[313] [317]9. Clorinda erfreuet sich des Ends ihrer Pilgerfahrt/und der hoch-erwünschten Zunahung ihrer Seligkeit: Nimmt Urlaub von denen Welt-Kinderen; gibt ihnen eine gute Lehr/ und stirbt selig/ mehr aus Gewalt der Lieb'/ als Kranckheit

Concupiscit, & deficit anima mea in atria Domini.

Psal. 83. v. 2.


Meine Seele verlanget/ und wird Krafft-loß nach den Vorhöfen des Herren.


1.
Gott sey gepriesen/
Der mir erwiesen
So grosse Lieb/ und Gnad/
Daß Er gezogen/
Mir höchst bewogen/
Mich auff die Himmels-Pfad:
Der mich beruffen zu der Buß/
Und biß zum End
Durch seine Händ'
Darbey gesteurt auff steiffem Fuß.
[317] 2.
Nun will auff Erden
Es Abend werden
Mit meiner Lebens-Zeit/
Bin von der Lände/
Wohin ich wende
Mein Schifflein/ gar nicht weit/
Sehr wenig Zeit ist übrig noch/
Dann geh ich fort
Nach jenem Ort/
Wohin ich stäts verlangt so hoch.
3.
Die Liebes-Schmertzen
In meinem Hertzen
Seynd allzu ungeheur;
Kan nicht mehr wehren/
Mich will verzehren
Das strenge Liebes-Feur;
Die Qual durchdringet Marck/ und Bein
Mir tausendfach/
Ach/ Daphnis, ach!
Vor Lieb werd' ich geäschert ein!
4.
Wie der Theresen, 1
Dort sey gewesen/
Ich nunmehr glauben kan/
Als sie zu schwitzen
Vor Liebes-Hitzen
[318]
So starck gefangen an/
Daß sie ohn' alle andre Seuch/
(O süsser Tod/
Gleich meiner Noht!)
Ist endlich worden eine Leich.
5.
So heisse Flammen/
Verspehrt beysammen/
Bald werden brechen auß/
Und mich vertreiben;
Wer wolte bleiben/
In einem solchen Hauß/
So ärger auch/ als Ætna brennt/
Und mir zumal
Mit süsser Qual
Den Leib biß in die Seel durchrennt.
6.
Ich will mit Freuden
Diß Häußlein meyden/
Und ziehen stracks darvon;
Hab' dieses Elend/
Den Tod erwehlend'/
Genug verkostet schon;
Will nach dem Hauß des Herren gehn/ 2
Wie gestern spat
Mir Daphnis hat
Trostreich gegeben zu verstehn.
[319] 7.
Zu Cusco waren
Vor wenig Jahren
Noch Häuser/ und Palläst/ 3
Als welcher Tächer/
Zimm- und Gemächer
Mit Gold bedeckt geweßt;
Ja/ wie die Sag' der Schreibern geht/
Von Gold so gar
Alldorten war'
Das Felder-Hauß- und Tisch-Geräht. 4
8.
O Bettler-Häußlein/
Nur für die Mäußlein
Ein armer Underschlauff!
Ich hab' in Händen/
Bald zu vollenden
Wohl einen andern Kauff;
Desgleichen war' auff Erden nicht
Zu keiner Zeit
So groß/ und weit/
Noch also köstlich auffgericht. 5
9.
Wann auff den Gassen
Sich sehen lassen
Von Gold die Pflaster-Stein; 6
[320]
Von Edlen-Steinen 7
Die Mauren scheinen/
Wie wird die Wohnung seyn? 8
O Wohnung/ so kein Menschen-Zung
Entwerffen kan!
Wie solte man
Nicht stutzen vor Verwunderung?
10.
Wann in den Wäldern/
Geblümten Feldern/
Und grünendem Gestäud/
Zu Frühlings-Zeiten
Den jungen Leuten
Begegnet solche Freud/
Daß man sich selber ohngefehr
So weit verschliefft/
In Lust vertiefft/
Als wann man gantz verzucket wär.
11.
Was wird nicht dorten
An jenen Orten
Für Freud und Wollust seyn?
Allwo zu schauen
So gar die Auen
Mit Gold gehaget ein?
Allwo die Landschafft also schön/
Daß einer möcht'/
Von Lust geschwächt/
[321]
In lauter Lieblichkeit vergehn.
12.
Der stäte Jäger/
Gewild-Erleger
Genannt/ Hippolitus, 9
