Adelheid und Henrich, oder die neue Eva und der neue Adam

Erste Erzählung

Nichts schmeckt so schön, als das gestohlne Brod.
Ein Sprichwort sagt's, das ich nicht falsch befinde.
Man prüfe sich! Liegt etwan im Verbot
Die stärkste Kraft, die Würze roher Sünde?
Es wird kein Trank gleichgültig angesehn,
Wenn ihn der Arzt uns ernstlich untersaget:
Und mancher wird was Strafbares begehn,
Nur weil sein Muth ein groß' Verbrechen waget.
Zwar nenn' ich nicht der Eva Vorwitz schön;
Doch gleiche Lust verleitet ihre Kinder,
Wie manche wird die erste Mutter schmähn,
Und fehlte doch in gleichem Fall nicht minder!
So sprach ein Mann, als, aus vermeinter Pflicht,
Sein junges Weib in strengem Zorn entbrannte,
Und Evens Fall und blinde Zuversicht,
Voll Spötterei, ich weiß nicht wie benannte.
Wie sollt' ich doch, so fing sie nochmals an,
Aus Lüsternheit, am Apfel mich zu laben,
Nicht mich allein, auch einen lieben Mann,
In solche Noth, wie sie gestürzet haben?
Gewiß, mich däucht, man fängt uns nicht so bald;
Wer würde wol jetzt einer Schlange trauen?
[220]
Ach Schade doch! die schlüpfrige Gestalt
Erweckt allein den Ekel blöder Frauen.
Nein, auf mein Wort! die Aepfel aller Welt
Sind ohne Kraft, dein Evchen zu verführen.
Was hat die Frucht, das uns so sehr gefällt?
Ist sie so süß, und muß man sie probiren?
Süß oder nicht! erwiedert ihr Gemahl,
Der Apfelbaum ist nicht ihr Fall gewesen:
Nur das Geheiß, das Even anbefahl,
Von diesem Baum die Frucht nicht abzulesen.
Sollt' ich von dir, nur etwas nicht zu thun,
Das gar nicht schön, ja widrig scheint, verlangen,
Mein kluges Weib, du würdest weder ruhn,
Noch fröhlich sein, bis du dich auch vergangen ...
Wer? ich? mein Herr ... Ja, freilich, eben du.
Besinne dich: sonst wag ich eine Wette ...
Gesagt, gethan ... Die Frau setzt hurtig zu,
Als ob ihr Geld sich schon verdoppelt hätte.
Beschäme denn die Even unsrer Zeit;
Die Probe soll nichts Schweres in sich fassen.
Was heute dir dein Henrich hart verbeut,
Das hast du stets freiwillig unterlassen.
Wem ist nicht hier der Entenpfuhl bekannt,
Die dir, wie mir, so sehr verhaßte Lache,
Wovon du sonst die Augen angewandt?
Ich glaube nicht, daß die dich lüstern mache.
Nur diesen Pfuhl verwehrt dir mein Gebot:
Gehst du in's Bad, wie sonst, dich abzukühlen,
So hüte dich, in seinem Schlamm und Koth,
Von morgen an, mit bloßem Fuß zu wühlen.
Ich sehe schon, das gehst du lächelnd ein;
Ich wollte nicht von dir zu viel begehren:
Doch soll auch dies dir bald erlaubet sein,
Denn mein Geheiß soll nur vier Wochen währen ...
Vier Wochen nur? Wie kurz ist diese Zeit!
Wer meidet nicht von selbst die garst'ge Pfütze?
Fürwahr! mein Mann ist heute nicht gescheidt,
Und weiß noch nicht, daß ich Verstand besitze.
[221]
Ich nehme mir schon Kleid und Kopfputz aus;
Die Wette wird mir mehr als dieses bringen.
Mir soll gewiß der nächste Hochzeitschmaus
Der Damen Neid, der Männer Lob erzwingen.
So schmeichelt sich das tugendhafte Weib.
Sie muß den Sumpf, wie sonst, vorübergehen;
Da wird der Sumpf nur seitwärts angesehen:
Dient auch ein Sumpf zur Lust, zum Zeitvertreib?
Doch bleibt sie bald bei dieser Pfütze stehen.
Sie ist damit zum ersten Mal vergnügt;
Den dritten Tag spaziert sie auf und nieder;
Am vierten scheint, was dort von Moder liegt,
Der Adelheid viel weniger zuwider.
Bald reizet sie sogar das trübe Grün;
Sie fängt fast an, die Enten zu beneiden,
Und deren Trieb, dem Entrich nachzuziehn,
Begeistert sie mit nie gespürten Freuden.
Des Menschen Herz wird stets ein Räthsel sein;
