30. Abendlied
Deutsch

Von Claudius. Das Lied ist nicht der Zahl wegen hergesetzt, sondern einen Wink zu geben, welches Inhalts die besten Volkslieder seyn und bleiben werden. Das Gesangbuch ist die Bibel des Volks, sein Trost und seine beste Erholung.


Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.
Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder,
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinnste,
Und suchen viele Künste,
Und kommen weiter von dem Ziel.
[365]
Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden,
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und frölich seyn.

Und hiemit sey ihm gnug der Volkslieder, oder vielleicht schon viel zu viel. Die Vorrede sagts, wie der Herausgeber zu ihnen gekommen ist, und was er damit für Zweck hatte. Eben aber, dieser verschiedenen Mittel und Zwecke halber können unmöglich alle Stücke aus allen Zeiten, von allen Völkern gleich gut seyn, insonderheit gleich gut nach dem Maasstabe Eines Lesers oder gar Kunstrichters, der sich hinsetzt, in Einem Athem fortzulesen, damit er das Buch abthue und justificire. Jeder Vernünftige wird jedes Stück an seiner Stelle und Ort betrachten, es als das ansehen was es für sich ist und hier seyn soll, also auch nicht in Einem fortlesen noch sich schwindelnd aus Völkern in Völker werfen; endlich was ihm hie und da nicht gefällt, einem andern lassen, für den es da ist. Sodann glaube ich nicht, daß Ein völlig unmerkwürdiges Stück hier vorkommt, und ich könnte sehr beredt seyn, wenn ich von dem Nutzen schwätzen wollte, den manche verdorrte Zweige unsrer Poesie aus diesen unansehnlichen Thautropfen fremder Himmelswolken ziehen könnten. Ich überlasse dieß aber dem Leser und Lehrlinge, der meine Mühe, die Lust und Zerstreuung früherer, einsamer und vergangner Jahre, zu nutzen und anzuwenden begehret. Frühe fing ich an, zu einer Geschichte des lyrischen Gesanges zu sammlen und verschmähete nichts, was dazu diente. Auch dieser Zweig gehörte dazu und der Eigensinn des Zufalls allein zwang mich, zuerst zu geben, was vielleicht zulezt oder nimmer hätte erscheinen sollen. Wie ihm sey. Von Volksliedern zu reden hat seine Zeit, und von Volksliedern nicht mehr zu reden, auch die Seine. Für [366] mich ist jezt die letzte und ich habe, auf Jahre hin, selbst an dem so entweiheten Namen Volkslieder, gnug gehört, daß ich mich damit verschonen werde, so wenig auch mein erster Zweck erreicht seyn mag, und so weit mein eigentliches Eiland noch vor mir, im Schooß der blauen Thetis, schwimmen möge. – Die Muse des Mantuaners ruft mir zu:


– paullo maiora canamus,
non omnes arbusta iuvant, humilesque myricae.
Und also auf diesen Zuruf lebt wohl, meine schlechte, und jedermanns bessere Volkslieder!

Ende des zweyten und lezten Theils.

Fußnoten

1 nach der Tradizion ein Glas, das den Trank vergiftete.

2 Das Schloß der Mohrischen Könige. S. Plüers Reisebeschr., Ebelings Ausg. S. 322 u. f. Mesquita, die königliche Moschee.

3 Ein Lusthaus und Garten.

4 Ein romantischer Hügel in Schottland.

5 Die Todtenwählerinnen, Valkyriur, Nordische Parzen.

6 Schwert mit dem Beinamen.

7 Schilde.

8 Die Weichsel.

9 Nach der alten Volkssitte in England ist Weide das Trauerlaub insonderheit für unglückliche Liebende.

10 Ausserordentlich treffend im Anblick, wie sie schläft.

11 Othello dünkt sich immer Richter, nicht Mörder.

12 Vermutlich eine Ballade, die sich mit der in Englischen Liedern des Inhalts oft vorkommenden Zeile down-a endet, und das ihr Unsinn hier treflich auf den König passet.

