4. Der Virtag oder Mittwoch
13. Virtagsabendtheil

1. 73.
Anmerk, O Christ, zu allen zeiten
Das neun der Weh und Seelikeiten!
Rechtseelig, welcher arm im Geist;
Der traurig; der sanfftmüttig heist;
Der voller Rechts; der sich erbarmet;
Der Reinikeit; der Frid umarmet;
Der um das Recht verfolgung trägt;
Der stets um Gott wird ausgefegt.
Unseeligs Neun, das dis ausführet!
Wann es uns krönt, wird es entziret.
2. 74.
Besaltze recht dein gantzes leben,
Das Gott zum saltz der Welt gegeben.
Du bist ihr Licht: Drum leuchte klahr.
Di Stadt am Berg ist offenbahr.
Di Kertze wil am leuchter stehen,
Das all im haus im lichte gehen:
So leuchte auch mit voller stärk,
Ein Beispil in dem Wort und Werk,
Das euer Vater, der dort oben,
Um euer gutts allein erhoben.
[255] 3. 75.
Christfolge stets das innre Wesen,
Was im Gesätz und Schrifft zulesen.
Volführ in dir, was dort gebildt,
Das auch kein i dir unerfüllt.
Du solst di Zehngebot auskernen:
Ihr inners Zehn durchaus erlernen.
Dein Christenthum ist zehnfach mehr,
Als imals war der Juden lehr.
Zehnfächtig ist das Vorbild minder
Als selbst das Wesen, das der Kinder.
4. 76.
Durchdringe mit der reinsten libe
Auch deiner ärgsten Feinde tribe.
Durchsegne, welcher dich verflucht:
Umhalse, der dein Unglükk sucht.
Thu, wi dein Vater. Seine Sonne
Gibt gutt- und bösen täglich wonne.
Welch Sünder libt nicht seinen Freund?
Si meinen wohl, der si wohlmeint.
Nachahme Gott, und sei vollkommen,
Weil du aus Gott ja bist genommen.
5. 77.
Erkenne, was dir schuld gebühret,
Wann du zum gutten bist entrühret.
Gib nicht Almosen voller pracht,
Das du darinnen grosgemacht.
Las deine linke hand nicht wissen,
Was aus der rechten wolt ausflüssen.
Di Heuchler haben hir den lohn,
Und dort bei Gott nichts mehr davon.
Gib heimlichst, gib. Gott wirds anblikken,
Und offentlich belohnung schikken.
6. 78.
Formtrage nimmer mit vil beten
Nach Heuchlerart vor Gott zutreten,
In tempeln, häusern, auf der stras
Mit langer Heilikeiten Was.
Verschleus di kammer, da du kniest,
Aufs heimlichst, wann zu Gott du flihest.
[256]
Dein Vater siht wohl, was du thust,
Wann du in ihm alleine ruhst.
Gott wird dirs offentlich vergelten
In disen und jenen Welten.

