Dritter Auftritt.
Odoardo, Anselmo, Riepel, laufen eilends über diesen Lärmen aus dem Haus, und die Vorigen.
ODOARDO.
Gütiger Himmel! was ist das für ein Lärm?
ANSELMO.
O potztausend Fikerment! was ist geschehen?
Angela und Colombina schreyen immerfort.
ODOARDO.
Ihr Wechselbälge! was ists! was ist euch begegnet?
ANSELMO
zu Angela.
Mein Engerle! was schreyen sie, ist ihnen was übels begegnet?
ODOARDO
den Hanswurst sehend.
Was will der Mensch hier? was sucht der Leichenbitter bey euch da, was will er guter Freund?
HANSWURST
zu Odoardo.
Sind sie der Herr Odoardo von Zweyhorn?
ODOARDO.
Einhorn will er sagen, ja das bin ich, warum?
Hanswurst in seiner Stellung wie zuvor, fängt an, wie oben aus dem Zetul zu lesen. Angela und Colombina schreyen wie zuvor.
ODOARDO
zu Angela und Colombina.
Je, so schreyt nicht so, ihr Närrinnen! Zu Hanswurst. der Herr von Leander ist gestorben, daß ist doch ein unversehener Zufall!
HANSWURST.
Er ist nicht allein gestorben, sein Diener, der Hanswurst ist auch gestorben.
ODOARDO.
O! wer wird auf diese Hauskanalie gedenken; der kann froh seyn, daß er tod, und dadurch mit schöner Manier dem Galgen entgangen ist.
HANSWURST.
He! schimpfen sie kein Todten, ein Leichenansager ist ein Advocat, der von todten Partheyen lebt, und wer mir über ein Todten was redet, der kriegt ein so lebendige Ohrfeigen, daß er auf mich denken soll.
[162]ODOARDO.
Erhitz er ich nicht, guter Freund! sage er mir lieber, wie es zugegangen, daß der Herr von Leander, so geschwind gestorben ist?
HANSWURST.
Hören sie! dieß ist ein Spectackel, das die Welt noch nicht erlebt hat; aus lauter Desperation, daß sie in ihrer Amour nicht haben können glücklich seyn, haben sie sich einander erschossen; es ist erschröcklich anzusehen, wie sie auf der Erde liegen, dem Herrn von Leander hängt das Hirn beym Knie, und dem Hanswurst die Darm beym Ellebogen heraus.
ANSELMO.
Das ist ein erschröcklicher Zustand, was die närrische Liebe eines rasenden Menschen alles unternehmen kann!
HANSWURST
zu Odoardo auf Anselmo deutend.
Wer ist denn der Herr?
ODOARDO.
Dieser ist der Herr von Anselmo, der Bräutigam meiner Tochter.
HANSWURST.
Das ist eine scandalose Komposition von einem Bräutigam, der gehört mehr auf den Freythof, als in das Ehebethe.
ANSELMO.
O mein lieber guter Freund! ob ich gleich von aussen etwas übertragen anscheine, so bin ich doch von Innen frisch, jung, munter und gesund. Er hust sehr.
HANSWURST
vor sich.
Sagt der Hund, er ist frisch und gesund, und hust, daß ihm die Lungel möcht beym Maul heraus springen Zu allen übrigen. Nu, werden sie also die Liebe für die Verstorbene haben, und bey der Leich erscheinen?
ODOARDO.
Bey der Leich will ich es zwar nicht versprechen, aber so werd ich kommen den todten Leander noch einmal anzusehen, und die Ursache seines Todes ein wenig in Augenschein zu nehmen; denn wenn ich bey der Leich erschiene, so möchte die Sache ein grosses Aufsehen verursachen, und besonders weil es aus Liebe gegen meine Tochter, und noch dazu auf meinem Landgute geschehen; man muß vielmehr suchen, die Sache, soviel es möglich ist geheim zu halten.
HANSWURST.
Dafür sorgen sie nicht, es wird alles so still tractirt, wie es der Herr von Leander noch mit seinen letzten Worten befohlen hat; sie liegen beyde in einem Gebüsch, das unweit von dem Wirthshause im Wald daraussen ist, wo sie allzeit eingekehrt haben, und der Wirth hat sie auch in dessen dort mit Gesträuse zugedeckt, liegen lassen; und in sein Wirthshaus nicht hineingenommen, damit kein Mensch etwas davon möcht innen werden, bis er sie Abends durch mich, und noch einige andere verschwiegene Gehülfen wird in dem Wald ganz still eingraben lassen.
