[83] 2. Das güldne GRAB ABC der Neungestalt und des zweianfanges
5. Kühlfünffmondstheil

1. 25.
Alsbald der Tod di seel von ihrem leichnam scheidt,
So gehn di Wunder an, die Babeln unbekand!
Ein ides bleibet gleich in seiner wurtzel stehn,
Aus welcher es erzeugt; in welcher es gelebt.
Der Himmel oder Höll ist idem an dem platz,
An dem sein zirkel sich zuschlos.
Di seele wohnt beim leib; der sterngeist lässt ihn nicht,
Bis seine zeit zur letztminut erfüllt.
Di Todten sind nicht weg, wi Babel fälschlich lehrt:
Von abgestorbenen bleibt etwas mehr dahinter.
2. 26.
Besitzt der leib sein grab nach seines Menschen sinn;
Nach seiner Landesart; an der erwählten stell;
Begräbt man ihn nach Recht, das di Natur ihm gab;
Ist er der Erd auch werth nach seines lands gesätz:
So ligt er in der ruh, di der ihm zuwünscht.
Wo hir sein schatz, und dort sein leib;
Hir seines hertz begehr, dort sein unrechtes grab;
Durch dis und jens; durch Mord, Recht, list, betrug;
Durch sich, durch andere; gantz plötzlich; unverhofft:
Er suchet seine Ruh, bis das gebein verschwunden.
3. 27.
Christ Jesus bewillkommt di seele mit dem Geist,
Di ihn auf diser Welt im hertzen bewillkommt!
Nachdem di zeit so hoch, so nah der achte Tag,
So komm di seel zur ruh nach Jesus neuem Sig.
Nun, nun verspricht der Geist hochseelge Wunderrust,
Di andern war zuvor verwährt.
Nach ides Sigel bruch geht an ein ander art:
Ein ander Neus in Jesu Wunderschos.
Von tag zu tage wird nur höher der empfang,
Weil das geheimnis sich vom Jesusreiche blösset.
4. 28.
Di Erde schleust den leib, den di verwesung trifft,
Bewahrend ihn so lang, bis si ihn widergibt,
Wann ides Element vollendt hat seine Erndt.
[84]
Was aus der Erden kam, geht in di Erden ein,
Ob wasser, lufft und feur es euserlich verzehrt.
Welch leichnam nicht verwesung siht,
Der ist verwandelt gleich als frucht der neuen Erd,
Und schon vereinst mit seiner seel und Geist.
Er steht wi Christus auf und kommt mit Christus an,
Als Richter in der Wolk zur zweiten auferstehung.
5. 29.
Erreichet eine seel am seidnem draat genad,
Eh si den leib verlis, in tausendfacher furcht?
Siht si meist ihre Werk in meisten gantz verbrandt?
Kein öl in ihrer lamp am härtstem Todeskampff?
Si hat nicht kleine furcht in ihrem knechtschem Geist.
Di zeit ist hin, der schaden da.
Ihr amt geht von ihr weg, wo si ein amt hoch trug:
Di ärgernis beschämt stets ihren sinn.
Si kommt zu Christo ein durch ihres glaubens tacht:
Ein junges Wigenkind in ihrem höchstem alter.
6. 30.
Führt eine seele hir den Zepter und das Schwerdt?
War si im Regiment in einer grossen macht?
Ein Kaiser, König, Printz? ein Staatsmann was vor schlags?
Zu gutt und bösem gleich? In Babels falschgesetz?
Halb Gottes, halb der Welt? Und hing am Christverdinst?
Schid auch in Christ an ihrem schlus?
Der glauben und di Furcht sind fast auf einer Wag!
Sehrwunderlichst geht hir mit solchen zu!
Si zagt und glaubet doch voll furcht vorm jüngstgericht.
Si kommt recht ein durchs feur ohn alle ihre Werke.

