[114] Erste Abteilung
Der gehörnte Siegfried
Vorspiel in einem Akt


[115]

Personen

Personen.

    • König Gunther.

    • Hagen Tronje.

    • Dankwart, dessen Bruder.

    • Volker, der Spielmann.

    • Giselher,
    • Gerenot, Brüder des Königs.

    • Rumolt, der Küchenmeister.

    • Siegfried.

    • Ute, die Witwe König Dankwarts.

    • Kriemhild, ihre Tochter.

    • Recken, Volk.

1. Szene

Erste Szene

Hagen von Tronje tritt ein.

HAGEN.
Nun, keine Jagd?
GUNTHER.
Es ist ja heilger Tag!
HAGEN.
Daß den Kaplan der Satan selber hole,
Von dem er schwatzt!
GUNTHER.
Ei, Hagen, mäßge dich.
HAGEN.
Was gibts denn heut? Geboren ist er längst!
Das war – laßt sehn! – Ja, ja, zur Zeit der Flocken!
Sein Fest verdarb uns eine Bärenhatz.
GISELHER.
Wen meint der Ohm?
HAGEN.
Gekreuzigt ist er auch,
Gestorben und begraben. – Oder nicht?
GERENOT.
Er spricht vom Heiland.
HAGEN.
Ists denn noch nicht aus? –
Wer hält mit mir? Ich eß kein Fleisch zur Nacht,
Das nicht bis Mittag in der Haut noch steckt,
Auch trink ich keinen Wein, als aus dem Horn,
Das ich dem Auerstier erst nehmen muß!
GUNTHER.
So wirst du Fische kauen müssen, Freund,
Am Ostermorgen gehn wir nicht zur Jagd.
HAGEN.
Was tun wir denn? Wo ist der heilge Mann?
Was ist erlaubt? Ich hör die Vögel pfeifen,
Da darf der Mensch sich doch wohl fiedeln lassen?

Zu Volker.

So fiedle, bis die letzte Saite reißt!
VOLKER.
Ich fiedle nicht, solang die Sonne scheint,
Die lustge Arbeit spar ich für die Nacht.
HAGEN.
Ja, du bezögst auch dann noch dir die Geige
Gern mit des Feindes Darm und strichest sie
Mit einem seiner Knochen.
VOLKER.
Würdest du
Vielleicht auf die Bedingung Musikant?
[117]
HAGEN.
Ich kenne dich, mein Volker. Ists nicht so?
Du redest nur, wenn du nicht fiedeln darfst,
Und fiedelst nur, wenn du nicht schlagen kannst.
VOLKER.
Mag sein, Kumpan.
GUNTHER.
Erzähl uns was, der Tag
Wird sonst zu lang. Du weißt so mancherlei
Von starken Recken und von stolzen Fraun.
HAGEN.
Nur von Lebendgen, wenn es dir beliebt,
Daß man sich sagen darf: die krieg ich noch,
Den vor mein Schwert und die in meinen Arm!
VOLKER.
Ich will dir von Lebendigen erzählen,
Und der Gedanke soll dir doch vergehn.
Ich kenn den Recken, den du nimmer forderst,
Und auch das Weib, um das du nimmer wirbst.
HAGEN.
Wie! Auch das Weib? Den Recken laß ich gelten,
Doch auch das Weib? Du meinst den Schlangentöter,
Den Balmungschwinger, den gehörnten Siegfried,
Der, als er einmal Schweiß vergossen hatte,
Durchs Bad sich deckte vor dem zweiten Mal –
Allein das Weib?
VOLKER.
Ich sag dir nichts von ihr!
Du könntest ausziehn, um sie heim zu führen,
Und kämst gewiß nicht mit der Braut nach Haus.
Der Schlangentöter selbst wird sich besinnen,
Ob er als Freier bei Brunhilden klopft.
HAGEN.
Nun, was Herr Siegfried wagt, das wag ich auch.
Nur gegen ihn erheb ich nicht die Klinge:
Das wär ja auch, wie gegen Erz und Stein.
Glaubts oder zweifelt, wie es Euch gefällt:
Ich hätt mich nicht im Schlangenblut gebadet,
Darf denn noch fechten, wer nicht fallen kann?
GISELHER
zu Volker.
Schon hört ich tausend Zungen von ihm plappern,
Doch, wie die Vögel durcheinander zwitschern,
Es gab kein Lied. Sprich du einmal von ihm!
GUNTHER.
Vom Weibe erst. Was ist das für ein Weib?
VOLKER.
Im tiefen Norden, wo die Nacht nicht endet,
Und wo das Licht, bei dem man Bernstein fischt
[118] Und Robben schlägt, nicht von der Sonne kommt,
Nein, von der Feuerkugel aus dem Sumpf –

