Rosenglaube

Dich zieret dein Glauben, mein rosiges Kind,
Und glänzt dir so schön im Gesichte!
Es preiset dein Hoffen, so selig und lind,
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Den Schöpfer im ewigen Lichte!
So loben die tauigen Blumen im Hag
Die Wahrheit, die ernst sie erworben:
Solange die Rose zu denken vermag,
Ist niemals ein Gärtner gestorben!
Die Rose, die Rose, sie duftet so hold,
Ihr dünkt so unendlich der Morgen!
Sie blüht dem ergrauenden Gärtner zum Sold,
Der schaut sie mit ahnenden Sorgen.
Der gestern des eigenen Lenzes noch pflag,
Sieht heut schon die Blüte verdorben –
Doch seit eine Rose zu denken vermag,
Ist niemals ein Gärtner gestorben!
Drum schimmert so stolz der vergängliche Tau
Der Nacht auf den bebenden Blättern;
Es schwanket und flüstert die Lilienfrau,
Die Vögelein jubeln und schmettern!
Drum feiert der Garten den festlichen Tag
Mit Flöten und feinen Theorben:
Solange die Rose zu denken vermag,
Ist niemals ein Gärtner gestorben!

Notes
Aus der Sammlung »Neuere Gedichte« (1851/54), dort unter dem Titel »Aus dem Leben X« (1851) bzw. »Aus der Brieftasche X« (1854).
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Rosenglaube. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9D5F-0