[177] [182]8. Clorinda erfreut sich/ daß sie von dem unglückseligen Sünden-Stand/ und böser Gesellschafft erlößt/ in den Stand der heylsamen Buß versetzt worden

Domine, deduxisti ab inferno animam meam, salvâsti me à descendentibus in lacum,

Psal. 29. v. 4.


Herr/ du hast meine Seel aus der Höllen geführt: du hast mich erlöst von denen/ die in die Grube fahren.


1.
Satan sammt allen Gespenstern der Höllen/
Welche des Menschen gefährlichste Feind/
Einen gottsförchtigen Menschen zu fällen/
Warlich so mächtig bey weitem nicht seind/
Als die Leichtfertigkeit böser Welt-Kinder/
Weilen geschwinder
Der Mensch durch eine böse That
Verführt wird/ als durch blossen Raht.
2.
Welcher mit spitzigen Dörnern umbgehet/
Ohne Verletzung kommt nimmer darvon;
Waitzen/ der unter die Distel gesäet/
Leichtlich ersticket/ wie gut er auch schon;
[182]
Malvasier unter dem Eßig nicht dauret/
Gäntzlich versauret:
Wer bey den Bösen Freundschafft sucht/
Mit ihnen auch bald wird verrucht. 1
3.
Unter den räudigen Schaafen niemalen
Bleibet ein sauberes Lämmlein gesund;
Auch so gar göldne Becher/ und Schalen
Werden besudlet von kräncklichem Mund:
Köche bey rußigen Häfen/ und Härden
Schmutzig bald werden:
Wer Vögel-Kleb/ und Hartz berührt/
Wird von demselben leicht beschmiert. 2
4.
Weißlich die Vögel dem Geyer abweichen/
Billich abscheuhet den Habich die Daub/
Wann sie viel wolten mit ihnen umbstreichen/
Wurden sie ihnen bald werden zum Raub;
Lämmer/ der Wölffen Gemeinschafft beflissen:
Werden zerrissen:
Wer sich den Träbern mischet ein/
Den fressen/ wie man sagt/ die Schwein.
5.
Dieses hat Dina genugsam erfahren/
Als sie welt-süchtig gezogen von Hauß/ 3
Hätte den Kosten wohl können erspahren/
Massen es übel geschlagen ihr auß/
[183]
Dann sie ein seufftzende Trägerin wurde
Kindlicher Burde:
Bey Frommen in dem Vatterland
Erlidten hätt kein solche Schand.
6.
Lucifer unter den Englen schlimm hausend/
Wegen der Boßheit ein räudiges Schaff/ 4
Tödtlich ansteckte derselben viel tausend/
Zoge sie mit sich zur ewigen Straff;
Wenig sind die nicht durch böse Gesellen
Fahren zur Höllen:
Ein fauler durchgehölter Zahn
Steckt unvermerckt viel andre an.
7.
Salomon, welcher in blühender Jugend 5
Weiser gewesen/ als niemand vor ihm/
Welchen Gott wegen vielfältiger Tugend
Oeffter gewürdigt mit leiblicher Stimm/
Als er die Heydnische Weiber berühret/
Wurde verführet:
Ein zahmer Baum im wilden Wald
Die gute Art verliehret bald.
8.
Petrus hat unter den bösen Gesellen 6
Bey dem Feur sitzend sich hefftig verbrennt/
Als er den Menschen bekennen nicht wöllen
Welchen er besser/ als niemand/ gekennt/
[184]
Eine nur schwache Magd machte den alten
Felsen zerspalten:
Dem Stroh kommt die Gesellschafft theur/
Wann es sich nahet zu dem Feur.
9.
Judas ist worden der ärgste Mißthäter/ 7
Weil er der Juden Gemeinschafft gesucht/
Wurde gar seines Erlösers Verrähter
Also/ daß er sich auch selbsten verflucht/
Wäre zu solcher Mißhandlung nicht kommen
Unter den Frommen: 8
Dem Mäußlein/ so mit Katzen spilt/
Unfehlbar es das Leben gilt.
10.
Weilen Proserpina 9 eintzig spatzierte
Frecherweiß auff dem Ennæischen Feld/
Pluto 10 von dannen sie gähling entführte
Nach dem unlustigen Höllen-Gewäld/
Wäre/ wann sie die Gesellschafft geschohen/
Leichtlich entflohen:
Wer sich nicht scheucht vor böser Schaar/
Der geht zu grund in der Gefahr. 11
11.
Abraham mußte die Freunde verlassen/
Vatter/ und Mutter aus Gottes Geheiß/ 12
Böse Gesellen abscheuhen/ und hassen/
[185]
Meiden das schädliche Götzen-Geschmeiß/
Also sich selber von schlimmen/ und bösen
Freunden erlösen:
Der Safft muß abgesöndert seyn
Von Träbern/ soll er werden Wein.
12.
Gleicher weiß müßte von Sodoma weichen
Eylends der übel-gesellete Loth, 13
Ohne verschnauffen dem Berge zu keichen/
Gäntzlich verlassen die sündige Rott/
Hätte unschuldig sonst eben auch müssen
Fremmde Sünd büssen:
Wer sich den Mördern zugesellt/
Sich selbst ein böses End erwehlt.
13.
Moyses bey Pharaon wolte nicht bleiben/
Ob er schon wurde gehalten sehr hoch/
Wolte viel lieber die Wullen austreiben/
Als sich ergeben dem Heydnischen Joch/
Sorgte von Gott sich gar endlich zu scheiden
Unter den Heyden:
Wer ein verfaultes Aaß nicht fliecht/
Auch den Gestanck bald an sich ziecht.
14.
Wann dich die Sünder/ sagt Salomon, locken/
Lasse bey Leib dich mit ihnen nicht ein/ 14
Ob sie schon zeigen die köstliche Brocken/
Göldene Schalen mit Cretischem Wein/
[186]
Sonsten wirst du es in ewigen Qualen
Müssen bezahlen:
Dann keinem wird die Zech geschenckt:
Heißt/ mit gestohlen/ mit gehenckt.
15.
Unter der bösen Gesellschafft ich immer/
Läider! gewesen von Jugend auff bin/
Wurde dahero nur immerdar schlimmer/
Lauffend' nach aller Leichtfertigkeit hin
So/ daß ich endlich im Cyprischen Orden 15
Meisterin worden/
Vertiefft gantz in der Sünden-Höll/
Vertretten hab'/ der Lais Stell. 16
16.
Endlich als Daphnis mich also gesehen
Unter der nunmehr verworffenen Schar/
Daß es umb meine Seel wäre geschehen/
Massen ich ärger/ als Rosemund war/ 17
Hat Er sich meiner Gottlosen erbarmet/
Heimlich umbarmet/
Und aus des Satans Rachen mich 18
Gezogen mit Gewalt zu sich.
17.
Gleich wie Andromede wurde errettet
Aus dem Verderben durch Perseus Hand/
Als sie am Felsen anhangte gekettet/
[187]
Und sich nun gäntzlich verschätzet befand';
Also hat Daphnis mich aus dem gewissen
Elend gerissen:
Das von Andromede Gedicht
An mir ist worden ein Geschicht.
18.
Orpheûs hat seine Gemahlin entzogen
Mittels der Harpffen dem traurigen Reich 19
Weilen er aber dem Pluto gelogen/
Hat er verlohren sie wiederumb gleich/
Welches Verbrechen Euridice büssen
Schmertzlich hat müssen:
Mich Daphnis aber hat erlößt/
Daß ewig ich darmit getröst.
19.
Machte die böse Gesellschafft mich fliehen/
Stellte mich völlig auff sicheren Fuß;
Ach daß ich sie auch mir könnte nachziehen/
Ernstlich zu würcken erforderte Buß!
Daß wir nachmalen/ gottselig bereuet/
Wurden erfreuet:
Ach werdet schmertzlich doch berührt
Ihr endlich/ die ich hab' verführt!
20.
Eya dann Sünden-vertieffte Welt-Kinder
Kommet/ und folget mir büssenden nach;
Wer sich selbst straffet/ der büsset gelinder/
Rettet sich selber vor künfftiger Schmach:
[188]
Allezeit pflegen beläidigte Waffen
Strenger zu straffen.
Wo Gott nicht muß/ da strafft Er nie/
Wer sich selbst strafft/ spart Ihm die Mühe.