Man hört in der Ferne blasen.
HAGEN.
Trompeten!
GUNTHER.
Nun?
VOLKER.
Dort wuchs ein Fürstenkind
Von wunderbarer Schönheit auf, so einzig,
Als hätte die Natur von Anbeginn
Haushälterisch auf sie gespart und jeder
Den höchsten Reiz des Weibes vorenthalten,
Um ihr den vollen Zauber zu verleihn.
Du weißt von Runen, die geheimnisvoll
Bei dunkler Nacht von unbekannten Händen
In manche Bäume eingegraben sind:
Wer sie erblickt, der kann nicht wieder fort,
Er sinnt und sinnt, was sie bedeuten sollen,
Und sinnts nicht aus, das Schwert entgleitet ihm,
Sein Haar wird grau, er stirbt und sinnt noch immer:
Solch eine Rune steht ihr im Gesicht!
GUNTHER.
Wie, Volker? Dieses Weib ist auf der Welt,
Und ich vernehms erst jetzt?
VOLKER.
Vernimm noch mehr!
So ists. Bei Eis und Schnee, zur Augenweide
Von Hai und Walfisch, unter einem Himmel,
Der sie nicht einmal recht beleuchten kann,
Wenn nicht ein Berg aus unterirdschen Schlünden
Zuweilen seine roten Blitze schickt,
Ist aller Jungfraun herrlichste erblüht.
Doch ist das öde Land, das sie gebar,
Auf seinen einzgen Schatz auch eifersüchtig
Und hütet sie mit solcher neidschen Angst,
Als würd es in demselben Augenblick
Vom Meere, das es rings umbraust, verschlungen,
Wo sie dem Mann ins Brautbett folgt. Sie wohnt
In einer Flammenburg, den Weg zu ihr
Bewacht das tückische Geschlecht der Zwerge,
Der rasch umklammernd quetschend Würgenden,
Die hören auf den wilden Alberich,
[119] Und überdies ist sie begabt mit Kräften,
Vor denen selbst ein Held zu Schanden wird.
GUNTHER.
Wie das?
VOLKER.
Wer um sie wirbt, der wirbt zugleich
Um seinen Tod, denn führt er sie nicht heim,
So kehrt er gar nicht wieder heim, und ist
Es schon so schwer, nur zu ihr zu gelangen,
So ist es noch viel schwerer, ihr zu stehn.
Bald kommt auf jedes Glied an ihrem Leibe
Ein Freier, den die kalte Erde deckt,
Denn mancher schon zog kühn zu ihr hinab,
Doch nicht ein einziger kam noch zurück!
GUNTHER.
Nun, das beweist, sie ist für mich bestimmt!
Hei! Meine lange Brautwahl hat ein Ende,
Brunhilde wird die Königin Burgunds!

Man hört die Trompeten ganz nahe.

Was gibts?
HAGEN
tritt ans Fenster.
Das ist der Held aus Niederland.
GUNTHER.
Du kennst ihn?
HAGEN.
Schau nur hin! Wer zöge wohl
So trotzig bei uns ein, wenn ers nicht wäre,
Und hätte doch nur zwölfe im Gefolg!
GUNTHER
tritt gleichfalls ans Fenster.
Ich glaub es selbst! Doch sprich, was führt ihn her?
HAGEN.
Ich weiß nicht, was ihn reizt! Er kommt wohl nicht,
Um sich vor dir zu bücken, und er hat
Zu Haus doch alles, was man wünschen kann.
GISELHER.
Ein edler Degen!
GUNTHER.
Wie empfängt man ihn?
HAGEN.
Du dankst ihm, rat ich, wie er dich begrüßt.
GISELHER.
Ich gehe ihm entgegen!
GERENOT.
So auch ich!
HAGEN.
Wers tut, der wird sich nicht erniedrigen!
Denn, daß ers euch nicht selbst zu melden braucht:
Er steckt nicht bloß in seiner Haut von Horn
Und hat die Balmung-Klinge an der Seite,
Er ist auch Herr des Nibelungenhorts
[120] Und trägt die Nebelkappe Alberichs,
Und alles das, ich muß es redlich sagen,
Durch seine Kraft und nichts durch Hinterlist,
Drum geh ich mit.
GUNTHER.
Wir kommen schon zu spät.

