[738] [3]Der Buchstabe Re.

1.

O Psittich, der der Liebe
Geheimnisse bespricht,'
An Zuckernahrung fehle
Es deinem Schnabel nicht!
Dein Haupt sei ewig grünend,
Dein Herz von Lust erfüllt.
Denn von des Freundes Flaume
Bist du ein schönes Bild!
Ein Wort, ein unverstand'nes,
Sprachst du zur Zecherschaar;
O mach' um Gotteswillen
Doch dieses Räthsel klar!
Begiess mit Rosenwasser
Aus deinem Glase mich,
Du Glück, das freundlich wachet.
Denn schlafbetäubt bin ich.
Was stimmte denn der Sänger
Für holde Weisen an.
Dass selbst der Fromme tanzet
Mit dem berauschten Mann?
Es schüttete der Schenke
Mohn in den Weinpocal,
Der alsbald allen Zechern
So Kopf als Turban stahl.
Kein Lebenswasser schenket
Man einem Īskěndēr:
Durch Kraft und Gold erreichet
Man dieses nimmermehr.
[3][5]
Der Menschen bare Münze
Ist Weisheit zwar; doch sie
Ist werthlos vor der Liebe
Erhab'ner Alchimie.
Komm und vernimm die Lage
Des Mann's, der schmerzlich litt:
Er theilt in wenig Worten
Viel Sinniges dir mit.
Zum Glaubensfeinde wurde
Ein Götze China's mir:
Herr, Herz und Glauben geb' ich
In Schutz und Obhut dir.
Mach' nicht des Rausches Räthsel
Den Nüchternen bekannt:
Verlange keine Seele
Von Bildern an der Wand.
Durch eines hohen König's
Siegreiche Fahne nur
Prangt hoch Hafis als Banner,
Auf des Gesanges Flur.
Er zeigt sich seinen Dienern
Als hulderfüllten Herrn,
O Herr, drum halte immer
Von ihm das Unglück fern!

[5] [7]2.

Lebe ich und trete wieder
Einmal in die Schenke ein,
Will ich, alles And're meidend,
Nur der Zecher Dienst mich weih'n.
O des freudenvollen Tages,
Wenn ich nassen Aug's genaht,
Um die Schenke zu bewässern,
So wie früher ich es that!
Einsicht mangelt diesem Volke:
Gib, o Gott, ein Mittel an,
Wie ich einem ander'n Käufer
Meine Gemme bieten kann.
Schied der Freund auch und verkannte
Gegen mich die alte Pflicht,
Folg' ich dennoch – Gott bewahre! –
Einem ander'n Freunde nicht.
Wenn der Kreis des blauen Himmels
Seiner Gunst mich würdig fand,
Bring' ich Ihn auf and're Weise
Abermals in meine Hand.
Mein Gemüth wünscht zu gesunden:
Doch es hindern's immerdar
Des Geliebten Schelmenblicke
Und sein räuberisches Haar.
Mein verschlossenes Geheimniss
Wurde, sieh, zum Mährchen schon,
Und mit Pauken und mit Flöten
Spricht auf Märkten man davon.
Alle Augenblicke klag' ich,
Weil der Himmel, bösgewillt.
Stündlich nach dem wunden Herzen
Mir mit ander'n Qualen zielt;
Doch in dieser Lage – sag' ich –
Ist Hafis ja nicht allein:
Denn in diesen Sand der Wüste
Sanken viele And're ein.

[7] [9]3.

