sie seinen Arm. »Zu diesem Liebesdienste
Versah ich mich von Ihnen.« Ach wie ward der Scherz,
Der Blick, der Ton ihm mehr als Folterschmerz.
Er wäre vor sie hingestürtzt, hätt' ihre Miene
Ihm nicht versichert, daß er mehr verdiene.
[134]
Sie sprachen wenig, desto reichlicher
Befrachteten die Luft die beiden Plauderer.
Vom Türken Blut, vom letzterfochtnen Siege
Und mancher Ursach mißgelungner Züge
Und von Ierusalem und jeder Schlacht
In der der Ritter sich berühmt gemacht.
Wie war die Andacht rein in Lillas Mauren!
Wie betete Petrarch zu seiner Lauren,
Und Laura zu Petrarch. Der Gott der sie
Erschaffen und erlößt, sahs ohne Neid, verzieh.
Was konnt' er würdger's sehn auf diesem Schattenrisse
Von Welt, den er illuminirt, als Küsse
Zwey sich verwandter Seelen, die sein Bild
In ihren Augen wiesen, die sein Geist erfüllt.
Wenn so viel Herrlichkeit demüthig kniete
Vor seinem Leidenspfahl, wenn so viel Güte
Auf ihrem Antlitz lag vor seiner Pein,
Wie konnt' er da ihr mißgewogen seyn?
Entzog sie gleich ihm heut von Männerherzen
Das edelste. Schon fühlt' er seine Schmerzen,
Schon sah er ihn auf seinem Angesicht
Vor Lauren hingestreckt – und gieng nicht ins Gericht.
Als auf dem Rükweg sie nun hocherröthet
Petrarchens Arm ergriff, der zitterte: »gebetet?«
Fragt sie und sieht ihn an. »O nur gedankt.« –
»Und dies?« –
»Dem Stern der Sie geboren werden ließ.«
Nun hüllte sie sich tief in ihren Schleyer:
»Sehn Sie den grünen Wald im duncklen Feuer?
Wie schön die Sonne untergeht!« »Für mich
Unglücklichen verschleyerte sie sich.« –
»Ich bitte, sein Sie ruhig.« »Auf der Erden
Kann nie dies Herz mehr still, dies Auge troken werden.«
[135]
»Sie werden mich noch sehn mit anderm Haar
Und stets mit den Gedanken.« Laura war
Von der Gesellschaft hier zurückgeblieben.
Geflügelt sprach sie: »Freund! Sie dürfen lieben;
Nur nie ein Wort mehr.« – Den Befehl im Blick –
Und todtenbleich kam er mit ihr zurück.
Ach dacht er bey sich selbst, vielleicht nach tausend Jahren
Beweint ein Auge mich, das gleichen Schmerz erfahren.
Sonst find ich nirgends Mitleid. Sporne dann
Zu ihrem Ruhm Petrarch! die letzten Kräfte an.