2. Szene

Zweite Szene

SIEGFRIED
tritt mit seinen zwölf Recken ein.
Ich grüß dich, König Gunther von Burgund! –
Du staunst, daß du den Siegfried bei dir siehst?
Er kommt, mit dir zu kämpfen um dein Reich!
GUNTHER.
Hier kämpft man nicht um das, was man schon hat!
SIEGFRIED.
Um das denn, was dran fehlt! Ich hab ein Reich,
So groß wie deins, und wenn du mich besiegst,
So bist du Herr darin. Was willst du mehr?
Du greifst noch nicht zu deinem Schwert? Ich hörte
Ja doch, daß hier die Tapfersten der Recken
Versammelt seien, kühn genug, mit Thor
Zu kämpfen um den Donner, wenn sie ihn
In irgend einem Eichenhaine träfen,
Und stolz genug, die Beute zu verschmähn.
Ist das nicht wahr? Wie? Oder zweifelst du
An meinem Pfande, glaubst du, daß ichs dir
Nicht geben kann, weil noch mein Vater lebt?
Herr Sigmund steigt von seinem Thron herunter,
Sobald ich wiederkehre, und er wünscht
Sich sehnlich diesen Augenblick herbei,
Denn selbst der Szepter wird dem Greis zu schwer.
Und jeden Helden, der dir dienen mag,
Wäg ich dir auf mit dreien, jedes Dorf
Mit einer Stadt, und für ein Stück vom Rhein
Biet ich den ganzen dir! So komm und zieh!
DANKWART.
Wer spricht mit einem König so?
SIEGFRIED.
Ein König!
Spricht doch ein Degen so mit einem Degen!
Wer kann und mag besitzen, wenn er nicht
[121] Bewiesen hat, daß er mit Recht besitzt?
Und wer erstickt das Murren um sich her,
Bevor er den Gewaltigsten, der lebt,
Zu Boden warf, und ihn mit Füßen trat?
Bist du das nicht? So sag mir, wen du fürchtest,
Und gleich zur Stunde zieh ich wieder ab
Und fordre den, statt deiner, vor mein Schwert!
Du nennst ihn nicht und greifst auch nicht zur Wehr?
Ich brenne, mich zu messen mit dem Recken,
Der mir mein Gut verdoppelt oder nimmt:
Wär dies Gefühl dir fremd? Das glaub ich nicht,
Wenn ich auch nur auf deine Diener blicke:
So stolze Männer würden dir nicht folgen,
Empfändest du nicht ganz so, wie ich selbst.
DANKWART.
Du bist gewiß aufs Kämpfen so versessen,
Seit du des Lindwurms Schuppen-Panzer trägst?
Nicht jedermann betrog den Tod, wie du,
Er findet eine offne Tür bei uns.
SIEGFRIED.
Wohl auch bei mir! Hab Dank, du alte Linde,
Daß du ein Blatt auf mich herunterwarfst,
Als ich mich badete im Blut des Drachen,
Hab Dank, o Wind, daß du sie schütteltest!
Nun hab ich doch die Antwort für den Spötter,
Der seine Feigheit hinter Hohn versteckt.
HAGEN.
Herr Siegfried, Hagen Tronje nennt man mich,
Und dieser ist mein Bruder!
VOLKER
macht einen Geigenstrich.
SIEGFRIED.
Hagen Tronje,
Ich grüße dich! Doch wenn dich das verdreußt,
Was ich hier sprach, so brauchst dus nur zu sagen,
Ich setze gern den Königssohn beiseite
Und stehe dir, als wärst du Gunther selbst.
GUNTHER.
Kein Wort mehr, Hagen, eh dein König sprach.
SIEGFRIED.
Und wenn du fürchtest, daß dein gutes Schwert
An meiner harten Haut zerspringen könnte,
So biete ichs dir anders, komm herab
Mit in den Hof, dort liegt ein Felsenblock,
Der ganz so schwer für mich ist, wie für dich:
[122] Wir werfen und erproben so die Kraft.
GUNTHER.
Du bist willkommen, Held aus Niederland,
Und was dir hier gefällt, du magst dirs nehmen,
Nur trink mit uns, eh dus von dannen trägst.
SIEGFRIED.
Sprichst du so mild mit mir? Da könnt ich bitten:
Schick mich sogleich zurück zu meinem Vater,
Er ist der einzge, der mich züchtgen darf.
Doch, laß michs, wie die kleinen Kinder machen,
Die auch nicht gleich von ihrer Unart lassen:
Kommt, werft mit mir, so trinke ich mit Euch!
GUNTHER.
So seis, Herr Siegfried.
SIEGFRIED
zu Dankwart.
Und was Euch betrifft,
Nicht wahr, ich kniff Euch in den dritten Arm,
Es tat nicht weh, ich weiß, Ihr habt ihn nicht!

Zu allen.

Als ich hier einritt, packte mich ein Grauen,
Wie ichs noch nicht empfand, solang ich lebe,
Mich fröstelte, als würds auf einmal Winter,
Und meine Mutter kam mir in den Sinn,
Die nie zu weinen pflegte, wenn ich zog,
Und dies Mal weinte, als ob alles Wasser
Der Welt den Weg durch ihre Augen nahm.
Das machte mir den Kopf so wirr und kraus,
Ich wollte gar vom Pferde nicht herunter –
Jetzt bringt Ihr mich so bald nicht mehr hinauf.

Alle ab.

3. Szene

Dritte Szene

Ute und Kriemhild treten auf.

