[212] Fünfter Zeitraum

(Thor vor Mekka. Freier Platz, zur Seite Gezelte, im Hintergrunde das Thor von Mekka.)


Die beiden Chöre.

Erstes Chor.

Des Sieges Fittig hat uns fortgetragen,
Durch Kämpfe, Schlachten, nach Medina hin.
Ja, unsrer Feinde Kraft hat Gott zerschlagen,
Und ihre Blüthen rafft das Schwerdt dahin;
Und auch der Feinde Stolzeste verzagen,
Sie wissen, voll ist ihrer Sünden Maaß.
Die Mütter Mekkas, sie verklagen
Das tapfre Schwerdt, das ihre Söhne fraß.
Zweites Chor.

Der Gott der Starken führt uns durch die Wüste,
Des Sehers Arm gab Sieg, wie sein Gebet,
Medina, die gepriesne Stadt, begrüßte
Als ihren Herrn, den göttlichen Prophet;
Arabia gehorchet unsern Winken,
Die stolze Mekka widersteht uns noch,
Doch ihre hohe Mauern sollen sinken,
Die Niebesiegten tragen unser Joch.
Erstes Chor.

Doch auch der unsern Viele sind gefallen,
Hingeraffet von der Feinde Schwerdt;
Laßt für die Toden Klaggesang erschallen,
Denn ihre Thaten sind des Nachruhms werth.
[213] Beide Chöre.

Bedr, deine Erde hat getrunken
Unsrer Freunde, unsrer Tapfern Blut;
In des Lebens Mai sind sie gesunken,
Sind verlöschet in der Jugend Glut.
Beklagt ihr Mädchen! ihre süße Schöne,
Die Anmuth, die zum dunklen Grabe sinkt,
Arabia! beweine deine Söhne,
Daß sie so früh die lange Nacht verschlingt.
(Halima kommt von der einen, Nahlid von der andern Seite.)
Halima.

Komm, Nahlid! und höre, ein großes Unglück bedroht mich. Sofian, mein Vater, will Frieden schließen mit dem Propheten, mich fodert er zum Unterpfand des Vereins; und kannst du es glauben? Mahomed willigt in den Vertrag.


Nahild.

Nimmermehr, er kann dich nicht so betrüben.

Halima.

Glücklich wäre ich, könnte ich noch den kleinsten Zweifel haben, ja ich wollte gerne sterben, wüßte ich nicht, wie bereitwillig er ist, mich aufzuopfern. Er will nur herrschen, mag auch die Welt darüber zu Grunde gehen, das kümmert ihn nicht. – O Himmel! verzeih, daß ich den Propheten lästere; doch meine Seele ist zu schmerzlich gegen ihn erregt.


Nahild.

Er soll dich deinem Vater nicht zurücksenden.

Halima.

Hast du vergessen, daß es für ihn keinen Widerspruch giebt? Noch ist ihm alles gelungen, noch hat er immer gethan, was er wollte, er wird [214] es heute nicht verlernen, er wird mich zurücksenden, und ich werde verzweiflen, sterben vor Betrübniß.


Nahild.


Ich schwöre dir bei dem Engel des Paradieses, Mahomed soll dich nicht zurücksenden, ehe sterbe ich, ehe ich dieses dulde.


Halima.


Nein, Nahlid! du sollst nicht sterben, du bist so gut, und ich liebe dich auch, doch nicht so, wie du es verdienst, denn meine Seele ist so erfüllt von Anbetung und Liebe für den Seher.


Nahild.


O! das weiß ich wohl, seiner gedenkst du, und immer nur seiner, dein Herz hat keinen Raum für mich, das ist der Todesengel, der neben meinem Leben daher tritt. Warum bin ich nicht gefallen mit meinen Kampfgenossen in unsern Schlachten? Warum bin ich nicht begraben bei Bedr?


Halima.

Du machst mich traurig, Nahlid!

Nahild.