Der verlorne Joseph kehret
– Traure nicht – nach Kanaan:
Bald füllt sich des Grames Zelle
– Traure nicht – mit Rosen an.
Tröste dich, bald wird es besser,
Herz, das stets nur Gram empfand,
Denn es kömmt dies Haupt, das wirre.
– Tröste dich – noch zu Verstand.
Wenn der Lenz des Lebens wieder
Thronet auf dem grünen Feld,
Spannst du über's Haupt, o Sprosser,
– Traure nicht – ein Rosenzelt.
Hoffe stets, wenn auch dein Scharfsinn
Das Verborg'ne nicht entdeckt:
Hinter'm Vorhang gibt es Spiele,
– Traure nicht – gar tief versteckt.
Hat des Himmels Dreh'n zwei Tage
Unserm Wunsche nicht willfahrt,
– Traure nicht – denn was sich drehet
Ist veränderlicher Art.
Wenn aus Sehnsucht nach der Kába
Du der Wüste Sand betrittst,
– Traure nicht – wenn auch durch Dorne
Du Verletzungen erlittst.
Herz, scheint durch den Strom des Übels
Dir des Lebens Bau zerstört,
– Traure nicht – am Ruder sitzet
Nöe, der die Fluth beschwört.
Ist der Weg auch sehr gefährlich
Und das Ziel nicht abzuseh'n,
– Traure nicht – denn jede Strasse
Muss denn doch zu Ende geh'n.
[9][11]
Wenn mich des Geliebten Trennung
Und der Nebenbuhler kränkt,
– Traure nicht – Gott weiss dies Alles,
Er, der alles fügt und lenkt.
Weilst, Hafis, im Armuthswinkel
Du allein bei finst'rer Nacht.
– Traure nicht – so lang du betest
Und der Koran bei dir wacht.

[11] [13]4.

Zeig' dein Angesicht und wiege
Mich in Selbstvergessen ein;
Lass die Garben der Verbrannten
Aller Winde Beute sein!
Herz und Auge übergab ich
Lang den Unglücksfluthen schon;
Trage nun der Strom des Grames
Meines Hauses Grund davon!
Ist der alte Wirth nur glücklich,
Leicht nehm' ich den Rest dann hin;
Jeder And're geh' und tilge
Meinen Namen aus dem Sinn!
Wem, ach, duftet Seiner Locken
Roher Moschus? Nimmer dir;
Schlag' dies Wort dir aus dem Sinne
Du, o Herz, voll roher Gier!
Gestern sprach Er: »Ich erdolche
Mit den schwarzen Wimpern dich.«
Nimm Ihm, Herr, aus dem Gemüthe
Dieses Unrecht gegen mich!
Busen! Tödte du die Flamme
Dort in Persiens Feuerdom!
Auge! Schaff' das Wangenwasser
Fort aus Bagdad's Tigerstrom!
Du gelangest ohne Mühe
An kein Ziel auf dieser Bahn;
Sehnst du dich nach einem Lohne,
Sei dem Meister unterthan!
Gib dein Wort mich zu besuchen,
Wenn der Tod mich zu sich ruft,
Und dann trage kummerledig
Mich hinab in meine Gruft!
Doch, Hafis, bedenk' wie fühlen
Das Gemüth des Freundes sei:
Geh' und schaff' aus seiner Nähe
Dieses Angst- und Wehgeschrei.

[13] [15]5.

Bring' vom Strassenstaub des Freundes
Einen Duft mir, holder Ost,
Und des Herzens Gram verscheuchend,
Bring' vom Liebling einen Trost!
Künde aus des Freundes Mund
Mir ein Wörtchen das beseelt,
Einen Brief der Frohes melde,
Bring' aus der Geheimnisswelt!
Bring', dem Nebenbuhler trotzend,
Staub vom Weg' des Freundes her,
Dass Beruhigung gewähre
Diesem blut'gen Auge er!
Rohheit oder Herzenseinfalt
Tauget Seelenopf'rern nicht:
Bring' von Seite jenes schlauen
Herzensräubers mir Bericht!
Dass mir den Geruchssinn würze
Deine sanfte, milde Luft,
Bring' vom Odemhauch des Freundes
Nur ein wenig süssen Duft!
Bring' – bei deiner Treue bitt' ich –
Staub von jenem theuren Freund,
Ohne dass ein Kummerstäubchen
Drum bei Anderen erscheint!
Lang schon zeigte sich dem Herzen
Seiner Wünsche Antlitz nicht:
Bring', o Schenke, jenen Becher,
Der da glänzet spiegellicht!
Bring' zum Dank, dass du, o Sprosser,
Lebst in steten Freuden nur,
Den Gefangenen im Käfich
Kunde von der Rosenflur!
[15] [17]Bitter ward mein Seelengaumen,
Fern vom Freunde, durch Geduld:
Bring' von jener Zuckerlippe
Nur Ein Zeichen mir der Huld!
Wozu taugt Hafisens Kutte?
Färbe röthlich sie mit Wein
Und dann bringe wüst und trunken
Von dem Markte ihn herein!

