Der Kürassier

»Für Gott, König und Vaterland!«


Ich spute mich nach Hause in kalter Regennacht:
Da stehet düster schimmernd und lautlos auf der Wacht
Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.
Er flüstert leis: »Mich hungert, ein Kreuzer, Herr, zu Brot!«
Ich stehe still, erschrocken, und werde für ihn rot.
Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier!
Doch wie ich meinen Bettel will teilen mit ihm drauf,
Da rasselt die Karosse vorbei im schnellen Lauf.
Auf, schlanker und blanker, du schwerer Kürassier!
Drin sitzt ein abgeflattert, blutlos Ministerweib:
Der Reiter läßt erklirren den starren Riesenleib,
Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.
Dann nimmt er meine Gabe und bittet demutsvoll,
Daß ich doch unsern Handel niemanden sagen soll –
Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.
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So steht er noch ein Stündlein und grübelt sonder Harm,
Etwa: Im Königssaale, da ist es wohl recht warm.
Der schlanke, der blanke, der schwere Kürassier.
Bis einsmals er im Fieber von seinem Posten geht –
Drauf heißt es: »Nummer Neune liegt tot im Lazareth.«
Der schlanke, der kranke, der arme Kürassier!
Es wird an seiner Treue zuschanden jeder Spott;
Er starb ja für den König, für Vaterland und Gott!
Der schlanke, der tote, der arme Kürassier! –

Notes
Entstehungszeit unbekannt. Erstdruck 1846.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Keller, Gottfried. Der Kürassier. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-9A78-E