[39] [43]5. Clorinda betrachtet in ihrer Kleinmühtigkeit die so vielen grossen Sündern erzeigte Barmhertzigkeit Gottes/ und schöpfft darauff neue Hoffnung

Cùm iratus fueris, misericordiæ recordaberis.

Habac. 3. v. 2.


Wann du zörnest/ so wirst du der Barmhertzigkeit gedencken.


1.
Ach Daphnis zörne nicht so sehr/
Laß deinen Grollen sincken/
Laß' mich nicht in dem tieffen Meer
Der Traurigkeit ertrincken!
Dein bleicher Zorn dringt/ wie ein Dorn/
Mir scharff/ und tieff zu Hertzen/
Brennt ungeheur/ gleich wie ein Feur/
Macht unerhörte Schmertzen.
2.
Gedencke deiner Gütigkeit/
Nicht meiner schwären Sünden/
Sey länger nicht mit mir entzweyt/
Laß' mich Gnad bey dir finden/
Was hilfft es dich/ wann du schon mich
Zur Höll hinunter plitzest?
[43]
Schlagst du schon zu/ im Himmel du
Nicht desto höher sitzest.
3.
Du zörnest zwar unbillich nicht/
Dein Straffen ist zu loben/
Dem deine Hand den Halß zerbricht/
Hat Ursach nicht zu toben/
Mehr aber wirst/ ô Himmels-Fürst/
Der zarten Lieb gepriesen/
Und dir viel mehr Danck/ Lob/ und Ehr
Der Güte halb erwiesen.
4.
Es reute dich ja selbst der Rach
Dort Genesis am achten/
Als du/ wie daß der Mensch so schwach/
Beginntest zu betrachten/
Du sagtest dort/ ich will hinfort
Die Sündfluth nicht mehr schicken/
Warumb dann soll ich/ Thränen-voll/
In meinem Läid ersticken?
5.
Der den Urias wider Recht/
Und Billichkeit entweibet/ 1
Ja ohne Schuld in dem Gefecht
Mit fremmder Hand entleibet/
Der könnte stracks ( ô Plitz von wachs)
Die Huld von dir erpressen/
Mit einem Kind wurd' seine Sünd
Vergraben/ und vergessen.
[44] 6.
Als Roboam dein ärgster Feind 2
Drey Wörtlein nur gesprochen/
Da wurd' er schon dein bester Freund/
Als hätt er nichts verbrochen/
Kaum sagt' Er schlecht: Gott ist gerecht:
Und seufftzte was beyneben/
Da war' ihm schon der Spott/ und Hon/
So er dir thät'/ vergeben.
7.
Manasses noch ein junger Knab 3
Schon deines Namens Spötter
Hat sich von dir gezogen ab/
Verehrt die falsche Götter/
Zu solcher That so gar auch hat
Dein gantzes Volck gemüsset/
Doch hat er mit geringer Bitt
Dein bitters Hertz ersüsset.
8.
Was hast du wegen Ninive 4
Nicht für ein Lob bekommen/
Als du es nach entwehntem Weh'
Zu Gnaden auffgenommen?
Man preiset hoch ja heute noch
Deßwegen deinen Nammen/
So nicht gescheh'/ wann du es gäh
Gestrafft mit Schwerdt/ und Flammen.
9.
Wie schlecht hast dich alldorten nicht 5
An jenem Weib gerochen/
[45]
Die man gebracht für dein Gericht/
Als sie die Ehe gebrochen?
Du sagtest nur (ô Sünden-Cur)
Geh'/ bessere dein Leben/
Die Sünd ist dir/ weil niemand hier/
Der dich verdamm'/ vergeben.
10.
Viel wird zwar von Gottlosigkeit
Der Sünderen gelesen/
Ist niemand doch so gar verschreyt/ 6
Wie Magdalen gewesen/
Doch wurde sie ohn' alle Mühe
Mit deinem Zorn versöhnet/
Indem sie suß nur deine Füß
Umbfangen/ und bethränet.
11.
Der Schächer/ der im Menschen- Blut
Offt seine Händ gewaschen/ 7
Der viel im Wald gefischtes Gut
Gesteckt in seine Taschen/