Groß ist sein Muth, noch größer seine Schwäche.
Ich schließe hier mit Recht die Weiber ein,
Zum mindsten halb, wenn ich von Menschen spreche.
Begier und Wunsch nimmt stündlich bei ihr zu.
Der kleine Zwang wird nur zu früh zur Strafe.
Der Vorwitz wächst; er bringt sie aus der Ruh',
Und stört sie oft des Nachts im ersten Schlafe.
Noch geht ein Tag, ein ganzer Tag, vorbei,
In stummer Furcht, den Unmuth anzuzeigen,
Bis Hannchen forscht. Die Zofe war getreu:
Sie sind allein; und wer kann ewig schweigen?
Sie hatte sonst ihr Alles anvertraut.
Jetzt, da sie ihr die Wette vorerzählet,
Lacht ungescheut das Mädchen überlaut,
Daß ihre Frau nur dieses ihr verhehlet.
Sie spricht hierauf: Sie zögern weiter nicht,
Und baden sich am ersten schönen Morgen.
Ein solcher Leib, ein herrschendes Gesicht
Läßt Häßlichen die Knechtschaft kleiner Sorgen.
[222]
In Spanien geht dieser Fußzwang an:
Doch wenn ich recht, nach meiner Einfalt, schließe,
So denk' ich dies: Dem Weib ist hier ein Mann
Des Leibes Herr, doch nicht ein Herr der Füße.
Erweisen Sie ein ächtes Frauenherz!
Ein hoher Geist ist selten zu geduldig.
Was andre schreckt, ist ihm ein bloßer Scherz;
Sie sind der Welt ein großes Beispiel schuldig.
Der Morgen kömmt; die Schöne geht aufs Feld,
Bemerkt den Pfuhl, doch anfangs nur von weiten,
Weil Furcht und Geiz den Fuß zurücke hält,
Will gleich die Lust ihn hier ins Wasser leiten.
Sie kömmt zuletzt an den bemoosten Rand,
Und hatte nur ihr Hannchen mitgenommen.
Die hält sie auf, und zeigt ihr mit der Hand
Der Enten Zug, die schwimmend näher kommen;
Wie diese taucht; wie jene schnatternd ruht;
Wie im Morast die gelben Schnäbel spielen;
Und dieses macht der Dame neuen Muth,
Von solchem Scherz den seltnen Reiz zu fühlen.
Sie sagt: Wohlan! den Spaß verstatt ich mir;
Ich will dennoch die Wette nicht verlieren.
Ich darf den Sumpf, ständ' auch mein Henrich hier,
Zum wenigsten mit einer Zeh' berühren.
Das will ich thun, und zwar den Augenblick:
Der tröste mich für die versäumten Tage!
Doch zeuch mich ja zu rechter Zeit zurück,
Dafern ich mich vergess', und weiter wage.
Der Anschlag wird behutsam ausgeführt,
Nichts will sie sonst, als den Pantoffel, netzen.
Und dreimal nur. Die Reue, die sie spürt,
Heißt sie den Fuß von selbst aufs Trockne setzen.
Ei nun! verflucht! hebt Hannchen an, und lacht,
Hat ihnen doch kein Priester das befohlen.
Was ist es denn, das sie so schüchtern macht?
Der Henker mag dergleichen Wetten holen.
Sie setzen frei die netten Füßchen drein,
Und gönnen nur dem Rechten erst die Ehre;
[223]
Doch soll es nicht hiemit gemeinet sein,
Als ob nicht auch ihr Linker artig wäre.
Das junge Weib folgt diesem Schlangenrath.
Pantoffel, Band und Strumpf wird abgeleget.
Der schönste Fuß, der je die Welt betrat,
Der einen Leib, der seiner werth ist, träget,
Entblößet sich, und rennet durch den Koth,
Vertiefet sich, und plätschert in der Lache,
Und wühlt und forscht, ob Vorwitz und Verbot
Den Ekel selbst zur Lust und Freude mache.
Der Mann, der ihr von ferne zugesehn,
Den weder sie, noch ihre Zof', entdecket,
Wischt jetzt hervor, und eilt, ihr nachzugehn,
Da sein Gemahl noch in dem Pfuhle stecket.
Sie springt heraus; er aber hält sie an,
Und spricht: Mein Schatz, ach schone deiner Füße!
Vergib es mir, wenn ich mich nicht besann,
Daß hier der Schlamm nur gar zu reizend fließe.
Entfliehe nicht; die Lache schenk' ich dir:
Fahr' immer fort, sie deiner Lust zu weihen.
Nur bitt' ich dich, mein Kind, gelobe mir,
Der Even Schuld großmüthig zu verzeihen.

