Die Reue

Tröst', o, tröste Dich, mein Herz,
Ueber Deine Leiden!
Blicke vor- und hinterwärts!
Süß ist überwundner Schmerz
Unverdienter Leiden.
Und verdientest Du den Schmerz,
So verdiene Freuden!
Irrthum zwar und Thorheit sind
Unser Loos hienieden,
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Mißgestaltet, schwach und blind;
Jeder Fehler ist ihr Kind
Und verscheucht den Frieden.
Ach, der süßen Feinde sind
Uns so viel beschieden.
Aber jedem Fehl verband
Jene ew'ge Treue,
Jener göttliche Verstand
Seiner Liebe bestes Pfand,
Daß sie uns erneue;
Besserung wird sie genannt,
Menschen nennen s' Reue.
Sanft zieht sie hinweg den Flor
Von des Fehlers Blicke;
Warnend kommt sie ihm zuvor,
Oeffnet sanft sein taubes Ohr,
Führt ihn zart zurücke;
Durch der Reue niedres Thor
Wandern wir zum Glücke.
O, wie fröhlich fühlt das Herz
Dann verlebte Leiden,
Segnet seinen Arzt, den Schmerz,
Blickt mit Schauer hinterwärts,
Siehet vorwärts Freuden!
Neu und freier wird das Herz
Durch besiegte Leiden.
Dank der mütterlichen Hand,
Die den Kelch uns mischet,
Die aus Schmerzen Lust erfand
Und mit Lust den Schmerz verband,
Der sie neu erfrischet.
Dank der mütterlichen Hand,
Die den Kelch uns mischet!

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TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Erstes Buch. Die Reue. Die Reue. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5E04-1