[163]ODOARDO.
Was ist denn er also, guter Freund! ein Leichenbitter, oder gar ein Todengräber, und wie kommt denn er zu dieser Affaire?
HANSWURST.
Schauen sie, ich bin sonst allzeit ein Leichansager gewesen, gleichwie aber mancher Mensch schon zum Unglück gebohren ist, so ists halt mir auch so ergangen, ich bin in einer Stadt Ansager gewesen, wo mehr als dreymalhunderttausend Millionen Inwohner waren, ich war auch Anfangs sehr glücklich, ich hab alle Tag 15. bis 20. Leichen gehabt, und ich habe mein Geld ohne vieler Mühe leicht verdient, denn sie wissen so, wenn ein Ansager nur zwey gesunde Füsse und ein gesundes Maul hat, keine Vernunft hat er ohnedem nicht vonnöthen, hören sie, was geschiht mir für eine Histori, auf einmal verfolgt mich das Unglück, und stirbt kein Mensch mehr, und das hat 20. Jahr gedauret, daß kein Mensch gestorben ist, bis ich denn mein Ersparrtes alles verzehrt hab, und gezwungen gewesen, zu dem Wirth hier in dem Wald, der mein Gevater ist, zu reisen, und bey dem bin ich itzt gegen 2. Jahr Kellner, und alles, was man schaft im Hause; und weil sich das Unglück mit dem Herrn von Leander zugetragen hat, und er uns auch befohlen, daß wir seinen Tod ihnen melden sollen, so hab ich noch mein altes Ansagergewand hervorgesucht, und hab nach meiner alten Gewohnheit meine Schuldigkeit verrichten wollen.
ODOARDO.
Es ist schon alles recht, mein guter Freund! aber er muß die Sache so geheim halten, als es nur möglich seyn kann; ich möchte nicht gern, daß es heisse, daß dieser Zufall auf meinem Landgute geschehen wäre, ich werde ihn für feine Verschwiegenheit schon einmal belohnen.
HANSWURST.
Ja, da haben sie sich zu verlassen, nur das werd ich sie bitten, daß sie so gut sind und mir auf den Abend ihren Diener den Riepel hinaus schicken, daß er mir begraben hilft, dann allein bin ich es nicht im Stand zu verrichten, wenigsten soll er den Hanswurst begraben.
ODOARDO
zum Riepel.
No, hast du Lust den Hanswurst zu begraben?
RIEPEL
weinend.
Ja, ich will ihm die letzte Treue anthun, und will ihn begraben, dann er ist in seinem Leben mein guter Saufbruder gewesen, also will ich auch zeigen, daß ich noch im Tod sein treuer Saufbruder bin, und will ihn recht schön begraben.
ODOARDO.
Also kanst du auf den Abend ihm diese Liebe thun. Zu Hanswurst. Wir aber, mein Freund! werden euch bald nachfolgen, und den todten Leander die letzte Visite machen.
[164]HANSWURST.
No so geh ich indessen voran, und warte ausser dem Wirthshause auf sie. Zu Angela, die immer weint. Trösten sie sich schöne Fräule!
Denn ist der Himmel gleich mit Wolken überdeckt,
So ist darunter doch die holde Sonn versteckt,
Oft da man Blitz, und Schlag ganz sicher fürchten kann,
So theilt sich das Gewölk, so scheint die Sonn uns an.
Zu Colombina.
Was weinen sie mein Kind! wir sind zum Tod gebohren!
Zu den beyden Alten auf sie deutend.
Der morgen, jener heut, der Tod bleibt keinem aus.
Die Welt ist uns ja nur zur Marter auserkohren,
Der Leib ist unsrer Seel nichts als ein Krankenhaus,
Und darum wünsch ich auch die Ehre bald zu haben,
Mit meiner eignen Hand sie beyde zu begraben.
Geht ernsthaft ab.
RIEPEL
weint.
Das war ein schönes Memorial.
ODOARDO.
Der Kerl ist zugleich Leichbitter, Todengräber, und Poet Zu Anselmo. Nu, was halten sie von dieser Beschaffenheit?
