[185] Die Gestirne

Es tönet sein Lob Feld, und Wald, Thal, und Gebirg,
Das Gestad' hallet, es donnert das Meer dumpfbrausend
Des Unendlichen Lob, siehe des Herlichen,
Unerreichten von dem Danklied der Natur!
Es singt die Natur dennoch dem, welcher sie schuf,
Ihr Getön schallet vom Himmel herab, lautpreisend
In umwölkender Nacht rufet des Strahls Gefährt
Von den Wipfeln, und der Berg' Haupt es herab!
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Es rauschet der Hain, und sein Bach lispelt es auch
Mit empor, preisend, ein Feyrer, wie er! die Luft wehts
Zu dem Bogen mit auf! Hoch in der Wolke ward
Der Erhaltung und der Huld Bogen gesetzt.
Und schweigest denn du, welchen Gott ewig erschuf?
Und verstumst mitten im Preis' um dich her? Gott hauchte
Dir Unsterblichkeit ein! Danke dem Herlichen!
Unerreicht bleibt von dem Aufschwung des Gesangs
Der Geber, allein dennoch sing, preis' ihn, o du,
Der empfing! Leuchtendes Chor um mich her, ernstfreudig,
Du Erheber des Herrn, tret' ich herzu, und sing'
In Entzückung, o du Chor, Psalme mit dir!
Der Welten erschuf, dort des Tags sinkendes Gold,
Und den Staub hier voll Gewürmegedräng, wer ist der?
Es ist Gott! es ist Gott! Vater! so rufen wir;
Und unzählbar, die mit uns rufen, seyd ihr!
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Der Welten erschuf, dort den Leun! Heisser ergiesst
Sich sein Herz! Widder, und dich Kaprikorn, Pleionen,
Skorpion, und den Krebs. Steigender wägt sie dort
Den Begleiter. Mit dem Pfeil zielet, und blitzt
Der Schütze! Wie tönt, dreht, er sich, Köcher, und Pfeil!
Wie vereint leuchtet ihr, Zwilling', herab! Sie heben
Im Triumphe des Gangs freudig den Strahlenfuss!
Und der Fisch spielet, und bläst Ströme der Glut.
Die Ros' in dem Kranz duftet Licht! Königlich schwebt,
In dem Blick Flamme, der Adler, gebeut Gehorsam
Den Gefährten um sich! Stolz, den gebognen Hals,
Und den Fittig in die Höh, schwimmet der Schwan!
Wer gab Melodie, Leyer, dir? zog das Getön
Und das Gold himlischer Saiten dir auf? Du schallest
Zu dem kreisenden Tanz, welchen, beseelt von dir,
Der Planet hält in der Laufbahn um dich her.
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In festlichem Schmuck schwebt, und trägt Halm' in der Hand,
Und des Weins Laub die geflügelte Jungfrau! Licht stürzt
Aus der Urn' er dahin! Aber Orion schaut
Auf den Gürtel, nach der Urn schauet er nicht!
Ach gösse dich einst, Schaale, Gott auf den Altar,
So zerfiel Trümmer die Schöpfung! es bräch des Leun Herz!
Es versiegte die Urn'! hallete Todeston
Um die Leyer! und gewelkt sänke der Kranz!
Dort schuf sie der Herr! hier dem Staub näher den Mond,
So, Genoss schweigender kühlender Nacht, sanft schimmernd
Die Erdulder des Strahls heitert! in jener Nacht
Der Entschlafnen da umstrahlt einst sie Gestirn!
Ich preise den Herrn! preise den, welcher des Monds
Und des Tods kühlender, heiliger Nacht, zu dämmern,
Und zu leuchten! gebot. Erde, du Grab, das stets
Auf uns harrt, Gott hat mit Blumen dich bestreut!
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Neuschaffend bewegt, steht er auf zu dem Gericht,
Das gebeindeckende Grab, das Gefild der Saat, Gott!
Es erwachet, wer schläft! Donner entstürzt dem Thron!
Zum Gericht hallts! und das Grab hörts, und der Tod!

Notes
Entstanden 1764. Erstdruck in: Oden, Hamburg (J.J. Christoph Bode) 1771.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Klopstock, Friedrich Gottlieb. Die Gestirne. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B3CC-C