UTE.
Der Falk ist dein Gemahl!
KRIEMHILD.
Nicht weiter, Mutter,
Wenn du den Traum nicht anders deuten kannst.
Ich hörte stets, daß Liebe kurze Lust
Und langes Leid zu bringen pflegt, ich sehs
Ja auch an dir und werde nimmer lieben,
O nimmer, nimmer!
[123]
UTE.
Kind, was sagst du da?
Wohl bringt die Liebe uns zuletzt auch Leid,
Denn eines muß ja vor dem andern sterben,
Und wie das schmerzt, das magst du sehn an mir.
Doch all die bittren Tränen, die ich weine,
Sind durch den ersten Kuß voraus bezahlt,
Den ich von deinem Vater einst empfing.
Auch hat er, eh er schied, für Trost gesorgt,
Denn wenn ich stolz auf tapfre Söhne bin,
Und wenn ich dich jetzt an den Busen drücke,
So kanns doch nur geschehn, weil ich geliebt.
Drum laß dich nicht durch einen Reim erschrecken:
Ich hatte lange Lust und kurzes Leid.
KRIEMHILD.
Viel besser, nie besitzen, als verlieren!
UTE.
Und was verlierst du nicht auf dieser Welt!
Sogar dich selbst. Bleibst du denn, was du bist?
Schau mich nur an! So sehr du lächeln magst:
Ich war vordem, wie du, und glaube mir,
Du wirst dereinst, wie ich. Was willst du halten,
Wenn du dich selbst nicht einmal halten kannst?
Drum nimms, wie's kommt, und greife, wie wir alle,
Nach dem, was dir gefällt, obgleich der Tod
Es dir zu Staub zerbläst, sobald er will:
Die Hand, mit der dus packst, zerstäubt ja auch.
KRIEMHILD
tritt zum Fenster.
Wie mirs ums Herz ist, Mutter, könnt ich schwören –

Sie schaut hinaus und bricht ab.
UTE.
Was brichst du ab? Du wirst ja feuerrot?
Was hat dich so verwirrt?
KRIEMHILD
tritt zurück.
Seit wann ists Brauch
An unserm Hof, daß wirs nicht mehr erfahren,
Wenn fremde Gäste eingezogen sind?
Wird diese stolze Burg zu Worms am Rhein
Der Schäferhütte gleich, in der sich jeder
Bei Nacht und Tag verkriechen kann, der will?
UTE.
Warum so hitzig?
KRIEMHILD.
Ei, ich wollte eben
Im Hofe nach den jungen Bären schaun,
[124] Die so possierlich durcheinander kugeln,
Und wie ich ohne Arg den Laden öffne,
Da stiert mir plump ein Recke ins Gesicht.
UTE.
Und dieser Recke machte dirs unmöglich,
Den Schwur zu endigen, den du begannst?

Sie tritt gleichfalls zum Fenster.

Ei freilich, wer ihn sieht, wie er da steht,
Der überlegt sichs, ob er weiter schwört.
KRIEMHILD.
Was kümmern mich die Gäste meines Bruders,
Wenn ich nur weiß, wie ich sie meiden kann.
UTE.
Nun, dies Mal freuts mich, daß dir bloß der Zorn
Die Wangen färbt, denn dieser junge Held,
Der zwischen dich und deine Bären trat,
Ist längst vermählt und hat schon einen Sohn.
KRIEMHILD.
Du kennst ihn?
UTE.
Ganz gewiß!
KRIEMHILD.
Wie heißt er denn?
UTE.
Ich weiß es nicht! Jetzt aber kenn ich dich,
Du bist ja bleich geworden, wie der Tod! –
Und wahrlich, wenn du diesen Falken fängst,
So hast du nichts vom Adler zu besorgen,
Er nimmts mit jedem auf, ich bürge dir!
KRIEMHILD.
Dir hab ich meinen letzten Traum erzählt!
UTE.
Nicht so, Kriemhild! Ich spotte deiner nicht.
Wir sehen oft im Traum den Finger Gottes,
Und wenn wir noch im Wachen ängstlich zittern,
Wie du es tust, so sahn wir ihn gewiß.
Nur sollen wir den Wink auch recht verstehn,
Den er uns gibt, und nicht in unsrer Furcht
Unmögliches geloben. Hüte du
Den Falken, der dir zugeflogen kommt,
Damit kein tückscher Adler ihn zerreißt,
Doch denke nicht daran, ihn zu verscheuchen,
Du scheuchst mit ihm die Lust des Lebens fort.
Denn über eines edlen Recken Liebe
Geht nichts auf dieser Welt, wenn du es gleich
Noch unter deinem Mädchenkranz nicht fühlst,
Und wär dir auch kein Besserer beschert,
[125] Als dieser da, ich wies ihn nicht zurück.

