[124] [127]Der Mutter Erde

Gesang der Brüder

Ottmar Hom Tello

Ottmar

Statt offner Gemeine sing ich Gesang.
So spielt, von erfreulichen Händen
Wie zum Versuche berühret, eine Saite
Von Anfang. Aber freudig ernster neigt
Bald über die Harfe
Der Meister das Haupt und die Töne
Bereiten sich ihm, und werden geflügelt,
So viele sie sind, und zusammen tönt es unter dem Schlage
Des Weckenden und voll, wie aus Meeren, schwingt
Unendlich sich in die Lüfte die Wolke des Wohllauts.
Doch wird ein anderes noch
Wie der Harfe Klang
Der Gesang sein,
Der Chor des Volks.
Denn wenn er schon der Zeichen genug
Und Fluten in seiner Macht und Wetterflammen
Wie Gedanken hat, der heilige Vater,
unaussprechlich wär er wohl
Und nirgend fänd er wahr sich unter den Lebenden wieder,
Wenn zum Gesange nicht hätt ein Herz die Gemeinde.
Noch aber
[127]
Doch wie der Fels erst ward,
Und geschmiedet wurden in schattiger Werkstatt,
die ehernen Festen der Erde,
Noch ehe Bäche rauschten von den Bergen
Und Hain' und Städte blüheten an den Strömen,
So hat er donnernd schon
Geschaffen ein reines Gesetz,
Und reine Laute gegründet.
Hom

Indessen schon', o Mächtiger, des,
Der einsam singt, und gib uns Lieder genug,
Bis ausgesprochen ist, wie wir
Es meinen, unserer Seele Geheimnis.
Denn öfters hört ich
Des alten Priesters Gesänge
und so
Zu danken bereite die Seele mir auch.
Doch wandeln im Waffensaale
Mit gebundener Hand in müßigen Zeiten
Die Männer und schauen die Rüstungen an,
Voll Ernstes stehen sie und einer erzählt,
Wie die Väter sonst den Bogen gespannet
Fernhin des Zieles gewiß,
Und alle glauben es ihm,
Doch keiner darf es versuchen
Wie ein Gott sinken die Arme
Der Menschen,
Auch ziemt ein Feiergewand an jedem Tage sich nicht.
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Die Tempelsäulen stehn
Verlassen in Tagen der Not,
Wohl tönet des Nordsturms Echo
tief in den Hallen,
Und der Regen machet sie rein,
Und Moos wächst und es kehren die Schwalben,
In Tagen des Frühlings, namlos aber ist
In ihnen der Gott, und die Schale des Danks
Und Opfergefäß und alle Heiligtümer
Begraben dem Feind in verschwiegener Erde.
Tello

Wer will auch danken, eh er empfängt,
Und Antwort geben, eh er gehört hat?
Ni indes ein Höherer spricht,
Zu fallen in die tönende Rede.
Viel hat er zu sagen und anders Recht,
Und Einer ist, der endet in Stunden nicht,
Und die Zeiten des Schaffenden sind,
Wie Gebirg,
Das hochaufwogend von Meer zu Meer
Hinziehet über die Erde,
Es sagen der Wanderer viele davon,
Und das Wild irrt in den Klüften,
Und die Horde schweifet über die Höhen,
In heiligem Schatten aber,
Am grünen Abhang wohnet
Der Hirt und schauet die Gipfel.
So

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hölderlin, Friedrich. Gedichte. Gedichte 1800-1804. [Hymnen]. Der Mutter Erde. Der Mutter Erde. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7C89-9