[17] [19]6.

Von dem Dorfe des Bewussten
Bring' mir Düfte, holder Ost!
Schwach und krank bin ich aus Kummer:
Bringe denn mir Seelentrost!
Leg' auf's Herz mir, das getäuschte,
Meiner Wünsche Elixir:
Bringe nämlich von des Freundes
Schwellenstaub ein Zeichen mir!
Im Versteck des Blickes führ' ich
Mit dem eig'nen Herzen Krieg:
Bring' mir Seiner Brauen Bogen,
Seiner Wimper Pfeil zum Sieg!
Mich zum alten Manne machten
Fremde, Trennung, Herzenspein:
Bring' aus zarten Jünglingshänden
Mir ein Glas gefüllt mit Wein!
Zwei, drei Gläser lass auch kosten
Von dem Wein die Leugner hier.
Und verschmäh'n sie das Getränke,
Nun, so bring' es eilends mir!
Lass, o Schenke, nicht auf morgen
Was das Heut an Freuden beut;
Oder bring' vom Schicksals-Diwan
Mir ein sicheres Geleit!
Gestern kam ich fast von Sinnen,
Denn Hafis sprach ganz getrost:
»Von dem Dorfe des Bewussten
Bring' mir Düfte, holder Ost!«

[19] [21]7.

O du, durch dessen Wangenschimmer
Das Tulpenbeet des Lebens glüht!
Komm wieder, da der Lenz des Lebens
Nur durch dein Rosenantlitz blüht!
Es kümmert und es sorgt sich nimmer
Um der Vernichtung Ocean
Wer für den Mittelpunct des Lebens
Als Pünctchen deinen Mund gewann.
Mit vollem Grunde träuft die Thräne
Als Regen mir vom Augenrand,
Da gleich dem Blitz die Zeit des Lebens
Im steten Gram um dich mir schwand.
Lebendig bin ich ohne Leben,
Doch darfst du drob erstaunt nicht sein:
Wer schaltet wohl die Trennungstage
Der Rechnung seines Lebens ein?
Auf allen Seiten gibt's Verstecke,
Aus denen Unglücksheere droh'n:
Drum eilet mit verhängtem Zügel
Des Lebens Reiter schnell davon.
Durch deinen Anblick mich beglücken
Kannst du vielleicht Momente blos:
Benütze sie mein Loos zu fördern,
Denn unklar ist des Lebens Loos.
Wie lang noch wirst du Frühwein trinken
Und schlummern süss beim Morgenstrahl?
Auf! Sei auf deiner Hut! Erwache!
Denn schon entschwand des Lebens Wahl.
An mir vorüber ging Er gestern,
Doch hat Er nicht nach mir geseh'n;
O armes Herz, das nicht genossen
Das Leben im Vorübergeh'n!
Hafis, lass deine Lieder tönen,
Weil auf dem Blatte dieser Welt
Ein Bild, von deinem Rohr gezeichnet,
Als Lebensdenkmal sich erhält.

[21] [23]8.

Festtag ist, die Rosen enden
Und die Freunde harren dein;
Schenke! Im Gesicht des Königs
Sieh den Mond und bringe Wein!
Auf die Rosentage hatte
Ich bereits verzichtet; doch
Fastender Bezechter Streben
Änderte die Sache noch.
Nie dein Herz an Ird'sches bindend.
Frage Trunk'ne um Bescheid
Über des Pocales Segen
Und Dschemschidens Herrlichkeit.
Nur der Seele Baarschaft halt' ich
Noch in Händen; wo ist Wein?
Einem holden Blick des Schenken
Mög' auch der geopfert sein!
Zwar das Frühmahl ist vorüber,
Doch was thut's? der Frühwein nicht,
Da, wer nach dem Freund begehret,
Nur mit Wein die Faste bricht.
An dem Tage des Gerichtes
Wandelt – fürcht' ich – Hand in Hand
Mit dem Rosenkranz des Scheïches
Des Berauschten Mönchsgewand.
Dieses Reich ist herrlich blühend,
Und sein Herrscher mild und gut:
Vor des Schicksals bösem Auge
Nimm ihn, Herr, in sich're Hut!
Trinke, Fürst, bei meinem Liede,
Denn ein Schmuck ist's eig'ner Art,
Wenn sich deinem Gemmenglase
Diese Königsperle paart.
[23][25]
And'rer Fehler zu verhüllen
Hält dein edler Sinn für Pflicht:
Drum verzeihe meinem Herzen,
Dem es an Gehalt gebricht!
Schwand, Hafis, die Zeit der Faste,
Schwindet auch die Rose nun:
Darum musst du Wein geniessen,
Bleibt nichts And'res doch zu thun.

