[330] Begebenheit im Reiche Plutons,
nach der Schlacht bey Torgau

1761.


Im Reich der Schatten ging jüngst ein Gerücht umher:
Daß auf der Welt ein König wär,
Der grösser sey, als alle Helden,
Von deren Thaten uns Plutarche Wunder melden.
Der Schatten Maupertuis kommt an und liest ein Buch
Von dieses Helden Thaten voll;
Bald ist er Antonin, bald Mars und bald Apoll,
Und jede Stirn wird Wiederspruch!
Der Schatten von dem Weltbezwinger,
Der noch mit nervenlosem Finger
Den Staaten Plutons scheint zu drohn,
Weint neidisch eine Geisterzähre,
[331]
Daß auf der Welt ein König wäre,
Der grösser sey, als Philipps Sohn.
Achill stampft grimmig mit dem Fusse,
Schwört bey dem Styx, daß ihnen zum Verdrusse
Der größre Held erdichtet sey:
»Groß, schwört er, war nur ich, groß war nur Alexander!«
Indem er schwört, entsteht ein gräßliches Geschrey,
Die Helden fliegen auseinander,
Gehn dem Getümmel nach, und stehen lauter Ohr,
Zu hören, was zehntausend Schatten sprechen,
Zehntausend ziehen ihn nun allen Helden vor,
Zehntausend wollen sich nicht an den Sieger rächen,
Von Torgau kommen sie, die armen Schatten, her.
Starr steht nun Philipps Sohn, nun stampft Achill nicht mehr.

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Entstanden 1761.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Karsch, Anna Louisa. Begebenheit im Reiche Plutons. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8EFA-B