[109] III.
Laurette.

Molti consigli delle Donne sono

Meglio improviso, ch' a pensarvi usciti;

Che questo è speciale, e proprio dono

Fra tanti, & tanti lor del ciel largiti.

ARIOSTO.


Was können Witz und Liebe nicht,
Wenn beide sich genau vereinen!
Dann wird, wann uns ein Rath gebricht,
Der Anschlag von sich selbst erscheinen;
Denn Amor ist noch so verschmitzt,
Als wir in den Geschichten lesen,
Und, wenn der Schalk ein Herz besitzt,
So muthig, wie er sonst gewesen.
Boccaz hat ihn genau gekannt,
Er lehret viel von seinen Streichen,
Und glaubt, es werde durch Verstand,
Die Liebe stets den Zweck erreichen.
In Welschland war ein junges Weib.
Dem weder Reiz noch Regung fehlte;
[110]
Nichts übertraf den schönen Leib,
Als nur der Geist, der ihn beseelte.
Der schwarzen Augen schlauer Scherz,
Der Anstand lockender Gebehrden
Bezauberten ein jedes Herz,
Und mußten Gismunds Meister werden:
Laurette wird von ihm verehrt,
(So wollen wir die Schöne nennen)
Allein sie schätzet ihn nicht werth,
Ihm ihre Gegengunst zu gönnen.
Sie widersteht der Schmeicheley,
Und, was noch mehr, auch den Geschenken.
Warum? sie selbst ist nicht mehr frey,
Und kann an Guido nur gedenken;
An Guido nur, der ihr gefällt,
Und Jenem schon zuvorgekommen;
Drum wird vor Gismund und der Welt
Ein Ernst voll Keuschheit angenommen,
Ein unerheitertes Gesicht,
Ein Wohlstand, der in Ehrfurcht setzet,
Und Tugend, Ehrbarkeit und Pflicht,
Viel höher, als das Leben schätzet.
Umsonst ist seine Redekunst,
Umsonst sein Flehen und Versprechen:
Nichts, nichts erwirbt ihm ihre Gunst,
Nichts kann den frommen Vorsatz brechen.
So züchtig sind zu aller Zeit,
[111]
So unerbittlich viele Schönen,
Die doch den Wahn der Grausamkeit
In eines Dritten Arm verhöhnen.
Doch Gismund wird auf einmal kühn,
Als man ihm heimlich kund gemachet,
Daß diese Lippen, die ihn fliehn,
Sehr oft den Guido angelachet.
Nachdem ihm auch die Kammermagd,
Die man, errathet wie? gewonnen,
Getreuen Beystand zugesagt,
Wird bald ein Mittel ausgesonnen.
Er eilt Laurettens Zimmer zu,
Die auf des Lieblings Schooße lauschet,
Und jetzt mit ihm in sichrer Ruh
Die allerbeßten Küsse tauschet.
Sie hört ihn kommen. Sie erschrickt,
Und hatte Recht sich zu erschrecken.
Ihr Guido muß, so gut sichs schickt,
Sich eiligst hinters Bett verstecken.
Sie bebt, und glaubt, es sey der Mann;
Doch als sie Gismund kaum erkannte,
Fieng der schon eine Predigt an,
Darinn er sie nicht heilig nannte.
Er schwört, den strafbaren Betrug
Vor Niemand länger zu verschweigen,
Sucht sie, ohn' einigen Verzug,
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Sich nicht geneigter zu erzeigen.
Sie klagt; er droht. Sie seufzt; er lacht.
Sie fleht um Aufschub, doch vergebens.
Er will: sie endlich auch. Dies macht
Die Endschaft alles Widerstrebens.
Man sagt sich Lieb' und Eintracht zu,
Und giebt, und nimmt von beiden Zeichen.
Ach Guido! was gedachtest du?
Was konnte deinem Unmuth gleichen?
Allein nun setzt es erst Gefahr,
Nun giebts die schlimmsten Augenblicke:
Der Mann, der hier nicht nöthig war,
Kömmt, eh' man es gedacht, zurücke.
Wie wäre, sonder Weiberlist,
Dies jemals glücklich abgegangen?
Jedoch, wo die beschäfftigt ist,
Da sieht man leicht, was anzufangen.
Herr Gismund rennt, auf ihr Geheiß,
Ganz trotzig, 1 mit entblößtem Degen,
[113]
Dem Manne, der von gar nichts weiß,
Als sucht' er seinen Feind, entgegen.
Er knirscht, und ruft: Du sollst gewiß
Durch diese Faust noch heut' erkalten!
Drauf geht er ohne Hinderniß,
Und Niemand sucht ihn aufzuhalten.
Lorenzo eilte, ganz entstellt,
Sogleich ins Zimmer der Laurette,
Und fand sein Liebstes auf der Welt,
Sein treues Weibchen, auf dem Bette.
Mein Engel, hättest du gesehn! – –
Was denn? – Ich kanns vor Angst nicht sagen.
Ich zittre noch. – Was ist geschehn?
Ach Kind! was hat sich zugetragen? –
Herr Gismund – Rede! – kömmt hieher
Mit bloßem – Wie? – mit bloßem Schwerdte;
Und vor ihm lief, ich weiß nicht wer,
Der Sicherheit und Schutz begehrte.
Ich glaube, daß er auch allhier
In einem Winkel sich verkrochen:
Denn Gismund fand ihn nicht bey mir,
Und trollte sich mit vielem Pochen.
Das ist mir herzlich lieb, mein Schatz,
Erwiederte der Hörnerträger,
Es ist mein Haus kein Tummelplatz
Für Meuchelmörder oder Schläger.
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Drauf ruft er durch das ganze Haus:
Mein Freund, wo habt ihr euch verborgen?
In welchem Winkel? nur heraus!
Hier ist nichts weiter zu besorgen.
Mein Guido kömmt, und danket ihm,
In aller Demuth, für sein Leben,
Daß er vor Gismunds Ungestüm
Ihm eine Zuflucht hier gegeben.
Ihn will, zu größrer Sicherheit,
Der Alte selbst nach Hause bringen,
Und ist mit eigner Faust bereit,
Ihm, auf den Nothfall, beyzuspringen.
Es waffnet sich der theure Mann.
Laurettens Furcht gewinnt ein Ende.
Die Liebesgötter sehn es an,
Und klatschen jauchzend in die Hände.