[25] [27]9.

Entzieh' des Seelenfreundes Hause
Nicht deinen Durchzug, holder Ost;
Entzieh' mir elendem Verliebten
Nicht seiner Kunde Herzenstrost!
Zum Dank dafür, dass du, o Rose,
Nach Wunsch nun blühest auf dem Strauch,
Entziehe du dem Morgenvogel
Nicht des Genusses süssen Hauch!
Jetzt ist dein Mund noch eine Quelle,
Aus der hervor der Kandel bricht:
Drum sprich ein Wörtchen und entziehe
Dem Papagei den Zucker nicht!
Als du ein Neumond noch gewesen,
Warb ich um deine Liebe schon:
Nun du ein voller Mond geworden,
Entzieh' mir nicht des Blickes Lohn!
Die Welt und Alles was sie fasset
Ist leicht nur und gering an Werth:
Entziehe dies Geringe nimmer
Dem, dessen Kenntnisse man ehrt!
Es trägt der Dichter deine Thaten
Nach jeder Gegend dieser Welt:
Entzieh', zur Nahrung auf der Strasse,
Ihm nicht das schuld'ge Reisegeld!
Willst du, dass deiner man gedenke
In Liebe, wenn du nicht mehr bist,
Entzieh' dein Gold und Silber nimmer
Dem Worte, dessen Preis es ist!
Der Staub des Grames wird sich legen,
Hafis, und alles wird noch gut,
Entziehe du nur diesem Pfade
Nicht deines Auges Wasserfluth!

[27] [29]10.

Sprich kühn zu mir, dein Antlitz zeigend:
»Nimm aus der Seele dir das Herz;«
Und vor dem Lichte sprich zum Falter:
»Entglüh' an meiner Seele Schmerz!«
Betrachte meine durst'ge Lippe
Und halt' ihr freundlich Wasser hin;
Tritt zu dem Mann, den du gemordet,
Und hebe aus dem Staube ihn!
Entferne dich vom Armen nimmer:
Hat er auch Gold und Silber nicht.
Ist doch sein Silber seine Thräne,
Ist doch sein Gold sein Angesicht.
Mag immerhin die Laute fehlen
Spielst auf der Harfe du vor mir:
Mein Herz, mein Leib und meine Liebe
Sei Aloe, Rauchfass, Feuer dir!
Beginn den Reigen, wirf die Kutte
Weit weg von dir und tanze dann;
Wo nicht, so geh' in eine Ecke
Und zieh' dort meine Kutte an!
Zieh' aus das woll'ne Kleid und ziehe
Dafür in dich den reinen Wein;
Verspiel' dein Silber und dann handle
Um Gold dir Silberbusen ein!
Ist mir der Freund nur hold, so mögen
Mich beide Welten feindlich flieh'n;
Stützt mich das Glück nur, mögen Heere
Erobernd durch die Erde zieh'n!
Freund, wolle nicht von hinnen eilen,
Bleib' nur ein Weilchen noch bei mir;
Such' Freuden an des Baches Rande
Und nimm zur Hand den Becher hier!
[29][31]
Und gingst du wirklich fort, so machte
Das Augennass, der Herzensbrand
Mir Farb' und Lippe fahl und trocken,
Wohl aber feucht des Schoosses Band.
Hafis, bereite ein Gelage
Und zu dem Kanzelredner sprich:
»Wirf einen Blick auf meine Gäste
Und trolle von der Kanzel dich!«

[31] [33]11.