Sie schaut aus dem Fenster.
KRIEMHILD.
Er wirbt wohl nicht, so brauch ichs nicht zu tun.
UTE
lacht.
Ei, so weit spring ich noch, so alt ich bin.
KRIEMHILD.
Was gibts da drunten, Mutter, daß du lachst?
UTE.
Sie werfen in die Wette, wie es scheint,
Und Giselher, dein Bruder, warf zuerst.
Nun, nun, er ist der Jüngste. Aber schau;
Jetzt kommt der fremde Recke. Ach, mein Sohn,
Wo wirst du bleiben? Sieh, nun tritt er an,
Nun holt er aus, nun – Ha, der Stein wird fliegen,
Als würde er zum Vogel – Komm doch her
Und stell dich hinter mich, du siehst es nicht
Zum zweiten Mal, es gilt das Äußerste,
Er wills mit einem Wurf zu Ende bringen!
Jetzt – Hab ich Augen oder hab ich keine?
Nicht weiter?
KRIEMHILD
nähert sich.
Hast du ihn zu früh gelobt?
UTE.
Das ist ja nur ein Schuh!
KRIEMHILD
tritt hinter Ute.
Noch immer mehr,
Als wär es nur ein Zoll.
UTE.
Um einen Schuh
Dies Kind zu überwerfen –
KRIEMHILD.
Ist nicht viel!
Besonders, wenn man sich dabei noch spreizt.
UTE.
Und wie er keucht!
KRIEMHILD.
Für einen solchen Riesen
Possierlich gnug! Wär ichs, verdient ich Mitleid,
Denn für ein Mädchen wär es schon ein Stück.
UTE.
Nun macht sich unser Gerenot ans Werk.
Es steht ihm gut, nicht wahr? Er hat von allen
Die meiste Ähnlichkeit mit seinem Vater,
Nur mutig zu, mein Sohn! – Das ist ein Wurf!
KRIEMHILD.
Der Bär sogar ist überrascht, er hat
Sichs nicht erwartet und wird plötzlich flink.
UTE.
Zieh du auf Abenteuer, wann du willst! –
Doch Giselher bleibt hier.
KRIEMHILD.
Wie gehts denn fort? –
[126] Nein, mache mir nicht Platz, ich sehs schon so.
UTE.
Jetzt kommt der Recke wieder! Doch er strengt
Sich nicht mehr an, er scheint sich im voraus
Des Sieges zu begeben. Wie man sich
Doch irren kann! – Was tut er aber da?
Er dreht sich um – er kehrt dem Ziel den Rücken,
Anstatt der Augen zu – er wirft den Stein
Hoch über Kopf und Achsel weg – Ja wohl,
Man kann sich irren! Gerenot ist auch
Besiegt, wie Giselher.
KRIEMHILD.
Es macht zwar wieder
Nur einen Schuh! Doch dies Mal keucht er nicht.
UTE.
Es sind doch gute Kinder, die ich habe.
Treuherzig reicht ihm Gerenot die Hand,
Ein andrer würde nach der Klinge greifen,
Denn solch ein Übermut ist gar nicht fein.
KRIEMHILD.
Man siehts ja wohl, daß ers nicht übel meint.
UTE.
Herr Volker legt die Geige still bei Seite,
Die er so höhnisch strich!
KRIEMHILD.
Der eine Schuh
Stört ihn in seiner Lust. Die Reihe wäre
Am Marschall jetzt, wenns langsam, wie bei Treppen,
Hinauf gehn soll, doch König Gunther drängt
Herrn Dankwart ungestüm zurück, er will
sich selbst versuchen.
UTE.
Und er tuts mit Glück.
Zweimal so weit, als Gerenot.
KRIEMHILD.
Und dennoch
Nicht weit genug. Du siehst, der Recke folgte
Sogleich, und wieder fehlt der eine Schuh.
UTE.
Der König lacht. Ei nun, so lach ich auch! –
Ich sahs ja längst, daß dies der Falke ist,
An dem dein Traum sich nicht erfüllen kann;
Doch hat er jetzt die volle Kraft gebraucht.
KRIEMHILD.
Nun tritt der Tronjer an.
UTE.
Dem schwärts im Herzen,
So fröhlich er auch tut! – Er packt den Stein,
Als wollt er ihn zermalmen. Wie der fliegt!
[127] Bis an die Wand! Nun, weiter kann er nicht.
Das ist ein Wurf, den keiner übertrifft,
Selbst für den einen Schuh ist nicht mehr Platz.
KRIEMHILD.
Der Recke holt sich doch den Stein noch wieder.
UTE.
Wozu nur? – Großer Gott, was gibt es jetzt?
Bricht über unserm Haupt die Burg zusammen?
Das dröhnt!
KRIEMHILD.
Bis in den Turm hinauf. Die Dohlen
Und Fledermäuse fahren aus den Nestern –
UTE.
Sie fliegen blind ins Licht hinein!
KRIEMHILD.
Die Wand
Hat einen Riß.
UTE.
Unmöglich.
KRIEMHILD.
Warte nur,
Bis sich der Staub verzieht. Groß, wie ein Fenster!
Da ging der Wurf hindurch.
UTE.
Jetzt seh ichs auch.
KRIEMHILD.
Der Stein flog in den Rhein.
UTE.
Wer sollt es glauben!
Und doch ists wahr, das Wasser selbst bezeugts,
Es spritzt ja himmelhoch empor.
KRIEMHILD.
Das ist
Noch etwas über einen Schuh.
UTE.
Dafür
Wischt er sich endlich auch einmal die Stirn.
Gott Lob! Sonst käm der Tronjer um vor Wut.
KRIEMHILD.
Nun ist es aus. Sie schütteln sich die Hände;
Dankwart und Volker kamen um ihr Recht.
UTE.
Komm, wir vergessen, es ist Messezeit.

Beide ab.

4. Szene

Vierte Szene

Die Recken treten wieder ein.