Sich so ergetzte/
Der Jagd nachsetzte
Ohn' eintzigen Verdruß/
Daß ihn in sieben Jahren auch
Kein Dach bedeckt/
Noch Müh erschreckt/
Ob schon das Wetter wild/ und rauch.
13.
O arme Freuden/
Nicht zu beneyden/
Bey so viel Ungemach;
Was ist das Jagen
Bey nassen Tagen
Für ein' trostreiche Sach/
Allwo der Leib gemattet ab/
Und immer zu/
Beraubt der Ruh'/
Samt seiner Lust geht nach dem Grab.
14.
Die Freud dort oben/
Die ist zu loben/
Und zu verlangen sehr/
Weil mit Beschwerden
Alldort nicht werden
[322]
Vermischt die Freuden mehr:
Die Nuß hat dort kein' bittre Schelff;
Die Herden seynd
Dort ohne Feind/
Weil zu beförchten keine Wölff'.
15.
Diß ist die Wohnung/
Der Buß-Belohnung/
In meines Daphnis Reich/
Was kan mir Schrecken/
Und Forcht erwecken/
Wann ich von hinnen weich'?
Wann ich aus diesem Jammerthal/
Und Thränen-Bach/
Wo nicht als ach/
Wird' eingehn in den Freuden-Saal.
16.
Mein hier-verbleiben/ 10
Und Zeit vertreiben/
Ach währet allzu lang!
Das groß Verlangen
Gott umbzufangen 11
Macht mir unsäglich bang!
Ey laß! warum dann sterb' ich nicht/
Der langen Zeit
Forthin befreyt/ 12
In Schauung Gottes Angesicht!
[323] 17.
Dich aber gebe
Zu Ruh'/ und lebe
Clorinda/ wohl getröst:
Es wird bald brechen/
Kanst kaum mehr sprechen/
Wirst werden bald erlößt;
Das Blut in meinen Adern schon/
So stäts gewallt/
Wird aller kalt/
Der Tod eylt starck mit mir darvon.
18.
Nun/ du verwandte/
Liebreich-bekandte/
Sehr werthe Hirten-Schar
Und ihr Freundinne:
Mit-Schäfferinne/
Euch alle Gott bewahr':
Nemmt wohl in acht die Ewigkeit/
Sie kommt behend/
Und hat kein End/
Feur/ oder Freud ist dort bereit.
19.
Wär' ich an Brüsten
Der Welt-Gelüsten
Gehangen biß hieher/
Und müßt' jetzt sterben/
Zum Heyl-erwerben
Gantz Trost- und Hoffnung-lär/
[324]
Was wurd' es nunmehr helffen mich/
Wann ich nun müßt/
Gantz ungebüßt/
Gehn zum Verderben ewiglich?
20.
Ach/ ach! bedencket/
In euch versencket
Tieff meine letste Wort:
Niemand kan leben 13
Der Freud ergeben/
Glückselig hier/ und dort!
Ade: Clorind' nach Gott verräißt/
Es geht zum End'
In deine Händ'/
O Gott/ befehl' ich meinen Geist!

Fußnoten

1 Breviar. Rom. 15. Octobr.

2 Psal. 121. v. 1.

3 Regis Atabalibæ Palatium cum 20. Domibus.

4 Die Pflüge/ und alles Haußgeschirr.

5 O Israël, quàm magna est domus Dei. Baruch. 3. v. 24.

6 Apoc. 21. Plateæ civitatis aurum mundum. v. 21.

7 Apoc. 21. Plateæ civitatis aurum mundum. v. 20.

8 Structura muri ejus ex Lapide Iaspide. v. 18.

9 Ein Sohn Thesei, ein fürtrefflicher Jäger. Poët.

10 Heu mihi, quia incolatus meus prolongatur. est. Ps. 11. v. 5.

11 Coarctor, etc. desiderium habens dissolvi, & esse cum Christo. Philipp. 1. v. 23.

12 Quando veniam, & apparebo antefaciem Dei. Ps. 41. v. 3.

13 Impossibile est, ut præsentibus quis, & futuris fruatur bonis. S. Hieron. Epist. 34. ad. Juliau. vers. fin.

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TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden dritter Theil. [Gott sey gepriesen]. [Gott sey gepriesen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DBB5-7