An Se. Majestät den König von Polen

Neu-Fraustadt in Polen 1752.


Ein Blick, Durchlauchtigster August!
Ein Blick nach dem erhabnen Sitze,
Auf welchen Du, der Völker Schutz und Lust,
Dem halben Monden sanft die Spitze
Des Königlichen Zepters neigst,
Und Deines Geistes Größe zeigst.
Ein solcher Blick entzückt Gemüther,
Die Ruhe unterstützt den Thron,
Der Friede spricht dem Blutdurst Hohn,
Dein Lorbeer prangt mit Sicherheit. Fern weicht der Zwietracht Ungewitter
Dein Land, das froh und ruhig ist;
Schlägt in den Büchern grauer Zeiten
Geschichte nach, erstaunt und sieht und liest
Wie oft ein feindliches Verbreiten
Der Länder Zier, der Städte Pracht
Zur öden Wüste hat gemacht:
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Wie Greis und Jüngling hingesunken,
Ein Schaudern überfällt Dein Reich,
Als fühlt es noch den Säbelstreich;
Doch nein, es fühlt des Friedens Reiz, und wird von seiner Freude trunken.
Der Scyte kommt, man holt ihn ein,
Man drängt sich um den rothen Bunde,
Der ihn bedeckt, vorzüglich nah zu seyn.
Sein Ansehn schlägt uns keine Wunde,
Sein durch die Zeit beschneites Haar
Zeigt den gefürchteten Barbar
In einem freundschaftlichen Bilde.
Das Volk steht da, und staunt ihn an,
Und spricht: o seht, der Muselmann
Ist nicht so grausam, als ihr denkt: das Gute blinket durch das Wilde.
Man sah ihn auf die Stufen gehn,
Die, Herr, zu Deinem Throne führen;
Doch, o Monarch! hier bleibt die Muse stehn,
Nur stille Ehrfurcht muß sie rühren,
Im Geist hat sie nur hingeblickt,
Wie Stambol sich vor Dir gebückt.
Die Lüfte lispelten die Worte,
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Durch die der Fürst vom Morgenland
Sich neu an Deine Freundschaft band:
Dein Adler, der die Schwingen hub, der überschattete die Pforte.
O König! – durchs Geräusch betäubt
Vernahm die Muse nicht das Sprechen,
Was feierlich sich tief in Marmor schreibt,
Was auch die Zeit vergißt zu schwächen:
Die Wahrheit und Religion,
Die beide standen nah am Thron,
Und schrieben jeden Ausdruck nieder:
Die Eintracht und die fromme Ruh,
Die hörten still und lächelnd zu,
Selbst Engel merkten den Vertrag und mengten ihn in ihre Lieder.
Das rege Volk, die frohe Stadt,
Die lang nach Dir, o Herr! geschmachtet,
Sieht nie an Dir und Deinem Blick sich satt,
Der liebreich eine Schaar betrachtet,
Die dicht gedrängt mit kühnem Schritt
Dem Wagen bald die Bahn vertritt,
Und Aug und Hand entzückt erhebet.
Ihr Auge, was sich hurtig dreht,
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Bemerkt den Glanz der Majestät,
Der dem Gehorsam zärtlich winkt, vor dem die Untreu furchtsam bebet.
Sie sehn die Großen von dem Reich
Mit zarter Ehrfurcht Dich empfangen,
Sie sehn den Kuß, und ihre Brust wird weich,
Die Zähre rollt von ihren Wangen,
Nicht Zähren banger Traurigkeit,
Nein Thränen, die die Lust gebeut,
Wodurch die Treu sich ausgedrücket.
Herr, solche Thränen weinen sie
Und haben mit vereinter Müh
Vor Dich der Wolken Höh bestürmt, Gelübd und Bitten abgeschicket.
Der Himmel wurde durchgepfeilt
Und sichtbar ließ er Antwort lesen,
Das Regenmeer, die Wolke ward zertheilt,
Das Weltlicht, was verhüllt gewesen,
Wies seinen Strahl, sobald August,
Sobald der Glanz von seiner Brust
Der Fraustadt Gassen prächtig machte.
O möchte sich doch auch durch ihn
Der Sorgen schwarz Gewölk verziehn,
Was meinen Geist oft niederdrückt, indem ich bang nach Nahrung schmachte.
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Monarch, dem tief der Pole dient,
Und den der Sachse kindlich ehret,
So wahr der Kranz der hohen Raute grünt,
So wahr Dein Beispiel Fürsten lehret,
So wahr hat Dir mein niedrer Geist
Nur durch den Trieb geweist,
Den mir die Huld des Schöpfers schenkte.
Dein Daseyn riß den schüchtern Sinn
Mit starkem Zug zum Throne hin.
O daß die Gnade durch den Blick, der himmlisch ist, sich auf mich lenkte!
Herr, sieh auf mich, die ich ein Staub,
Ein Atomus der Schöpfung heiße,
Der Kummer macht aus dem Gedank ein Raub,
Der ohne Wehen ohne Schweiße
Sich zum gebohren werden schickt;
Doch durch die Last des Grams erdrückt
Vergeht die Kraft, und unvollkommen
Hat, Herr, mein Geist von Dir gedacht:
Er mählt nicht Deines Thrones Pracht,
Er schildert die nicht, die den Glanz von Deinem Strahle hergenommen,
Von Deines Geistes Vorzugsrecht,
Vom sanft und göttlichen Regieren;
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Und wie sich durch Dein groß und schön Geschlecht
Sicilien und Frankreich zieren.
Von Deinem Folger auf dem Thron,
Dem Dir nachahmend weisen Sohn,
Von allen Sproßen Deiner Hüfte:
Davon schwieg mein zu schwaches Lied;
Mein Blick, der schüchtern nach Dir sieht,
Verdunkelte vor so viel Licht, und der Gedank verflog in Lüfte.
O König, den die Huld bewohnt,
Gieb meiner müden Muse Schwingen,
Sie wird den Held, den die Verwesung schont,
Den himmlisch großen Geist befingen,
Der Dir die theure Brust belebt,
Die nach dem Heil der Länder strebt,
Die mehr mit Sanftmuth als mit Schärfe,
Den Fehlern ihre Strafen sagt:
O Herr, gedenk an Deine Magd,
Die ich voll Hoffnung und voll Furcht vor Deinem Thron mich niederwerfe.
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Notes
Entstanden 1752.
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TextGrid Repository (2012). Karsch, Anna Louisa. An Se. Majestät den König von Polen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-8E9E-A