Diese Erzählung ist eine unsrer vollkommensten.Hagedorn hat seine Laurette nach der Isabella des Boccaz gebildet, und sie nur unschuldiger oder deutscher gemacht, als er sie beym Italiener fand; ihr Gemahl war, wie er am Ende sagt, in einem hohen Alter, und bey'm Boccaz ist sie die Gemahlinn d' un cavaliere assai valoroso e da bene; dieser weiß sie auch nicht besser zu entschuldigen, [115] als daß er sagt: l' uomo non può sempre usare un cibo, ma tal volta desidera di variare.

Das Original ist in drey Stellen wahrscheinlicher, als die Copie. Bey dem Italiener ist der Gemahl der Laurette auf einige Tage auf die Jagd geritten, so, daß sie ihren Guido mit desto mehr Bequemlichkeit bey sich haben kann; und nachdem Alles geschehen, ersinnt sie eine List, damit Gismund weder von ihrem Gemahle, noch dieser von jenem das, was sie von dieser Begebenheit nicht wissen, erfahren könne. Ich mögte von den Aspasien in Deutschland hören, was sie in diesem Falle würden gethan haben.

Vermuthlich fand es der Herr von Hagedorn, da er seine Erzählung für deutsche Damen schrieb, nicht für nöthig, den Mann auf die Jagd reiten zu lassen, damit Laurette ihren Liebhaber ohne Sorge in ihren Armen haben könne. –

In Deutschland giebt es außerdem ja immer viele Herrn, die so gutherzig sind, nicht länger, als die ersten Monate ihrer Ehe, auf ihre Gemahlinnen eifersüchtig zu seyn.