Sey getrost, für dich lebe ich, für dich will ich sterben. Geh! ich suche den Mahomed, bald ist dein Schicksal entschieden.


(Die Chöre und beide ab.)


Omar, Ali.

Omar.

Kann ich den Propheten noch nicht sprechen?
Ali.

Gedulde dich, es sind Abgeordnete der Stämme Odal und Kara bei ihm.
Omar.

Was begehren sie?
Ali.

Sie wollen, der Prophet soll ihnen Abgeordnete senden, die sie im Koran unterrichten.
[215] Omar.

Was waren das für Männer, die eben in das Gezelt Mahomeds traten?

Ali.

Es waren Gesandte des Königs Nejus von Habesch, sie brachten dem Propheten Gruß, Freundschaft und Geschenke.


Omar.


Ich habe mit Obeida's Hülfe die Stämme Thaab und Aum überwunden; aber meine Thaten genügen mir nicht, ich beneide euch um die Siege bei Bedr und Rawina.


Ali.


Es waren zwei große Tage. Bei Rawina waren fünf Völker gegen uns, aber Mahomeds Schwerdt war wie ein zehrendes Feuer; Zaid, Zobair, Abu-Bekr, Hamza und andere kämpften wie Löwen und der Sieg war unser.


Omar.

Abu-Johl blieb in der Schlacht bei Bedr?

Ali.

Die Rache des Himmels hat ihn ereilt, Abdohla's gutes Schwerdt sandte ihn zur Hölle; aber auch Hamza, der edle Hamza, mußte den Sieg bei Rawina mit dem Leben erkaufen.


Omar.

Habt ihr den Sarakos überwunden?

Ali.

Ja, doch nicht mit dem Schwerdt, er ist ein Moslem geworden, besiegt von Mahomeds begeisterten Reden.


Omar.


Wahrlich! Mahomed ist der Sohn des Glückes. Wenn ich an jenen Tag zurückdenke, an dem er ohne Mittel, ohne Freunde, ein verbannter Flüchtling, den ungeheuern Einfall hatte, Arabien zu erobern, mein Geist widerstrebte damals diesen abentheuerlichen Gedanken, aber seine Beredsamkeit [216] hielt meine Zweifel gefangen, und nun ist es ihm doch gelungen, was der Welt und Nachwelt unmöglich scheinen muß; Arabien hat sich ihm unterworfen, er muß sich selbst darüber wundern.


Ali.

Wohl! Aber ist nicht alles wunderbar in und um ihn?

(Mahomed, das erste Chor und kriegerisches Gefolge kommen von der einen, Othmann, Tarrik, Zobair und Saad von der andern Seite, die Vorigen.)

Mahomed.

Sind alle meine Hauptleute versammlet?
Zobair.

Abubekr und Obeida fehlen noch.
Mahomed.

Und warum erschienen sie nicht auf meinen Befehl?
Saad.

Abubekr ordnet deine Völker auf dem Hügel Thu-Tawa.
Omar.

Obeida führt deine Krieger nach den Vorstädten.
Mahomed.

Gut. Ist mein Bote von Mekka zurückgekommen?
Ali.

Wir erwarten ihn jeden Augenblick.
Mahomed.

Wie viele Krieger führst du mir heute zu, wackrer Tarrik?
Tarrik.

Mehr denn Tausende.
Mahomed.

Sey mir gegrüßet, Omar! Ueberwinder zahlreicher Feinde! Wie viel Ansaren führst du?
Omar.

Neun hundert warten deines Befehles.

Mahomed.

So stehn heute zehntausend rüstige [217] Streiter versammelt, um Mekka zu besiegen. Seht, Freunde! so groß und mächtig hat Gott seinen Propheten gemacht, darum verzagt nicht, was ich euch auch befehlen werde. – Wisset, der große Tag ist angebrochen, an welchem wir unsere Siegerfahne auf der geweihten Kaaba aufpflanzen müssen. Ehe noch die Sonne drei Viertheile ihres Laufs vollbracht hat, ziehe ich als Sieger in Mekka ein.