GUNTHER.
Ihr seid ein Schalk, Herr Siegfried.
SIEGFRIED.
Nehmt Ihrs krumm?
GISELHER.
Vergebt mir nur, daß ichs sogar gewagt,
[128] Mich Euch zu stellen. Doch ich will zur Strafe
Mit meiner alten Mutter Ute ringen,
Und wenn ich sie besiege, sollt Ihr mich
Vor allem Volk bei schallenden Trompeten
Mit Eichenlaub bekränzen, wenn Ihr wollt!
SIEGFRIED.
Nichts mehr davon! Der Wurf war nicht so schlecht,
Euch fehlen nur zehn Jahre.
HAGEN.
War das Letzte
Denn endlich Euer Bestes?
SIEGFRIED.
Kann man das
Im Spiele zeigen?
GUNTHER.
Noch einmal willkommen!
Und glücklich pries ich mich, wenns mir gelänge,
Dich anders, als für flüchtigen Besuch
An mich zu fesseln. Doch, was hätte ich,
Das ich dir bieten könnte. Wär es auch
Mein rechter Arm – mit dem ich mir den Dienst
Von deinem linken gern erkaufen mögte –
Du sagtest nein und kämst wohl auch zu kurz!
SIEGFRIED.
Nimm dich in acht, ich bettle, eh dus denkst!
GUNTHER.
Was es auch sei, es ist voraus gewährt.
SIEGFRIED.
Hab Dank für dieses Wort! Ich werde dir
Es nie vergessen, doch ich gebe dirs
Sogleich zurück, denn meine Wünsche sind
Vermeßner, als du ahnst. Ich war bescheiden,
Als ich dein Reich bloß forderte.
GUNTHER.
Du wirst
Mich nicht erschrecken.
SIEGFRIED.
Hörtest du vielleicht
Von meinen Schätzen? Nun, das ist gewiß,
Für Gold und Silber brauchst du nicht zu zittern,
Ich hab so viel davon, daß ich es lieber
Verschenkte, als zu Hause schleppte, doch
Was hilfts mir? Was ich dafür kaufen mögte,
Ist nimmer feil!
GUNTHER.
Das ist?
SIEGFRIED.
Du rätst es nicht? –
Ein anderes Gesicht, als dieses hier!
[129]
GUNTHER.
Hast du die Kraft des alten schon erprobt?
SIEGFRIED.
An meiner Mutter, ja! Und da mit Glück,
Denn ihr gefällts!
GUNTHER.
Nicht sonst noch?
SIEGFRIED.
Allerdings!
Hast dus denn nicht bemerkt? Ein Mägdlein sah
Vorhin auf uns herunter in den Hof,
Und als sie, ihre goldnen Locken schüttelnd,
Die, wie ein Vorhang, ihr die Augen deckten,
Mich unter euch erblickte, fuhr sie rascher
Zurück, wie ich, als sich im Reich der Zwerge
Die Erde, die mein Fuß betrat, auf einmal
Zu einem Angesicht zusammenzog,
Das mir die Zähne zeigte!
GUNTHER.
Bloße Scheu!
Versuchs nur immer weiter. Wenns dir aber
Am Werber fehlt: ich leiste dir den Dienst,
Nur mußt du mir den gleichen auch erweisen,
Denn Kriemhild, meine Schwester, darf nicht ziehn,
Bevor hier Brunhild ihren Einzug hielt.
SIEGFRIED.
Welch einen Namen nennst du da, o König?
Die nordsche Jungfrau denkst du heimzuführen,
Der flüßges Eisen in den Adern kocht?
O, gib es auf!
GUNTHER.
Warum? Ist sies nicht wert?
SIEGFRIED.
Nicht wert! Ihr Ruhm durchfliegt die Welt! Doch keiner
Kann sie im Kampf bestehen, bis auf einen,
Und dieser eine wählt sie nimmermehr.
GUNTHER.
So sollte ich aus Furcht vor ihr nicht werben?
Welch eine Schmach! Viel lieber gleich den Tod
Von ihrer Hand, als tausend Jahre Leben
In dieser Ohnmacht schimpflichem Gefühl.
SIEGFRIED.
Du weißt nicht, was du sprichst. Ists Schmach für dich,
Daß dich das Feuer brennt, und daß das Wasser
Dich in die Tiefe zieht? Nun, sie ist ganz,
Wie's Element, und einen Mann nur gibts,
Der sie bewältgen und, wie's ihm gefällt,
[130] Behalten oder auch verschenken kann!
Doch mögtest du sie wohl von einem nehmen,
Der nicht ihr Vater, noch ihr Bruder ist?
GUNTHER.
Erst werd ich sehen, was ich selbst vermag!
SIEGFRIED.
Es glückt dir nicht, es kann dir gar nicht glücken,
Sie wirft dich in den Staub! Und glaube nicht,
Daß Milde wohnt in ihrer eh'rnen Brust,
Und daß sie etwa, wenn sie dich erblickt,
Es gar zu einem Kampf nicht kommen läßt!
Das kennt sie nicht, sie streitet um ihr Magdtum,
Als wär ihr Leben selbst daran geknüpft,
Und wie der Blitz, der keine Augen hat,
Oder der See, der keinen Schrei vernimmt,
Vertilgt sie ohne Mitleid jeden Recken,
Der ihr den Jungfraun-Gürtel lösen will.
Drum gib sie auf und denk nicht mehr an sie,