Zweite Erzählung

Die arme Frau erblasset, seufzt und schweigt;
Der frohe Mann bewundert ihre Stille.
Allein ihr Aug', ihr wildes Auge, zeigt,
Daß nichts, als Zorn, ihr ganzes Herz erfülle.
Ein Grieche schreibt, das weibliche Geschlecht
Empfinde mehr, als wir, bei jedem Triebe,
Und es besitz' ein angebornes Recht
Zur Obermacht im Haß und in der Liebe.
Wer aber kennt die Schönen alter Zeit?
O wüßten wir nur unsre g'nug zu kennen!
Wie? Ist denn nicht auch die Empfindlichkeit
An Zeit und Ort oft vortheilhaft zu nennen?
Sie schweigt, und geht in ihr Gemach zurück.
Dort läßt ihr Leid die ersten Zähren fließen,
[224]
Ihr Hannchen folgt, und weissagt ihr das Glück,
Der Rache Lust in Kurzem zu genießen.
Und sie versetzt: Mein Mann verfahre nur
Nach jedem Punkt der übereilten Wette!
Ich räche mich. So will es die Natur,
Weil ich zugleich der Weiber Leumund rette.
Nichts übertreff' auch jetzt die Frauenlist,
Nichts meine Kunst, mich glücklich zu verstellen,
Und einem Herrn, der so unfehlbar ist,
Die weitre Lust zum Wetten zu vergällen!
Sie bildet sich, nach ihres Spiegels Rath,
Den blöden Blick, die traurigen Geberden,
Schleicht zum Gemahl, und sagt, die Missethat
Sei ewig werth, vermaledeit zu werden,
Und fügt hinzu: Mich lehrt mein Eigensinn,
Wie sehr auch ich der Even angehöre.
Verdamme mich, mein Richter; denn ich bin
Der Frauen Schimpf, und keines Mannes Ehre.
Ich will daher, zur Tilgung meiner Schuld,
Die Weiber selbst, die ich beschäme, fliehen,
Und auf ein Jahr, in einsamer Geduld,
Mich deinem Arm und deinem Kuß entziehen.

Henrich.

Nein, Adelheid. Die Buße, die du wählst,
Ist unerlaubt; die nenn' ich ein Verbrechen.
Und, wenn du ja, nach Art der Schwachen, fehlst,
So mußt du das nicht an dem Manne rächen.
Adelheid.

Der hohe Geist der Tugend, die dich ziert,
Darf gegen mich sich der herunterlassen?
Der, die, wie ich, der Klugheit Ruhm verliert,
Ist es genug, willst du sie nur nicht hassen.
Henrich.

O stelle doch das spröde Scherzen ein.
Das erste Weib verdient', und fand Erbarmen.
Du gleichest ihr. Ich will dein Adam sein,
Und trostreich dich nach deinem Fall umarmen.
[225] Adelheid.

