[59] [63]7. Clorinda bejammert die abscheuliche Finsternuß ihres Hertzens/ in welcher sie/ deren Gnaden Gottes beraubt/ so lange Zeit gesteckt

Deus meus illumina tenebras meas.

Psalm. 17. v. 19.


O Gott/ erleuchte meine Finsternuß.


1.
Feindliche/ trutzige/ Rußige/ schmutzige/
Häßliche Nacht/
Welche den Räisenden/ Weit herum-kräisenden/
Herren und Knechten/ Edlen/ und Schlechten/
Grosse Forcht macht/
Ja unversehens gar
Stürtzt in des Tods Gefahr.
2.
Falsche/ verdächtliche/ Schwartze verächtliche/
Schelmische Nacht/
Welche die fallende/ Kaht-herumb wallende
Gäntzlich entweegte/ Gfährlich versteegte
Menschen auslacht:
Die an Mitleydens-Statt
Nur Freud an Unglück hat.
3.
Grausame/ greuliche/ Förchtlich-abscheuliche/
Diebische Nacht/
[63]
Welche den Muhtigen/ Menschen-mord-blutige
Mörder- und Raubern/ Hexen/ und Zaubern
Sicherheit macht/
Und gibt zu böser That
Selbst ihnen Hülff und Raht.
4.
Reinigkeit-hassende/ Unschuld-verlassende/
Schandliche Nacht/
Welche den stinckenden/ Tugend-versinckenden
Venus-Geseilen/ Wo sie nur wöllen/
Unterschlauffs macht:
Verhüllt die geile Böck'
Mit ihrer schwartzen Deck.
5.
Neidige/ häßige/ Henckers-Hand-mäßige/
Bubische Nacht/
Welche der Wälderen/ Wiesen/ und Felderen/
Gärten/ und Auen Schönes Anschauen
Freuden-loß macht:
So gar das schönste Gold
Entfärbt die Liechts-Unhold.
6.
Grimmige/ läidige/ Freche/ meineydige/
Gifftige Nacht/
Welche die ruchtbare/ Sonsten gar fruchtbare/
Aecker/ und Matten Unter dem Schatten
Früchten-loß macht:
Dahero ihr dann seind
Viel Länder Spinnen-Feind.
[64] 7.
Tägliche/ schmertzliche/ Mündliche/ hertzliche
Klagen man hört/
Wie sie die prächtige Weite/ großmächtige
Nilische 1 Haiden/ Saaten/ und Waiden/
Grausam verstört/
Das Land so schwartz bedeckt/
Daß Leut und Vieh verreckt.
8.
Sehet die nächtige/ Immer schattächtige
Finnen doch an/
Wie sie mit dünsteren/ Dicken/ und finsteren
Nebel/ und Düfften/ Schatten/ und Lüfften
Seynd eingethan:
Die Sonne sehen sie
Auch etlich Monat nie.
9.
Treu-loß-unärtige Böse leichtfertige
Schröckliche Nacht/
Welche die brennende Feld-herum-rennende
Schwürmische Geister/ Völlige Meister
Ihres Reichs macht/
Und reitzt so viel sie kan/
Sie zu der Boßheit an.
10.
Unter der feindlichen/ Dürmisch-unfreundlichen
Nächtlichen Schaar/
[65]
Aerger/ gefährlicher/ Böser/ beschwärlicher/
Schädlicher/ schlimmer/ Schwärtzer und tümmer
Keine doch war'/
Als die/ so ich stock-blind
An meiner Seel empfind'.
11.
Alle Mæotische/ Wendisch- und Gothische 2
Nächte seind nur
Eine noch gläntzende/ Morgen-angräntzende/
Lieblich-bemahlte/ Sonnen-bestrahlte
Schatten-Figur/ 3
Gegen der schwartzen Nacht/
So mir die Sünd gebracht.
12.
Diese verhinderet/ Schwächet und minderet
Allen den Schein/
Welcher/ zum anderen Leben zu wanderen
Wider die Fälle Solte ein' helle
Fackel mir seyn:
Macht/ daß in Finsternuß
Ich immer leben muß.
13.
Alle Gott-zeigende/ Tugend-zuneigende
Strahlen seynd hin/
Weil ich in allerhand/ (Leider nicht ohne schand!)
Bubische Thaten/ Willig gerahten
Jederzeit bin/
[66]
So/ daß der Tugend-Glantz
In mir verfinstert gantz.
14.
Diese Heil-flüchtige Eitelkeit-süchtige/
Schädliche Nacht/
Haben die sinnliche/ Eilens-zerrinnliche
Eitele/ schnöde/ Himmels-Trost öde
Freuden gemacht:
Der schnöde Freud-Genuß
Bringt nichts/ als Finsternuß.
15.
Diese betriegende Freuden-vorliegende
Schmeichlende Nacht/
Eh' ich ihr Thun erkennt/ Hatte mich so verblendt/
Daß ich nachmahlen Alle Liecht-Strahlen
Völlig veracht/
Und mit dem Welt-Gesind
Zu Gutem worden blind.
16.
Diese Nacht schwächet mich/ Diese Nacht macht daß ich
Vollends verderb'/
Massen der gnadenschein Nimmer kan tringen ein.
So/ daß ich endlich Flammen-erkenntlich
Tugend-loß sterb':
Wo keine Sonn auffgeht/
Der Baum unfruchtbar steht.
17.
Diese verteufflete/ Gnaden-verzweifflete/
Höllische Nacht/
[67]
Dannoch den Sünderen Bösen Welt-Kinderen
Wegen des sterbens/ Seelen-verderbens
Wenig Forcht macht:
Sie förchten nur das Licht/
Die Finsternuß gar nicht.
18.
Läider diß eulenblind Schwürmische Nachtsgesind
Bildet sich ein/
Unter den lebenden Welt-herum-schwebenden
Erden-Geschöpffen/ Sehenden Köpffen
Klugste zu seyn:
Vermeinen allezeit
Zu seyn von Blindheit weit.
19.
Dieses seind aber die Schlimste nächt/ welche nie
Werden erkennt/
Können vom gnadenlicht Werden vertriebe nicht/
Sonder nur immer Aerger/ und schlimmer
Läider verblendt!
Sie fliehen allen Schein/
Drumb geht das Liecht nicht ein.
20.
Eya dann gläntzendes/ Glori-bekräntzendes/
Göttliches Licht/
Laß' mich in nächtlichen Also verächtlichen/
Schatten der Sünden/ Ohne Gnad-finden
Sterben doch nicht:
Vertreibe mir die Nacht/
Die mich stock- blind gemacht.

Fußnoten

1 Aegyptische.

2 Mittnächtige Länder.

3 Obschon der Schatten nicht kan bestrahlt seyn/ so ist doch zwischen Tag und Nacht kein so tunckler Schatten/ als zu Mitternacht.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden erster Theil. [Feindliche- trutzige- Rußige- schmutzige]. [Feindliche- trutzige- Rußige- schmutzige]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DBBD-8