7.

Schläfrig hangen die sonnenmüden Blätter,
Alles schweigt im Walde, nur eine Biene
Summt dort an der Blüte mit mattem Eifer;
Sie auch ließ vom sommerlichen Getöne,
Eingeschlafen vielleicht im Schoß der Blume.
Hier, noch Frühlings, rauschte die muntre Quelle;
Still versiegend ist in die Luft zergangen
All ihr frisches Geplauder, helles Schimmern.
Traurig kahlt die Stätte, wo einst ein Quell floß;
Horchen muß ich noch dem gewohnten Rauschen,
Ich vermisse den Bach, wie liebe Grüße,
Die sonst fernher kamen, nun ausgeblieben.
Alles still, einschläfernd, des dichten Mooses
Sanft nachgiebige Schwellung ist so ruhlich;
Möge hier mich holder Schlummer beschleichen,
[429]
Mir die Schlüssel zu meinen Schätzen stehlen
Und die Waffen entwenden meines Zornes,
Daß die Seele, rings nach außen vergessend,
Sich in ihre Tiefen hinein erinnre.
Preisen will ich den Schlummer, bis er leise
Naht in diesem Dunkel und mir das Aug schließt.
Schlaf, du kindlicher Gott, du Gott der Kindheit!
Du Verjünger der Welt, die, dein entbehrend,
Rasch in wenig Stunden wäre gealtert.
Wundertätiger Freund, Erlöser des Herzens!
Rings umstellt und bewacht am hellen Tage
Ist das Herz in der Brust und unzugänglich
Für die leiseren Genien des Lebens,
Denn ihm wandeln voran auf allen Wegen
Die Gedanken, bewaffnet, als Liktoren,
Schreckend und verscheuchend lieblichen Zauber.
Aber in der Stille der Nacht, des Schlummers,
Wacht die Seele heimlich und lauscht wie Hero,
Bis verborgen ihr Gott ihr naht, herüber
Schwimmend durch das wallende Meer der Träume.
Eine Flöte klang mir im Schlaf zuweilen,
Wie ein Gesang der Urwelt, Sehnsucht weckend,
Daß ich süß erschüttert erwacht' in Tränen
Und noch lange hörte den Ruf der Heimat;
Bliebe davon ein Hauch in meinen Liedern!
Schlaf, melodischer Freund, woher die Flöte?
Ist sie ein Ast des Walds, durchhaucht vom Gotte,
Hört ich im Traum des heiligen Pan Syringe?

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Lenau, Nikolaus. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Vermischte Gedichte. Waldlieder. 7. [Schläfrig hangen die sonnenmüden Blätter]. 7. [Schläfrig hangen die sonnenmüden Blätter]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-E130-D