[325] [329]10. Der Himmlische Daphnis vermählet sich in dem Himmel auff ewig mit Clorinda; krönet sie mit dem köstlichen Krantz der Seligkeit/ und ladet alle Sünder zu der Buß ein

Veni de Libano, Sponsa mea, veni de Libano, veni, coronaberis.

Cant. 4. v. 8.


Komme von Libano/ meine Braut/ komme von Libano/ gehe herein/ du solt gekrönet werden.


1.
Komme/ liebste Braut Clorind'/
Komm' von Libano geschwind/
Du bist frey
Von des Unglücks Wüterey;
Hitz/ und Kälte seynd nun ferr/
Keine Nordwind' rasen mehr; 1
Pein/ und Qual
Seynd vergangen überal;
Da ist nunmehr kein Bemühen/
Lieblich blühen
Nun die Blumen allerhand/ 2
Wollust ist in diesem Land.
[329] 2.
Durch den stäten Busses-Fleiß
Bist du worden Lilien-weiß/
Schön/ und rein/ 3
Wie der göldne Sonnen-Schein;
Von so vielen Tugend-Glantz
Bist du nun holdselig gantz/
Göttlich schier/
Weil kein Flecklein mehr an dir/
Steigest gleich der Tags-Auroren, 4
Neu-geboren
Unverwendt in deinem Lauff/
Von dem Weissen-Berg herauff. 5
3.
Komme/ Freundin/ komm' zu mir/
Ich will mich vermählen dir 6
Ewiglich/
Und Glorwürdig krönen dich;
Es wird nun kein Affter-Glück
Können stossen dich zurück/
Du wirst kein'
Eh-verschmächte Vahsti seyn; 7
Dich kein Mißgunst wird entehren/
Noch verstöhren;
Dieses Land entfernet ist
Weit von Untreu/ Neyd/ und List.
[330] 4.
Du kanst da nicht werden alt/
Noch viel minder ungestalt/
Immer neu
Werk en seyn die Lieb und Treu:
Da ist weder Raach/ noch Zorn/
Weder Distel/ weder Dorn:
Zanck/ und Streit
Seynd von hinnen ferr/ und weit:
Hier wird dich kein Unmuht äffen/
Minder treffen;
Die Betrübnuß ist vorbey/
Du bist aller Sorgen frey.
5.
Ohne Eckel/ und Verdruß
Ist allda der Freud-Genuß;
Niemahl kan
Werden dir was Läids gethan:
Weder Hunger/ Krieg/ noch Pest/
Keines sich hier blicken läßt;
Dieses Reich
Ist befreyt von aller Seuch;
Da ist man/ gleich wie die Engel/
Ohne Mängel;
Hier ist die Vollkommenheit
Weit von der Gebrechlichkeit.
6.
Da ist nichts/ als Freud/ und Wonn;
Jeder gläntzet/ wie die Sonn: 8
[331]
Nichts als Lust
Diesen Burgern ist bewußt/
Welche in Zeit-loser Eyl/
Schneller/ als des Parthers Pfeil/
An den Ort/
Wo sie wöllen/ fliegen fort;
Nichts kan ihnen widerstehen/
Sie durchgehen/
Wie der Plitz/ die harte Stein/
Wie durch Glaß der Sonnenschein.
7.
Alle Wiesen seynd geblümt/
Weit vor dem Hymett' 9 berühmt:
Aller Spaß
Findt sich da ohn' Underlaß;
Feld- und Wälder seynd geziert/
Daß man sich darein verliert;
Göldne Frücht'
Man an allen Bäumen sicht:
Alle Bäche von dem süssen
Nećtar 10 fliessen;
Alle Brünne schencken ein
Unbeschreiblich guten Wein.
8.
Ein so hoch beglücktes Reich/
Dem die gantze Welt nicht gleich/
Will ich hier
Heute noch einraumen dir/
[332]
Tausend Engel/ O Clorind/
Werden seyn dein Hoff-Gesind;
Ohne mich
Will ich niemahl lassen dich/
Sondern mit Wollust ergetzen/
Und dich setzen
Für den ausgestandnen Hohn
Auff den hohen Ehren-Thron.
9.
Dieses ist der Lohn der Buß/
Welchen man verdienen muß/
Ohne Müh
Wird man ja gekrönet nie: 11
Müßte nicht auch Ich so gar/
Der Ich Gottes Sohn doch war'/
Gleicher Weiß
Kauffen mir das Paradeiß? 12
Durch viel Leiden/ und Trübsalen/
Angst/ und Qualen
Muß man in das Reich eingehn; 13
Zärtling müssen draussen stehn.
10.
Die der Welt ergeben/ seynd
Wahrlich ihre eigne Feind'/
Weil ihr Ziel
Nur gericht auf Kinder-Spiel:
[333]
Lassen sich offt saur/ und heiß
Werden/ auch biß auf den Schweiß/
