Rote Lehre

»Ich bin rot und hab's erwogen
Und behaupt es unverweilt!
Könnt ich, würd ich jeden köpfen,
Der nicht meine Meinung teilt!«
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In des Baders enger Stube
Vetter Hansen also sprach,
Eben als 'nem feisten Bäcker
Jener in die Ader stach.
Und des Blutes muntrer Bogen
Aus dem dicken drallen Arm
Fiel dem Vetter auf die Nase,
Sie begrüßend freundlich warm.
Bleich, entsetzt fuhr er zusammen,
Wusch darauf sich siebenmal;
Doch noch lang rümpft' er die Nase,
Fühlt' noch lang den warmen Strahl.
Mittags widert ihm die Suppe,
Rötlich dampft sie, wie noch nie;
Immer geht es so der alten
Grauen Eselstheorie!
Manches Brünnlein mag noch springen
In das Gras mit rotem Schein;
Doch der Freiheit echter, rechter
Letzter Sieg wird trocken sein.

Notes
Aus der Sammlung »Neuere Gedichte« (1851/54), dort unter dem Titel »Rot«.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Rote Lehre. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9DA4-3