13 I had rather be a kitten and cry-mew!

than one of this same meter-ballad-mongers

I'd rather hear a brazen candlestik turn'd,

or a dry-wheel grate on the axle-tree,

and that would nothing set my teeth on edge

nothing so much as mincing Poetry

'tis like ihe forc'd gate of a shuffling nag.

Hot-spur im I.P. von Henry IV.

14 Darf ich hier, wenn auch an unrechtem Orte, ein ziemlich verkanntes Geschenk unsrer Sprache, einen Nachgesang Homers, wenn nicht von seinem Freunde und Mitsänger, so doch gewiß von seinem ehrlichen Diener, der ihm lange die Harfe getragen, rühmen: es ist die Uebersetzung Homers von Bodmer. Freilich leidet sie, wie keine Uebersetzung auf der Welt, Vergleichung mit dem Urgesange; wenn man indessen diesen vergißt, und sie nicht mit dem Auge ließt, sondern mit dem Ohr höret, hie und da die Fehler menschlich verzeihet, die sich bisweilen auch dem Ohr nicht verbergen und ihm sagen: »so sang wohl Homer nicht!« – Dies abgerechnet, wie man bei jedem menschlichen Werk, und bei Homers Uebersetzung gewiß, etwas abrechnen muß, wird man, dünkt mich, auf jeder Seite den Mann gewahr, der mit seinem Altvater viele Jahre unter einem Dache gewohnt und ihm redlich gedient hat. Die Odyssee insonderheit war ihm, so wie uns allen näher, und ist viele Gesänge durch gar hold und vertraulich. – Dies ist meine Meinung und etwa ein kleiner Dank für das Werk vieler Jahre, dessen Arbeit sich im Genusse wohl über allen Dank belohnt hat; andrer Meinung und künftige Uebertreffung unbeschadet.

15 Th. I. S. 266. u.f.

16 S. Eckhard Commentar. de reb. Franc. Orient. Tom. II. p. 948 Schilter. Thes. antiquit. T. I. Vieles in der Bibliothek zu Wien nach Lambecks Anzeige.

17 Schilter. T. II.

18 Der Deutlichkeit wegen merke ich für unsre gelehrten Kunstrichter an, daß Opitz ihn nicht gemacht, sondern gefunden und zuerst herausgegebenhabe. Er steht, ausser Opitzens Ausgabe, in Schilters erstem Theil und in Bodmers leider! nicht vollendetem Opitz.

19 Ekhard. Comment. Franc. orient. T. II. p. 864.

20 Meibom. rer. Germ. T. III.

21 Priester.

22 Strafe, Genugthuung.

23 heilige.

24 Trillers Sächs. Prinzenraub. S. 232. 235.

25 Heims Henneb. Chronik. Th. 3. S. 277–79.

26 S. 185.

27 S. 228.

28 S. 587. Pfefferkorn Merkwürd. von Thüringen S. 458. Desgleichen steht ein Lied von Eroberung des Schlosses Hohenkraen in Senkenbergs select. iuris et histor. T. IV. Ein Lied vom Ritter Georg in Schamel. Beschreibung des Georgenklost. vor Naumb. S. 26. Schlechte Bergreihen in Albini Meißn. Bergchronik S. 47. u.a.

29 Von Rosenplut: s. Reinhards Beitr. zur Gesch. Frankenlandes Th. 1. und Th. 2.

30 Schöttgens und Kreisigs Diplomat. Nachlese Th. 5. S. 114–116.

31 Tom. I. p. 1210.

32 p. 92. b

33 Th. 2. S. 383.

34 Lessings Beiträge aus der Wolfenb. Bibliothek Th. 1.

35 Z.E. Drei schöne neue Lieder vom grossen Scharrhansen zu Wolfenbüttel: von der Niederlage Herzog Heinrichs zu Braunschweig: ein Heerlied für die Kriegsleut 1546. Ein neu Lied von Moritzen, Herz. zu den Sachsen: Wahre Histor. von Herz. Moriz. Ermahnung an die Fürsten, sich der Stadt Wittenberg anzunehmen. Von Ueberziehung des Kaisers, von Belagerung der Stadt Leipzig. Entschuldigung Herz. Moriz, warum er den Kaiser nicht mit Krieg überzogen: von der Bremer Schlacht u.f. Dazwischen Fastnachts- und geistl. Lieder.