ANSELMO.
Was werd ich davon halten, ich bedaure zwar eines theils den Todfall des jungen Leanders, hingegen bin ich anderseits erfreuet, daß ich die gröste Hindernuß meiner Liebe dadurch gehoben sehe, inzwischen will ich meinem gewesten Nebenbuhler gerne die letzte Ehre erweisen, und mich bey seiner Beerdigung einfinden.
ODOARDO
zu Angela.
Du weinest noch immer meine Tochter, trockne deine vergebliche Thränen ab, sie dienen zu nichts, als mir Verdruß zu machen, und dich umsonst zu quälen, du kanst ihn doch nimmermehr lebendig machen, er ist einmahl tod, seine Raserey hat ihn um das Leben gebracht, und diese zeigt dir, daß du glücklich seyest, einen Menschen nicht erhalten zu haben, der solchen rasenden Handlungen unterworfen gewesen ist; stelle dich zufrieden, meine Tochter, du bist eine würdige Braut des Herrn von Anselmo, der ein weit klügerer Gegenstand für dich, als der sich selbst ermordende Leander ist.
ANGELA.
Ach, schmähen sie nicht auf meinem Leander, dessen Treue ihres gleichen nicht hat! schmähen sie nicht, wo sie noch von mir fordern, daß ich sie als einen Vatter, und nicht als den Mörder meines Geliebten ansehen solle, nichts in der Welt soll vermögend seyn, mir den Leander aus der Gedächtniß [165] zu bringen, er hat aus Liebe zu mir sein einziges Leben aufgeopfert, und ich solte ihn vergessen, und ihm nicht ewig treu seyn können; nein, das soll nimmermehr geschehen!
ANSELMO
zu Angela.
Aber trösten sie sich doch, mein Engerle, und gedenken sie doch, daß sie eine Braut in meinen Armen –
ANGELA
zu Anselmo.
Schweig alter Sathanas, in menschliche Gestalt verhült! schweig dann die Höle ist deine Braut, und deine verdorten Arme sind die Mörderarme, welche meinem geliebten Leander das Leben genommen haben; hätte dich der allerelendeste Teufel schon vor einigen Jahren gehollet, so hättest du dich nicht unterfangen können, bey den kranken Runzeln deines wassersüchtigen und aussätzigen Körpers mich zur Frau bey meinem geizigen Vater zu begehren.
ANSELMO.
O potz Fikerment! das sind bestialische Zärtlichkeiten, das wird ein gutes Mariagigen werden.
ANGELA
zu Anselmo.
Entweichen sie meinen Augen, denn sie scheinen mir ein Feuer speyender Basilisk zu seyn; ich sehe das Blut meines Leanders, sowohl an ihrem viereckigten Wanste, als an dem Körper meines geizigen Vaters, kleben.
ODOARDO
zu Angela.
Mädel! hat dich die Tarantula gestochen, was Teufel redest du, schweig! und mach deiner Raserey ein Ende, oder ich will dir zeigen, was du zu reden hast. Vor sich. Das Mädel ist völlig närrisch. Zu Colombina. Geh Colombina, mache du sie gescheide; rede deiner Fräule zu, daß sie sich zur Ruhe giebt, und ihre Raserey endet.
COLOMBINA
fängt entsetzlich zu schreyen an, und redet unter lauter Schluchzen und Weinen.
Ich – ich – sollte meiner Freule zureden – ich, ich, die ich gleich unglückselig mit ihr bin – nein Mörder! nein Dieb! – nein Strassenrauber! – ich werde sie nicht hindern – sie hat recht – sie beyde haben ihren Leander – und meinen Hanns – wurst – Hannswurst umgebracht – sie Zu Odoardo. Geizteufel! – und Zu Anselmo. und dieser verfaulte alte Spitalkörper – die sind Ursach an dem Tod unserer Geliebten! – Rache – Rache über euer Blut!
Angela und Colombina schreyen entsetzlich.
RIEPEL.
Das ist ein Geschrey, als ob wer gestorben wäre!
ANSELMO
zu Odoardo.
Was wird das werden Herr von Odoardo, das sieht übel aus?
[166]ODOARDO
zu Anselmo.