Einige Stimmen.

Unmöglich!
Ali.

Bei deinem heiligem Haupte, Prophet! ich habe dies Wort nicht ausgesprochen.

Mahomed.

Ali! du bist geboren, die Wahrheit, die ich verkündige, mit deinem tapfern Arm zu beschützen; dein Name soll vor allen andern genannt werden, Sohn des Ruhmes!


Saad.

Herr, ich fürchte, wir sind nicht genug vorbereitet auf ein so großes Unternehmen.
Tarrik.

Meine Krieger haben nicht ausgeruht.

Mahomed.

Könnt ihr jetzt noch zweifeln, ihr Kleingläubigen? Der Gott der Stärke war allenthalben mit uns, er sandte tausendmal Tausend Engel, uns den Weg zum Sieg zu zeigen, und jetzt, da wir den Gipfel der Herrlichkeit und Macht erreicht haben, jetzt fürchtet ihr? Erinnert euch des Tages, da wir uns in dem Lager des Großemirs zerstreuten, um unsere Feinde zu bekriegen; damals war unsere Anzahl gering, unserer Mittel wenig und euer schwankendes Vertrauen des Zufalls Knecht; aber ich sprach zu euch: Fürchtet euch nicht, wir werden [218] uns siegreich vor Mekka versammlen; jetzt ist das unbegreifliche Wunder geschehen und ihr zweifelt abermals?


Ali.


Vertraue mir das heilige Panier, ich schwöre dir, Prophet! ich will es heute noch auf die Kaaba pflanzen.


Othmann.

Und ich begleite den Ali.
Omar.

Ich kann nicht Alis Nachtreter seyn, aber gib mir Thaten, ich will sie vollbringen.

Mahomed.

Wohl, so gehorcht. Du, Tarrik, führe deine Krieger nach der Ostseite der Stadt. Zobair, ziehe mit dem Vortrab nach dem zweiten Thor. Omar und Saad führet drei Tausend der Tapfersten nach den Vorstädten, und um die zwölfte Stunde dringt alle zugleich in Mekka ein, laßt jedem, der sich unterwirft, Gnade wiederfahren, denn, beim Allah! ich will jede Grausamkeit, die ihr gegen besiegte Feinde verübt, blutig rächen, höret und gehorchet!


Alle.

Wir thun, wie du gebietest.

Mahomed.

Ich begleite euch nicht, denn ich will nicht mit dem Schwerdt in der Hand die heilige Mekka, betreten, mich soll nicht das Gewinsel der Sterbenden empfangen, friedlich will ich einziehen, so geziemet mirs; heute mögt ihr für mich arbeiten. Geht jetzt, Allah ist mit euch. Bleibe du noch bei mir, Ali.


(Tarrik, Omar, Othmann, Saad und Zobair ab.)

[219] Ali.

Was willst du von mir Herr?

Mahomed.

Ich will dirs nicht verbergen, Ali! daß du mir werth bist vor allen, denn du bist kühn, weil die starke Seele es dir gebietet; du bist tapfer aus Tapferkeit, die andern aber sind es aus Ruhmsucht, das hab ich heute und schon oft erkannt, darum sollst du meinem Herzen von nun an der nächste seyn.


Ali.

Ich habe mir oft deine Gunst gewünscht, aber ich konnte nie sehr darnach trachten.

Mahomed.

Ich weiß es und kenne dich, darum will ich dir noch etwas vertrauen: Sofian wird sich mir heute ergeben, dies ist ein großer Schritt zu Mekkas Besitz.


Ali.

Nun das ist mehr als wir hoffen konnten.

Mahomed.

Trage Sorge, daß die Führer das Volk von Mekka schonen, ich will nicht, daß unschuldiges Blut den heiligen Boden beflecke.


Ali.

Ich will es thun Herr!

(Ali ab.)


Nahlid und die Vorigen.

Nahild.

