[316] Scherzhafte Lieder

1. Die Frühblumen

Ich hab ein Gärtchen, das rieselnd
Ein silberner Springbrunn erquickt,
Den dankbar im Frühling die Rose,
Im Sommer die Lilie schmückt.
An seinem eislosen Spiegel
Stand Doris im frostigen März;
Die Lilien hatten zum Keimen,
Die Rosen zum Knospen kein Herz.
Doch kaum warf übers Geländer
Mein Mädchen den zaubrischen Blick:
Schnell blühten selbst Rosen im Wasser,
Und Lilien glänzten zurück.

2. Das offenbare Geheimniß

Sonderlich und wunderbar!
Ich verhehlte meine Schmerzen
Tief im liebewunden Herzen,
Länger schon als Tag und Jahr:
Dir nur, Doris, meiner Lieben,
Hab' ich sie bekannt, geschrieben,
Allen andern barg ich sie.
Doch die andern alle wissen's,
Du nur, Doris, weißt es nie!

[317] 3. Das Unglück

Ihr, wo kein Freudenvogel heckt,
Ihr Wälder, deren Wildniß schreckt,
Laßt euern Wiederhall von meinem Jammer sagen!
Ihr Eulen, durch mein Lied aus eurer Ruh geweckt,
O helft dem Echo klagen!
Hier war's, hier hab' ich mir –
Den Krug – voll Weins – zerschlagen!

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Kretschmann, Karl Friedrich. Scherzhafte Lieder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B7F0-7