Das wird sich alles geben, denn es sind nur die Früchte der ersten Hitze, wenn sie sich werden ausgeweint haben, wird sich die Sache schon anderst weisen; ich kann ihnen zwar gestehen, daß es mir selbst nicht lieb ist, daß Leander dieses unternommen hat; denn, wenn die Sach bekännt wird, so wird man halt doch vielleicht mich in etwaß beschuldigen: allein geschehen, ist geschehen, es wird noch alles gut werden, meine Tochter wird sehen, daß sie den todten Leander nicht lebendig weinen kann, so wird sie schon andere Gedanken bekommen; wenn sie also wollen, so gehen wir ein wenig hinaus, wo die Todten liegen, und veranstalten, daß sie gleich begraben werden, denn es ist besser, wenn sie einmal unter die Erde kommen, damit nicht etwa ein, oder andere Leute sie zu sehen kriegen.
ANSELMO.
Ja, dieses wollen wir veranstalten.
ODOARDO.
Zu unserer mehreren Sicherheit, weil vielleicht doch in dieser Sache eine Schelmerey stecken könte, soll der Riepel uns dahin begleiten und zwey gut geladene Flinten mitnehmen, damit wir uns im Falle einer bevorstehenden Gefahr sicher halten können, meine Tochter aber, und die Colombina werde ich indessen zu Haus einsperren.
ANSELMO.
Sehr wohl mein Herr von Odoardo, dieses ist alles klug gehandelt.
ODOARDO.
Allons Angela, Colombina fort ins Haus –
ANGELA.
Nein, diß ist umsonst, ich gehe nicht in das Haus, bis ich meinen Leander noch einmal gesehen habe!
COLOMBINA.
Ich auch nicht, ich muß meinen Hannswurst sehen!
ODOARDO.
Und das wird nicht geschehen, das soll just nicht seyn!
ANGELA.
Wenn sie mir dieses wehren, so erwarten sie ein Unglück, daß sie gewis nicht vermuthen sollen.
COLOMBINA.
Wenn ich meinen Hannswurst nicht sehen darf, so krieg ich die Frais.
ODOARDO.
Kriegt was ihr wollt, ihr dürft nicht mitgehen.
Angela und Colombina fangen entsetzlich an zu schreyen.
ANSELMO.
O Rubenfikrement! ich verliehre noch mein bräutigamisches Gehör bey der Historie.
ODOARDO
zu Anselmo.
Ich bin ganz verwirt, ich weiß nicht, was ich machen soll – ich will sie doch dahin führen, vielleicht erweckt der todte Leander ein grösseres Abscheuen in ihr, als der lebendige Leander ihr Liebe [167] verursachet hat; sie soll ihn sehen, und dieses soll zu dero Vortheil dienen, sie müssen sich gerade bey dem todten Leander stellen, da wird sie doch die Unmöglichkeit von der Möglichkeit unterscheiden, sie wird doch sehen, daß dieser ein todter und sie ein lebendiger Liebhaber sind, sie wird den Unterschied zwischen den Todten, und dero Gestalt sehen, und ob sie gleich ein wenig abgelebt aussehen, so müßte es doch viel seyn, wenn sie nicht durch ihre Gegenwart noch einen todten Körper zu verschandeln im Stande wären.
ANSELMO.
Gut! ich lasse mir alles gefallen, wenn ihre Tochter nur dadurch zu gewinnen ist.
ODOARDO
zu Anselmo.
Wir wollen sehen, Zu Angela und Colombina. nu ich gebe euch die Erlaubniß mit zu gehen, wofern ihr aber einen Lärmen, oder sonst eine Unanständigkeit anfängt, so laß ich euch mit dem Leander, und Hannswurst lebendig eingraben. Zu Riepel. Du nihm aus meiner Rüstkammer zwey geladene Flinten, und trage sie mit, damit wir uns in allen sicher stellen. Zu Angela und Colombina. Ihr aber folget mir nach in das Haus. Alle in das Haus ab, bis auf den Riepel.
RIEPEL.
Der Herr Leander muß ein grosser Narr gewesen seyn, daß er sich deßwegen erschiest, weil ihm der Schwiegervater die Tochter nicht gegeben hat. Wenn ich ein Mensch carmaßieren thät und der Vater wollt mirs nicht geben, so erschiesset ich den Schwiegervater, und ich blieb am Leben, und thät die Tochter heurathen. Und auch in das Haus ab.