Herr, laß mich die Erhörung einer Bitte finden, sende Halima nicht zu ihrem Vater.
Mahomed.

Deine Bitte kommt zu spät.

Nahild.

Wenn du mich je geliebt hast, so nimm dein Wort zurück, mein ganzes Leben will ich dir dafür schenken.


Mahomed.


Du weißt Nahlid! wie ungern ich [220] dir etwas verweigere, aber es kann nicht geschehen, es ist unwiderruflich.


Nahild.


O sprich mein Todesurtheil nicht mit diesem Wort; rette! rette! Sofians Tochter; wann du wüßtest, wie sie nur für dich lebt, doch das solltest du nicht erfahren.


Mahomed.

So höre doch, lieber Nahlid! es kann ja nicht geschehen, füge dich der Nothwendigkeit.

Nahild.

Es soll geschehen, du sollst nicht herrisch über sie entscheiden dürfen; sollst nicht alles können, was du willst.


Mahomed.

Besinne dich Nahlid, soll ich von dir erfahren, was ich darf?
Nahlid (sich vor ihm niederwerfend.)

Vergieb! aber tödte Halima nicht durch dein grausames Wort.
Mahomed.

Ich habe sie schon zu ihrem Vater gesendet.

Nahlid (aufspringend.)

Es ist geschehen? – So stockt meine Pulse! Brich mein Herz! Alle Liebe hat sich von mir geschieden, einsam stehe ich am Rande des öden Lebens. Nacht! wohlthätige Nacht! nimm mich auf in deine Schatten, begrabe mich in deine Tiefen, dahin keine Luft und kein Leben kommt. Und du Mahomed! freue dich! dein unzerbrechlicher Wille hat wieder obgesiegt.


Mahomed.

Wahrlich, du rasest!

Nahild.

Ja Raserei war meine unsinnige Liebe zu dir, so sey mein Sterben auch Raserei. Hier endet meine Knechtschaft und deine Tirannei. Tod, [221] komm! zerbrich die Ketten, die mich an den Uebermüthigsten der Menschen fesseln.


(Er rennt sich in sein Schwerdt, Mahomed will es verhindern, aber Nahlid sinkt tod zur Erde.)

Mahomed.

O Nahlid! mein theurer, theurer Nahlid!

(Er verhüllt sich.)

Erstes Chor.

Unselige That!
Die du mit Tropfen
Giftiger Schmerzen
Mischest den Becher
Herrlicher Freuden. –
Dunkele Wolke
Im Mittagsglanze!
Welkende Blume
Im Kranze der Lust!
Wehmuth befällt mich,
Seh ich entblättert
Also die Blüthe
Fröhlicher Jugend,
Ehe des Sommers
Glut sie geküßt.

Al-Abbas, die Vorigen.

Abbas.

Heil dir, großer Prophet!
Mahomed.

Ha! du, Al-Abbas? welche Kunde bringst du mir?
Abbas.

Was ist hier vorgefallen? Ist nicht Nahlid todt? O Allah! er blutet.
Mahomed.

Schweige! o schweige mir von dem Unglückseligen.

(Einige von dem Gefolge tragen Nahlid weg. Lange Pause.)

[222] Abbas.

Trauriger, jammervoller Anblick!
Mahomed (für sich.)

O Nahlid! was hast du mir gethan. Vergib. Abbas! was wolltest du mir sagen?

Abbas.

Ich bringe dir Abu-Sofians Gruß; er wird sich dir unterwerfen. Aber du kennst ihn, weißt, wie er stolz und hartnäckig ist, darum begegne ihm nicht wie einem Ueberwundnen.


Mahomed.


Erwiedere seinen Gruß in meinem Namen, ich will ihm begegnen als der Ersten einem, und daß er erkenne, wie ich ihn ehren will, ertheile ich sogleich meinen Kriegern den Befehl, daß Gnade allen Feinden, die sich in Sofians Pallast flüchten, wiederfahren soll. Verkündige ihm diese Botschaft, Abbas! Ich gehe das Zeichen zum Angriff zu geben. Suche das Volk von Mekka in Ruhe zu erhalten.


