Das Traumbild

Im jungen Nachtigallenhayn,
Und auf der öden Wildniß,
Wo Tannenbäume Dämmrung streun,
Umflattert mich das Bildniß.
Es tanzt aus jedem Busch hervor,
Wo Mayenlämmlein grasen,
Und wallt, verhüllt in leichten Flor,
Auf jedem Blumenrasen.
Wenn mich, mit meinem Harm vertraut,
Zur Stunde der Gespenster,
Der liebe, helle Mond beschaut,
Bebts durch mein Kammerfenster.
Und malt sich an die weiße Wand,
Und schwebt vor meinen Blicken,
Und winkt mir mit der weißen Hand,
Und lächelt mir Entzücken.
Mein guter Engel, sage mir,
Wo Luna sie beflimmert
Und wo von ihr berührt, von ihr,
Die Blume röther schimmert?
Erschaff ihr Bild aus Morgenlicht,
Ihr Kleid aus Aetherbläue,
Und zeig, in jedem Nachtgesicht,
Mir meine Vielgetreue.
[148]
Wo pflückt sie, wenn der Lenz beginnt,
Die ersten Mayenglocken,
Wo spielst du, lieber Abendwind,
Mit ihren blonden Locken?
O eilt, o flattert weg von ihr,
Geliebte Mayenwinde,
Und sagt es mir, und sagt es mir,
Wo ich das Mädchen finde?
[149]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Hölty, Ludwig Christoph Heinrich. Gedichte. Sämtliche Gedichte. Das Traumbild [1]. Das Traumbild [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7E63-D