Nur allein
Auff der Welt beglückt zu seyn;
Lauff- und rennen auff/ und nieder/
Hin/ und wider/
Wagen Leben/ Leib und Blut
Um ein wenig schnödes Gut.
11.
Achten meine Schätz gering/
Nur vertiefft auff solche Ding'/
Welche strachs
Sich vertieffen/ wie das Wachs: 14
All ihr Trachten/ Hertz/ und Sinn
Steht auff Wucher/ und Gewinn;
Auff die Ehr
Seynd erhitzet sie noch mehr:
Ihrer Seelen underdessen
Gantz vergessen:
Um das zeitlich Glück/ und Heyl
Bieten sie den Himmel feil.
12.
Diese Freud/ die ewig währt/
Man hingegen nicht begehrt/
Halten sie
Nicht für eine Linsen-Brüh;
Schätzen meine Werck/ und Lehr
Nun für eine Fabel mehr/
[334]
Voll des Neyds
Gegen mich/ und meinem Creutz;
Wöllen es nur von sich jagen/
Nicht nachtragen/
Ob ich schon es bey dem Stab
Des Gebotts befohlen hab. 15
13.
O ihr Menschen/ mercket diß/
(So unfehlbar/ und gewiß)
Daß niemand
Creutz-loß kommt in dieses Land:
Durch das Creutz seyt ihr erlößt/
Durch die Lust des Heyls entblößt/
Unberührt
Jenes nicht zum Himmel führt:
Seyt ihr nicht/ O Adams-Kinder/
Worden Sünder
Durch die Lust/ im Paradeiß
Wegen der verbottnen Speiß?
14.
Es seynd ja die gute Täg' 16
Zu dem Leben nicht der Weg:
Wer ist/ der
Ohne Arbeit Lohn begehr'?
Kostet offt ein Stücklein Gut/
Zu besitzen/ so viel Blut/
Was soll man
[335]
Nicht thun umb den Himmel dann?
Oder aber ist er schlechter?
(O Gelächter!)
Als ein Land/ so nichts als Kath/
Nichts/ als müh/ und Arbeit hat?
15.
Ey so würcket/ würcket dann/
Grosse/ Kleine/ Weib und Mann/
Weil noch ist
Vor der Thür die Gnaden-Frist; 17
Würcket/ und befleißt euch doch
Euer Heyl zu würcken noch/
Weil es gilt/
Dann darnach ist es verspielt;
Schätzt den Himmel nicht geringer/
Als die Finger/
Es ist werth/ daß man nicht träg 18
Umb denselben sie beweg.
16.
Seyt doch nicht wie Pharaon,
Hart in dem verkehrten Wohn/
Denckt/ wie er
Endlich wurd' gestrafft so schwer;
Nemmt ein Beyspiel doch an ihm;
Höret euers Daphnis Stimm; 19
Wartet nicht/
Biß ich sitze zu Gericht;
[336]
Jetzt könnt ihr das Heyl erwerben/
Vom Verderben
Euch gar leichtlich machen frey/ 20
Und mir ewig sitzen bey.
17.
Schlagt doch dieses nicht in Wind/
Folgt mir weißlich/ wie Clorind'/
Seht/ wie sie
Worden groß mit schlechter Müh:
Niemand ist zur Buß zu schwach;
Büssen ist kein solche Sach/
Daß man müß'
Haben starcke Händ'/ und Füß';
Braucht nur einen starcken Willen/
Mich zu stillen
Durch ein hertzlich-wahre Reu/
Und zu lieben auff das neu.
18.
Einer solchen Hertzens-Buß
Ich die Sünd verzeihen muß/
Kan diß dann
Nicht verrichten jedermann?
Diß ist ein' so ringe Sach/
Daß kein Krancker ihr zu schwach/
Was für Peyn
Kan doch wohl Gott lieben seyn?
Oder ist das Sünde-fliehen
Karren-ziehen?
Sünde seyn ein schwäres Joch/ 21
Welches abzuscheuhen hoch.
[337] 19.
Wann man grosser Sünden loß/
Ligt man in der Freuden-Schoß;
Sünden-frey
Ist ein stäte Gasterey: 22
Wie ist nicht hingegen der
Sünden-Last so grausam schwer!
Herculs-Burd'
Leichter ihm zu tragen wurd':
Ey so kommt/ zu meinen Gnaden
Eingeladen/
Kommt/ ich will erquicken euch 23
Nach so schwärer Sünden-Seuch.
20.
Ach bedencket offtermal
Diese Freud/ und jene Qual/ 24
Freud/ und Läid 25
Seynd in euren Händen beyd:
Ach! erwehlet doch das Best'!
Werdet dieser Freuden Gäst'/
Dann euch ist
Meine Mahlzeit zugerüst: 26
Laßt euch von verkaufften Rindern 27
Doch nicht hindern/
Dann diß ist ein solch Geschäfft/
Woran euer Heyl gehäfft. 28