6. Kühlsechsmondstheil

7. 31.
Ging eine seele hir im hohem Pristeramt?
War si ein geistlich Haupt in einer Plaggemein?
Ein Pabst, ein Cardinal, Probst, General, Primar?
Vor dis und jene sect? In disem, jenen bund?
Halb Christi, halb der Welt? In Christi lehr und ehr?
Schid si gantz ab im Christverdinst?
[85]
War si vom zorn umfasst im zorne ihrer zeit,
Der si vilmehr als Bosheit überwog?
Sehr selten gehts hir zu, weit unbegreifflicher,
Als Babels Rath und Stadt in ihrer furcht ergreiffet.
8. 32.
Hilt eine seel hir haus in höchster Bürgerrei?
War si ein Unterthan vom allerreichstem schlag?
Ein Kaufmann, Edelmann, gelährter was vor grads?
Voll eiteln Witz und thuns? In Babels bester mod?
Vor Kaiser und vor Gott? unsträfflich in der sect?
Hilt si sich doch verlarvt zu Christ?
Schid si im Pfaffenwahn? an dem Erlöser fest?
Si hofft, doch schwach, auf Christi heil und spruch.
Si hofft und glaubt und hofft zugehn mit Christus ein,
Erwartend seiner kunfft im zweifelvollem zittern.
9. 33.
Irrt eine seel an Gott vom Mutterleib schon an?
Ging auch ihr leben hin nach blindem Vihestrib?
Mit ihrem blindem Volk voll blind gesätz, geschwätz?
Unwissend vom Geschöpff, vom Schöpffer überall!
In ihrer Väter fluch zu dem Gestirn verdammt?
Si scheidet blind; blind ist ihr thun:
Verflucht zu einer art, in was vor element.
Si wartet blind, wallt blind in diser weis.
Merkt, Menschen, das was mehr Gott sei beleidigen,
Als euer Babel lallt in seinem fabelglauben.
10. 34.
Kant eine seele Gott, als er sich offenbahrt,
Und lif doch auf der Erd den blinden Heiden gleich,
Verthummend ihren witz mit ihrem Vihgewerb?
War nur der bauch ihr Gott; das gold ihr gantzer glaub?
Achtet si nichts ihrer seel? his schertz das auferstehn?
Schid si so hin als wi das Vih?
Sehrelend ist ihr stand im allerhand verwirrn:
Si kennet itz nicht ihren sitz noch platz.
Si weist nicht, was si weist, bis an das ernstgericht;
Siht sich in einer Welt, darinn si sich nicht kennet.
[86] 11. 35.
Lebt eine Seel alsdann, als alles Volk am zil,
Das längst gemodelt vor Weissagung und Natur?
Ist gleich ein Hauptgericht aus Gotteszorn bestimmt,
Das endlich seine zahl hat allzumahl erfüllt?
Schleust sich das Centrum auf, und frisst si alle hin?
Sehr wunderlichst geht dar nun zu?
Si ligt gekerkert an bis zu dem neuem zil:
Gefängnis ist derselben Seelen lohn.
Di unter Noahs flutt ersoffen, in dem grimm,
Di musten warten gantz an Christi grab und Predigt.
12. 36.
Mus eine Seele fort in einer Landesstraff?
Im allgemeinem schwerd und ihrer Feinde Sig?
Durch feuer, Wasser, Pest, Erdbeben, Hungersnoth?
Durch ihres Volkes sünd, weil dessen Zil am Zil?
Fällt hin ein Regiment, das Gottesrach erwekkt?
Es ist ein Ast vom hauptgericht:
Er sprosset aus dem baum, den sibenmahl Gott fällt,
Wiwohl es geht mit ihm erträglicher.
Erträglicher heist dis, was unerträglich hir.
Tragt sein geheimnis, tragt, di ihr nicht besser wollet.