14. Virtagsnachttheil

7. 79.
Geistbete, wi wir beten sollen,
Nicht wi dein Fleisch und blutt nur wollen.
Sprich: Vater, der im himmel wohnt,
Dein heilger nahme sei bethront,
Dein Reich das komm, dein Will geschehe,
Gib täglich brod, um das ich flehe,
Vergib, wi ich vergeb, di schuld,
Versuch Uns nicht, Ach hab gedult.
Dein ist das Reich, di krafft und ehre:
Di aller Zeiten Zeit vermehre.
8. 80.
Heimstelle gäntzlich Gott dein alles;
Vergib, vergib auch was vor falles,
Das dir vergeben wider werd
Im Himmel und hir auf der Erd.
Vermeide nur dein eigentrutzen,
Und deiner sachen eigenputzen,
Weil dir sonst gleiches widerfährt,
Wann du Vergebung hast begehrt.
Dein Vater wil mit dir auch handeln,
Wi du mit andern pflegst zuwandeln.
9. 81.
Jauchtzschreie, wann du Gott wilst fasten,
Und nihm nicht an der heuchler lasten:
Vor menschen haben si gedint;
Vor menschen ist ihr lohn vergrünt.
Du must di faste heimlich werken,
Das andre menschen nichts anmerken.
Im eusern thu, wi du sonst pflegst,
Wann du um Gott di fast anlegst:
[257]
So wirstdu dich um Gott kasteien,
Und ewigst dessen dich erfreuen.
10. 82.
Klahrmache dir bei Gott di schätze,
Das si kein dib dir mehr verletze.
Es wohnt dein hertz auf solchem platz,
Wo ihm vergraben ligt sein schatz.
Ist nun dein schatz bei schaben, Motten;
So wird dein hertz im schatz verrotten.
Wo nun dein schatz im himmel gläntzt,
So hat dein hertz ihn dar umgräntzt.
Gib Gott dein Alls; Gott wirds bewahren:
Du wirsts dis hir und dort erfahren.
11. 83.
Lichtleuchte lichte mit dem lichte,
Aus welchem eintzig dein gesichte.
Ist dises sauber, rein und schlecht,
So ist dein leichnam licht und recht:
Wo aber dis in dir verglinstert,
So ist dein leichnam auch durchfinstert.
Wo selbst dein Auge finster schaut,
Welch finster, das des finstern Braut?
Das finsterste des lichts ist lichter,
Als lichtste theil der Nachtgesichter.
12. 84.
Mittheile dich nicht zweien Herren,
Wo du nicht wilst dein heil versperren.
Wann Gott und Welt dir werden eins,
Wird dir von beiden endlich keins.
Wi wilstdu Gott und Mammon wählen?
Um speis und trank und kleid dich quälen?
Ist nicht di Seele vor der speis,
Der leib vor kleider gleicher weis?
Wer ist doch, der den Vögeln fischet,
Di Blumen kleidt, di Lilg erfrischet?
[258]

15. Virtagsmorgentheil

13. 85.
Nachtrachte Gottesreich vor allen:
Las Gotteslob aus dir erschallen.
Gedenke erst, was Gott befahl:
O wandle rein in Gottesstrahl.
Natur wird selbst vor sich zueilen:
Natur mus nothdurft dir mittheilen.
Versorgt euch nicht nach Heidenart:
Gott hat eur theil euch längst bewahrt.
Was denkt ihr heute schon auf Morgen!
Lasst iden tag vors seine sorgen!
14. 86.
O richte keinen, wi di bösen!
Gott löset, di den nechsten lösen:
Verdammet den, der stets verdammt,
Gibt gleiches mas und gleiches amt.
Der Urtheil gab, mus es empfangen.
Was ider that, wird er erlangen.
Gestrengen Menschen wird Gott streng:
Hält gleiches Mas, gewicht und meng.
Sei fremder schuld, O mensch, genädig:
So wirstdu eigner schuld selbst ledig.
15. 87.
Probprüfe deinen eigen balken,
Und sih, was selbst in dir wil walken.
Bespigel dich im eignem hemd,
Eh du bespigelst andre fremd.
Entbalk dein aug und sei ein Ritter,
Eh du entsplitterst jener splitter.
O richte dich, eh du si richtst,
Und von dem nechsten übelsprichst!
Du Heuchler, such in eignen gründen,
Nicht anderer, was auszufinden.
16. 88.
Quellquille ni mit Gottesquellen
Den garstigthirischen der höllen.
Gib Perlen ni der Sau und Hund:
[259]
Si treten si und dich zu grund.
Das heilge macht di Weit unheilig.
Beim Bösen ist das gutt nachtheilig.
Der Narr schmäht höchster Weisheit tif:
Der Pöfel, was es nicht ergrif.
Brich Rosenlilgen, wo si nützen:
Sonst wirstdu dich gewaltsam ritzen.
17. 89.
Rechtklopffe fort, bis aufgeklopffet.
Ein stein wird mürb, der stets betropffet.
Aufbete ernst, bis du erhöhrt:
Durch zagheit hastdu dich versehrt.
Imehr du bittst, imehr zunehmen,
Wer sucht, der findt: las hir dein schämen.
Ein Vater gibet brod und fisch;
Nicht stein und schlang am kindertisch:
Gibt nun ein Böser gutts den seinen,
Wi solte Gott dir gutts verneinen?
18. 90.
Stets-thue dises deinen Brüdern,
Was du empfahen wilst von idern.
Dis, was von dir vor dich begehrt,
Das sei dem nechsten dargewehrt,
In leid, in freud, in schand, in bande,
In noth, in tod, in idem stande.
Bedenke stets: Nun dir, bald mir.
Er ist, wi ich. Dort uns, ihm hir.
Dis wil di schrifft nur austrompeten:
Dis ist gesätz und di Propheten.