Fußnoten

1 Iam hyems transiit. Cant. 2. v. 11.

2 Flores apparuerunt in terra nostra. Cant. 2. v. 11.

3 Electa ut Sol. Cant. 6. v. 9.

4 Quasi Aurora consurgens. Cant. 6. v. 9.

5 Libanus candidus Glossa.

6 Sponsabo te mihi in sempiternum. Oseæ 2. v. 19.

7 Esther. 1.

8 Iusti fulgebunt, licur Sol. Matth. 13. v. 43.

9 Ein Blumreicher Berg.

10 Götter-Tranck. Poët.

11 Non coronatur, nisi legitimè certaverit. 2. Tim. 2. v. 5.

12 Nonne hæc oportuit pati Christum, & ita intrare in gloriam suam. Luc. 24. v. 26.

13 Per mulsas tribulationes oportes nos insrare in Regnum Dei. Act. 14. vers. 21.

14 Omnes, quæ sua sunt, quærunt, non quæ Iesu Christi. ad. Philip. 2. vers. 21.

15 Qui non accipit crucem suam, & sequitur me, non est me aignus. Matth. 10. v. 38.

16 Quis est homo, Qui vuls visam, diligis dies viaero bonos? Psal. 33. v. 13.

17 Dum tempus habemus, operemur bonum. ad Galat. 6. vers. 10.

18 Faul/ nachlaßig.

19 Hodie si vocem ejus audieritis, nolite abdurare corda vestra. Ps. 94. v. 8.

20 Ecce nunc tempus acceptabile est, Ecce nunc dies salutis. 2. Cor. 6. v. 2.

21 Drucken den Menschen in die Höll hinunder.

22 Secura mens juge convivium. Prov. 15. v. 15.

23 Venite ad me omnes, qui laboratis, & onerati estis, & ego reficiam vos. Matth. 11. v. 28.

24 Memorare novissima, & in æternum non peccabis. Eccl. 7. v. 40.

25 Apposuit sibi ignem, & aquam, ad quod volueris porrige manum tuam. Eccl. 15. v. 17.

26 Ecce, prandium meum paravi. Matth. 22. v. 4.

27 Juga boum emi quinque, & eo probare illa. Luc. 14. v. 19.

28 Porrò unum necessarium est Luc. 10. v. 42.

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TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden dritter Theil. [Komme- liebste Braut Clorind']. [Komme- liebste Braut Clorind']. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DBB9-0