Und dann beschreibt Boccaz den Liebling der Laurette ausdrücklich, als einen sanften, gefälligen Jüngling, der Gismunden die Spitze nicht habe bieten können. Man kann daraus sehen, daß die Damen, schon vor vielen Jahrhunderten, bey der Wahl ihrerFreunde – welchem [116] Worte eine Grazie bey uns die Bedeutung gegeben zu haben scheint, die das WortFreundinn bey den Griechen hatte, um das unausstehliche Wort Buhler aus den guten Gesellschaften zu verbannen – mehr auf sanfte Sitten, und eine naive Einfalt, als Witz, Feuer und Muth gesehen haben; und daß man folglich, wenn man sein Glück bey ihnen machen will, nichts weniger als witzig und weise, und tapfer seyn müsse.

Einige von unsern Aspasien verlangen noch zu diesen Eigenschaften ein männliches Alter.

Unsere gelindesten Weisen halten dies für eine wahre Schande, und für eine unbegreifliche Vergehung, wenn sie unsere vollkommensten Damen diesen Gebrauch beobachten sehen. Ich sehe mich daher genöthigt, ihre Apologie deßwegen zu machen.

Diese Wahl gereicht ihnen zur wahren Ehre.


1) Verwehrt ihnen das süße Gefühl ihrer Unschuld, das sich nicht aus dem Herzen treiben lassen will, sich einem Alcibiades zu ergeben, dem sie nicht zu beweisen hoffen können, es noch immer, ohngeachtet ihrer Vergehung, im Busen zu haben; und ohne dieses Gefühl ist die Liebe eine Kost, an welcher kein feiner Sinn einen Geschmack wird finden können, und wenn auch die Musen ihre lieblichsten Lieder dabey singen, und die Grazien Tänze aus Elysium tanzen müßten.

[117] 2) Ist die Einfalt verschwiegener, als der Witz; und Worte, nicht Handlungen, machen bey dergleichen Begebenheiten das mehrste Unheil.

3) Scheint sie mehr Empfindung zu haben, als die Weisheit.


Indessen kann es nicht fehlen, daß eine unausstehliche Langeweile die Damen bey dieser Liebe endlich in die Verlegenheit setzen müsse, dieser Spielwerke ohne Seele überdrüssig zu werden, so gern sie es auch nicht werden mögten; und ich bin so frey, ihnen zu sagen, daß sie sehr irren, nach der Meynung der größten Menschenkenner, wenn sie mehr Verschwiegenheit, Empfindung und Dankbarkeit bey dem männlichen Alter zu finden hoffen, als bey einem weisen gefühlvollen Jünglinge. Je älter der Mensch wird, desto geringer wird seine Sympathie, sein Vergnügen an der Glückseligkeit eines Andern, sein Hang zur Liebe und Freundschaft, desto größer sein Mistrauen, seine Eigenliebe u.s.w. Er kann keinen Geschmack mehr an den Scherzen und Spielen und allen den süßen kleinen Freuden finden, ohne welche die Liebe nicht leben kann. Alles hat für ihn den Reiz der Neuheit verloren. – O meine schönen gnädigen Damen! Sie machen sich unglücklich, wenn Sie einen mechanischen Mann mit stumpfen Sinnen, einen einfältigen immer lächelnden Damöt zu ihrem Lieblinge erwählen; bey dem ersten werden Sie ihre Launen, mit denen Sie [118] uns so sehr bezaubern, sich abgewöhnen müssen, und bey dem andern unausstehliche Langeweile haben, die auch bey dem ersten ihnen nicht selten beschwerlich fallen wird. Aber am unglücklichsten würden sie sich machen, wenn sie ein feiges Herz ihrer Liebe würdigten; eine deutsche Laurette hat vor kurzem dies erfahren; der tapfere Liebhaber überraschte sie bey ihrem Guido, dieser wollte entschlüpfen, aber Gismund sagte zu ihm: Bleibe, Elender! siehe da, und gehe nicht eher von dannen, als bis ich dir es befehle – und Laurette mußte – ihn vor der Thüre stehen, und nicht von dannen gehen sehen.

Fußnoten

1 Boccaz hat seine Gestalt noch anschaulicher beschrieben, er sagt:

Tirato fuori il coltello, tutto infocato nel viso, tra per la fatica durata; e per l' ira havuta della tornata del marito, come la donna gl'impose, così fece.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Heinse, Wilhelm. Erzählungen. Erzählungen für junge Damen und Dichter. Erster Band. 3. Laurette. 3. Laurette. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-4CD4-2