Zweyter Gesang

Colonna war der Freund und der Beschützer
Von unserm Helden, und dabey Besitzer
Von Titteln, Rang und Gütern. Und sein Freund
Arm wie der Mond, der nur von fremder Güte scheint.
Aus seinem Vaterland vertrieben – fein erzogen –
Und so schiffbrüchig nun – im Herzen Wogen
Der höchsten Leidenschaft, von aussen keinen Stern
Und keinen Rath, als seinen Freund und Herrn.
Colonna liebte Lauren. Und vertraute
Dem Dichter seine Gluth, der auf den Boden schaute.
Er schaute auf den Boden und stand da
Wie einer, der den Blitz hart vor sich treffen sah.
Dann lief er an den Felsen hin und wieder
Die an Vaucluse gränzten, auf und nieder.
[136]
»Ein Mann von vierzig Jahren ihr die Hand!
Und insgeheim, weil ihm sein Ritterstand
Die Ehe untersagt? Um reich zu erben
Soll Laura elend leben, elend sterben?
O tauber Himmel dies für Lauren! – und Petrarch
Nähm' den Gedanken mit sich in den Sarg?
Colonna hat Geschmack – wär' das für sie nicht wenig?
Nein, er verdient sie nicht, wär' er ein König.
Er, der der Schönheit und des Lebens satt,
Nun ausgeliebt und ausgelebet hat,
Er Lauren! – Gott, der du die Demuth ehrest
Gott, ist er ihrer würdig? Du empörest
Dies arme Herz selbst gegen meinen Freund.
Mein Unmuth ist gerecht, so strafbar er auch scheint.
Darf aber ein Vertriebner, ein Verbannter,
Hier nur geduldet, darf ein Unbekannter –
Ach zehnmal mehr vertrieben, mehr verbannt,
In keiner Brust hat das für sie gebrannt.
Ein Schatz kann nie in schlimmre Hände fallen
Als in des Reichen. Gott du weißts, von allen
Die jemals liebten, härmte niemand sich
Mit tiefrer innrer Sehnsucht ab als ich. –
Was schwärmst du, Unbescheidner! was erhöhest
Du die Begierden so? bedenke wo du stehest!
Bist du nicht Ixion, der Jupitern
Um seine Göttin neidte? steh von fern
Und fühl' es wer du seyst. – Ach kann ich ringen
Mit meiner Leidenschaft? die seidnen Locken bringen
Mich um den freyen Willen. Was kan ich dafür,
Daß diese Nerven ihr nur zittern? War es mir
Beym ersten Anblick doch, als ob für meine Mängel
Und Leiden der Ersatz nur möglich wäre. – Engel!
Wenn sich dein Licht auf mich herunterwälzt,
Wird all mein Unglück Schnee, der an der Sonne schmelzt. –
Zwar ist das Leben kurz und kühn das Unternehmen,
[137]
Das kühnste – doch sie selbst spornt mich hinan.
O Grämen
Laß ab! daß ich den Weg, den nie ein Fuß betrat,
Empor an Felsen aufwärts hüpfe. – Hat
Er, der die Sterne lenckt, umsonst geschaffen?
Er weiset mir den Weg, giebt mir die Waffen!
Dies Herz, das er in diese Brust gelegt,
Ist auch sein Werk, wie die, für die es schlägt.
Mit ihrer Reitze unermeßnen Schätzen
Soll mein Gesang die Welt in Tränen setzen,
Bis die von Lieb' und Wollust trunkne Welt
Zum allgemeinen Glück auch mich gesellt.«
Derweil Petrarca so mit Furcht und Hoffnung kämpfte,
Stand, fiel und wieder aufstand, lag der abgedämpfte
Colonna schon in Laurens Zauberschloß
Beym ersten Schritt dem Glück im Blumenschooß.
Sobald er das erfuhr, sah unser Dichter
An allen die ihm nahten, Furiengesichter.
Von jedem Menschenblick gepeinigt, schoß der Strom
Ins Meer zurück, er flog ins Vaterland, nach Rom.

