Liebe und Gegenliebe

Vom schweren Dienst der Eitelkeit,
Von theuren Freunden voller Neid,
Den Henkern unsrer Lebenszeit,
Eil' ich den Freuden und der Ruh'
An deinem vollen Busen zu.
Laß jetzt mein Herz von dir erlernen,
Die Sorgen scherzend zu entfernen.
Zum ird'schen Himmel wünscht' es sich
Nur dies dein Schlafgemach, und dich.
Der Gott der Liebe schließ' uns ein;
Sonst komme niemand! er allein
Soll Pförtner, Zeug' und Hüter sein.
Ich seh' den unzufried'nen Haufen
Nach Höfen und Palästen laufen,
Wo Gold und Schmelz und helle Pracht
Gefahr und Knechtschaft schimmernd macht.
Doch will auch ich von deinen Knieen
Zu solchem Sitz der Ehrsucht fliehen,
Und wünsch' ich mir ein höher Glück,
Als dieses Lächeln, diesen Blick,
[161]
So folge Qual und Ungemach
Dem Meineid zur Bestrafung nach;
Und, daß der Fluch vollkommen sei,
Seh' ich mich groß, dich ungetreu!
So zeigt, mit Schwüren und mit Küssen
Leander, wie man heftig liebt,
Dem, als bezaubert hingerissen,
Die Schöne dies zur Antwort gibt:
Was kann mich auf der Welt betrüben.
Willst du, mein Schatz, mich ewig lieben?
Du, dessen Huld mich stolz gemacht,
Mein Wunsch bei Tag, und Traum bei Nacht
O würde, wie ich dir geneigt,
Durch mehr, als Weibermuth, bezeugt!
Mich schrecket nichts, denn, dir zu gut,
Vergießt Elmira gern ihr Blut,
Wenn ihre Grabschrift nur erzählt,
Daß sie den Tod für dich erwählt.
Hofft meine Sehnsucht nicht vergebens,
Du Trost und Kleinod meines Lebens,
So trennt den Bund der Zärtlichkeit
Kein steigend Glück, kein stürzend Leid.
Und sollten Schätze, Reich' und Kronen
Den Wechsel tausendfach belohnen;
So heiß' ich, aus getreuem Sinn,
Weit lieber deine Buhlerin,
Als eine große Königin.
Wie viel ist mir an dir verliehn!
Wird mein Verlangen nicht zu kühn,
So müssen sich noch unsre Schatten,
Mit wiederholter Eintracht, gatten.
Ihr Götter! scheint's euch selbst nicht schön,
Zwo Seelen so vereint zu sehn?
Sie seufzt, und reicht, zum Unterpfand,
Die weiße, weiche, warme Hand.
[162]
Ist dieses Paar nicht zu beneiden?
Doch, dauren auch der Menschen Freuden?
Nachdem er sich noch was verweilt,
Und ihr den Abschiedskuß ertheilt,
Eilt er von seiner Herrscherin
Den Augenblick zur Hofstatt hin,
Sie aber auch den Augenblick
In ihres Cleons Arm zurück,
Der damals, als Leander kam,
Zum Winkel seine Zuflucht nahm.
O schönes Beispiel gleicher Triebe!
O wahres Muster heut'ger Liebe!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Hagedorn, Friedrich von. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Erstes Buch. Liebe und Gegenliebe. Liebe und Gegenliebe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-31BB-9