Wie? Uebers Jahr?
Henrich.

Ist dieses mehr, als Scherz?
Adelheid.

Sieh meinen Ernst aus diesem Abschiedsgruße.
Nur Reu' und Leid beschäftigten mein Herz.
Was ich verwirkt, bezeuget meine Buße.
Er fleht, er droht. Was hilft ihm Drohn und Flehn?
Sie will sich nun in Trauerkleider stecken.
Des Zimmers Wand, das sie sich ausersehn,
Muß man sogleich mit schwarzem Boy verdecken.
Er läßt sie dort, sucht Spiel und Zeitvertreib,
Geht auf die Jagd mit kriegerischer Hitze,
Und denkt vielleicht, daß ein verdrießlich Weib
In Monatsfrist viel Eigensinn versitze.
Doch weil sie jung, schön und gefällig war,
Fällt ihm es schwer, jetzt ohne sie zu leben.
Er stellt sich ihr die erste Woche dar,
Und bittet sie, den Vorsatz aufzugeben.
So schmeichelhaft, unehelich-verliebt,
So buhlerisch erklärt er seine Klagen,
Daß nur die Lust, die Rach' und Schalkheit gibt,
Sie fähig macht, ihm alles abzuschlagen.
Adelheid.

Ein volles Jahr bleibt meiner Buße Ziel.
Mich will ich hier, allein um dich, beweinen.
Da ich so sehr dem klügsten Mann gefiel,
Wie muß ich jetzt ihm niederträchtig scheinen?
Ich lieb', ich ehr', und dennoch meid' ich dich;
Ich wußte mir nichts Schwerers aufzulegen.
Gedenkest du, noch übers Jahr, an mich,
So dulde mich, um meiner Leiden wegen.
Die man versucht, ist schon dem Fehltritt nah.
Das hätt' auch ich recht überlegen sollen.
O daß ich nicht auf diese Wahrheit sah!
O daß du mich so hart versuchen wollen!
[226] Henrich.

Wie wunderbar ist deine Phantasei!
Wie lassen sich die schlimmen Folgen hindern?
Entdecke mir, ob ich vermögend sei,
Die Bitterkeit der Buße dir zu lindern.
Adelheid.

Vermögend? Du? Mein Retter und mein Mann!
Es kam durch dich; doch wird es nicht geschehen.
Gäb' ich dir gleich ein sichres Mittel an,
So würdest du dich nicht dazu verstehen.
Dein Vorzugsrecht erhebt für meinen Sinn
Dich viel zu hoch: mir mußt du dich erniedern.
Fall auch so tief, als ich gefallen bin.
Nur diese Gunst kann meine Lieb' erwiedern;
Nur dieser Gunst, Herr, setz' ich alles nach.
Henrich.

Noch kann ich nicht die Rettungsart ergründen.
Adelheid.

Sei nur einmal, nur mir, freiwillig schwach.
Laß mich in dir auch einen Adam finden.
Sein Unglück kam allein aus Evens Hand.
Doch theilt' er gern mit ihr die Schmach und Bürde
Das thu' ihm nach. Das hebt den Zwischenstand,
Und bringet uns in eine gleiche Würde.
Was ich jetzt will, verletzt nicht Pflicht noch Recht,
Und zielt auf nichts, als daß, zu meiner Ehre,
Das männliche, das weisere Geschlecht
Vom eitlen Stolz zur Demuth sich bekehre.
Henrich.

Was soll ich thun?
Adelheid.

Nur eine Kleinigkeit:
Zwölf Faden nur aus meinem Rocken spinnen.
Henrich.

Wie nenn' ich dich? halb oder ganz gescheidt,
Da du es wagst, mir dieses anzusinnen?
[227]
Gewiß, dir träumt. Du redest fieberhaft.
Ich werde nun vier Wochen mich entfernen.
In kürzrer Zeit läßt sich die Wissenschaft
Der Spinnerei von mir nicht halb erlernen.

