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Nun, wer bringt vom Herzensräuber
Mir ein Schmeichelbriefchen her?
Wo verweilt der Ost, der Bote?
Ist wohl so gefällig er?
Nimmer klag' ich; doch des Freundes
Wolke der Erbarmung hat
Keinen Tropfen noch gethauet
Auf der durst'gen Herzen Saat.
Des Verstandes Rath erwog ich
Auf dem Weg den Liebe nimmt,
Fand, dem Nachtthau sei er ähnlich
Der im Ocean verschwimmt.
Komm, denn wenn auch stets, als Stiftung,
Meine Kutt' in Schenken ruht,
Lautet doch auf meinen Namen
Keine Drachme Stiftungsgut.
Wesshalb man kein Zuckerröhrchen
Für den Kauf des Mannes beut,
Der aus seinem Schreibe-Rohre
Hundertfältig Zucker streut?
Gleissnerei und Falschheit riefen
Ekel schon in mir hervor:
Komm, denn meine Fahne pflanz' ich
Offen auf der Schenke Thor.
Nimmer kennt der Arzt am Wege
Was der Schmerz der Liebe sei,
Todtes Herz, geh', ruf' mir einen
Mit Messias' Hauch herbei!
Das Warum und Wie besprechen,
Herz, nur Kopfweh macht dir das:
Ruh' ein wenig aus vom Leben,
Doch erst greife nach dem Glas!
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Komm, denn die die Zeit begreifen
Tauschen beider Welten Hort
Um ein Glas voll reinen Weines
Und um eines Götzen Wort.
Eine Dauer des Genusses
Kennt die Liebe leider nicht:
Fühle – bist du Meinesgleichen –
Wie des Grames Fliete sticht!
Nichts besitzt Hafis, o König,
Was entspräche deiner Macht,
Als nur Wünsche früh am Morgen,
Und Gebete in der Nacht.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ḥāfeẓ, Šams o'd-din Moḥammad. 36.. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-29D4-0