[140] Die beiden Hähne

Zwei Hähne lebten friedlich Tag und Nacht,
Bis eine Henne kam; da war der Streit entfacht.
Liebe, um dich entstand das wilde Spiel,
Dem Troja einst zum Opfer fiel,
Um dich nur wurde einst in heißer Schlacht
Von Götterblut sogar der Xanthos rot gemacht!
Der Kampf der Hähne währte lang genug,
Auf seinen Lärm hin war bald alles da,
Was einen Kamm auf seinem Kopfe trug,
Und mehr als eine schöne Helena
War Preis des Siegers. Der Besiegte aber schlug
Sich seitwärts in die Hecken voller Scham,
Beweinte sein Geschick und seufzte, da er sah,
Wie sein Rivale stolz der Schönen Liebe nahm.
Dies fachte neu den Zorn des Unterlegnen an;
Er schliff den Schnabel, schlug die Luft und seine Seiten,
Um derart sich zu neuem Streite zu bereiten;
Denn nichts mehr hielt den Eifersüchtigen in Bann.
Doch war's nicht nötig, daß er neu den Krieg begann.
Sein Überwinder flog zum Dach hinan
Und krähte laut Triumph. Ein Geier
Erspähte dort den eitlen Schreier.
Lebt wohl nun, Lieb und Ruhm,
Leb wohl, du Heldentum,
Da alles nebst dem Siegeslied
In Geierkrallen jäh verschied!
Infolge dieser Fügung kehrt der andre Hahn
Zum Hennenvolk zurück und spielte den Galan;
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Stellt selbst euch das Gegacker vor
Von seinem großen Frauenchor!
Gern spielt das Schicksal den Betrüger.
Am eignen Untergang schafft jeder eitle Sieger.
Mißtraut dem Glück und nehmt euch wohl in acht,
Nachdem ihr Sieger bliebt in einer Schlacht.

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TextGrid Repository (2012). La Fontaine, Jean de. Versfabeln. Fabeln. Die beiden Hähne. Die beiden Hähne. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-D98C-6