Christian HölmannAbbildungen der Schooß[22]
DEr geist des alterthums schrieb den beschaumten wellen
Die künstliche Geburth der liebes-Göttin zu /
Und daß ein muschelhaus auf den gesaltznen stellen
Sowohl zur überfuhr als ihrer ersten ruh
An statt der wiege sey damals bestimmt gewesen;
Allein so wurde da die wahrheit eingehüllt /
Wer ihre Perlen nun wolt' aus dem schlamme lesen
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Der fand sie endlich zwar / doch frembde vorgebildt.
Zieht jenen vorhang weg und last die fabeln schweigen;
Was gilts die wahrheit wird / ja selbst der augen-schein
Euch den verdeckten grund der Sache besser zeigen /
Daß ich so Muschel / Meer als Welle müsse seyn.
In meinen gründen ist die liebe ja gebohren /
Ich bin ihr erster Sitz / ihr Stammhauß / Vaterland /
Mich hat zu dieser See selbst die natur erkohren /
An deren ufern sich das schöne Mädgen fand.
Ihr glieder möget nun vor mir die seegel streichen /
Weil ich die Götter selbst durch mich hervorgebracht /
Ihr selber müstet auch im Mutterleib' erbleichen /
Wenn nicht durch mich das Thor wär' in die welt gemacht.
Es füllet meine frucht den Himmel und die Erde /
Ich mache daß der bau der wundergroßen welt
Nicht vor der letzten zeit zu einer wüsten werde /
Die nichts als distel-sträuch und dörner in sich hält.
Ich bin das paradieß / vor dem die keuschheit wachet /
In dessen gegenden die lebens-früchte blühn /
Wo unser leben wird wie feuer angefachet /
Dabei die Söhne sich / wie Adam / gerne mühn;
Ein Tempel / wo die glutt der liebe stündlich brennet;
Ein Opffertisch / wo milch zum opffer wird gebraucht;
Ein heiligthum / daß die für Priester nur erkennet /
In deren keuscher brust ein reiner weihrauch raucht;
Ein gutes feld / das nur gerathne früchte bringet;
Ein garten / den der thau der wollust überfließt;
Ja der die anmuth hat / die alle welt bezwinget /
Und dessen blumenfeld sein eigner fluß begießt.
Ein Meer / wo Ebb' und Flutt dem Monden-lauffe gleichet;
Ein spiegel-glattes eiß / wo auch ein Riese fält;
Ein hafen / den vergnügt die Zuckerflott' erreichet;
Die Schule / die man nur für junge männer hält;
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Der liebe musterplatz die mannschafft auszuüben;
Ein zwinger / welcher zu / doch nicht verschlossen ist;
Die wahlstatt / wo auch wol ein Simson ist geblieben;
Das schützenhauß in dem ein jeder gerne schiest;
Ein Marckt / wo regungen durch blicke zu erlangen;
Ein wechseltisch der uns vor Jungfern / Frauen zahlt;
Ein laden / wo noch nie gebrauchte wahren hangen;
Ein thal / in welches nie das licht der Sonnen strahlt;
Ein bergwerck welches gold und silber-adern heget;
(Die wüntschelrutte schlägt offt allzu hefftig an)
Ein land / das unbesät auch keine früchte träget;
Ein abgrund / wo die welt die perlen fischen kann;
Der männer gröster schatz liegt offt in meinem fache /
Denn das behältnüß bin ich eigentlich dazu /
Drum hält die eifersucht bey mir so scharffe wache /
Damit demselbigen kein frembder eingriff thu.
Hier ist der bienenstock / wo aus der keuschen blume
Der lebens-honig wird zur rechten zeit gemacht;
Der himmel und die welt trägt den zum eigenthume
Wenn ich ihn an das licht / sein ziel davon gebracht.
Der liebe ruhestadt die liegt auff meinem grunde /
Ihr forst / in welchem sie die schönsten zobel jagt /
Die männer sind dabey die besten jäger-hunde /
Denn ihr verwegner geist ist immer unverzagt.
Wenn ich verschlossen bin / so geht die lust im leide /
Offt werden gar darum die länder ruinirt /
Und spinnen trauerflor an statt der weissen seide /
Weil meine muschel nicht den thron mit perlen ziehrt.
So kann der wohlstand sich auff meine pfeiler gründen /
Wer führt nun einen ruhm / der meinen lorbern gleicht?
Bey euch / ihr brüste wird man diesen schwerlich finden /
Die ohnmacht hat euch nicht vergebens so gebleicht.
Nur eines ärgert mich daß auch die kinder wissen
Was die erwachsenen in meinem garten thun /
Wie sie durch ihren thau mein blumenfeld begiessen /
Und mit der grösten lust auff diesem beete ruhn.
Ach könt' ich dieser brutt unnütze reden stillen!
Ein vorschlag fält mir bey: ich will auf's ehst' einmal
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Ihr ungewaschnes maul mit meinem wasser füllen /
Wer weiß? befrei' ich mich dadurch nicht dieser qual.
Doch meine blösse heißt itzund mich stille schweigen /
Drumb hüll' ich wieder mich in meine decken ein /
Und wil nur noch mein thun dadurch gebilligt zeigen:
Wo blumen sollen blühn muß thau und regen seyn.
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TextGrid Repository (2012). Hölmann, Christian. Gedicht. Abbildungen der Schooß. Abbildungen der Schooß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7D74-F