[Last sehn, wer unter euch am ersten fertig sey!]

[79] [83]Herr Bruder Gotth(e/i)lf, guck einmahl

Auf diese späte Zeilen!

Von Liegniz bis ins Jochimsthal

Sind 42. Meilen!.


Last sehn, wer unter euch am ersten fertig sey!
Macht fort, ihr Mägdgen, eilt und schaft den Kranz herbey!
Die erste, so ihn bringt, (verspizt euch auf die Gaben!)
Soll einen Mann davor noch diese Fastnacht haben.
O ho, wie laufen sie, o welcher Schwarm ist da!
Herr Bruder, folge mir und tritt anjezt nicht nah,
Sonst kommt dein junges Haupt in dieses Lustgedränge
Und wird vielleicht wohl gar von solcher Blumenmenge
Wie jene Römerin von güldner Beut erstickt.
Jedoch, o sanfter Tod, wen so ein Schaz erdrückt,
Dem wird der Parzen Schaar zu holden Charitinnen,
Er aber fährt mit Lust wie Curtius von hinnen.
Gescherzt ist nicht geschimpft. Allein den Scherz bey Seit:
Herr Bruder, sage mir, wie lebstu in der Zeit?
Was plagt, was ficht dich an, die Handvoll Ruhmviolen
So langsam und so spät am Helicon zu holen?
Du weist ja, wer du bist: Du bist Asträens Mann,
Die in der Christenheit kein Kebsweib leiden kan,
Und schämst dich gleichwohl nicht, auch wieder dein Gewißen
Dies Fieckchen herzuziehn und nebenbey zu küßen.
Gut, daß die erste Frau verbundne Blicke trägt;
Sie hätte, säh sie dies, den Kram gewis gelegt
Und würde, wenn du so mit andern zugehalten,
Durch ihr gerechtes Schwerd das neue Bündnüß spalten.
Jedoch so schlecht sie sieht, so sieht sie mehr als du;
Denn jezo eilt dein Herz nach einer Dirne zu,
Der jeder Knoblochskopf bis an den Nabel gucket
Und jeder galant homme in Aug und Antliz spucket.
Wenn ich was lieben soll, so bild ich mir stets ein,
Es müße schön und zart und jung und niedlich seyn.
[83]
Allein, ich bitte dich, mit was kan Fieckchen reizen?
Sie stinckt nach Schweiß und Oel wie angebrandter Weizen
Und wie der Schlafrock roch, in dem sie manche Nacht
Dem Aristoteles den Schnabel warm gemacht.
O las das wilde Ding; du siehst, es buhlt mit Leuten,
Die kaum noch trocken sind, und hat vor alten Zeiten
Den hündisch-groben Kerl im Faße so geleckt,
Daß jezo noch ihr Mund nach Tonnenkäse schmeckt,
Den dort ihr Courtisan durchs Spundloch angenommen,
Wenn eine Heringsfrau zum weisen Meister kommen.
Sie leugnet selber nicht und nimmt den Titul an:
Das, was uns noch an ihr mit Recht vergnügen kan,
Sey ausgelecktes 1 Zeug, vom Cartes nichts zu sagen,
Der ihre Schand entdeckt und allen feil getragen.
Bekehrt dich dies noch nicht und hastu gleichwohl Lust,
So glaub ich, daß du wohl viel Mitgift suchen must.
Allein was ist ihr Schaz? Eintausend auf Papiere,
Ein kalt- und saurer Rausch von ihrem Hochzeitbiere,
Ein halb Collegium, ein klein- und blauer Hut,
Der wieder Frost und Schweiß gar schlechte Dienste thut.
Ey, nimm doch Warnung an und las sie ungeschoren!
Die Themis, so dich längst vor ihren Leib erkohren,
Sieht schön- und beßer aus und schenckt dir höhern Rang
Als jener Zwietrachtssiz der Opponentenbanck,
Wo Warheit lügen muß und Menschen dieser Erden
Wie dort beym Daniel gar oft zu Rindern werden.
Jedoch du bleibst darauf und hältst mich in der Still
Vor einen, welcher dir die Lust nicht gönnen will.
Allein, du lieber Freund, dein Argwohn sticht darneben;
Ich wüntsche dir vielmehr das allerbeste Leben
Und Ehr und Lob dazu. Wie ist mir? Tref ich doch
Die Ursach deines Zwecks? Gar recht, nun sprech ich noch:
Du thust so schön als wohl! Geh jezt und las dich crönen!
Ich hör am Helicon die Instrumente thönen,
Und Phoebus, wie mich deucht, theilt seinen Lorbeerstrauß
Den Händen vieler Müh mit Seegenssprüchen aus.
[84]
Geh, greif und nimm ihn mit und las die Misgunst schwermen;
Es sticht sie um das Herz, es reißt sie in den Därmen.
Dies thut des Nechsten Ruhm. Verdient man nur den Preis,
So macht uns wohl kein Groll der frechen Tadler heiß.
Und deine Würdigkeit ist nicht von jener Sorte,
Die ihren Unverstand in hochgesuchte Worte
Und tiefe Reden hüllt, damit man meinen soll,
Sie sey von Wißenschaft wie Mops von Flöhen voll.
Daher hat oftermahls die Unschuld mit zu leiden,
Doch Phoebus kan gleichwohl die rechten unterscheiden.
Durch dich und deinen Fleiß beweis ich diesen Schluß,
Daß Weißheit eben nicht in Bärten schimmeln muß
Und daß sie sich so gut in eine Staatsperrüque
Als in den Bettelsack der Schulmonarchen schicke.
Ein Carmen ohne Wuntsch, ein Manteau ohne Schweif
Sind wieder unsern Staat; drum glaube fest und steif,
Das Glücke werde mich in diesem noch erhören
Und, eh ein Herbst vergeht, den dritten Kranz verehren.

Fußnoten

1 Philosophia eclectica.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günther, Johann Christian. Gedichte. Gedichte. Gelegenheitsdichtungen der Leipziger Zeit. Leipzig Sommer 1717 - Sommer 1719. [Last sehn, wer unter euch am ersten fertig sey!]. [Last sehn, wer unter euch am ersten fertig sey!]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-21F3-E