Vom Zipressenzweig ruft wieder
Der geduld'ge Sprosser nun:
»Auf dem Angesicht der Rose
Soll kein böses Auge ruh'n!«
Doch zum Dank, dass du, o Rose,
Prangst als Schönheitskaiserin.
Blicke auf verliebte Sprosser
Nicht mit eitlem Stolze hin!
Nimmer will ich mich beklagen,
Trifft dein Fernsein mich auch hart:
Denn, wer nie entfernt gewesen,
Freut sich nicht der Gegenwart.
Nur auf Huris und auf Köschke
Macht der Frömmler Hoffnung sich;
Doch die Köschke seh' in Schenken
Und im Freund die Huri ich.
Trinke Wein beim Harfenklange,
Und verscheuche Gram und Leid;
Sagt man dir, du sollst nicht trinken,
So entgegne: »Gott verzeiht.«
Während And're sich ergötzen
Bei Gesang und frohem Mahl.
Ist der Kummer meiner Liebe
Mir ein Wonnecapital.
Warum willst du dich beklagen
Über Trennungsgram, Hafis?
Wiederseh'n enthält die Trennung,
Licht enthält die Finsterniss.

[33] [35]12.

Die Nacht der Kraft ist heut erschienen,
An Trennung wird nicht mehr gedacht;
Heil bis zum Strahl der Morgenröthe
Hat diese heil'ge Nacht gebracht.
O Herz, behaupte in der Liebe
Nur immer einen festen Stand:
Gibt's doch kein Werk auf diesem Pfade,
Das endlich seinen Lohn nicht fand.
Dass ich dem Trunke mich ergeben;
Nein, das bereu' ich nimmermehr,
Magst du mit Trennung und mit Steinen
Mich stets verfolgen noch so sehr.
Mein Herz entfloh, doch nimmer sah ich
Den Holden, der das Herz mir stahl.
Weh über diese Grausamkeiten,
Weh über diese herbe Qual!
Erschein', o Morgen, Gott zu Liebe
In deines Herzens lichter Pracht,
Denn gar zu dunkel und zu finster
Erscheinet mir der Trennung Nacht!
Hafis, nimm, wenn du Treue wünschest,
Die Leiden mit Ergebung hin:
Es wechselt ja im Handel immer
Mit dem Verluste der Gewinn.

[35] [37]13.

Einen Rath will ich dir geben,
Hör' ihn an und rechte nicht,
Treu befolgend was in Liebe
Der Ermahner zu dir spricht:
»Drücke Küsse auf die Wange,
Die im Jugendreize strahlt;
Lauert doch die Welt, die alte,
In des Lebens Hinterhalt.«
Um ein Korn verkauft die Liebe
Was das Weltenpaar bescheert:
Dieses ist gar schlechte Waare,
Jene hat gar hohen Werth.
Einen traulichen Genossen
Und Gesänge wünscht mein Herz.
Um im Basse und Soprane
Auszudrücken meinen Schmerz.
Keinen Wein will ich mehr trinken,
Keine Sünde mehr begeh'n.
Wenn das Schicksal meinem Vorsatz
Günstig will zur Seite steh'n.
Hundert Male hab' ich reuig
Aus der Hand gesetzt das Glas,
Doch das Augenspiel des Schenken
Währt ja ohne Unterlass.
Wenn der Liebling vierzehn Jahre
Und zwei Jahre zählt der Wein,
Gnügt ihr Umgang mir statt Allem,
Was mir böte Gross und Klein.
Als das ew'ge Loos geworden,
Ist es ohne mich gescheh'n:
Nun, so schmäle nicht, wenn Manches
Nicht nach Wunsche sollte geh'n.
[37][39]
Schenke! Moschuswein gleich Tulpen
Giess mir nun in den Pocal,
Dass mir nimmer aus dem Sinne
Schwinde des Geliebten Maal!
Sagt' ich dir, o Herz, nicht immer:
Hüte dich vor Seinem Haar?
Kettet man an diese Ringe
Doch den flücht'gen Wind sogar.
Bring' den Becher voll von hellen
Perlen und Rubinen mir,
Und der Neider mag erbleichen,
Weil mir hold ist der Wesir.
Wer vermag mein Herz zu halten,
Das so ängstlich ist und bang?
Sagt den Leuten, dass ein Toller
Seiner Kettenhaft entsprang.
Lieder, die Chodscha gesungen
Und Selmān, wer preist sie hier?
Klingt Hafisens Lied doch besser,
Als die Verse des Săhīr.
Sprich, Hafis, bei diesem Feste
Nimmer von der Reue Heil,
Schenken mit den Bogenbrauen
Treffen sonst dich mit dem Pfeil!