Wenn du sie nicht aus eines andern Händen,
Wenn du sie nicht von mir empfangen magst!
GUNTHER.
Und warum sollt ich nicht?
SIEGFRIED.
Das frag dich selbst!
Ich bin bereit mit dir hinab zu ziehn,
Wenn du die Schwester mir als Lohn versprichst,
Denn einzig ihrethalben kam ich her,
Und hättest du dein Reich an mich verloren,
Du hättst es dir zurückgekauft mir ihr.
HAGEN.
Wie denkst dus denn zu machen?
SIEGFRIED.
Schwere Proben
Sind zu bestehn! Sie wirft den Stein, wie ich,
Und springt ihm nach, so weit er fliegt, sie schleudert
Die Lanze und durchbohrt auf hundert Schritte
Ein siebenfaches Erz, und so noch mehr.
Allein, was tuts, wir teilen uns ins Werk,
Mein sei die Arbeit, die Gebärde sein!
HAGEN.
Er soll den Anlauf nehmen, du willst werfen
Und springen?
SIEGFRIED.
Ja! so mein ichs! Und dabei
Ihn selbst noch tragen!
HAGEN.
Torheit! Wie ists möglich,
[131] Sie so zu täuschen?
SIEGFRIED.
Durch die Nebelkappe,
Die mich schon einmal ihrem Blick entzog!
HAGEN.
Du warst schon dort?
SIEGFRIED.
Ich wars! Doch warb ich nicht,
Auch sah ich nur, ich wurde nicht gesehn! –
Ihr staunt und schaut mich voll Verwundrung an?
Ich merk es wohl, ich muß den Kuckuck machen,
Eh ihr mir trauen könnt, doch denke ich,
Wir sparens für die Fahrt, denn die ist lang,
Auch kann ich, wenn ich von mir selbst erzähle,
Dabei ins Wasser sehn!
GUNTHER.
Nein, sprich uns gleich
Von Isenland und deinen Abenteuern!
Wir hörens gern und waren schon dabei,
Es selbst zu tun.
SIEGFRIED.
Auch das! Mich trieb die Lust
Am Kampf so weit hinunter, und ich traf
Dort gleich den ersten Tag bei einer Höhle
Zwei junge Recken, die sich grimmig stritten.
Es waren Brüder, König Niblungs Söhne,
Die ihren Vater kaum begraben hatten –
Erschlagen auch, wie ich nachher vernahm –
Und schon ums Erbe zankten. Ganze Haufen
Von Edelsteinen lagen aufgetürmt
Um sie herum, dazwischen alte Kronen,
Seltsam gewundne Hörner und vor allem
Der Balmung, aus der Höhle aber blitzte
Das rote Gold hervor. Als ich erschien,
Verlangten sie mit wildem Ungestüm,
Daß ich den Schatz als Fremder teilen sollte,
Und gern gewährt ichs, um den Mord zu hindern,
Mit dem sie sich bedrohten, doch umsonst.
Denn, als ich fertig war, fand jeder sich
Verkürzt, und tobte, und ich warf die Hälften
Auf ihr Begehren wieder durcheinander
Und teilte abermals. Da wurden sie
Noch zorniger und drangen, während ich
[132] Gebückt auf meinen Knieen lag und still
Auf einen Ausgleich sann, in toller Wut
Mit rasch gezognen Degen auf mich ein.
Ich, um der Rasenden mich zu erwehren,
Griff zu dem Balmung neben mir, weil ich
Die eigne Klinge nicht mehr ziehen konnte,
Und eh ichs dachte, hatten alle beide,
Wie Eber, welche blind aufs Eisen laufen,
Sich selbst gespießt, obgleich ich liegen blieb
Und ihrer schonte, und so ward ich Erbe
Des ganzen Hortes.
HAGEN.
Blutig und doch redlich!
SIEGFRIED.
Nun wollt ich in die Höhle gehn! Wie staunt ich,
Als ich den Eingang nicht mehr fand. Ein Wall,
So schiens, war plötzlich aus dem Schoß der Erde
Hervorgestiegen, und ich stach hinein,
Um mir den Weg zu bahnen. Doch, da kam
Statt Wassers Blut, es zuckte, und ich glaubte,
Ein Wurm sei in dem Wall versteckt. Ich irrte,
Der ganze Wall war nur ein einzger Wurm,
Der, tausend Jahre in der Felskluft schlafend,
Mit Gras und Moos bewachsen war, und eher
Dem zackgen Rücken einer Hügelkette,
Als einem Tiere glich, das Odem hat.
HAGEN.
Das war der Drache!
SIEGFRIED.
Ja, ich schlug ihn tot,
Indem ich ihn bestieg, eh er sich bäumte,
Und ihm von hinten her, den Nacken reitend,
Das blaue Haupt zerschmetterte. Es war
Vielleicht das schwerste Stück, das ich vollbrachte,
Und ohne Balmung wärs mir nicht geglückt.
Dann hieb ich mich durch seinen Riesenleib,
Durch all das Fleisch und die gewaltgen Knochen,
Wie durch ein felsigtes Gebirg, allmählig
Bis an die Höhle durch. Doch hatte ich
Sie kaum betreten, als ich mich umklammert