7. Kühlsibmondstheil

13. 37.
Nimmt einen Menschen weg ein feurger Eiferspruch,
Den Gott in dem Prophet, den er verhöhnt, auslis?
Frisst ihn des himmels feur? verschlinget ihn di Erd?
Fil er augblikklich tod? Vergeht er langsam still?
Durch disen, jenen Weg? bekandt und unbekandt?
Es schwebt di seel in hauptgefahr,
Verschlossen durch sich selbst im höchstem Centrumsgrund:
Si mus hindurch bis an den letzten deut.
I schwerer ist ihr kampff, i höher der Prophet.
Weh, weh und tausend weh, wo er das zil im Centrum.
14. 38.
O Judas! Welcher stand, den deine seel erfährt?
Nun sihstdu, was es war verrathen deinen Christ.
[87]
O Judas, der du neu den Christusgeist verräthst,
Der Korahsdatansrott im sechstem hauptgericht!
O falsche, di so hoch der Gotteseifer bindt,
Weil ihr am zil des Satans mund!
I wichtiger das Werk, dergleichen ni geschehn:
I grösser ist vor Gott eur widerstand.
Schmekkt, falsche Seelen, schmekkt den vorzug tausend jahr
Vor allen Seelen noch, di ein Gericht gebunden!
15. 39.
Pflag Gott di Seele einst in einem hohen ruf?
Zeigt er sein Urtheil ihr und hohes Weltgeheim?
Gab er ihr den befehl, den si im ende lis?
Verging si sich zur Welt, der Gottesrätzel müd?
Verführt ihr ehrgeitz si? verrith si Gottesruf?
Macht lästernd alle Gottesfeind?
Verwahrlost tausend seeln, wiwohl aus Gottesrach,
Weil Gotteswerk von ihnen vor verdrükkt?
Ihr kampff ist unerhöhrt, ein rätzel dem Geschöpff!
Des endes diser Welt Haupträtzelrätzelrätzel.
16. 40.
Quetscht der Prophet das Volk mit seinem Widerruf?
Wi schwer gehts mit der seel, di ihm im fallen folgt!
Verlästert si den Weg, den si einst gutt gekennt?
Verläugnet si Gesicht, das vom Gericht erhilt?
Verärgert si sich letzt mehr als si erst zunahm?
Schid si in solchem sinn dahinn?
Wi gros ist ihr zerstreun? Wi theur steht ihr vergehn?
Wi hefftig drängt, was si so toll verdrängt?
Si ligt im streit, der weit entfernt von der vernunfft:
Ein neues Zil das wil erlösung erst verheischen.
17. 41.
Ris einen Menschen hin ein schamvoll offner Tod
In einer übelthat, di Gott der Herr verflucht,
Zum feuer oder strang, zum schwerd und steinigen?
Geschah zu wenig ihm, geschahe ihm zuvil?
Nach Gottes eignem Recht? nach trug des Antichrists?
Sehr jämmerlich trifft si ihr fluch!
O weh, Christrichter, dir, der du si henkst ohn end,
[88]
Um dibstahl würgst, aufs rad di leiber legst!
Der du virtheilst und bratst! Di köpffe noch aufstökkst!
Weh deiner seelen, weh, wann si vom leib geschiden.
18. 42.
Sterbt selber sich ein Mensch mit diser, jener art?
Weit von des Simsons that im eifer seines Gotts,
Den Gott mit wunder auch befestigt in der Rach?
Stürtzt er verzweifelt sich? durch was vor eine list?
Durch pulver, wasser, strang, schwerdt, dolche, messer, gifft!
Sein Werk das folgt erschrekkbar nach.
Di seele lernt zuspät, das mehr di Todart sei,
Als si ergrif! Ihr selbstmord steht ihr hoch!
Si suchte falsch di ruh, und fand di ruhe falsch:
Ihr tödten tödtet si mit tausend neuen tödten.