(Alle, bis auf das Chor, ab.)

Erstes Chor.

Endlich erscheinet
Nah die Entscheidung,
Bald ist erklimmet
Jegliche Höhe;
Bald ist ersieget
Jeglicher Lorbeer. –
Schauer durchzuckt mir
Meine Gebeine,
Aengstliche Schwere
Drückt mir den Busen,
Seh' ich das Ziel nun
Meines Beginnens,
[223]
Muthigen Strebens
Ende vor mir. –
Jegliches Ende
Schrecket die Seele,
Scheucht des Gedankens
Ringen und Streben
Rückwärts. Die Schranken
Aller der Dinge
Werden da sichtbar.
Endlichkeit redet
Wehmuth zum Herzen,
Lähmet das Leben
Muthiger Lust.
Sofian, Halima, Al-Abbas, die Vorigen.
Halima.

Allah sey gepriesen, der euer Herz verwandelt, mein Vater! denn ich hätte es nicht ertragen können, euch wieder als den Verfolger des Propheten zu finden.


Abbas.

Wenn Mahomed kommt, so vergeßt nicht, Abu-Sofian! daß er der Ueberwinder Arabiens ist.
Sofian.

Ich werde sehr daran erinnert.
Erstes Chor.

Mädchen! vernehmen
Wirst du die Kunde,
Die dir auf immer
Bleichet die Wange,
Senket die Blicke,
Trübet die Welt.
Halima.

O Nahlid! Unglückselige Ahndung meines Herzens! Redet, ihr Männer! was ist geschehen?

[224] Mahomed, kriegerisches Gefolge, die Vorigen.


(Lange Pause.)

Sofian.

Das Glück hat zwischen dir und mir entschieden, Mahomed!
Mahomed.

Das Glück?
Abbas (zu Sofian.)

Bedenkt –
Sofian.

Ich begrüße dich als den Propheten des einzigen wahren Gottes, als Arabiens Beherrscher,
(Knieend.)

und so unterwerfe ich mich dir.

Mahomed (ihn aufhebend.)

Steh auf, Sofian! mir zur Seite ist ein Platz deiner würdiger, die lange Feindschaft, die uns entzweite, entschlummere zum ewigen Todesschlaf.


Sofian.


Erkenne, daß mich der Wunsch meines Herzens zu dir führt, und nicht knechtische Demuth noch der Zwang ungünstiger Zeiten. Nimm meine Tochter, ich schenke sie dir, sey ihr Herr und Gebieter.


Mahomed.


Werth, sehr werth ist mir deine Freundschaft, Sofian! aber ich ehre deine Tochter zu sehr, um ihr Gebieter zu seyn, und Nahlids Liebe ist mir zu heilig, als daß ich sie besitzen könnte. – Halima! Nahlid starb für dich. – Geh, Halima! lebe dem Andenken seiner Liebe.


Halima.


So lebt wohl denn, süße Hoffnungen! schönes, freundliches Leben; lächelnde Zukunft, lebt wohl! lebt wohl!


(ab.)


(Man hört Waffengeräusch hinter der Scene.)

Mahomed.

Nimm meine Hand, Sofian! zum Zeichen meiner Freundschaft.
[225] Sofian.

Hier ist die meinige, nichts trenne unsern Bund.

Omar, die Vorigen.

Omar.

Heil und Sieg! Mekka ist unser, die Koreschiten vertheidigen noch eine der Vorstädte.
Mahomed.

Sind schon Gefangne in eure Hände gefallen?

Omar.

Mehr denn zwei hundert. Es sind von deinen grimmigsten Feinden. Wenn mein Wort dir werth ist, großer Prophet! so lasse die Schuldigsten von ihnen noch heute enthaupten.


Mahomed.