Von starken Armen fühlte, die mein Auge
Nicht sah, und die mir dennoch fast die Rippen
[133]
Zusammendrückten, ganz, als ob die Luft
Es selber täte! Es war Alberich,
Der wilde Zwerg, und niemals war ich wohl
Dem Tod so nah, als in dem grausen Kampf
Mit diesem Ungetüm. Doch endlich wurde
Er sichtbar, und nun wars um ihn geschehn.
Denn, ohne es zu wissen, hatt ich ihm,
Derweil ich mit ihm rang, die Nebelkappe
Vom Kopf gerissen, und mit seiner Hülle
Verlor er auch die Kraft und stürzte hin.
Nun wollt ich ihn zertreten, wie ein Tier,
Da löste er, schon unter meinen Fersen
Mit seinem Hals, sich rasch durch ein Geheimnis,
Das ich nicht ahnte, er entdeckte mir
Den Zauber, der im Blut des Drachen steckte,
Solange es noch rauchte, und ich ließ
Ihn eilig frei und nahm mein rotes Bad.
GUNTHER.
So hast du dir an einem einzgen Tage
Den Balmung und den Hort, die Nebelkappe
Und deine Haut von Horn erkämpft?
SIEGFRIED.
So ists!
Ja, auch die Vögelsprache! Als ein Tropfe
Des Zauberbluts mir auf die Lippen sprang,
Verstand ich gleich das Zwitschern über mir,
Und hätt ich nicht zu rasch ihn abgewischt,
So würd ich auch, was hüpft und springt, verstehn.
Denkt euch: auf einmal flüstert es im Baum,
Denn eine alte Linde deckte alles,
Dann kicherts, lacht und höhnt, so daß ich Menschen
Zu hören glaube, die, im Laub versteckt,
Mein Tun verspotten. Wie ich um mich schaue,
Erblick ich nichts, als Vögel, Krähen, Dohlen
Und Eulen, die sich streiten. Brunhild wird
Genannt, auch ich. Ein Knäuel dunkler Reden
Hinüber und herüber. Eins nur klar,
Daß noch ein Abenteuer meiner harrt.
Die Lust erwacht. Die Dohle fliegt voran,
Die Eule folgt. Bald sperrt ein Flammen-See
[134] Den Weg, und eine Burg, wie glühendes
Metall in bläulich-grünem Schimmer leuchtend,
Taucht drüben auf. Ich halte an. Da ruft
Die Dohle: Zieh den Balmung aus der Scheide
Und schwing ihn drei Mal um das Haupt! Ich tus,
Und schneller, wie ein Licht, erlischt der See.
Nun wirds lebendig in der Burg, Gestalten
Erscheinen auf der Zinne, Schleier flattern,
Und eine stolze Jungfrau späht herab.
Da kreischt die Eule auf: Das ist die Braut!
Nun mit der Nebelkappe fort! Ich hatte
Sie bloß zur Probe aufgesetzt und wußte
Nicht einmal, daß ich sie noch trug. Doch jetzt
Hielt ich sie mit den Händen fest, weil ich
Die kecken Vögel darnach haschen sah.
Denn Brunhild rührte, wie sie droben stand,
In aller ihrer Schönheit nicht mein Herz,
Und wer da fühlt, daß er nicht werben kann,
Der grüßt auch nicht.
VOLKER.
Das ist ein edles Wort.
SIEGFRIED.
So schied ich ungesehn und kenne doch
Die Burg und ihr Geheimnis, wie den Weg.
GUNTHER.
So führ mich, Held!
VOLKER.
Nein, König, bleib daheim,
Es endet schlecht.
SIEGFRIED.
Du meinst, ich kann nicht halten,
Was ich versprach?
VOLKER.
O doch! Ich meine nur,
Daß falsche Künste sich für uns nicht ziemen!
GUNTHER.
Mit andern gehts ja nicht.
VOLKER.
So stehst du ab.
GERENOT.
Das rat ich auch.
HAGEN.
Ei nun! Warum?
GUNTHER.
Mir scheints
So wenig schimpflich, als ins Schiff zu steigen,
Wenn man das fremde Ufer nicht durch Schwimmen
Erreichen kann, und statt der Faust den Degen
Zu brauchen.
[135]
SIEGFRIED.
Nimm es so, und schlage ein!
GUNTHER.
Wohlan! Für Brunhild gebe ich dir Kriemhild,
Und unsre Hochzeit feiern wir zugleich!
HAGEN
legt den Finger auf den Mund, sieht Siegfried an und schlägt ans Schwert.
SIEGFRIED.
Bin ich ein Weib? In Ewigkeit kein Wort!
Ich stelle mich, wenn ihr zum Kampfe eilt,
Als hätt ich was an unsrem Schiff zu richten
Und geh zum Strand hinunter, daß sies sieht,
Doch in der Nebel-Kappe kehr ich wieder
Und kneif dich in den Arm und steh dir bei!

Alle ab.
[136]

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TextGrid Repository (2012). Hebbel, Friedrich. Dramen. Die Nibelungen. Der gehörnte Siegfried. Der gehörnte Siegfried. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3941-C