8. Kühlachtmondstheil

19. 43.
Trib selbsttrug aus di seel auf was vor einen fall?
Begrub si selbst das grab, das si vor andre grub?
Ward si in Büberei, trunk, ehbruch, trug erwürgt?
Im zweikampff, dibstal, raub? in narrheit, zanken, schertz?
In disem, jenem greul? Elendig ist ihr end!
Si stehet recht im schrekken dar.
Was sehnlich si gesucht, verflucht di falsche sucht,
Als si di streng im grossem Centrum merkt!
Si treibet ihren trug, und mag ihn doch nicht sehn!
Si treibet ihn so lang, bis Gottesaussprach kommen.
20. 44.
Verfil di seel im Tod an ihrer letzten uhr?
Bestund si endlich nicht, da si sonst allzeit stund?
Ward si im sterben erst durch fremden trug verführt?
Von falschheit überschwätzt? Von list besätzt, verblendt?
Schid si gantz ander weis, als alles leben war?
Gantz anders wird auch gleich ihr sinn.
Si dringet auf mit ernst, bis si zum gipffel dringt,
Auf deme si Vergebung endlich brach.
Wo das Figurspil si im Wunder übermocht,
So strafft di eusre straff, und bleibet doch ein wunder.
[89] 21. 45.
Wohl seelen, di ihr geht zu eurem Jesus gleich!
Eur leib würkt wunder auch, ob er verblib dem grab!
Eur letzter lebenspunct wird schon der erst bei Christ,
Und ist mit euch allein, wi Babel sichs versprach.
Ihr triumfiret schon, erscheinet auf der Erd
Sophiens Kindern zu der Wonn!
Wir kennen, Brüder, euch, di ihr di eure kennt,
Wann Christus si mit euch gesucht, besucht!
Eur hochgeheimnis wird nun grünen wi das gras,
Weil eure zeit ist nah mit Uns euch zuerfreuen.
22. 46.
X aus den Centrums X euch seelen voller fluchs!
Wir sigeln euch strakks zu, Gespenster, tausend Jahr.
Des Lammes hochzeit endt der Bökke Teufelsmahl!
Ihr sollt nicht länger mehr erscheinen eurem Volk,
Weil wir di saat und frucht der höllen reissen aus.
Wir binden schon die eisern rutt:
Der eisern besen kehrt euch in des abgrundsschlund:
Durch Jesum ist des Besens zeit vollendt.
Eur höllgeheimnis steh versigelt ewiglich,
Weil es wird schlüssen euch in bande, kerker, ketten.
23. 47.
Y ist des Kirchhoffs Bild, da gutt und böse ruhn,
Di aus der Erd zur Erd nach einer art eingehn,
Nach ihrem euserm leib in ein verwesungsrecht!
Der Kirchhof ist di schul, di gutt und böse lehrt,
Und derer heimlich buch versigelt Kindern blib,
Bis alle Welt ins alter trat!
Der Kirchhof öffnet sich und ides grab mit ihm,
Das Rom und Pabst und Apap gleich einsarcht!
Was streitet, Todte, ihr, di ihr in Babel lebt?
Lernt, lernt vor eurem grab, was euch eur grab erleichtert.
24. 48.
Zerschmettert Babelsgrab, das euer grab vertüncht,
Eh ihr zum Babelsgrab im Gotteseifer werdt!
Lasst Todten, was si euch vom Tode vorgeschwätzt!
Si lernen nun zuspät, wi si betrogen sind.
Baut euch grabmähler auf nach Henochs güldner zeit,
Da ihr im gold des segens ruht!
[90]
Kan noch dem sterben nicht entrinnen euer fleisch,
So legt es ab, wi Heiligen gezihmt!
Es ist ein kleines noch, so geht das Wunder an,
In welchem Henoch war zu seiner zeit der Erstling.

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TextGrid Repository (2012). Kuhlmann, Quirinus. Gedichte. Der Kühlpsalter, Band 2. Fünfftes Buch. Der 15. (75.) Kühlpsalm. 2. Das güldne GRAB ABC. 2. Das güldne GRAB ABC. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B879-B