Die Vorsehung

Von Vincenz Filicaja.


Wie die Mutter, wenn sie ihre Kinder
Um sich siehet, liebevoll sie anblickt,
Diesem einen Kuß auf Stirn und Wange,
Jenes sich ans Herz drückt und ein andres
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Auf den Schooß hebt, auf den Knieen wieget,
Und indem sie ihrer aller Wünsche
In den Blicken, in Geberden lieset,
Giebt sie jedem etwas, dem ein Lächeln,
Dem ein süßes Wort, dem dritten zürnt sie,
Scheint zu zürnen und hat ihn am Liebsten:
So ist uns die mütterliche Vorsicht;
Immer wachsam, horchend auf den leisen
Seufzer, schafft sie Jedem Trost und Labsal,
Sorgt für Alle, leistet Allen Hilfe;
Und wenn sie zuweilen auch versaget,
Lockt sie uns entweder, mehr zu bitten,
Oder sinnt auf eine schönre Gabe.

Notes
Erstdruck in: Die sechste Sammlung der Zerstreuten Blätter, 1797.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Herder, Johann Gottfried. Die Vorsehung. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-5848-0