[39] [41]14.

Wie lange noch wirst du, o Herz, vergiessen
Mein Augenblut? Erröthe endlich doch!
Du Aug', entschlumm're und erfülle endlich
Auf diese Art den Herzenswunsch mir noch!
Bin ich's denn wirklich, Herr, der Küsse pflücket
Von meines Seelenfreundes holdem Arm?
Nun sahst du selbst, wie endlich sich erfüllte
Warum ich Morgens betete so warm.
Was ich gewünscht für jenseits und hienieden,
Der Nahrungsschenker schenkte mir's, und zwar:
Erst für mein Ohr der Harfe Ton und endlich
Für meine Hand des Freundes Lockenhaar.
Raubst du die Garbenähren armer Leute,
Dem rauhen Winde ähnlich, länger noch?
Mach' dir aus Hochsinn eine Vorrathskammer
Und säe endlich eig'nen Samen doch!
Wohl weiss ich es, zum Bildersaale China's
Wird dein Pallast wohl nimmermehr; allein
Mit deines duft'gen Moschuspinsels Spitze
Mal' endlich ein Gemälde zart und fein.
Wenn du, o Herz, im Reich durchwachter Nächte
Nicht feig entfliehst den Leiden, die dir dräu'n.
So Bringt der Morgenhauch aus jenem Lande
Dir endlich Kunden, die dich hoch erfreu'n.
Ein Götze, reizend wie der Mond, kredenzte
Gebeugten Knie's Wein, der Rubinen glich;
Du aber sprichst, Hafis: »Ich fühle Reue.«
So schäm' doch endlich vor dem Schenken dich!

[41] [43]15.

Schenke, bring' die Summe
Aller Jugendkraft,
Bring' mir ein paar Gläser
Reinen Rebensaft!
Bring' ein sich'res Mittel
Gegen Liebespein,
Was den Greis und Jüngling
Heilen kann: den Wein!
Ist der Wein die Sonne,
Ist das Glas der Mond:
Bringe denn die Sonne,
Die im Monde thront!
Nur als Starrkopf handelt
Wer da klug will sein:
Bring' für seinen Nacken
Einen Strick aus Wein!
Übergiess mit Wasser
Dies mein Feuer hier:
Feuer, das dem Wasser
Gleiche, bringe mir!
Glück der flücht'gen Rose
Auf die Wanderschaft!
Bring' wie Rosenwasser
Reinen Rebensaft!
Lass es dich nicht grämen,
Schwieg des Sprossers Sang;
Bring' der vollen Flasche
Lieblicheren Klang.
Trau're nicht, wenn Tage
Mit dem Wind entfloh'n:
Bring' das Lied der Zither
Und des Barbiton!
[43][45]
Da mir nur im Schlafe
Seine Liebe lacht,
Bringe denn ein Mittel,
Das mich schlafen macht!
Bin ich gleich schon trunken,
Drei, vier Gläser doch
Bringe, bis ich völlig
Wüst geworden, noch!
Bring' Hafisen Becher,
Einen oder zwei,
Ob's nun fromm gehandelt,
Oder Sünde sei!

[45] [47]16.

Hochaufstrebende Zipresse
Mit dem schönen Gange,
Zartgeformter Herzensräuber
Mit der Rosenwange,
Hast mit deinen schlauen Ränken
Mir das Herz gestohlen:
Darum sei's um Gotteswillen
Dir auch anempfohlen!
Seit ich deiner beiden Augen
Zauberkunst ersehen,
Ist's um meines Herzens Ruhe
Und Geduld geschehen.
Schüttelst du die Hyacinthen
Deiner Lockenhaare,
Wird fortan der Moschus selber
Zur gemeinen Waare.
Mache dir den Bruch der Treue
Nimmer zum Gesetze:
Nur nach Treue magst du streben,
O mein schlauer Götze!
Und von Zeit zu Zeit beglücke
Mich mit einem Kusse,
Dass der Lebensbaum dir trage
Früchte zum Genusse!
Staunen überkömmt Hafisen,
Der zu dir nur flehet,
Und auch ohne Gold und Silber
Dir zu Dienste stehet.

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TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. Der Buchstabe Re. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2D43-9