[166] Mit Handschuhen für Leopold Andrian

Eines Dichters Handschuhe reden und sagen:

Wir sind das Kleid für eine kleine Hand:
Aus dieser fällt dereinst auf Andrian
Mehr Gloria und goldnes Lorbeerlaub,
Als je die starken Hände heimgebracht
Der Vorgeborenen, die nun im Grab
Mit nackten weißen Knochen kreuzweis ruhn,
Und hätten sie gleich David auch geschleppt
Des Ruhmes abgeschlagnes Riesenhaupt,
Um ihre Finger wickelnd sein Gelock!
Der Dichter antwortet:

Wie schlaffe Segel achte ich den Ruhm,
Wie Küsse, drin so wenig Liebe wohnt
Als süßer Traubensaft im Kern der Nuß,
Wie Schlaf und anderes, das kommt und geht:
Die alle sagen nichts: viel aber sagt
Der Abend, wenn die schwarzen Bäume beben,
Und viel das wechselnde Gesicht der Nacht,
Die kleinen gelben Häuser in der Stadt
Und jedes Wesen, das sein Leben lebt ...
Die Handschuhe erwidern:

Groß wie die Nacht, wenn du es recht bedenkst,
Ein solches Ding ist auch der Ruhm und rauscht
Mit hohen Segeln wie ein großes Schiff.

Notes
Entstanden 1894. Erstdruck aus dem Nachlaß in: Hugo von Hofmannsthal. Nachlese der Gedichte, Berlin (S. Fischer) 1934.
License
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hofmannsthal, Hugo von. Mit Handschuhen für Leopold Andrian. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-79EF-1