Dritte Erzählung

Der Frauenlist, dem Eigensinn getreu,
Flieht Adelheid so gar der Ehe Schatten;
Doch liefert ihr und ihrer Gleißnerei
Der zwölfte Tag den sehnsuchtvollen Gatten.
Der Flüchtling selbst, den die Gewalt verbannt,
Erhält zwar oft der Rückkunft Recht und Glücke;
Doch sieht er dann sein offnes Vaterland
Mit mindrer Lust, als Henrich ihre Blicke.
Es kann die Welt, trägt er romanisch vor,
Der Sonne nicht, der Schönen nicht entbehren:
Verhüllst denn du in einen Trauerflor,
Was würdig ist, sich Menschen aufzuklären?
Das war galant, schlau wie ein Lobgedicht,
Und führte bald zu ausgeschmückten Sätzen:
Allein umsonst. Ihn irrt, ihm widerspricht
Der Zähren Witz, die ihre Wangen netzen.

Henrich.

Du weinst! warum?
Adelheid.

Jüngst sagtest du, mir träumt.
Ach! du hast Recht, auch wann du mich betrübest.
Was ich verlang', ist freilich ungereimt;
Doch desto mehr bezeugt es, daß du liebest.
Der Even Reiz zwang ihren armen Mann,
So Paradies als Leben zu verschmähen
Ich spreche dich nur um zwölf Faden an;
Zwölf Faden nur weiß ich nicht zu erflehen.
Gleichgiltiger! dein Herz entlarvt sich mir,
So sehr es auch die Reden noch verhehlen:
An Dankbarkeit, an Liebe muß es dir,
Wo nicht, mir selbst, für dich, an Schönheit fehlen.
[228]
Sie knirscht bethränt, kehrt sich von ihm zurück,
Und zeigt den Ernst gebietrischer Gedanken.
Kein Wort versöhnt ihr Aug' und ihren Blick:
Ihr Auge droht, und ihre Blicke zanken.
Er schweigt, und sinnt, neigt, und entfernet sich,
Und denkt, die Frau mißbrauchet ihre Gaben;
Ihr Grillenfang ist mehr als lächerlich;
Die Rednerin will mich zum Besten haben.
Das geht zu weit: die Absicht merk' ich schon.
Doch ich bin Herr; mich muß man so nicht trillen.
Man lasse nicht, das lehrt uns Sirachs Sohn,
Dem Wasser Raum, dem Weibe seinen Willen.
Indem ihn nun der Eifer übernahm,
Hört er nicht auf, sein Schicksal zu verfluchen,
Als ungefähr die Schwiegermutter kam,
Frau Hildegard, die Tochter zu besuchen.
Ihr macht er bald der Tochter Streich bekannt.
Sie soll, spricht er, noch heute mit uns speisen:
Und kitzelt sie der edle Wittwenstand,
So kann ihr Kind schon morgen von mir reisen.
Die Alte stutzt, sinkt fast in Ohnmacht hin,
Und sagt zuletzt: Man wird sie schon bewegen;
In diesem Zwist dien' ich zur Mittlerin,
Und gebe dann dem Frieden meinen Segen.
O schlimme Zeit! Wer hätte das gedacht
Von solchem Paar, und solchen gleichen Sitten!
Sie spricht ihr zu; doch mütterlicher Macht
Ward nie so schön von Töchtern widerstritten.
Die wirft die Schuld auf ihren Mann allein;
Sie werd' ein Spott für beiderlei Geschlechte,
Er weigre sich, schwach, und ihr gleich zu sein:
(So schimpft ein Weib der Mann, der Ungerechte!)
Was hab' er wol, da sie ihn so verehrt,
Mit seinem Sumpf, mit seiner Wette wollen,
Als daß sie sich, durch Sicherheit bethört,
Vor aller Welt recht sehr vergehen sollen?
Ist, fährt sie fort, mein Henrich nun ein Held
In aller List, die Even zu berücken,
[229]
So lass' er sie dem Hohn nicht ausgestellt,
So lern' er sich in Adams Rolle schicken.
Er halte nur sein stolzes Siegesmahl:
