[Die Lüfte wafnen sich mit schweren Donnerkeilen]

[22] Als Herr Gottfried Fuchsius, Past. Prim. der Evangelischen Kirche vor Schweidniz, a. 1714. den 16. Sept. als ein tapfrer Streiter Jesu Christi aus der streitenden Kirche in die triumphierende seinen seeligen Einzung hielt.

In Nahmen der allda studirenden Schuljugend.

Die Lüfte wafnen sich mit schweren Donnerkeilen,
Der Wolcken Schwangerschaft gebiehret Schlag und Glut,
Das Auge dieser Welt zeigt ein Cometenblut,
In Sarons Thälern schallt ein allgemeines Heulen.
So, armes Zion, siehts um deinen Himmel aus,
Nachdem die Priesterschaft ein vaterloser Orden,
Die Werckstatt freyer Kunst ein düstres Waysenhaus,
Die Canzel aber gar zu einer Wittwe worden.
Der Tempel dräut den Fall, das Heiligthum erzittert,
Da seine Stüze wanckt und da sein Atlas sinckt.
Die Herzen sind mit Furcht, der Leib mit Flor umringt,
Weil sich der Gottheit Zorn auf den Gebürgen wittert.
Des Aarons Cymbelspiel verliert den hellen Klang,
Ein Jeremias lehrt uns seine Klagelieder.
Was sonst ein reisend Volck bey Hor und Nebo sang,
Das giebt in Davids Burg ein banges Echo wieder.
Der Wächter schlummert ein, der Hirte wird geschlagen,
Die Schaafe gehn zerstreut, die Heerde lauft verirrt.
Seht, wie sich Israel mit Staub und Asche schirrt,
Um seinen Gottesmann in Säcken Leid zu tragen.
Weint, Bürger Salems, weint, die Thränen sind gerecht,
Auch kein Democritus kan die Verschwendung schelten.
Es stirbt kein Caiphas, es stirbt des Herren Knecht,
Und diesem könt ihr kaum ein Tröpfchen Schweiß vergelten.
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Die Kirche kan noch nicht den herben Fall verschmerzen,
Durch den ihr Simeon (o allzutheurer Sieg,
Der uns Verlust gebracht) die Himmelsburg erstieg;
Ja, sein erlebter Tod lebt noch in unsern Herzen,
Es warthet seine Gruft noch auf den Leichenstein,
Da wir die Ziegel schon zu einer neuen streichen.
Die Arbeit lehret uns: Kein Unglück kommt allein,
Und ein Verhängnüß pflegt dem andern auszuweichen.
O Himmel, wirstu so ein Räuber unsrer Schäze?
Verkehrt der Leibrock auch sich in ein Todtenkleid?
Wird denn der Predigtstuhl ein Thron der Sterbligkeit?
Hemmt Mosis Tafel nicht der Parzen Mordgeseze,
Das eine Faust von Stahl in Diamant geprägt?
Darf wohl des Todes Pfeil der Priester Blut versprizen?
Ja, wo der Mörder würgt und der Benaja schlägt,
Da wird uns kein Altar mit seinen Hörnern schüzen.
Ach Vater, Vater ach, verlästu deine Söhne,
Die Kinder deiner Zucht, das Volck, so du geliebt?
Schau, wie sich Ephraim bey deiner Gruft betrübt,
Sein Winseln überschreyt der Glocken Angstgethöne.
Wir opfern deiner Huld die allerlezte Pflicht,
Die Liebe weint mit uns und geht mit dir zu Grabe,
Das Waßer, so nunmehr den Augen fast gebricht,
Zeigt, wie der heiße Schmerz uns schon verzehret habe.
Jedoch was stören wir mit Klagen deine Freude?
Warum beneidet man das Glücke, so dich küst
Und in der Ewigkeit bey dir beständig ist?
Dein Heiland schenckt dir ja die Herrligkeit zum Kleide,
Du hast genug gekämpft, dein Thränenmaas ist voll,
Das Kleinod schon erlangt, die Palmen sind erstritten,
Der Groschen, so dir jezt zu Lohne werden soll,
Bezahlt, was du bisher bey deiner Last erlidten.
Jezt sieht man deinen Sarg als einen Siegeswagen,
Die Bogen deiner Gruft vor Ehrenpforten an;
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Die Misgunst, welche sich nicht sattsam schämen kan,
Muß, weil du triumphierst, so Stahl als Feßel tragen.
Hier ist kein Lästermaul des losen Simei,
Der mit den Händen wirft und mit den Lippen fluchet,
Kein Doeg, der das Schwerd auf deinen Nacken zieh,
Kein Neid, der stets sein Heil an deiner Brust versuchet.
Nun, Vater, gute Nacht! Wir küßen deine Glieder,
Und überlaßen sie dem Raube dieser Zeit.
Die Ehre deines Ruhms trozt die Vergängligkeit,
Dein Nachruf aber nennt die Sterne seine Brüder.
Der Wuntsch, den deine Brust vor unsern Seegen that,
(Die Erbschaft macht uns reich) wird tausend Früchte zeugen,
So oft nun unser Fuß sich deinem Grabe naht,
So ofte soll er sich vor deiner Asche beugen.
Ihr Töchter Zion, kommt und salbt die edle Leiche
Von eurem Redlichen mit Thränenbalsam ein,
Last eure Herzen ihm sein Mausoleum seyn,
Damit der Jahre Rost die Grabschrift nicht verstreiche:
Mit diesem, deßen Leib der enge Raum beschleust,
Ist, als er seinen Weg ins Vaterland genommen,
Die Gottesfurcht ums Herz, die Andacht um den Geist
Und die Beredsamkeit um ihre Zunge kommen.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Lob- und Strafschriften. Schweidnitz 1710-1715. [Die Lüfte wafnen sich mit schweren Donnerkeilen]. [Die Lüfte wafnen sich mit schweren Donnerkeilen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-25C6-E