Tragödie

1.

Entflieh mit mir und sei mein Weib,
Und ruh an meinem Herzen aus;
Fern in der Fremde sei mein Herz
Dein Vaterland und Vaterhaus.
Gehst du nicht mit, so sterb ich hier
Und du bist einsam und allein;
Und bleibst du auch im Vaterhaus,
Wirst doch wie in der Fremde sein.

2.

Dieses ist ein wirkliches Volkslied,

welches ich am Rheine gehört


Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht,
Es fiel auf die zarten Blaublümelein,
Sie sind verwelket, verdorret.
Ein Jüngling hatte ein Mädchen lieb,
Sie flohen heimlich von Hause fort,
Es wußt weder Vater noch Mutter.
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Sie sind gewandert hin und her,
Sie haben gehabt weder Glück noch Stern,
Sie sind verdorben, gestorben.

3.

Auf ihrem Grab, da steht eine Linde,
Drin pfeifen die Vögel und Abendwinde,
Und drunter sitzt, auf dem grünen Platz,
Der Müllersknecht mit seinem Schatz.
Die Winde, die wehen so lind und so schaurig,
Die Vögel, die singen so süß und so traurig,
Die schwatzenden Buhlen, die werden stumm,
Sie weinen und wissen selbst nicht warum.
[280]

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Heine, Heinrich. Tragödie. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-4B64-8