Abendregen

Langsam und schimmernd fiel ein Regen,
In den die Abendsonne schien;
Der Wandrer schritt auf schmalen Wegen
Mit düstrer Seele drunter hin.
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Er sah die großen Tropfen blinken
Im Fallen durch den goldnen Strahl;
Er fühlt' es kühl aufs Haupt ihm sinken
Und sprach mit schauernd süßer Qual:
»Nun weiß ich, daß ein Regenbogen
Sich hoch um meine Stirne zieht,
Den auf dem Pfad, so ich gezogen,
Die heitre Ferne spielen sieht.
Und die mir hier am nächsten stehen
Und wer mich wohl zu kennen meint,
Sie können selber doch nicht sehen,
Wie er versöhnend ob mir scheint.
So wird, wenn andre Tage kamen,
Die sonnig auf dies Heute sehn,
Um meinen fernen blassen Namen
Des Friedens heller Bogen stehn.«

Notes
Aus der Sammlung »Neuere Gedichte« (1851/54).
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Abendregen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9F1E-5