Der böß gethan von Jugend an/
Biß daß er müßte hangen/
Sagt' nur allein: Gedencke mein:
Drauff hast du ihn umbfangen.
12.
Der Jünger/ dem du sonderbar
Geneigt/ und wohl bewogen/ 8
Den du den andern immerdar
Hast mercklich vorgezogen/
[46]
Der hat hernach zu deiner Schmach
Dich dreymahl frech verneinet/
Doch war' die Schuld verkehrt in Huld/
So bald er heiß geweinet.
13.
Maria, ein' berühmte Dam, 9
Gebürtig aus Aegypten/
Ein freche Lais 10 ohne Scham/
Ein schaum der Geyl-verliebten/
Hat bey dir Gnad im höchsten Grad
Durch nasse Reu erworben/
Drauff heilig sehr zu deiner Ehr/
Und meinem Trost gestorben.
14.
Theophylus, als er dort war' 11
Entsetzet seiner Ehren/
Hat dörffen dich/ ô Gott/ so gar
Verfluchen/ und verschwören/
Indem sich er dem Lucifer
Mit Leib und Seel verschrieben/
Doch hat er mit Maria Bitt
Dich zu der Huld getrieben.
15.
Du sagst bey Isaia rund/ 12
Wer sich nur wöll' bekehren/
Dem wöllest du zu keiner Stund
Die Gnaden-Thür versperren/
Wann seine Sünd/ und arge Fünd'
[47]
Schon roth/ wie Scharlach/ wären/
So wilst du/ wie Baumwollen/ sie/
Und neuen Schnee erklären.
16.
David hat deine Gütigkeit
Sehr hoch herfür gestrichen/ 13
Als konnt' in deiner Wesenheit
Ihr werden nichts verglichen/
Kein Eigenschafft 14 hab solche Krafft
In äusserlichen Wercken:
Soll dieses nicht die Zuversicht
In mir/ ô Daphnis, stärcken?
17.
Wann schon ein Kind den Vatter hat
Zum öffteren betrübet/
Aus Boßheit manche Missethat
Zu seiner Schmach verübet/
So bald es sich demühtiglich
Einstellt mit Reues-Zeichen/
Laßt er sein Hertz/ wann es von Aertz
Schon wäre/ doch erweichen.
18.
Das zeuget der verlohrne Sohn/ 15
Der alle Gnad erworben/
Ob er in Sünd- und Lastern schon
Schier allerdings erstorben/
Er sagt allein/ ach Vatter mein/
[48]
Ich hab gesündigt läider!
Da wurden an Ihm stracks gethan
Die Gnad- und Ehren-Kleider.
19.
O Gott/ du bist mein Vatter ja
(Will Bräutigam nicht sagen)
Seh' an/ wie ich bereuet da
Schier will in Läid verzagen/
Ich muß vergehn mit Magdalen
In heiß- geweinten Thränen/
Wilst du/ als Stein/ dann härter seyn/
Und mich dir nicht versöhnen?
20.
Ach bleibe mir nicht länger gram/
Halt' ein den Zornes-Besen/
Gedencke/ daß mein Bräutigam
Du bist zuvor gewesen:
Wann du mich recht/ und nicht nur schlecht
Geliebt vor meinen Sünden/
Wird meine Reu dich auff das neu
Ja leicht mit Lieb entzünden.

Fußnoten

1 David. 2. Reg. 12.

2 2. Paralip. 12.

3 2. Paralip. 33.

4 Ionæ 3.

5 Ioan. 8.

6 Luc. 7.

7 Luc. 23.

8 Matth. 26.

9 Laurent. Surius 9. Ap. ex Paulo diacono.

10 Ein unehrbares Weib.

11 Chron. Sigeberti ad ann. 537.

12 Isai. 1.

13 Psal. 44. v. 9.

14 Attributum.

15 Miserationes super omnia opera invenies. Ps. 144. v. 9.

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TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden erster Theil. [Ach Daphnis zörne nicht so sehr]. [Ach Daphnis zörne nicht so sehr]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB8D-3