[138] Dritter Gesang

Hier bey dem Bruder seines Nebenbulers
Saß der Untröstliche, empfieng des Nebenbulers
Entzückte Briefe, nur von seinem Wohl
Und spottend unverschämter Freundschaft voll.
Ach! gegen wen sich nun beklagen, gegen
Wen dieses Herz erleichtern? Bäume zögen
Die Seufzer aus den Wurzeln, die er that,
Wenn auf den Knieen er den Tod vom Himmel bat.
Am Ende, als der Schmerz sich in sich selbst verzehrte,
Und wie ein sterbend Feur nur noch von Asche nährte,
Schrieb er dem Räuber – ach, dem Mann
Von seiner Laura – fleht' ihn an:
»Ich bin zu weinen müd' Colonna! Deckte
Mich doch der schöne kühle Marmor schon,
Der euch mit mir verew'gen soll. Erschreckte
Mein hageres Gesicht die Welt nicht mehr! – Entflohn
Ist doch so manche Stunde mir, so manche Reihe
Von Jahren; warum zögert denn der ungetreue
Der längsterwünschte Tod, jetzt da mein Schmertz bepfeilt
Mit jeder Sonne ihm entgegeneilt?
Ich muß es dir gestehn, Colonna! welchen Schaden
Kann es dir thun mein Herz dir zu entladen?
Es gönnet dir dein Glück; treib deinen Scherz
Mit ihm, verbiet' ihm nur nicht seinen Schmerz!
Ich bin zu sehr verwöhnt an – Laurens Blicke,
Ach! ohne die die Sonne kalt ist, bin
Verwöhnt an ihre Stimme, jetzt dein Glücke,
Die einzigste der Welt, im strengsten Sinn;
[139]
Gebannt an jedes Wort aus ihrem Munde
An jeden Morgengruß und gute Nacht,
Die ehmals mich erquickten, mir die Arbeit, mir die Stunde
Der Prüfung selbst zur Seeligkeit gemacht.
Ich kann nicht leben ohne sie. Der Arm, die Hände,
Der schöne stolze Gang, der angenehme Zorn,
Voll Stolz und Demuth – – ach, es ist zum Ende
Mit mir – der Himmel, dem mein Glück ein Dorn
Im Auge war, hat mich hieher verdammet
Wo jetzt sein Zorn auf mich ganz ohne Retter flammet,
Von ihrem Auge weg, das alle Mitternacht
In meiner Seele hell wie den Mittag gemacht.
Wohin ich geh, und steh, und flieh, muß ich es missen,
Und fluchen Berg und Thal, die mirs entrissen.«
»Das arme Herz!« sprach als ers las der Mann,
Und sah gelassen auf, und seinen Himmel an.
»Das arme Herz,« sprach sie ihm nach, doch mit Accenten,
Die Engel selbst zum Weinen bringen könnten.
Noch tieffer grub in ihr geheimes Herz
Ein Brief vom Cardinal Petrarchens Schmerz,
In dem er schrieb vom guten kranken Thoren,
Er habe Sprache und Vernunft verloren.
Indeß erholt' er sich wie, an die Noth gewohnt,
Ein Türkensklav, und dann mit neuen Kräften frohnt.
Ein Brief, in dem sie selbst ihn zu sich bat zu kommen,
Sein Wunsch, sein einig Flehn, geneßte ihn vollkommen.
Er reißte spät im Herbst, des Himmels Antlitz war
Trübwolkig wie sein Herz, und Sturm zerriß sein Haar.
Er reißte Tag und Nacht durchs pfeifende Gesträuche,
Voll Graun und Finsterniß, fühllos wie eine Leiche.
Bald überwältigte des Aethers Gleichgewicht
[140]
Der schweren Wolken Zug, die auf sein blaß Gesicht,
Dem die Verzweiflung längst der Thränen Trost verschlossen,
Auf sein versengt Gesicht des Himmels Thränen gossen.
»Darf ich sie sehn, sprach er zu sich, die Göttliche?
Ich fürchte zu vergehn, wenn ich sie seh.
Je glücklicher er ist, je mehr ers weiß zu schäzen,
Je mehr er sie verdiente – o Entsezen!
Muß meine Seele denn, so innig allem feind
Was Mißgunst ähnlich sieht, beneiden – meinen Freund –
Verachten was ihn ehrt, o hassen was ihn adelt
Und jauchzend segnen, was man an ihm tadelt?
Unglücklicher! wo ist die Tugend hin,
Die dir das Leben reitzend machte – ja ich bin
Voraus bestimmt zum Laster, mein Geschicke
Zwingt mich dazu – im letzten Augenblicke! –
Im Grabe noch, im Grabe Wüterich!
Colonna, falscher Freund! beneid' und hass' ich dich!
Noch übers Grab hinaus – mit kranker Seele
Kehr ich als Geist zu dir zurück, daß ich dich quäle,
Denn du hast mich um Leben, Lieb' und Macht
Um alles – um die Tugend selbst gebracht.
Verdammt hast du mich. Menschheitsloser Richter!
Warum traf deine Wuth den reitzbarn Dichter?
Warum nicht einen Wuchrer, einen kalten Mann,
Wie du, den der Verlust nicht schmerzen kann?«
So quälte sich der Arme, und sobald er fassen
Sich konnte, mußt' er dann sich selber hassen.
Des Himmels Innerstes bewegte dieser Krieg,
Und als er nun betäubt herunter stieg,
Vorm Schlosse selbst, vom unmitleidgen Wagen,
Der das zerschlagne Haupt noch mehr zerschlagen
Und Lauren mit Geschrey vom Ritter sich
Losreissen sah und auf ihn zu – – da wich
[141]
Der Boden unter ihm, und beyde sanken nieder
Mit einem Leisen: Gott seh ich Sie wieder?
Da lag das Opfer nun – und Laurens Blick
Schlug feucht bis an die Wolken. – Hättest du dein Glück
Noch eh du starbst gesehn, Petrarca, was die Schaaren
Der Geister um dich her zu sehn geschäftig waren,
Die Thräne, die die schwarze Gluth umzog,
Die aus dem schönsten Aug' erzürnt gen Himmel flog,
Ihn anzuklagen – die für Reue zittern
Ihn machte – laut in klagenden Gewittern
Bezeugt' er seinen Antheil, blitzend Weh
Erschreckte weit die Erde und ein ganzer See
Welzt' ihm sich nach und schien das Mißgeschick der Seinen
Unaufhaltbar, untröstlich zu beweinen. –

Ein Fragment.

Anhang. Ein Versuch über die neunte Canzonetta Petrarchs in dem ersten Theil seiner gesammleten Gedichte

In reimfreien Versen.