Ich faste heut'; er wird es mir vergeben.
Doch weil er mir zu reisen anbefahl,
So reis' ich gern, und eil' in's Klosterleben.
Was denken sie? Dem Falschen schreib' ich noch.
Verdienet er dieß letzte Freundschaftszeichen?
Ich hin zu weich ... Sie selber werden doch
Ohn' Aufschub ihm dieß Schreiben überreichen:
»Gestrenger Herr, die Scheidung geh' ich ein;
Doch Schönern nur gönn' ich, was ich besessen.
Sie leben wohl! Das Kloster wartet mein;
Ich kann die Welt, ach könnt' ich Sie vergessen!«
Sie bringt den Brief, und klagt, wie ihr Bemühn
Genug versucht, allein vergeblich worden.
Es war bei ihm der Bruder Cölestin,
Ein guter Mönch vom Franciscanerorden,
Ein Beichtiger, der, wider andrer Art,
Das Kloster halb, die Weiber ganz regieret,
Dem Hildegard vertraulich offenbart,
Was Adelheid zur Buß' und Zelle führet.
O, ruft er aus, wie glücklich ist ihr Kind!
Gewiß, sie weiht sich meiner Seelenpflege.
Ich wette drauf ... Wie unerforschlich sind,
Wie wunderbar der weisen Schickung Wege!
Der Sünde Bild, ein unflathvoller Sumpf,
Veranlaßt sie zu ihrer frommen Rache.
Dem Heiligen dient dieses zum Triumph:
Den Pfuhl nenn' ich die Sanct-Franciscus-Lache.
Der Lehrer spricht, die Alte horcht, und keicht,
Der Mann entwischt, vertieft in Sorg' und Fehde,
Und, als er kaum sein Cabinet erreicht,
So hält er dort sich diese schöne Rede:
Die meinen Kuß verschwenderisch vergilt,
Wie will mich die, wie kann ich sie, verlieren?
Das schöne Weib! Hier hab' ich noch ihr Bild,
Das gab sie mir, abwesend mich zu rühren.
[230]
Dieß Bild ist ihr in jedem Vorzug gleich,
An Freundlichkeit, an Jugend, an Vergnügen.
So lächelt sie: so schlau, so feuerreich
Sind Aug' und Blick, und so gewiß zu siegen.
Wie ist ihr Witz so ähnlich der Gestalt,
Schön ohne Kunst, die Freude muntrer Herzen!
Hab' ich allein die traurige Gewalt,
Den schweren Stolz, das alles zu verscherzen?
Uns Männer schimpft, was Adelheide bat.
Hilft falscher Ruhm? entehret falsche Schande?
Wird Männern hier das Spinnen zum Verrath,
Und schadet es dem deutschen Vaterlande?
Die Einfalt macht, daß ländlich sittlich heißt.
Ein weiser Mann ist Schöpfer seiner Sitten;
Und immer hat ein unerschrockner Geist
Dem Wahn getrotzt, das Vorurtheil bestritten.
Aegypten war die Zuflucht der Vernunft,
Wo Griechen selbst, als Weisheitschüler, lebten,
Und weiß man nicht, daß dort der Weiber Zunft
Geschäfte trieb, und ihre Männer webten?
Zu meinem Glück ist mir mein Evgen gut:
Sie hat mir ja nichts Schweres aufgeladen.
Es hätte mir ein Weib von stolzerm Muth
Leicht auferlegt, im Schlamme mich zu baden.
Am Manzanar müßt ich jetzt ritterlich,
Zu ihrem Ruhm, mit Rittern mich zerfetzen,
Und ließe selbst, so wie ein Roderich,
Den stärksten Stier auf meine Lanze hetzen.
Ich spinne nur, und selbst Alcides spann.
Für diesesmal will ich die Sache glauben.
Der war doch auch ein braver Edelmann,
Und ließ sich nie von alten Junkern schrauben.
Es sei gewagt! Es mag der Leute Wahn
Mir immerhin die Klugheit aberkennen,
Und, wann er will, mich den geneckten Hahn,
