[68] [72]8. Clorinda erwegt die Zergengligkeit dieser betrieglichen Dingen/ und bewäinet ihr verübte Eitelkeit

Væ, qui trahitis iniquitatem in funiculis vanitatis!

Isa. 5. v. 18.


Wehe Euch/ die ihr die Boßheit an denen Stricken der Eitelkeit ziehet!


1.
Weh' meiner Eitelkeit/
Der ich so manches Jahr
Zu Diensten angewendet/
Von welcher ich verblendet/
Des Himmels gantz und gar
Vergessen allbereit!
Weh' meiner Eitelkeit/
Die mich mit Gott entzweyt!
2.
Sagt mir/ ô werthste Freund'/
Was ist auff gantzer Welt
So starck/ und auserlesen
In seinem Thun/ und Wesen/
So lang bleib ungequält/
Und frey vor seinem Feind?
Wer ist/ an dem das Glück
Nicht übe seine Tück?
[72] 3.
Was ist die schöne Stadt
Und Himmels-hohe Maur
Des starcken Thurns zu Babl
Nunmehr/ als eine Fabl/
An welchem man so saur/
Und lang geschwitzet hat?
Wer sie nun finden will
Braucht eine scharffe Brill.
4.
Wo ist/ ô Assuër, 1
Nunmehr dein schöner Saal
Mit Edelgstein gepflastert/
So schön veralabastert
Mit Bildern überal/
Als wann er Göttlich wär?
In deinem stoltzen Hauß
Wohnt jetzt der wilde Strauß.
5.
Ach wo ist Salomon
Mit allem seinem Pracht/
Und Herrlichkeit hinkommen? 2
Der Tod hat ihn genommen/
Und/ wie er auch verwacht/
Gestürtzt von seinem Thron:
Das Helffenbein war' ein 3
Ihm gar kein-Helffenbein.
[73] 6.
Sein prächtiger Pallast/
Und schönes Gottes-Hauß
Sich schon vor längsten haben
Mit eignem Last begraben/
Und sehen/ läider! auß/
Daß es ungläublich fast/
Seynd so gerissen ein/ 4
Daß nicht mehr Stein auff Stein!
7.
Sein unerhörter Pracht/
(Vor dem die Königin
Von Saba sich entsetzte/ 5
Daran so sehr ergetzte/
Daß sie gefallen hin
Vor Wunder in Ohnmacht)
Ach nur zu gar behend
Genommen hat ein End.
8.
Obschon er tausendfach
Nach Kräfften seiner Witz
Der Lustbarkeit genossen/
In dem hervor geflossen
Von seinem Glückes-Sitz
Ein grosser 6 Nectar-Bach:
Was hatte er darvon/
Als Reu/ den Freuden-Lohn?
[74] 9.
Er selbst hat alle Freud/
Wie hoch ergetzlich sie/
Ein' Eitelkeit genennet/ 7
Indem er klar erkennet/
Daß man sie niessen nie
Könn' ohne Seelen-Läid:
Dann was den Leib ergetzt/
Die arme Seel verletzt.
10.
Wo ist die Majestät/
Und hoher Glückes-Stand
Der stoltzen Pharaonen/
Die sich auff göldnen Thronen
Dort in Aegyptenland
Groß machten in die Wett?
Die Zeit hat ihren Pracht
Und sie zu Staub gemacht.
11.
Wo ist der tolle Götz
Nabuchodonosor,
Der als ein Gott der Erden
Wolt' angebetten werden/
(O Königlicher Thor
Wohl würdig des Gespötts!)
Er müßt' in Wald hinaus/
Spöttlich/ wie Acheloûs. 8
[75] 12.
Obschon an jedem Ohr
Ein gantzes Königreich
Cleopatra getragen/ 9
Und sich auff göldnem Wagen
Der stoltzen Juno gleich 10
Geschwungen hoch empor
So/ daß ihr keine Lust
Verblieben unbewust.
13.
Ob sie schon geiler/ als
Volupia gelebt/ 11
Und an den weichen Brüsten
Der weltlichen Gelüsten
Gantz Kletten-zäh geklebt
Voll Lusts biß an den Halß/
Obschon diß Venus-Thier
In Lust ertruncken schier.
14.
Wie lang hat es gedeyt/
Wie lang hat es gewehrt?
In ihren besten Jahren
Hat sie mit Läid erfahren/
Daß niemand vor dem Schwerdt
Des Unglücks sey befreyt:
Zwo Schlangen an der Brust
Vertrieben ihr die Lust.
[76] 15.
Wo ist Sardanapal,
Der dapffre Kunckel-Held/
Der sich befunden immer
Nur bey dem Frauen-Zimmer/
Hingegen in das Feld/
Gewagt sich nicht einmal?
Der eitler/ als ein Weib/
Gepflogen seinem Leib?
16.
Wie wurd' ihm nicht so theur/
Und scharff die Freud verwürtzt/
Indeme dieser Königs
(Gar unglückhaffte) Phœnix
Verzweifflend sich gestürtzt
Vor Unmuht in das Feur/
Und so auff heisser Gluht
Geendet seinen Muht.
17.
Sagt/ wo ist Julius,
Der Käysern Ruhm/ und Zier/
Der niemahl unterlegen
Mit seinem Glückes-Degen:
Den die Fortuna schier
Ertränckt mit Uberfluß/
Und ihn so hoch geführt/
Daß ihn kein Läid berührt?
[77] 18.
Ey laß! in bestem Lust
Da war' es mit ihm auß/
Dann er von seinen Feinden/
(Vermeinten besten Freunden)
In dem befreyten Hauß 12
Erbärmlich sterben mußt:
Brutus sein eigner Sohn
Riß' ihn von seinem Thron.
19.
Der Zucker Gallen macht:
Der Wollust folgt das Läid/
Gleich wie dem Leib der Schatten:
Der Ochs wird von der Matten/
Wann er fett von der Wäid/
Geführet auff die Schlacht:
Das Glück speißt seine Knecht
Nur umb das Jäger-Recht.
20.
Ade dann Eitelkeit/
Du böse Seelen-Pest/
An wessen göldnen Stricken
Nicht wenig Leut ersticken/
Die schier auch mir den Rest
Gegeben allbereit/
Wo mich nicht Daphnis Hand
Erlößt von deinem Band.

Fußnoten

1 Esther. 1.

2 Sexaginta fortes ambiunt ex fortissimis Israël. Cant. 3. v. 7.

3 Salomons Thron ware von Gold und Helffenbein. 3. Reg. 10. v. 18.

4 Matth. 24. v. 2.

5 2. Paralip. 9. v. 4.

6 Götter-Tranck/ alle Wollust.

7 Eccles. 1. v. 2.

8 Acheloûs wurde in einen Ochsen verwandlet. Poët.

9 Königin in Aegypten hat Perl an den Ohren getragen/ die ein Königreich werth.

10 Himmels-Göttin/ Poët.

11 Die Göttin der Wollüst. Poët.

12 Capitolio.

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TextGrid Repository (2012). Laurentius von Schnüffis. Gedichte. Mirantisches Flötlein. Der Clorinden erster Theil. [Weh' meiner Eitelkeit]. [Weh' meiner Eitelkeit]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-DB49-C