[Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat]

[4] Als die hochwohlgebohrne Frau, Frau Hedwig von Wenzky, vermehlte von Bock, ihr hohes Nahmensfest den 14. Octobr. a. 1711. erfreulichst begieng.


Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat
Von einer kühnen Faust zu Dero werthen Händen.
Mein Geist, so Dero Gunst bey sich verehret hat,
Will die Verschwiegenheit mit diesem Feste enden;
Er bricht vor Freudigkeit in diese Worte aus:
Welch Glücke crönt dich jezt, hochadeliches Haus!
Vergnügung zieht bey dir mit vollen Seegeln ein,
Ein hohes Nahmenslicht beglückt die frohen Stunden,
Der Himmel will dich selbst mit seiner Huld erfreun,
Es hat im Herbste sich der Sommer eingefunden;
Wer ist, der dich, o Tag, nach Würdigkeit besingt
Und dir, wie sichs gebührt, ein Freudenopfer bringt?
Hier ist ein schlechtes Lied, ich muß es selbst gestehn,
Die Verse fließen nicht, die Feder ist verdorben;
Ich Armer mühe mich, die Sonne anzusehn,
Da doch vor großem Glanz mein Auge fast erstorben:
Ein Adler sollte hier, nicht schlechte Tauben, seyn,
Sonst blendet sie gar leicht ein mehr als heller Schein.
Doch, hohe Gönnerin, vor der sich jeder bückt,
Der so vollkommne Gunst wie ich bereits genoßen,
Sie nehmen gütigst an, was meine Feder schickt,
Da mir von Dero Hand so manches zugefloßen.
Wird gleich Ihr kluger Sinn durch diesen Reim verlezt,
So wird der Fehler doch durch meinen Wuntsch ersezt.
Es fordert meine Pflicht, die Wohlgewogenheit,
Womit Sie mich bedacht, mit Dancken zu erkennen,
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Je mehr ein jeder fast die schnöde Dürftigkeit
Ein groß Verhindernüß der Tugend pflegt zu nennen;
Bringt nun Studirenden der Mangel Qual und Pein,
So muß mir selber auch ein harter Anstoß seyn.
Ich ehre diesen Tag des Himmels festen Schluß,
Durch den mein schlechter Kopf die freyen Künste liebet;
Ach aber, daß ich selbst dabey beklagen muß,
Daß er mir zwar den Trieb, doch karge Mittel giebet.
Wie wird nicht alle Kunst und Weißheit oft verlezt,
Wo sich das schwere Joch, der Mangel, hat gesezt!
Was aber klagt mein Sinn den treuen Himmel an?
Er zeigt mir ja bereits geneigte Freudenblicke.
Seht, was des Höchsten Huld und deßen Sorgfalt kan:
Die von der Dürftigkeit mir angelegten Stricke
Reißt eine hohe Hand in Hofnung fast entzwey
Und macht von Kümmernüß die arme Muse frey.
Ein Nebel, den die Macht der Armuth angericht,
Verhüllte meinen Sinn in eitel schwarze Nächte,
Ich hofte immerzu auf ein erwüntschtes Licht,
Das mir durch seinen Schein vergnügte Hülfe brächte.
Mein Hofen war umsonst, mein Wuntsch ward nicht erfüllt,
Es blieb mein banges Herz mit Dunckelheit umhüllt.
Bis jezt ein heller Glanz durch dies Gewölcke dringt,
Ein Glanz, der seinen Schein von Ihrer Huld bekommen,
Der die gehofte Ruh mit vollem Lichte bringt,
Der alle Dämmerung von mir hinweggenommen;
Da sich ein Götterglanz auf meine Muse lenckt,
So fällt der Kummer hin, der mich zuvor gekränckt.
Hochwohlgebohrne Frau, es wird der matte Kiel
Fast ganz und gar geschwächt, wenn er das will beschreiben,
Womit Sie ihn beglückt; der Wohlthat ist zu viel,
Drum muß er leider nur bey seiner Stille bleiben.
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Mein Mund erblast und schweigt, sobald er das bedenckt,
Was Dero hohe Hand auf mich bisher gelenckt.
Wie sollte dann nun nicht mein Herze fröhlich seyn,
Da mich der Himmel läst Ihr Nahmensfest begehen,
An dem die Gratien selbst frische Rosen streun,
Wo Pracht und Herrligkeit verknüpft beysammen stehen,
An dem sich überall ein hoher Stand vergnügt,
Den keiner Ahnen Ruhm und Alterthum besiegt?
Der Himmel müße dir, o Fest, gewogen seyn,
Kein wüster Unglückssturm soll deine Freude stören,
Kein blaßer Todesfall reiß dein Vergnügen ein,
An dir soll man von nichts als lauter Seegen hören,
Erfreut sey, wer den Tag mit Lob und Dancken crönt,
Bethört, wer seinen Glanz mit Ungemach verhöhnt!
Dein Ruhm vergeht niemahls, dein Marmor trozt die Zeit,
Die späte Nachwelt wird von deiner Hoheit wißen,
Der Nahme HEDWIG hat ein Denckmahl dir bereit,
Das die verjüngte Welt stets wird verwundern müßen;
So lange Hedwig man in dem Calender list,
So lange sey dies Haus zu stetem Flor erkiest!
Hochwohlgebohrne Frau, hochwerthe Gönnerin,
Es müße Sie die Huld des Himmels überschatten!
Der Höchste bringe Sie nach langer Zeit dahin,
Wo Lust und Anmuth sich ohn alles Ende gatten.
Ich nehme lebenslang an Dero Wohlfahrt Theil.
Gott überschütte Sie mit stetem Glück und Heil!

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. [Hochwohlgeborne Frau, es kommt ein schlechtes Blat]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2627-E