[277] Die zweyte Höhe

Aufgeschwungen hattest du einst hoch über der Menschheit
Grösse dich, Gallien, hattest, dem Krieg' entsagend, der Erde
Völker alle besiegt, des Alterthums, und die spätern,
Durch das melodische, himlische Wort.
Nie war das noch gewesen; und ward! Doch des hehren Gesetzes
Tafeln hast du zerschlagen, zerschlagen! deckender Staub macht
Selbst die Trümmern unkenbar! und du, (Jetzt mag ich nicht nennen
Deinen Namen) du liegest nun da,
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Wie von der Höh du dich stürzetest, wie die Maale der Schmach dich
Rötheten, der vor allen: Was jetzo du wärst! was Europa's
Völker wären; hättest du Hochverrath nicht begangen
Gegen das heilverkündende Wort!
Wer den höchsten Gipfel erstieg, (O darf sich auch wenden
An die Nazion die Stimme des einzelnen? Freude
War's mir, mein neues Vaterland, dass du Bürger mich nantest;
Wonne, hörst du mich, wird es mir seyn!)
Wer den höchsten Gipfel erstieg, ist zu stolz auf dem zweyten
Sich zu zeigen: und doch wär's Nachweltruhm, wenn zu diesem
Du dich erhübst, da der erste dir nun unersteiglich ist. Edel
Wär nicht der hier noch zweifelnde Stolz.
Hab' ich Wahrheit geredet; so ist's thatfodernde Wahrheit,
Und so schwingest du, Gallien, dich auf den zweyten der Gipfel:
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Hältst von dem Bunde des Friedens an, von dem frohesten Tage
Unsers Jahrhunderts, was einst du versprachst.
Kom, o Vergessung dann de Erduldeten, lösche die Bilder
Jenes Jammers aus, den allgegenwärtig das bleiche
Scheusal, das thierische, graus' ergoss, das würfelnde, kalte
Scheusal, der Menschheit Schande, der Krieg,
Ha die schändlichere, seit seine Tilgung verheissen
Ward, und gehoft! Lass heller, Vergessung, der Weinenden Auge
Werden, es länger nicht bluten; lass um den todten Geliebten
Länger vor Wehmuth nicht jammern die Braut;
Länder um den entrissenen Freund den liebenden Freund nicht
Klagen, ihn gehn, und Blumen ihn auf des ruhenden Grab streun,
Welches, von der Zipresse beschattet, dem Wanderer winket,
Oder von weinenden Weiden gekühlt.
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»Ha was tröstest du, sprichst von der Ruhe dess, den ich liebte!
Und von der Weide, die um ihn weinet. Er ist mir verschwunden!
Ist mir verschwunden! mir bringet ihn nicht, die Zipresse, die mitklagt,
Nicht die Thräne der Weide zurück.
Helden, Helden! wie gross seyd ihr! Wer giebt mir der schönsten
Sprosse genug, dass ich geh, und Lorberwälder euch pflanze!
Aber auch, verzeiht! von den Wolfsgesichtern darunter,
Und von den Löwenzähnen, verzeiht!«

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TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Gedichte. Oden. Zweiter Band. Die zweyte Höhe. Die zweyte Höhe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B487-D