36 S. Paullini Philosoph. Feierabend S. 717. Hilscher de Dominica Laetare. Lips. 1690. Hilscher wegen des zur Fasten- und Osterzeit eingerissenen Aberglaubens. Dresd. 1708. Mich dünkt, in den Abhandlungen Böhmischer Gelehrten den Anfang dieses Liedes Böhmisch gelesen zu haben, nebst einer Abhandlung darüber.

37 Die Geschichte von Lazarus und dem Reichen: die meisten Evangelien: u.f.

38 Das Lied des Herrn von Freundsberg, so er nach der Schlacht bei Pavia selbst gemacht, und das Adam Reusner nachher zu seinem Lobe parodiert hat. Es heißt: Mein Fleiß und Müh ich nie gespart, und steht auch hinter der Geschichte desselben. Es scheint zu Luthers cantione de aulis Gelegenheit gegeben zu haben, die etwa 2. Jahr jünger ist und dieselbe Weise hat.

39 Auf der Wiener Bibliothek sind bei Lambeck unter der Nummer 421 bis 440. viele Deutsche Ritter- und Liebesgedichte genannt, die zu Maximilians Handbibliothek gehört haben und ihm sehr lieb gewesen; von ihrem Inhalt aber wird nichts mitgetheilt. Sollte nicht eine nähere Nachricht der Mühe werth seyn?

40 Th. 2. S. 153. 157. So war mir das theure Lied:

Willt du nichts von Liebe hören,

nennst das Freien Ungemach –

ach, du kennst noch nicht die Pein

alt und doch noch Jungfer seyn u.s.w.

unter des edlen Coridons Namen längst bekannt; es verführte mich aber keinen Augenblick zur Anzeichnung, bis ichs jetzt, nebst dem: Hylas will ein Weib, und Hylas will kein Weib haben u.a. in der Lyrischen Blumenlese finde. Es muß also wirklich klassisch schön seyn.

41 Wo zugleich auch ein lettisches Brautlied befindlich.

42 Hinter Gutslefs Esthnischer Grammatik ist eine Menge zum Theil sehr sinnreicher Räthsel und Sprüchwörter angeführt.

43 Mohnblüthe, wie Mädchenkranz gestaltet.

44 Da die Blüthe des Mohns blaß und welk wird und die Blätter hängen lässet wie die Weiber ihre Kopftücher.

45 Da die Blüthe ganz abgefallen ist.

46 Saame im Mohnkopf.

47 Wenn der Saame durch die Saamenlöcher heraus fällt. S. gel. Be[y]träge. Riga 1764. St. 12, 13.

48 Vielleicht werden mehrere, als ich, so wohl die Garbe, als den undeutschen Hrn. Opitz zu sehen wünschen.

49 Oder wie sonst der Ausgang ist:

Vor die Stirn das Band der Sorge!

Auf den Scheitel Tuch der Trauer!

Rüstig! es wird draussen helle!

Rüstig! draussen dämmert Morgen;

Schlitten fangen an zu fahren.

Kufen fangen an zu tanzen. –

50 (Jaans) Johanns, ihres Mannes.

