[168] [An Richard Beer-Hofmann]

Als unser Hund im Comer See ertrank
Und wir zusahen und nicht helfen konnten
Da sahst Du lange nach auf der besonnten
Und dunklen Flut der kleinen weißen Leiche
Die, treibend, ganz zerging in goldner Bleiche,
Dann sagtest Du: »Es war am Ende gut
Daß er jetzt fort ist und für uns der gleiche
In der Erinn'rung dieser Tage ruht:
Denn kläglich häßlich ist ein altes Tier
Und grauenvoll in mancher Abendstunde
Dann später uns, den jungen, Dir und mir:
Denn er wär alt und wir noch jung gewesen
Und wie aus eines offnen Grabes Munde
So hätte Gott geschrien aus diesem Wesen« ...
Mir aber kam ganz anders in den Sinn
Dieselbe Sache, daß der Hund ertrank:
Ich sah die wunderschöne Uferbank
Wohin ihn spült das gleitende Gerinn,
Und in den Zweigen süßen zarten Wind
Und dort zwei Menschen wie wir beide sind:
Und ihre Schönheit drang in mich hinein
Und dann: die Einigkeit von alledem im Sein.

Notes
Entstanden 1894. Erstdruck aus dem Nachlaß in: Hugo von Hofmannsthal, Briefe 1890-1901, Berlin (S. Fischer) 1935.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Hofmannsthal, Hugo von. [An Richard Beer-Hofmann]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-7781-3