Ich wünschte diese Probe machte mir Nacheiferer, die ganze Liedersammlung dieses für die moralischen Bedürfnisse mehr als klassischen Dichters so getreu als möglich zu übersetzen. Es müßte aber auch das ganze Abgebrochene, Stoßweise Seufzende, Nothgedrungene, wahrhaftig Leidenschaftliche des Originals in die Uebersetzung hinübergetragen werden können.

1.

Herrliche Donna mein! ich sehe
In eurer Augen Bewegung süssen Lichtschein,
Der mir geradeswegs zum Himmel leuchtet,
[142]
Weil durch die lange Gewohnheit
In diesen Sonnenstralen der Liebe
Eure Seele sich sichtbar weiß.
Dies ist das Auge, das mich zum Guten verführet
Und meinem rühmlichen Zweck entgegen geiselt.
Keine menschliche Zunge beschreibt es
Was diese Lichter des Himmels fühlen mich machen
Wenn der Winter Flocken ausstreut
Oder wenn das Jahr sich verjüngt,
Die heilige Zeit meiner ersten Wunde.
Oft denck ich wenn droben
Von da der ewige Beweger der Sterne
Von seiner Kunst dies uns zu zeigen gewürdigt,
Wenn droben der Meisterstück' mehr sind,
Warum nicht den Kerker eröfnen, der mich einschließt,
Und Weg mir machen hinauf zum ewigen Leben?
Geht dann der innere Streit mit mir an
Und ich seegne die Natur und den Tag, und die Stunde,
Die zu so hohem Glück mich aufgespahrt hat,
Wo sie dies Herz mit der Hofnung empor hub
Das sonst unbehelfsam, mir selbst beschwerlich war.
Nur von dem Tag' an gefiel ich mir selber,
Füllt ein grosser schöner Gedanke meine Seele,
Zu der ihr Auge den Schlüssel hat.
Niemals beschied Liebe oder Glück
Zwey Freunden solche Wonne, die ich nicht hingäb' gegen eine
Bewegung ihrer Augen, von denen meine Ruhe
Wie ein Baum aus der Wurzel kommt.
Heilige seelige glückliche Funken,
Die ihr mein Leben entzündt und alle mein Vergnügen,
Die ihr entzükend mich auflößt und langsam tödtet:
Wie jedes andere Licht verbleicht, wo ihr blitzet,
So weicht aus meinem Herzen,
[143]
Wenn diese Süssigkeit sich drein herabströmt,
Jeder andere nothwendige Gedancke,
Und ihr allein bleibt darin mit der Liebe.

u.s.f.

2.

Was fang ich an? was räthst du Liebe mir?
Zu sterben wär es Zeit. Was zaudr' ich hier?
Madonna todt, mein Herz hinweg genommen,
Und muß ich Mörder seyn, zu ihr zu kommen?
Ja, ja, ich muß, weil ich sie nie
Mehr hoffen kann zu sehn; ach! ohne sie
Was ist das Leben? Tödtendlangsam Sehnen
Nach der Erlösung, was die Freude? – Tränen.
Du weißt es Liebe, kennest das Gewicht
Der grauenvollen Schmerzen alle.
Gescheitert unser Schiff, dahin das Licht,
Das uns geleitet. Diesem Trauerfalle
Vergleicht sich nichts. O Erde! wie entstellt,
Ach wie verwayset, undanckbare Welt!
Dein Reitz ist hin, elende Welt voll Thoren.
Ach, wüßtest du, was du an ihr verloren,
Du traurtest ewig. Nur durch sie noch schön:
Und sahsts nicht ein, du warsts nicht werth zu sehn,
Nicht werth, daß ihre Füsse dich berührten,
Die heiligen Füsse, die gen Himmel führten.
Der Himmel neidisch auf dein Glück
Nahm sein geliehnes Pfand zurück.
Und ich Verlaßner! der ich ohne
Sie weder Welt noch mich ertragen kann,
Ich sitze hier und weine. Ruffe
[144]
Vergeblich sie zurück. Trost, daß ich weinen kann!
Weh mir! ihr Antlitz Erde! ihre Mienen,
Auf denen Hofnungen des Himmels schienen
Die uns allein ihn glauben machten! Nein,
Die göttliche Gestalt kann nicht verweset seyn.
Den Schleyer hat sie abgelegt, der ihre Blüthe
Hier eingeschattet; ganz voll Lieb' und Güte
Schwebt sie im Paradiese – oder hier
O göttlich süsser Schaur! – unsichtbar neben mir – u.s.f.

Notes
Erstdruck: Winterthur (Heinrich Steiner & Comp.) 1776.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Lenz, Jakob Michael Reinhold. 43. Petrarch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E30C-6