Den guten Mann, den neuen Adam nennen!
Damit ihr Scherz sich nicht unleidlich macht,
Lach ich zuerst, ihm selbst zuvorzukommen,
Weil man nicht lang um ein Verfahren lacht,
[231]
Wenn der nur lacht, der solches vorgenommen.
Geliebte Frau, die Trennung unterbleibt.
Mir wehrt mein Herz, dir Seufzer abzupressen.
Wie schmeichelt mir, was deine Treue schreibt:
»Ich kann die Welt, ach könnt' ich Sie vergessen!«
Er eilt zurück, und schwört der Hildegard,
Es soll ihm nun die Wittwe nicht entfliehen:
Er sei bereit, in ihrer Gegenwart,
Der Adelheid Befehle zu vollziehen.
Sie säumen nicht, und gehn in ihr Gebiet.
Sie schlägt, entstellt, die schönen Augen nieder.
Sobald sie ihn vor ihrem Rocken sieht,
Erholt sie sich, blickt auf, und lächelt wieder.
Die Liebe lenkt, unsichtbar, seine Hand,
Sie zählt mit ihm die Faden, die sie spinnen;
Und, als sich nun der zwölfte Faden wand,
Kömmt Adelheid, und ihre Thränen rinnen.
Sie bricht ihn ab. Noch weinet sie vor Lust,
Als Henrich ihr den schlanken Leib umschlinget,
Und wiederum der lang' entbehrten Brust
Mit Ungeduld der Ehe Weihkuß bringet.
Beglücktes Paar! So vieler Freuden Zahl
Merkt kaum der Neid, und hofft kaum das Verlangen.
So haben sich, nach überstandner Qual,
Die Pamela und ihr Gemahl umfangen.
Sie spricht: Mein Herr, was du für mich gewagt,
Beschämt dich nie: ich schwör' es bei der Liebe.
Es zeigt dein Herz, das sich dem Wahn versagt,
Voll Großmuth ist, und würdig edler Triebe.
Die meisten drückt der Klügler Vormundschaft,
Bis an den Tod, mit meisternden Geschwätzen:
Mein freier Mann wird Männern tadelhaft,
Der Weiber Ruf in Sicherheit zu setzen.
Nur dies Gespinst soll mir ein Reichthum sein.
Dies Pfand der Gunst will ich mit Gold umwinden.
Du wirst es stets, an einem Edelstein,
Auf meiner Brust, in Liebesknoten finden.
[232]
Die Rede floß mit froher Hurtigkeit.
Der finstre Boy wird eilends abgenommen.
Sie fordert gleich den Schmuck, das Hochzeitkleid,
Vor ihren Mann, als eine Braut, zu kommen.
Ihm, dessen Herz von gleicher Sehnsucht brennt,
Vergeht die Furcht, daß man sie höhnisch richte;
Doch schreibet er an Schälke, die er kennt,
Von beider Fall, recht sinnreich, die Geschichte;
Doch nicht so schön, als Bodmer sie erzählt,
Der malerisch, stark oder scherzhaft, denket,
Und, wenn ihn hier das Nachbild oft verfehlt,
Vielleicht aus Gunst mir Schuld und Buße schenket.
Noch täglich siegt der Schönen Eigensinn.
Der Liebe war die Blindheit immer eigen,
Daher man ihr, zur steten Führerin,
Die Thorheit gab. Auch Henrich kann's bezeugen.
Er schrieb zugleich: Hätt' einer Recht und Witz,
Das erste Paar in ihnen zu belachen,
So lad' er ihn auf seinen Rittersitz,
Gemeinschaftlich sich diese Lust zu machen.
Ein jeder Mann, der dies erfuhr, befand,
Man müss' jetzt ihn für Adams Sohn erkennen.
Ein jedes Weib, und Grimmhild selbst, gestand,
Man müsse sie der Even Tochter nennen.

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TextGrid Repository (2012). Hagedorn, Friedrich von. Adelheid und Henrich. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-3085-B