Verzeih, Omar! ich kann heute nur Worte der Gnade reden.

(Das Thor öffnet sich, es treten heraus: Abu-Taleb, Ali, Othmann, Zobair, Saad, Tarrik und das zweite Chor, Bürger von Mekka, Bewaffnete, zuletzt wird Kaled in Ketten herbeigeführt.)


Abu-Taleb.


Ich begrüße dich als Mekkas und Arabiens Beherrscher. Sey mir willkommen! du wirst die Friedenspalme in unsern heiligen Boden pflanzen.


Mahomed.


Ja, das werde ich, mein edler Oheim! die Palme soll blühen unter dem Schutze des Siegs und der Kraft.


Ali.

Die heilige Kaaba ist in meine Hände gefallen, dein Siegespanier weht auf ihrem Gipfel.
Mahomed.

Ich danke dir, mein tapferer Ali! Ich danke euch allen, meine Freunde!
Alle.

Heil dir, du Prophet Gottes! Sey unser Herr, unser König!
[226] Ali.

Hier steht Kaled, der giftige Bösewicht! ich bitte dich, sprich sein Todesurtheil!
Viele Stimmen.

Er sterbe! er sterbe!
Mahomed.

Nicht also, meine Freunde! entfesselt ihn!

(Saad lößt ihm die Ketten.)

Kaled.

Bin ich wirklich frei, Mahomed?
Mahomed.

Ja, du bists.

Kaled.

Nun, so schwöre ich dir bei Al-Ozza, ich entsage der Feindschaft mit dir, Mahomed! aber dein Unterthan mag ich nicht seyn. Wenn es dir gefällt, so laß mich nach Persien ziehen.


Mahomed.

Du magst hinziehen.

Ali.

Wie? so ungestraft soll uns der Bösewicht entkommen! Vergönne mir, Prophet! daß ich auf Tod und Leben mit ihm kämpfe, denn sein Leben ist mir eine Schmach.


Mahomed.

Wenn du mein Freund seyn willst, Ali! so kämpfe nicht mit seines Gleichen.
Kaled.

Lebt wohl denn, meine Landsleute!

(ab.)

Mahomed.

Begegnet allen Gefangenen, wie diesem Kaled.
Viele Stimmen.

Heil! Heil! dir, Mahomed!
Zweites Chor.

Herrlich zum Kranze
Reih'n sich die Lorbeern,
Die du ersieget,
Nimmer verwelklich
Blühn sie um dich;
[227]
Denn sie umduftet
Himmlische Kühle,
Denn sie erquicket
Ambrosischer Thau!
Erstes Chor.

Im Schicksal hast du Gottesschrift gelesen,
Dem Sterblichen verkündet Lebenskunde;
Du siehst, was wird, was ist, und was gewesen,
Und ahndend sahst du diese große Stunde.
Abu-Taleb.

Laß uns in die Stadt ziehen, mein Neffe! Das Volk erwartet seinen Beherrscher mit Ungeduld.

Mahomed.

O Allah! sey gepriesen, daß du uns bis hieher geleitet hast mit deiner Kraft, daß du deinen Propheten verherrlichst vor den Völkern der Erde, du hast zu dem Schicksal gesagt: Diene ihm! und zu dem Sieg: Tritt zu seiner Seite! – Du hast den Islam ausgerüstet mit dem Mark des Löwen, mit dem Schwerdte der Cherubim, und zu ihm gesprochen: Geh! durchwandle siegreich die Erde vom äußersten Westen, wo die Sonne untergeht in einem Meer von Dunkelheit, bis zu den Völkern des Osten, über deren Häuptern die Sonne senkrecht steht; denn du bist der Ueberwinder, von dem geschrieben ist: Er wird sich den Aufgang unterwerfen und den Niedergang.

[228]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Günderode, Karoline von. Gedichte. Poetische Fragmente. Mahomed, der Prophet von Mekka. Fünfter Zeitraum. Fünfter Zeitraum. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-208F-7