16. Virtagsmittagtheil

19. 91.
Taglaufe an den engen stegen,
Nicht auf den breiten Königswegen.
Durchzwänge dich durchs kleine thor,
Zeuch es den grossen pforten vor.
Erschrikk nicht vor den dornensträuchen:
[260]
Vorn hügeln, felsen, klippen, leichen.
Steig mit dem armen hauffen auf:
Sih nicht nach jener Rosenlauf.
Der schmale steg macht himmelserben:
Der breite weg wil ewig sterben.
20. 92.
Verkenne ni di falschen Prister,
Der höllschen Drachen Schlanggeschwister.
Si schmeicheln allen als ein Lamm:
Und stellen sich als Gottesstamm.
Si sind di Wölfe, di zureissen,
Ob si auswendig Lammvoll gleichen.
Di heerde wird zu ihrem raub;
Durch si verderbt der wahre glaub:
Di heilge schrifft wird zu dem Babel,
Das stets ermordt der fromme Abel.
21. 93.
Wohlmerke doch di frücht der bäume:
Der gutt und bösen ihre käume.
Der Weinstokk träget keinen dorn:
Di distel Feigen oder Korn.
Ein gutter baum bringt lauter guttes:
Ein fauler ist des faulen bluttes.
Ein gutter Mensch bringt guttes fort:
Ein böser bös an idem wort.
Gott würkt das gutte: was ist zweifel?
Wer guttes schwärtzt, der ist vom Teufel.
22. 94.
Xgleiche mit den wahren Christen,
Di Gotteswillen nur gelüsten;
Di voller gutts und voller that
Erfüllen ihres Jesu Rath.
Der Vater wil den Sohn gebähren,
In Heilger hertz und sich verklähren,
Das ausgeh da der Heilge Geist,
Weil Gott ihr Vater ewigst heist.
Der Gott und gutt in Heilgen schändet,
Der ist, der euch und sich abwendet.
[261] 23. 95.
Yeine Gottes heilge Schrifften
In dir mit Gottes eignen trifften.
Sei kein Prophet in Gottes nahm,
Eh Gottes krafftwort dir aufkam;
Eh Satan ward aus dir vertriben,
Eh Gott in dir sich eingeschriben.
Wann du vertrittest Tod und Sünd,
So wirstdu recht zu Gotteskind.
Di nur um Gott historisch rennen,
Wil Gott noch hir noch dort erkennen.
24. 96.
Zufelse auf den Christusfelsen,
Was du von Christo wilst umhälsen:
Bau fest auf Christi geist dein haus,
Nicht auf der meinung sand und graus.
Dem werden eintzig nimmer bitter
Platzregen, flutten, ungewitter,
Der fest auf Christi felsgrund steht,
Und gantz in Christi leben geht.
Mein Jesus, las auf dich mich bauen:
So werd ich hir und dort dich schauen.

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TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 1. Virdtes Buch. Der 8. (53.) Kühlpsalm. 4. Der Virtag oder Mittwoch. 4. Der Virtag oder Mittwoch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B915-3