Am Scheidewege

Weicher wurden meine Saiten,
Ernster ward mein Blick,
Sprich, wie soll ich Dich mir deuten,
Rätselhaft Geschick?
Bessere Gefühle ringen
Sich in meiner Brust,
Besserem wird schwer Gelingen –
Schadenfrohe Lust!
Nicht mehr grad' wie Pol zum Pole
Fass' ich's im Begriff,
Von dem Scheitel bis zur Sohle
Gleicht's unsichrem Schiff.
Aus dem positiven Grunde
Ward ein Frührotschein,
Trau' mein Urteil kaum dem Munde,
Könnte irrig sein.
[70]
Als da leuchteten die Sterne,
Holden Glückes Schein,
Fand' ich in der weit'sten Ferne
Jeden Punkt allein.
Wie mit Seherblick begabet,
Traf ich Alles recht,
Ob ihr Falsches, Böses gabet,
Kannt' es gleich für schlecht!
Helle Sterne untergingen,
Dunkel mich umgiebt,
Wolken lagern auf den Dingen,
Kenn's nicht, was mich liebt.
Kann es schwer nur unterscheiden,
Was da falsch, was echt, –
In der Finsternis der Leiden,
Wird das Auge schlecht.
Kehret wieder, gold'ne Sterne,
Holden Glückes Schein, –
Daß ich finde in der Ferne
Jeden Punkt allein.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Kempner, Friederike. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1903). Am Scheidewege. Am Scheidewege. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-A39A-E