51 Geschenke.

52 Die nachmalige Königin Elisabeth im Gefängniß zu Woodstock 1554.

53 Ein Stück von Opitz, so nicht in der Sammlung seiner Gedichte befindlich.

54 Geschöpfe der Natur.

55 Der Riese, aus dessen Gebeinen die Welt ward. S. Edda Fabel 3. 4.

56 Die Erbauer des Erdgebäudes. S. Edda Fab. 4.

57 S. Edda Fab. 6.

58 Dieser Abschnitt enthält gleichsam die goldnen Zeiten. S. Edda Fabel 7.

59 Die Schöpfung der Menschen. Edda Fab. 5.

60 Der Weltbaum. Fab. 8.

61 Die Vergangenheit, Urzeit.

62 Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft; diese ganze Fabel der Edda ist voll weiser und schöner Dichtung.

63 Geldeswerth.

64 Geld, oder, was da gilt.

65 Des Hüters der Natur: eine der schönsten Dichtungen der Edda.

66 Odin: gleichfalls eine weise Dichtung.

67 Nach andern: wo er das Auge Odins täglich mit Meet begießt.

68 Gleichfalls Odin. Die Prophetin spricht bald in der ersten, bald in der dritten Person von sich selbst.

69 Todtenwählerinnen. Das ferne Schicksal zu sehen, ist die tiefste Weisheit. Daß sie sogar, was keiner der Götter wuste, Balders Tod voraus sah, ist der Wissenschaft Gipfel. –

70 S. über diese schöne Sage: Fab. 12. und 28.

71 S. Fab. 16. 17. 30. 31.

72 Fab. 9. 16. 31. 33.

73 Fab.16.

74 Hier fängt die schöne Sage vom Untergange der Welt an, voll von den feinsten und prächtigsten Zügen.

75 Ohne Zweifel Söhne der Weisheit. Garm ist der Höllenhund, Jormungandur die grosse Schlange im Weltmeer. Rym, Surtur sind Riesen. Der Bruder Bisleips ist Lock. Ueber Alles ist Fab. 32. 37. der Edda Kommentar.

76 Die Göttin, die vor Schaden bewahrt. Sie sieht hier Odin, den Sieger Bela's, den Gemahl der Frygga in Todesgefahr. Vidar und Thor sind die Söhne, die ihn rächen; jener erlegt den Wolf, dieser die Schlange, die sich um die Erde gewunden. – In der neuen Welt ist Odin nicht da, aber die schönen Odins Söhne, Balder der Gute u.f. Was sich hier ermordet und gerächt hat, wohnt dort friedlich beisammen u.f.

77 Dies ist der Versuch des ohne Zweifel ältesten Gedichts der Skandinavischen Poesie, ob ichs gleich für nichts als für Fragmente älterer Sagen halte, vielleicht nicht in der besten Ordnung gesammlet. Auch die verschiednen Ausgaben der Voluspa haben die Strophen hie und da versetzt oder mehr und weniger derselben! Die sogenannte Edda des Snorro, die einem grossen Theil nach offenbar ein mythologischer Kommentar der Voluspa und andrer Sagen ist, gehet auch ihren Gang, und beinah hätte ichs gewagt, hie und da auch anders zu ordnen. Wie ihm sey, so ist die Stimme dieser Nordischen Prophetin ein äusserst merkwürdiges Stück und gleichsam die Urda, wie es mir scheint, der Nordischen Mythologie und Dichtkunst.

78 Odins liebster, allgeliebter Sohn.

79 Weil sie ihm Unglück verkündiget hat.

80 Der Arge.

81 Edelmann.

82 Als Morgenstern.

83 Es ist leicht zu dencken, daß dies Stück nicht der Moral, sondern seines lustigen Tons wegen hier eingerückt worden; an der ersten müß es der Schottischen Majestät, die es gemacht haben soll, nicht eben gelegen gewesen seyn. Wem daran liegt, mache einen zweiten Theil, wo er das fröhliche Paar in Noth kommen, zur Mutler zurückkehren, erkannt werden läßt und wie ers ferner für gut finden möchte. Hier sollte nur gegeben werden, was da ist.

84 Priester

85 der

86 die

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TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Liedsammlung. Volkslieder. Zweiter Theil. Drittes Buch. 30. Abendlied. 30. Abendlied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5976-F