Die Wahl

Europa herrschet. Immer geschmeichelter
Gebietest du der Herrscherin, Sinnlichkeit!
Die Blumenkette, die du anlegst,
Klirret nicht, aber umringelt fester,
Als jene, die den bleichen Gefangenen
Im Turme lastet. Zauberin Sinnlichkeit,
Du tötest alles, was erinnert,
Daß sie nicht Leib nur, daß eine Seele
Sie auch doch haben! Von der Erhabenen,
Von ihrer Größe red ich nicht, sage nur:
Du schläferst ein, daß sie in sich nichts
Außer der schlagenden Ader fühlen.
Das soll nun endlich enden! Der edle Krieg
Der großen, liebenswürdigen Gallier
Raubt bis zum letzten Scherf. Euch sinket
Welkend vom Arme die Blumenkette.
Die Donnerstimme schallt euch der eisernen
Notwendigkeit! Ihr strauchelt des Lebens Weg
Verarmt: wie wär es möglich, daß ihr
Nun in der Zauberin Schoß noch ruhtet?
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Doch wenn ein Funken Seele vielleicht in euch
Aufglimmet, wenn ihr zürnt, daß ihr Knechte seid ...
Was frommts? Ihr habt zum Flintenstein die
Pfennige nicht, noch zu einer Kugel!
Ihr saht es welken, hörtet die eiserne
Notwendigkeit. Was wollet ihr tun? Wohlan,
Zur Wahl: Verzweifelt! oder macht euch
Glücklicher, als es der Zauber konnte.
Wer, was die Schöpfung, und was er selbst sei, forscht;
Anbetend forscht, was Gott sei, den heitert, stärkt
Genuß des Geistes: wen nach diesen
Quellen nie dürstete, der erlieget.
Der Künste Blumen können zur Heiterkeit
Auch wieder wecken; führt euch des Kenners Blick.
Die Farbe trüget oft; der Blumen
Seelen sind labende Wohlgerüche.

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TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Gedichte. Ausgewählte Oden und Elegien. Die Wahl. Die Wahl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B54B-D