[363] Adler und Wurm

1.

Mit allen seinen Kräften schwang
Der Adler sich zur Sonne, drang
Schon durch die Wolken, reichte
Zum höchsten Felsen, keuchte
Und sprach: »Da bin ich doch
Der Erste meines Reichs. Wer fleugt
Mir nach auf diesen unbetretnen Fels? Ist noch,
Wo ich bin, wer?« »Ich etwa noch!«
Zischt's neben ihm. Er sieht zu seinen Füßen nieder:
Ein Erdwurm kreucht.
»Und wir sind Brüder?
Wo kommst Du her?« »Vom Schlamm.«
»Und wie denn her?« »Ei doch!
Verzeihen Sie, ich kroch.«
Minister, Weiser, General
Und Canzellar und Cardinal,
Auf Eurer rühmlichen, mit edler Müh und Qual
Erflognen Höh,
Ihr großen Männer allzumal,
Seht nicht, wer bei Euch steh':
Durch Kriechen kommt man hoch.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Gedichte. Gedichte. Fünftes Buch. Adler und Wurm. 1. [Mit allen seinen Kräften schwang]. 1. [Mit allen seinen Kräften schwang]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5B41-6