[243] An die Phillis

Erröthe nur nicht erst, du wohlgezognes Kind,
Wenn jezo Mund und Kiel aus Liebe kühner sind
Und, da dein Wesen mir bereits das Herz genommen,
Mit Ernst und Redligkeit nach deinem Herzen kommen.
Es ist kein blinder Schluß noch leichter Eigensinn;
Der Himmel führt mich selbst zu deiner Tugend hin
Und bringt uns auf der Welt kaum einmahl recht zusammen,
So fühl ich alsobald die rein- und edlen Flammen
Der Liebe gegen dich, die ohne Falschheit brennt
Und jedem auf der Welt das gröste Glücke gönnt,
Wenn mich nur Gott und Zeit bald so geneigt bedencken
Und meiner treuen Brust dein Herz zum Lohne schencken,
Zum Lohne vor den Fleiß und vor so manche Nacht,
Die mein Studiren oft mit Wachen zugebracht,
Um dermahleins an Kunst und Wißenschaft zu grünen
Und als ein nüzlich Glied der Republic zu dienen.
Der, so im Himmel wohnt und ins Verborgne sieht,
Mag selber Zeuge seyn, wie starck mein Eifer glüht,
Ein gleichgesinntes Herz und treues Weib zu finden,
Bey der sich Tugend, Wiz und Zärtligkeit verbinden.
So weit nun mein Verstand Gemüther prüfen kan,
So freudig seh ich dich vor meines gleichen an
Und finde, wie mich dünckt, an deinen edlen Gaben
Was mehr als insgemein des Landes Töchter haben,
Und darum hoft mein Geist, wofern er dich erhält,
In recht vergnügter Eh den Himmel auf der Welt.
Die Eintracht soll bey uns in Bett und Tische lachen
Und unsern Lebenslauf voll güldner Stunden machen.
Ich rühme nichts von mir als unverfälschte Treu
Und stelle dir hiermit die Wahl in Demuth frey:
Getraustu dich, mit mir vergnügt und wohl zu leben,
So säume länger nicht, dein Herz an Tag zu geben.
Dein Vater, deßen Geist und Klugheit und Verstand
Ich nur die kurze Zeit zur Gnüge schon erkand,
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Wird schon so gütig seyn und unter Wuntsch und Seegen
Sein Jawort nebst der Hand auf unser Bündnüß legen,
Das blos vom Himmel kommt. Ich nenne dich schon mein,
Und du kanst gegentheils gewis versichert seyn,
Daß, ob ich mich gleich nicht mit Blute hoch verschwöre,
Ich dennoch mit Vernunft mich blos vor dein erkläre.
Die Allmacht seegne dich in deines Vaters Haus
Und führe dich zu mir mit Wuntsch und Heil heraus
Und cröne den Beruf, worin er mich gesezet,
Mit allem, was ein Mensch vor gut und glücklich schäzet.
Du aber, werthes Kind, sey immer unbetrübt
Und glaube, daß der Herr, der fromme Seelen liebt,
Uns als ein treues Paar auch hier noch auf der Erde
Den Neidern zum Verdruß mit Wollust träncken werde.
Was wiltu doch wohl mehr in dieser eitlen Welt,
Wo Creuz und Unbestand das Bürgerrecht behält,
Was wiltu, sag ich, mehr in dieser Welt erwerben,
Als blos mit mir vergnügt zu leben und zu sterben?

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Liebesgedichte und Studentenlieder. Phillis. An die Phillis. An die Phillis. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-2279-7