Ode von der Vergnügung

1.
Kommt ihr gewünschten Himmels Blicke/
Und macht in meinem Hertzen licht/
Daß ich dahin die Sinnen schicke/
Was mir Vergnüglichkeit verspricht.
Führt meinen Geist zuerst auf Zions Auen/
Er wird die Welt hernach in Frieden schauen.
[206] 2.
Kein Schatz ist unter allen Schätzen/
Der ausser Gott vollkommner sey/
Als den Begierden Gräntzen setzen.
Wer von des Willens Herrschafft frey/
Wer sich besiegt/ mit allen lebt zufrieden/
Dem ist ein Glück vor Seel und Leib beschieden.
3.
Das kleine Gut vergnügter Hertzen
Ist grösser/ als ein Königreich.
Mich machen Sorgen/ Neid und Schmertzen
In diesem Stande niemahls bleich.
Wer mäßig lebt/ wird viel gesunder leben/
Und wer es weiß/ nach keinem Reichthum streben.
4.
Die nach der Ehre Felsen klettern/
Die steigen auf der Thorheit Bahn.
Ein Fall wird ihren Stoltz zerschmettern;
Wo nicht/ so stürtzet sie ihr Wahn.
Ich bin vergnügt/ mich diesen gleich zu schwingen/
Wo Tugenden/ und Weißheit Früchte bringen.
5.
Ich brauche nichts nach meinem Sterben/
Als einen Sarg/ ein kühles Grab.
Drum kürtz ich mir/ viel zu erwerben/
Aus Geldsucht nicht das Leben ab.
Ich bin vergnügt und warte meiner Sachen/
Das übrige wird schon der Himmel machen.
6.
Soll ich mir ein Ergetzen wehlen/
So sey es mäßig rein und gut.
Zuviele Lust verderbt die Seelen/
Gar keine schwächet unsern Muth.
Ich bin vergnügt/ so mein Gemüht zu laben/
Um neue Krafft zur Arbeit drauf zu haben.
[207] 7.
Ein Freund ist meinen Neben-Stunden
Wie ein beliebtes Säyten-Spiel.
Die schlimmen sind der Seelen Wunden.
Wie Abner durch den Joab siel:
So kan ein Freund/ der in der Laster Orden/
Wo nicht den Leib/ doch mein Gemüth ermorden.
8.
Nach Nothdurft leb' ich zwar mit allen/
Am liebsten mit der klugen Welt.
Dem Nechsten bin ich zu gefallen/
Und leiste/ was mir möglich fällt.
Vergnügt/ wer hier in keinen Schulden stecket/
Und in der Brust die wahre Liebe schmecket.
9.
Drum will ich von Vergnügung sagen/
Sie ist das beste dieser Zeit.
Kein Leid soll sie darnieder schlagen:
Erleb' ich gleich Trübseligkeit/
Bin ich vergnügt/ weil wir auf dieser Erden.
Vollkommen nicht vergnüget sollen werden.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hunold, Christian Friedrich. Gedichte. Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte. Galante und Vermischte Gedichte. Ode von der Vergnügung. Ode von der Vergnügung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-84F4-9