Fußnoten

1 Proverb. 13. v. 20. Amicus stultorum efficitur similis.

2 Eccles. I.v.t. qui tangit picem, inquinabitus ab ea.

3 Gen. 34.

4 Tertia pars stellarum. Apoc. 8. v. 12.

5 3. Reg. 3.

6 Marc. 14. 4. Matth. 16. Tu es Christus filius Dei vivi.

7 Matth. 26. v. 14. tunc abiit.

8 Cum electo electus eris, & cum perverso, pervertéris. Psal. 17. v. 27.

9 Die Höllen-Göttin.

10 Der Höll-Gottt Poët.

11 Eccles. 3. v. 27. Qui amas periculum, peribit in illo.

12 Gen. 14.

13 Gen. 19.

14 Prov. 1. v. 10. Si te lactaverint peccatores, ne acquieseas eis.

15 In der Unlauterkeit.

16 Lais ein berühmte Gelt-Gewinnerin zu Corinth.

17 Ein gottlose Königin.

18 Simulacris sacrificabant, & ego, quasi Nutritius Ephraim, portabam eos in brachiis meis: & nescierunt, quòd curarem eos: in funiculis Adam trahebam eos. Osc. II. v. 3. & 4.

19 Der Höllen. Hat die Bedingnuß gebrochen. Poët.


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TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. [Satan sammt allen Gespenstern der Höllen]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB9F-C